[B] Bericht/Auswertung Antikapitalistische Walpurgisnacht 2013

Walpurgisnacht

Konzert und Demonstration mit 3000 Menschen im Wedding. Kraftvoll und entschlossen gegen soziale Ausgrenzung und Rassismus.
Die Antikapitalistische Walpurgisnacht begann am Nachmittag des 30.04. mit einer Kundgebung und Konzert im Wedding.

 

Insgesamt bis zu 700 Leute sahen ein breites Spektrum von Künstler_innen und Bands: (S)aint me (X-Berger Schülerband/Punk), Lena Stoehrfaktor feat. MC Josh (Hip-Hop), Refpolk (Hip-Hop), The Bottrops (Punk), The Incredible Herrengedeck (Chanson-Punk), Kaveh (Hip-Hop), Cigil (Liedermacher) und Gitta Spitta (Hip-Hop). Dazu gab es Redebeiträge zu Racial Profiling (KOP), zu Zwangsräumungen (Bündnis Zwangsräumungen verhindern!), zur Unterstützung von Hartz4-Empfänger_innen (Erwerbsloseninitative Basta) und zur Situation von KVU und BAIZ (von eben jenen Projekten). Abgerundet wurde das Programm von einer Vokü.

Im Anschluss an das Konzert startete gegen 21 Uhr die Demonstration. Kraftvoll, entschlossen und laut folgten mindestens 3000 Leute, eine bunte Mischung aus linker Szene und Anwohner_innen, dem Aufruf zum Protest gegen soziale Ausgrenzung und Rassismus. Die Route verlief durch die Weddinger Wohnviertel und führte an Brennpunkten wie dem Amtsgericht, einer Bullenwache (Polizeidirektion 3/Abschnitt 36), dem Quartiersmanagement Pankstraße und dem Leopoldplatz vorbei. Auch das linke Hausprojekt Scherer8 lag auf dem Weg, Endpunkt war der U-Bhf Seestraße. In Redebeiträgen wurden u.a. die Gentrifizierung im Wedding, die rassistische Flüchtlingspolitik der BRD und die kapitalistische Krise thematisiert. Zudem wurde zu den Nazi-Blockaden in Schöneweide und zur Revolutionären Demo am 1. Mai aufgerufen. Am Rande der Demonstration gab es mehrere Dachaktionen, die sich unter anderem mit den politischen Gefangenen Sonja und Christian (RZ) solidarisierten. Auch "einzelne Anwohner sympathisierten [sich] mit den Demonstranten und zündeten von ihren Balkonen bengalische[] Feuer" (Tagesspiegel). Aus der Demo heraus wurde eine Bank entglast, ein Auto brannte am Rande der Route aufgrund spontaner Selbstentzündung aus. Die Polizei konnte niemanden festnehmen.

Insgesamt wurde die vor zwei Jahren begonnene Repolitisierung der (antikapitalistischen)Walpurgisnacht fortgesetzt, was inzwischen auch auf von der Öffentlichkeit so wahrgenommen wird. Dazu beigetragen hat sicherlich die Verlagerung in den Wedding und die kontinuierliche politische Arbeit im Bezirk. Auch konnte einerseits durch die Zusammenführung verschiedener Kämpfe (v.a. Anti-Gentrifizierung, Anti-Rassismus und Antikapitalismus) ein breites Szenepublikum angesprochen und andererseits durch die Verankerung im Wedding die Kiezbewohner_innen erreicht werden. Die spontane Teilnahme von Anwohner_innen beim Konzert und bei der Demo spricht für sich. Dies ist eine von uns positiv gesehene Entwicklung und entspricht unserem Konzept, den Szensumpf zu verlassen und mit Menschen zusammenzuarbeiten, die (auch) von Rassismus und Gentrifizierung betroffen sind.

Dabei ist zu betonen, dass Konzert und Demonstration nur der jährliche Höhepunkt des "Hände weg vom Wedding"-Bündnisses ist. Sie reihen sich ein in vielfältige Öffentlichkeitsaktionen (Graffiti-Jams, Videokundgebungen usw.), Informationsveranstaltungen und der Arbeit mit Akteur_innen aus dem Kiez.

Die Beteiligung von Kiezbewohner_innen an der Demo kann und soll im nächsten Jahr noch gesteigert werden. Zu Konzert und Demo sind noch die Behinderungen durch polizeiliche Willkür bzw. Unfähigkeit anzumerken. So begann das Konzert mit anderthalbstündiger Verspätung, da die Bullen sich zu Beginn nicht in der Lage sahen, die Straße für das Konzert abzusperren. Auch wurde die Demoroute geändert, weshalb nicht am ehemaligen Jobcenter und der SPD-Parteizentrale in der Müllerstraße vorbeigelaufen wurde (dennoch bekam die SPD kurz danach Besuch in der Nacht). Generell sollte sich die Frage gestellt werden, wie damit in Zukunft umzugehen ist. Als Erfolg zu bewerten ist noch, dass trotz militanter Aktionen keine Festnahmen geglückt sind.

Die Arbeit des Bündnisses wird auf jeden Fall kontinuierlich fortgeführt. Dazu zählen neben der Antikapitalistischen Walpurgisnacht 2014 andere übers Jahr verteilte Aktionen, wie etwa Widerstand gegen stattfindende Zwangsumzüge. Der Wedding als Ort, wo sich soziale Kämpfe zuspitzen, ist, auch mit Blick auf verschiedene militante Aktionen (siehe Link-Sammlung unten), in den Fokus der radikalen Linken genommen worden. Unser Widerstand gegen die sich verschärfende soziale Spaltung  wird umso notwendiger!

Hände weg vom Wedding, Mai 2013.

