Oberhausen: Tanzdemo am Tag der Befreiung

2500 mal - In Oberhausen regt sich was!

„Wer nicht tanzt, hat verloren“ - So lautete das Motto der antifaschistischen Tanz-Demonstration am 8. Mai in Oberhausen (NRW) mit ca. 200 Teilnehmer_innen. Anlässlich des 68. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus war dies eine Gelegenheit, gelebte Erinnerungskultur (bezüglich der Verbrechen der NS-Diktatur) mit einer Kritik an den deutschen Zuständen - heute - zu verbinden.

 

Am 8. Mai 1945 wurde Nazi-Deutschland durch die Soldat_innen der Alliierten und der Roten Armee besiegt und Europa vom bisher größten Gräuel seiner Geschichte befreit. 

Zunächst war dieser Tag vor allem in den Augen derjenigen Menschen, die dem nationalsozialistischen Weltbild nicht entsprachen und denjenigen Staaten, die der kriegerischen Aggression des NS-Staates zum Opfer fielen, eine Befreiung.

In der westdeutschen Medienlandschaft wurde vom 8. Mai noch bis 1985 als „Tag der Niederlage“ gesprochen. Ungeachtet dessen ist es für Antifaschist_innen seit jeher ein historisches Datum, an dem die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht und das damit einhergehende Ende des von Deutschland begangenen Menschheitsverbrechens, gefeiert wurde. Dies verband sich stets mit dem Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft, wie auch mit der Ehrung derjenigen Freiheitskämpfer_innen, die z.B. in der französischen Résistance oder bei den Partigiani in Italien erbitterten Widerstand gegen die deutsche Besatzung geleistet haben.  

 

Auch heute noch gibt es Stimmen, die dieser Darstellung einen rechtsradikalen Tatsachen-Revisionismus entgegen stellen und von einer „Vernichtung der deutschen Souveränität“ sprechen. 

So verlinkte etwa der „Freie Widerstand Oberhausen“ (FWOB) auf absurde Verschwörungsideologien, wie die der „Deutschland GmbH“ nach welcher die Bundesrepublik Deutschland lediglich eine Verwaltungsbehörde der Besatzungsmächte des 2. Weltkrieges darstelle, wie sie in der extremen Rechten sehr großen Zuspruch findet. Die Intention dahinter ist klar: Es wird versucht sich mittels einer Umdeutung der Geschehnisse des 2. Weltkrieges der deutschen Kriegsschuld zu entledigen und somit einen revisionistischen Opfermythos herauf zu beschwören. So blieb sich der FWOB einer inhaltlichen Auseinandersetzung - wie erwartet - gänzlich schuldig.

 

Organisiert wurde die klangvolle Demo von der neu-gegründeten Antifa Oberhausen und bildet damit die Auftaktveranstaltung für ein hoffentlich langes und fruchtbares politisches Engagement in der Region.

 

Naziproblem in Oberhausen

An kommunalen Bezugspunkten, die durch den Demonstrationszug in den Fokus der Kritik gerieten, mangelt es in Oberhausen nicht: 

Ein NPD-Kreisverband, der regelmäßig konspirativ zu sogenannten „Forumsveranstaltungen“ einlädt (meist Vorträge mit geschichts-revisionistischem Inhalt), der Sitz der „Unabhängigen Nachrichten“, eine der bundesweit wichtigsten Theoriezeitungen der rechten Szene, Nazis im Umkreis der RWO-Fans, die regelmäßig „Kategorie C“-Konzerte veranstalten und mittlerweile bei allen Konzerten dieser Band das Securityteam stellen, die Kameradschaft „Freier Widerstand Oberhausen“ (FWOB), die bisher insbesondere durch verschiedene „Propaganda-Aktionen" aufgefallen ist und seit kurzem ein neu-gegründeter Ortsverband der „Republikaner" unter Führung von Gerhard Ritter. Hinzu kommen diverse versuchte körperliche und zum Teil bewaffnete Angriffe auf politische Gegner_innen, wie zum Beispiel ein gewaltsamer Übergriff durch Neonazis auf Konzertbesucher_innen des „Drucklufts“ im Hauptbahnhof Ende 2012, bei dem mehrere Punks schwer verletzt wurden.

