Gegen kapitalistische Landnahme in Berlin-Friedrichshain, Mieter_innenspaziergang + Videokundgebung

Keine Rendite mit der Miete!

Spaziergang zu Orten von Mieter_innenverdränung und –widerstand in Friedrichshain

Ca. 60 Menschen beteiligten sich am Abend des 24.4. an einem Spaziergang durch den Stadtteil Friedrichshain, der die Vernetzung von Mieter_innenwiderstand fördern sollte. Er wurde von der AG „Keine Rendite mit der Miete/Friedrichshain“ vorbereitet. Dort haben sich Aktivist_innen des Mieterladens, der Antifa Friedrichshain, der Internationalen Kommunist_innen und Bewohner_innen im Stadtteil engagiert. Vorbilder für den Mieter_innenspaziergang waren ähnliche Aktionen in den vergangenen Monaten in Neukölln und Kreuzberg.

 

Begonnen hat der Spaziergang am U-Bahnhof Frankfurter Allee. Da war es noch ein überschaubarer Kreis. Doch schon bei den ersten Kurzstopp an der Rigaer Straße/Ecke Voigtstraße waren es ca. 60 Teilnehmer_innen. Soviele waren es beim Spaziergang immer, wobei sich die Teilnehmer_innen abwechselten. Es waren Menschen aller Altersgruppen dabei, eben ein Querschnitt der Bewohner-innen im Stadtteil.

 

Hier die Stationen des Spaziergangs:

 

1. Rigaer Straße/Ecke Voigtstraße:  Hier wurde auf vielen  Baustellen hingewiesen. Die Baubranche boomt. Eigentlich vernünftig, wenn man den Wohnungsmangel in Berlin bedenkt. Doch wer kann sich die hier errichteten Wohnungen leisten? Einkommensschwache Mieter_innen und Hartz IV-Empfänger_innen sicher nicht. Schließlich liegen Mieten von ca. 300   für eine Einraumwohnung liegen schließlich über den Satz, den die Jobcenter als Zahlung für die Unterkunft genehmigen.

 

2.) Rigaer Straße/ Ecke Samariterstraße. Hier gab es einen Hinweis zum sichtbaren Niedriglohnsektor durch kleine Löhne und  Spätkäufe und einen erfolgreichen Lohnkampf im in einen Spätkauf für zwei Jahre.

 

3.) Liebigstraße: Hinweis auf das Green Village

Dann wurde auf  die Großbaustelle des Green-Village hingewiesen, das die Sanus-AG im Herbst letzten Jahres auf der   Messe Expo Real in München vorstellte und auf die Tiefgarage hinwies. Schließlich ist für Käufer_innen der 142 Eigentumswohnungen  auf dem Areal beruhigender, wenn hier Luxusautos in dieser Region geschützt geparkt werden und der Widerstand gegen das Carloft in Kreuzberg zeigt, dass ein zu protzig zur Schau gestellter Reichtum noch mehr Widerstand herruft. Diese Strategie scheint aufzugehen. Denn nicht nur wurde der Bau des Green-Village widerstandslos in der BVV durchgewinkt, auch die Nachbar_innen interessieren sich bisher wenig für den Bau  von teurem Eigentumswohnungen in einer Gegend, wo viele Menschen wohnen, die nicht zu deren Zielpublikum gehören.

 

4.)  Frankfurter Allee 5 – 17: 

Dazu gehören die Bewohner_innen der als „Stalinbauten“  in die Geschichte eingegangenen Gebäude, die jetzt saniert werden wollen. Diese Häuser sind eng mit der Geschichte der DDR  (17.Juni 1953) verbunden. Als „Arbeiterparadiese“ waren sie von der SED-Regierung geplant. Hier sollten Lohnabhängige in hellen, warmen und trockenen Wohnungen leben. Dass war keineswegs selbstverständlich, waren doch die proletarischen Kieze bisher eng, mit Hinterhäusern, feuchten Schlafzimmern und kalten Außenkloos bekannt. Nach der Wende gab es verschiedene Verwalter, die nur die nötigsten Reparaturen an den Häusern zu machen. Mittlerweile sind viele  Wohnungen leer. Nur die Mieter_innen, die teilweise seit Jahrzehnten in den Häusern leben und sich noch mit am Aufbau beteiligt haben, stören. Mittlerweile gibt es verschiedene Kündigungsversuche, sogar das Herausstellen von Schuhen vor die Wohnungstür wird für Abmahnungen genutzt. Aber die Mieter_innen wehren. Sie haben einen Mieter_innenrat gegründet und es gab auch schon öffentliche Veranstaltungen. Während der Kundgebung bedankten sich mehrere Bewohner_innen der Häuser dafür, dass sich jemand gegen die drohende Verdrängung engagiert. 