Links:

Antikapitalistische Walpurgisnacht: http://walpurgisnacht.blogsport.eu/
Bündnis "Hände weg vom Wedding": http://haendewegvomwedding.blogsport.eu/
Dachaktion Sonja und Christian: http://de.indymedia.org/2013/04/344183.shtml

Presse:

RBB: http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2013_05/erstermai/1_Mai_Wal...
Berliner Zeitung: http://www.berliner-zeitung.de/1--mai/1--mai---walpurgisnacht-ruhige-wal...
Tagesspiegel: http://www.tagesspiegel.de/berlin/walpurgisnacht-in-berlin-tanz-in-den-m...
taz: http://www.taz.de/Walpurgisnacht-in-Berlin/!115531/

militante Aktionen:

Quartiersmanagements: https://linksunten.indymedia.org/de/node/84816
"The Garden": https://linksunten.indymedia.org/de/node/84471
Amtsgericht: https://linksunten.indymedia.org/de/node/84610
SPD-Parteizentrale: https://linksunten.indymedia.org/de/node/85247

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

1. Mai Nazifrei 2013

 

Durchschnittlicher Provinz-Nazi-Aufmarsch wurde mit allen Mitteln durchgesetzt - trotz Antifa-Mobilisierungserfolg.

 

Gerademal 350 Neonazis hatten es zum Auftakt am S-Bahnhof Schöneweide geschafft. Die GegendemonstrantInnen waren 10 mal soviele. Die kurze Route vom Bahnhof, durch die Brückenstraße über die Spree, mit einem kurzen Schlenker durch Oberschöneweide und zurück zum Bahnhof Schöneweide war offensichtlich ein Kompromiss zwischen NPD und Polizei: Kurz, aber dafür blockadefrei. Auch mit dem neuen Polizeipräsident Klaus Kandt hat sich, trotz der frühen Bekanntgabe der Neonaziroute, nichts an der grundsätzlichen Strategie gegenüber Neonaziaufmärschen geändert: Der Tag war von der Anfahrt bis zum Abbau genau mit den Neonazis abgesprochen. Mit der Lahmlegung des Straßenbahnverkehrs, der S-Bahn und der Spreebrücken, sowie der Bereitstellung von Sonderzügen aus Schönefeld und über Südkreuz, kam man ihnen noch mehr entgegen als sonst. 

Die einzigen, die sich an diese Kompromisslösung nicht halten wollten, waren die antifaschistischen Proteste. Vom Ostkreuz und aus Neukölln machten sich tausende organisiert auf den Weg, teilten sich strategisch auf und bewegten sich durch unterschiedliche Straßen auf die Route zu. Die einzige ernstzunehmende Blockade fand an einer Stelle statt, die als Ausweichroute gehandelt wurde, strategisch aber für viele in eine Sackgasse führte. Alles andere scheiterte gnadenlos an hermetischer Abriegelung durch Gitter und der Verteidigung dieser durch massive Polizeipräsenz, exzessivem Einsatz von Pfefferspray, Knüppeln, Hunden und Wasserwerfern. Keine Neuigkeiten sind die Schikanierung von JournalistInnen direkt am Aufmarsch, die polizeiliche Besetzung von Hinterhöfen und brutale Festnahmen wegen Vermummung o.ä. Delinquenz.

Ein Novum war eine kleine Betonskulptur in der Brückenstraße. Vier Aktivisten hatten sich drei Stunden vor dem Aufmarsch in ihr fest gekettet. Pünktlich zum Start waren auch sie mit einer Hebebühne abtransportiert. Bekanntgeworden ist außerdem die halbstündige Störung der Anreise aus Schönefeld durch einen Feuerwehreinsatz zwischen Grünau und Schöneweide. Erfreulich war auch die Beteiligung der AnwohnerInnen, die sich nicht zuletzt aus Frust gegen die polizeilichen Maßnahmen mit den antifaschistischen Protesten solidarisierten.

 

Wesentliche Dinge ereigneten sich aber im Vorfeld: Einen Tag vorher gab es mit 4.000 Teilnehmenden die wohl größte antifaschistische Demonstration aller Zeiten durch Schöneweide (auch dank der Mobilisierungsstärke einiger Bands, die danach im Kranbahnpark aufspielten). Im Vorfeld wurde regional viel Aufwand betrieben um die AnwohnerInnen zu sensibilisieren (Massenzeitung an alle Haushalte, Nazi-Outings, Antifa-Fahrradtour, Veranstaltungen, Plakat- und Flyeraktionen, Kundgebungen usw.). Die Dauerpräsenz der "Braunen Straße" in den überregionalen Medien seit geraumer Zeit, hatte mit dem 1. Mai einen Höhepunkt erreicht. Noch vor dem 1. Mai wurde dem Buchladen des NPD-Funktionärs Henryk Wurzel gekündigt. Das gleiche Schicksal traf den Club "Dark Side" und die Nazikneipe "Zum Henker". Insofern haben sich die unterschiedlichen Kampagnen und Bündnisse der letzten zwei Jahre in Schöneweide endlich gelohnt.

 

Fazit: Die Neonazimobilisierung war ein klarer Flop. Es wird für Neonazis und ihre SympathisantInnen also immer unattraktiver die Hürden für ein Schaulaufen in kauf zu nehmen. Je kleiner die Aufmärsche desto dringender scheint die Polizei aber ihre Durchsetzung zu nehmen. Den Gegenprotesten mangelte es sicher nicht an Entschlossenheit. Vielmehr ist die polizeiliche Militarisierung bei solchen Versammlungen perfektioniert worden. Eine Entwicklung, die sicher nicht nur auf der Straße verhandelt werden sollte.

 

Bilder: 1. Mai (1, 2, 3, 4), 30. April (1, 2, 3, 4, 5)

 

http://antifa-fh.de.vu/