 

 

Verlauf der Demonstration

Startpunkt der Demonstration war der Ziliansplatz am Sterkrader Bahnhof. Dort versammelte sich  – trotz widriger Wetterumstände – eine feierwillige Menschenmenge von knapp 200 Personen. Diese setzte sich, nach einer kurzen Auftaktkundgebung mit einem Redebeitrag zu Naziaktivitäten und Treffpunkten in Oberhausen Sterkrade zu den Klängen elektronischer Tanzmusik des DJ-Teams in Richtung der Sterkrader Innenstadt in Bewegung.

Bereits im Vorfeld lud die hiesige Kameradschaft „Freier Widerstand Oberhausen“ in zynischem Tonfall zur „Beteiligung“ an unserer Demonstration ein. Das Aufgebot blieb jedoch kläglich, lediglich etwa 8 – namentlich überwiegend bekannte - Neonazis aus dem Spektrum „FWOB“ und „Nationaler Widerstand Duisburg“ begnügten sich damit die Gegend zu durchstreifen und Aufkleber zu entfernen.

Bereits nach kurzer Zeit gelangte der Demozug auf seinem Weg durch die Sterkrader Innenstadt am Tattoo-Laden „Lion Force Colour“ vorbei, welcher der rechten Szene als Anlaufpunkt dient. Unter dem dröhnenden Bass einer 3500 Watt Musikanlage zog die Demo weiter durch die Innenstadt vorbei an vielen interessierten Bürger_innen, die Flyer, welche auf den Zweck der Demo aufmerksam machen sollten, überwiegend erfreut entgegen nahmen.

Eine erste Zwischenkundgebung wurde an der Alsfeldstraße abgehalten. Diese ist seit Jahren Hort einer Aufkleber-Unkultur und neonazistischen Graffiti-Landschaft. Für die Stadt-Oberen - offensichtlich - eine ganz normale Wohnstraße, ist diese ein Freilichtmuseum des Oberhausener Naziproblems. Es zeigen sich hier eine Vielzahl an Stilblüten von Neonazigraffiti mit Texten wie „Frei Sozial National“, „NS-Jetzt“,„Natinaler Widerstand“ (sic!) oder „Tötet Isreal“ (sic!). In dem Mehrfamilienhaus Alsfeldstraße 117 wohnt mit dem Neonazi Sebastian Frost der Museumsbetreiber, der einer der maßgeblichen Gründe für das sichtbare Oberhausener Naziproblem ist. Dieser wurde als Repräsentationsfigur der Oberhausener Nazi-Szene ausgewählt. Wir haben im weiteren kurz über seinen politischen Werdegang berichtet. Insbesondere wurde dem mehrfach geouteten (1, 2) Berufsschüler nahegelegt, seine politischen Umtriebe, derzeit im „Freien Widerstand Oberhausen“ (FWOB), einzustellen, was darüber hinaus auch als Warnung an alle anderen Angehörigen der Kameradschaft bzw. anderer faschistischer Zusammenschlüsse in Oberhausen verstanden werden soll. Eine direkte Konfrontation mit Frost fand nicht statt.

Mit guter Stimmung, viel Musik und dem einsetzenden Regen trotzend, ging es zurück zum Bahnhof Sterkrade, wo, nach einer Abschlusskundgebung, noch etwas weiter getanzt wurde!

 

Nach der Demonstration kam es an der Haltestelle „Lipperfeld“ zu einem Beinahe-Angriff einer größeren Gruppe „Autonomer Nationalisten“ auf 2 abreisende Demonstrationsteilnehmende. Diese konnten dem Angriff knapp entgehen. Ein Übergriff, der sich in eine Reihe weiterer Übergriffe in den letzten 2 Wochen einreiht und der erneut deutlich macht, dass sich in Oberhausen Zustände entwickelt haben, die so nicht mehr länger tragbar sind.

 

Ns-Kontinuitäten

Doch auch wenn die Nationalsozialist_innen besiegt wurden, konnte das Gedankengut bisher nicht vollständig überwunden werden. Im Jahre 2013 ist ein wesentlicher Teil des Bodensatzes, auf dem die nationalsozialistische Ideologie gedeihen konnte, noch immer strukturell(er) Bestandteil der deutschen (Mehrheits-)Gesellschaft. 