 

5.) Liebigstraße/Ecke Rigaer Straße :

 Dieser Platz ist seit Jahren ein Medienthema und wird gerne mit der Hausbesetzer_inenbewegung in Verbindung gebracht. Auf der Kundgebung würde betont, dass es sich dabei um Mieter_innenkämpfe handelt. Denn die überwiegende Mehrheit der einst besetzten Häuser wurden in den 90er Jahren legalisiert, also handelt es sich um Mieter_innen. Deshalb war  die Räumung der Liebigstraße 14 nicht die  Räumung eines besetzten Hauses sondern eine  Zwangsräumung, die nicht nur eine Wohnung sondern ein ganzes Haus betroffen hat.            An dieser Stelle hat der Musiker Geigerzähler einen hervorragenden musikalischen Beitrag zur Kundgebung geleistet. Er hat sich davor auch noch einmal  gegen falsche Spaltungen in Mieter_innen und  Hausbesetzer_innen gewandt.

 

6.) Boxhagener 26 und Umgebung: Danach ging es in den Südteil von Friedrichshain zur Boxhagener Straße 23, wo Wohnungen in Feriendomizile umgewandelt werden, weil es dafür keine Genehmigungen gab, hat die BVV eine Rückabwicklung verordnet. Doch viele Mieter_innen sind schon ausgezogen und die restlichen Bewohner_innen stehen unter Druck. Es  gab auch einen  Hinweis auf die  Boxhagener 33, wo  die Mieter_innen  im letzten Jahr Widerstand gegen  eine Baumfällung im Hof   organisierten und über Monate  Transparente gegen Mieterhöhungen und Verdrängung aus den Fenstern hängten. Heute scheinen die letzten Mieter_innen aus dem Haus vertrieben worden sein, das jetzt eine große Baustelle ist. In einem Kurzbeitrag wurde noch einmal daran erinnert, wie wichtig es ist, dass sich Mieter_innen verschiedener Häuser vernetzen und koordinieren, damit er langfristig bestehen kann.

 

Krossener Straße 20:    

Die letzte Station des Mieter_innenspaziergangs war die Krossener Straße 20. Vor dem Eine-Welt-Shop wird auf Papptafeln über geplante Mieterhöhungen informiert. Ein Betreiber des Ladens informierte kurz über die aktuelle Situation. Nach einem Eigentümer_innenwechsel soll die Miete verdoppelt werden, mittlerweile konnte ausgehandelt werden, dass noch einige Monate die alte Miete gelten, aber dann die Verdoppelung eintreten soll. Für einen Laden, in dem keine großen Profite zu erwarten sind, ist eine solche Verdoppelung der Miete fast nicht zu realisieren. Die Folge: Nicht nur einkommensschwache Mieter_innen sondern auch Ladenbesitzer_innen mit geringer Gewinnmarge sind von Verdrängung betroffen. Dass dieses Problem auch erkannt wird, zeigte die Reaktion auf die Redebeiträge. Gerade in der Gegend um den Boxhagener Platz applaudierten nicht nur Gäste von Restaurants sondern auch Beschäftigte und viele Bewohner_innen.  Welche Renditerwartungen hier für die Investoren realisiert werden kann, berichtete  eine Mitarbeiterin des Mieterladens in der Kreutziger Straße,  einer Anlaufstelle für Bewohner_innen, die sich über ihre Rechte informieren und juristisch beraten lassen wollen.  Danach wird eine 97 Quadratmeter  große Wohnung in der Boxhagener Straße die bisher  675 Euro  kostete, seit 1. April  eine Miete von   1600 Euro beworben, nachdem der langjährige Mieter ausgezogen war. Bei solchen Wertsteigerungen finden viele Vermieter immer  Gründe, Mieter loszuwerden  

 

Von Pierburg nach Neupack - ihr Kampf  ist unser Kampf

An den Mieter_innenspaziergang schloss sich eine Videokundgebung auf dem Boxhagener Platz an, auf dem es verschiedene Redebeiträge gab. Die Internationalen Kommun_innen, dieTeil der AG „Keine Rendite mit der Miete/Friedrichshain“ ist, zog einen Zusammenhang zwischen hohen Mieten und niedrigen Löhnen und  erinnerte daran, dass es in beiden Fällen um die Höhe der Profitrate geht.

Wenn die Jobcenter Hartz IV-Empfänger_innen auffordern, die Kosten ihrer Miete zu senken, sollten wir das erst nehmen und uns unter der Losung „Mieten runter – Einkommen und Löhne rauf“ organisieren. Ein weiterer Redebeitrag  machte die Pläne des antikapitalistischen  M31-Bündnisses bekannt, auch in Deutschland europäische Streiks zu unterstützen.    Ein Aktivist des Berliner  Solikomitees mit dem Neupack-Streik erinnerte an den längsten  Arbeitskampf der letzten Jahre bei Neupack. Am Ende wurde der Film „Pierburg - Ihr Kampf ist unser Kampf“  (http://de.labournet.tv/video/6489/pierburg-ihr-kampf-ist-unser-kampf) gezeigt, der an einen damals sehr bekannten und erfolgreichen  Streik migrantischer Frauen von vor 40 Jahren in Neuss erinnerte. Das Motto „Ihr Kampf ist unser Kampf“ gilt auch noch heute, ob bei Neupack, beim Kampf von Lohnabhängigen an der europäischen Peripherie oder den von Verdrängung bedrohten Mieter_innen in Friedrichshain, das war die klare Botschaft von Mieter_innenspaziergang und Videokundgebung.            

