Wieso haben eigentlich so viele Menschen etwas gegen die Bundesdruckerei?

Bundesdruckerei Polizeikongress

Die Bundesdruckerei war schon mehrmals Ziel von Protest und Aktion, zuletzt anlässlich des jährlich stattfindenden „Europäischen Polizeikongress“: Das Aushängeschild, ein abgewandelter Bundesadler, wurde mit Farbe verschönert. Dabei war der Vogel erst kurz vorher für über 30.000 Euro herausgeputzt worden. Nun fehlt er wieder über der Eingangstür.

Seit 130 Jahren werden in der Berliner Oranienstraße und später auch in Frankfurt Geldscheine, Briefmarken oder Steuerzeichen für Tabakwaren gedruckt. Die Bundesdruckerei gibt aber nicht nur die Finanzpolitik der jeweiligen deutschen Regierungen nach unten weiter. Denn hier werden auch Ausweisdokumente hergestellt, mit denen sich vor allem Migrantinnen und Migranten herum ärgern müssen.

 

Die Bundesdruckerei fertigt die sogenannten „elektronischen Aufenthaltstitel“, auf denen das vorgegebene Ausreisedatum oder die Dauer einer Aufenthaltsgenehmigung vermerkt ist. Diese Plastikkarten sollen nach einem Beschluss der Europäischen Union in allen Mitgliedstaaten einheitlich eingeführt werden. An entsprechenden EU-Forschungen zur Entwicklung der neuen „elektronischen Aufenthaltstitel“ hat die Bundesdruckerei selbst mitgearbeitet. Weitere Teilnehmende waren einschlägige Firmen der Sicherheitsindustrie, darunter L1-Solutions, SAGEM, aber auch Fraunhofer-Institute und der Flughafen Berlin-Schönefeld. Auch das Bundeskriminalamt war mit von der Partie. Heraus kam ein Chip, auf dem unverwechselbare Merkmale abgelegt werden können. Deutsche Polizeibehörden speichern hier Fingerabdrücke und das Gesichtsbild – übrigens auch von Kindern.

 

Die „elektronischen Aufenthaltstitel“ werden damit zur Grundlage für ein riesiges Geschäftsfeld, in dem die Bundesdruckerei prominent vertreten ist: Die Biometrie. Denn wenn immer mehr biometrische Daten erhoben werden, braucht es Geräte zum Erfassen, Speichern, Verarbeiten und Auslesen der Informationen. Hier winken Milliarden.

 

Die biometrischen Daten von Migrantinnen und Migranten werden mittlerweile auf EU-Ebene getauscht. Zwei riesige Datenbanken wurden hierfür errichtet: Zur Beantragung von Visa das Visa-Informationssystem (VIS) sowie zur Identifizierung ihrer Inhaberinnen und Inhaber die Fingerabdruckdatenbank (EURODAC). Das Schengener Informationssystem (SIS) dient darüberhinaus zur Fahndung nach Personen, die es vorziehen sich der Ausreise durch etwa Untertauchen zu entziehen. Diese größte EU-Polizeidatenbank, das SIS, dient der Buchhaltung für unerwünschtes Verhalten und enthält größtenteils Einträge über nicht-deutsche Staatsangehörige. Seit Anfang April wurde es zum SIS II aufgebohrt, nun können dort ebenfalls biometrische Daten gespeichert werden.

 

Noch immer ist kein Ende weiterer Polizeidatenbanken abzusehen. Die EU-Kommission plant ein sogenanntes „Ein- und Ausreisesystem“, wonach sich alle (!) Reisende vor jedem Übertritt einer EU-Außengrenze registrieren müssen - unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Dies beträfe auch Touristinnen und Toruristen oder Studierende. Dabei sollen wiederum die Fingerabdrücke eingesammelt werden.

 

Nicht nur der Gedanke einer totalen Erfassung aller ausländischen Reisenden springt ins Auge. Denn wieder geht es um beträchtliche Investitionen: Einmal durchgesetzt würde das neue System erforderlich machen, dass an allen Grenzübergängen tragbare Geräte zur Erfassung und Verarbeitung der biometrischen Daten verfügbar sind – in den Alpen ebenso wie an jedem kleinen Flug- oder Seehafen.

 

Da freut sich die Bundesdruckerei und nimmt an weiteren EU-Forschungsprojekten teil, um eine weitere Automatisierung von Grenzübertritten vorbereiten. Als Einrichtung mit langer Tradition bietet die Bundesdruckerei unter dem Namen "Visocore" ein Rundumsorglos-Paket an, das den gesamten Prozess der bereits teilweise automatisierten Grenzkontrolle technisch abdeckt.

 

Die Ausweise sollen dafür weiter perfektioniert werden – auf Kosten der Privatsphäre. Geforscht wird zu Mustererkennung von Iris oder Adern und 3D-Passbildern. Zukünftig sollen die Gesichtsbilder in Dokumenten von Computern mit anderen Datenbanken abgeglichen werden. Entsprechende Projekte betreibt die Bundesdruckerei auch an der Humboldt-Universität sowie der Freien Universität Berlin.

 

Kein Geld für die Buchhaltung von Migrantinnen und Migranten! Gegen den biometrischen Verfolgungswahn! Wir bleiben dabei: Europäische Sicherheitsarchitekturen einstürzen!

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Der Text war ein Redebeitrag auf der Kettenkundgebung "Call to Bikes", die heute von der Europäischen Kommission über die niedersächsische Landesvertretung zur Senatsverwaltung für Soziales führte, die wiederum gegenüber der Bundesdruckerei liegt. Weitere Redebeiträge bald ebenfalls auf dem Blog.