Zu diesen Kontinuitäten gehört es etwa, dass antisemitische, rassistische und völkisch-nationalistische Denkmuster in allen Teilen der deutschen Gesellschaft immer noch fest verankert sind. Dieser Zustand des Weiterlebens faschistischer Tendenzen in der Demokratie lässt sich zusammenfassend als Postnazismus bezeichnen.

 

Daher beschränkten sich die Redebeiträge unterschiedlichster Gruppen an diesem Tag nicht allein auf Neonazis, die lediglich eines der offenkundigsten Ausdrücke des Fortlebens nationalsozialistischer Ideologie sind. Vielmehr wurden darüber hinaus jegliche menschenverachtenden Ansichten "in der Mitte der Gesellschaft", sowie strukturelle bzw. institutionelle Ungleichbehandlung thematisiert, wie sie etwa in Form allgegenwärtiger Diskriminierung gegenüber Menschen die der „Norm“ des „weißen hetero-Mannes" nicht entsprechen, oder auch in den Debatten um Sarrazin oder die "Griechenland-Rettung" Ausdruck finden. Zu den staatlichen Aspekten zählen u.a. die Realität ausgedehnter Abschiebungen (z.Bsp. vom Düsseldorfer Flughafen), die menschenunwürdige Asylpolitik (die sich etwa in Oberhausen durch die skandalöse Container-Unterbringung im Asylsuchenden-Lager Weierstraßestraße zeigt, statt (wenigstens) - wie in einigen anderen Bundesländern üblich - die Wohnsituation dezentral zu organisieren), die Nicht-Anerkennung von Verbrechen (Hinsichtlich kolonialer oder rechts-motivierter Gewalttaten) oder der dreiste Vorenthalt politischer Rechte an Millionen in Deutschland lebender und sozial verwurzelter Menschen.

Letzteres bindet die deutsche Staatszugehörigkeit - de facto - noch immer an die „Abstammung“ - womit nichts anderes als das Konstrukt einer „genetischen Volkszugehörigkeit“ gemeint sein kann, welche als nicht-deutsch gelesene Menschen der alltäglichen, wie staatlichen Schikanierung preis gibt und diese einer fiktiven „deutschen Leitkultur“ unterzwingen möchte. Diesen völkischen Denkansatz macht sich nicht zuletzt die in Deutschland entstehende neonazistische „Identitäre Bewegung“ jüngst zu nutze.

 

Deswegen gilt es heute mehr denn je, nicht bloß die Ausprägungen menschenverachtender Ideologien zu beseitigen, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse zu überwinden, die solche Ideologien erst hervorzubringen vermögen. Es ist an uns, sämtliche Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verächtliches, ein verlassenes Wesen ist, zugunsten einer befreiten Gesellschaft, in der das Unterschiedene friedlich in gegenseitiger Anteilnahme ohne Herrschaft miteinander existieren kann. Dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe!

 

Antifa Oberhausen

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Wow wie kann man ein solch wichtiges Thema nur so in den Dreck ziehen. Die KZ überlebenden haben 45 vermutlich auch erstmal ne fette Party gefeiert (Ja verdammt diese Ironie ist eigl. auch unpassend). Leute das is gerade im Kontext zur NSU und den Progromen in Rostock etc. kein Grund zum feiern sondern zum Gedenken. Es ist verdammt ernst. Von den Leuten mit Bierdosen und Israelfahnen mal ganz zu schweigen...

... und außerdem bin ich als "Zivi-Bulle" beschimpft worden nur weil ich über 30 bin.

 

Die Jugend hat eben keinen KaltenKrieg mehr mitgemacht und weiß nicht woher der Wind weht.

So eine Gemeinheit! Deratiges kann tiefgreifende, schwerwiegende psychische Folgen haben. Scheiß Gesindel.

Na gut, ich rief mal wieder die alten RAF-Parolen, klar, ist antiquiert, aber trotzdem, kein Grund beleidigend zu werden.