 

Wie weiter?

„Es wird Zeit, dass ihr endlich was gegen steigende Mieten macht, war öfter zu hören. Mehre Passant_innen hinterließen Kontaktadressen, weil sie über weitere Aktionen informiert werden wollten. Das macht deutlich, dass ein solcher Spaziergang ein wichtiger Schritt für die stadtteilweite Koodinierung von Mieter_innenwiderstand sein kann. Wie es weitergeht, wird zusammen mit den interessierten Mieter_innen beratschlagt werden.   


Homepage der AG Keine Rendite mit der Miete/Friedrichshain:

 

http://mietenstoppfriedrichshain.blogsport.de

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http://www.neues-deutschland.de/artikel/819832.spazieren-gegen-rendite.html

 

25.04.2013  // Berlin / Brandenburg

 

Spazieren gegen Rendite

 

Stadtteilinitiative in Friedrichshain will Widerstand gegen Mietervertreibung organisieren

 

Von Peter Nowak

 

Die Baustellen sind in der Rigaer Straße in Friedrichshain nicht zu übersehen und zu überhören. »Doch für wen werden diese Wohnungen gebaut«, fragt Heinz Steinle (Name geändert). Der Aktivist der Stadtteilinitiative »Keine Rendite mit der Miete« verweist auf die Schilder, auf denen Käufer für die neu errichteten Eigentumswohnungen gesucht werden.

 

Menschen mit geringen Einkommen können sich eine Wohnung im »Green Village« (Grünes Dorf) bestimmt nicht leisten, das auf dem Areal der Rigaer Straße 18/19 errichtet wird. Als die Sanus-AG das Projekt mit den 142 Eigentumswohnungen auf der Expo-Real vorstellte, wurde der vermögenden Klientel ein Wohnungskauf mit dem Hinweis auf die Tiefgaragen schmackhaft gemacht.

 

Käufer für Eigentumswohnungen werden auch für die Anfang der 50er Jahre von der DDR errichteten Bauten in der Frankfurter Allee 5 - 17 gesucht. »Wohnen im Baudenkmal« lauten die Werbeplakate. Viele Wohnungen stehen dort derzeit leer. Die noch verbliebenen Mieter, die teilweise seit Jahrzehnten dort wohnen, befürchten die Verdrängung. Vor einigen Monaten haben sie in den Häusern einen Mieterrat gegründet und auch schon mehrere öffentliche Veranstaltungen organisiert. »In vielen Häusern in Friedrichshain regt sich Widerstand gegen die drohende Verdrängung. Aber oft kämpft noch jedes Haus für sich allein«, berichtet Steinle.

 

Die Stadtteilinitiative »Keine Rendite mit der Miete« will diesen Zustand ändern. Als ersten Schritt organisierte sie am Mittwochabend einen Stadtteilspaziergang zu Orten des Mieterwiderstands in Friedrichshain. In den letzten Monaten hatten solche Spaziergänge in den Stadtteilen Neukölln und Kreuzberg zur stärkeren Kooperation der dortigen Mieter und Abstimmung ihrer Proteste geführt.

 

Wenn auch die Eigentümer unterschiedlich sind, so sehen die Aktivisten das Grundproblem in dem Versuch, möglichst viel Rendite aus den Wohnungen zu ziehen. Die Mieter bleiben dort oft auf der Strecke. So sind in der Boxhagener Straße 33 die letzten Mieter ausgezogen. Monatelang hatten sie mit Transparenten gegen die Luxusmodernisierung des Hauses protestiert. Als die ersten Bäume im Hof im Frühjahr letzten Jahres gefällt werden sollten, organisierten sie sogar gemeinsam mit Unterstützern eine kurze Blockade.

 

Weiteres Renditeobjekt ist die Boxhagener Straße 26, wo sich die Mieter ebenfalls gegen die Umwandlung in Eigentumswohnungen wehren. Auch vor diesem Haus wollten die Spaziergänger gestern Abend auf ihrer Tour Halt machen. Danach sollte es zu weiteren Häusern rund um den Boxhagener Platz gehen, in denen sich die Rendite für die Eigentümer massiv erhöht hat. Ein Beispiel nennt eine Mitarbeiterin des Mieterladens in der Kreutziger Straße, eine Anlaufstelle für Bewohner, die sich über ihre Rechte informieren und juristisch beraten lassen wollen. Danach wird eine 97 Quadratmeter große Wohnung in der Boxhagener Straße, die bisher 675 Euro kostete, seit 1. April für eine Miete von 1600 Euro angeboten, nachdem der langjährige Mieter ausgezogen war. Bei solchen Steigerungen finden Vermieter immer Gründe, Mieter loszuwerden. Der Stadteilspaziergang will ihre Selbstorganisierung stärken.

 

Infos und weitere Termine auf mietenstoppfriedrichshain.blogsport.de