Solidarität mit den Heidenheimer Flüchtlingen!

Vor dem Flüchtlingsheim in der Walter-Wolf-Straße

Am 21.3.2013 demonstrierten über 30 Asylbewerber vor dem Landratsamt Heidenheim, um auf ihre Situation bei den Verantwortlichen aufmerksam zu machen. In einem Brief an OB Bernhard Ilg sowie den Kreistag wiesen die Flüchtlinge auf die mangelnde Qualität der zweimal wöchentlich ausgegebenen Essenspakete sowie der Kleidung hin, und baten darum, das Sachleistungsprinzip zugunsten der direkten Auszahlung von Geld aufzugeben, um ihre Versorgung selbst organisieren zu können.

 

Die Debatte um die Situation der im Kreis Heidenheim untergebrachten Flüchtlinge schlägt sich seit einiger Zeit verstärkt in der Berichterstattung lokaler Medien nieder. Hierbei geht es vor allem um die miserablen Lebensbedingungen, denen sich die Flüchtlinge im "Übergangswohnheim" in der Walter-Wolf-Straße ausgesetzt sehen, angefangen von stark sanierbedürftigen, engen Wohnverhältnissen und mangelnder Hygiene hin zur unzureichenden Versorgung der Menschen mit Kleidung und Nahrungsmitteln. Erwachsene Personen erhalten derzeit 137 Euro Taschengeld, sowie Lebensmittelpakete und zweimal im Jahr ausgegebene Sommer- bzw Winter-Kleidung. Von den genannten 137 Euro muss zudem eine Eigenleistung von 50-60 Euro für optionale Deutschkurse aufgebracht werden.


Entgegen dem in einem Bericht der Heidenheimer Zeitung suggerierten "teilweisen Entgegenkommen" des Landratsamtes werden die Flüchtlinge momentan mit ihren Problemen allein gelassen. Die seitens des Sozialdezernenten Anton Dauser geäußerte Weigerung eines Heidenheimer "Sonderweges" in der Frage des Sachleistungsprinzips wirkt reichlich absurd, wenn man bedenkt, dass dieser angebliche Sonderweg in Schwäbisch Gmünd bereits praktiziert wird. Dort führten mehrere Protestaktionen der Flüchtlinge zur Abschaffung der Sachleistungen zugunsten direkter Auszahlungen von Geld.


Abseits von Lippenbekenntnissen und teilweisen Empörungen einzelner Politiker von Grünen und Linken gibt es bis dato in Heidenheim keine erkennbaren Ansätze der Politik, die Situation der Flüchtlinge zu verbessern. Eine öffentliche Diskussion wurde für den 29.4. anberaumt - freilich mit offenem Ausgang.
Aufgrund der mangelhaften und einseitigen Nahrungsmittel wird die Annahme der Essenspakete von den Flüchtlingen aus Protest momentan verweigert, wobei die Menschen mit ihren geringen Möglichkeiten selbst für ihre Verpflegung aufkommen. Da bis zu der Entscheidung des Landrates noch knapp 4 Wochen vergehen, ist eine solidarische Unterstützung der Flüchtlinge dringend geboten!


Vor dem Hintergrund des Flüchtlingsprotestes machte sich daher vergangenen Samstag gegen 14 Uhr eine Gruppe antirassistischer Aktivistinnen und Aktivisten ins Wohnheim in der Walter-Wolfstraße auf, um ihre Solidarität für die Forderungen der dort untergebrachten Menschen zu bekunden. Hierbei wurde eine erste Kleiderspende übergeben und an die Bewohnerinnen und Bewohner verteilt. Einem internen Aufruf folgten zudem mehrere solidarische Menschen aus der Heidenheimer Bevölkerung, die ebenfalls Sachspenden übergaben. Im Folgenden bot sich die Gelegenheit, die Wohnverhältnisse der Flüchtlinge zu begutachten, die teils zu viert in Zimmern von wenigen Quadratmetern untergebracht sind bzw. der Enge ausweichend in den Fluren des Wohnheims schlafen.


Es verfestigt sich der Eindruck, dass sich die Stadt Heidenheim selbst um die Pflege und Säuberung ihres geliebten Rommel-Denkmals mehr sorgt als darum, für ohnehin schon gesellschaftlich ausgegrenzte Menschen würdige Lebensverhältnisse zu schaffen. Die Tatsache, dass über den Köpfen vieler Flüchtlinge das Damoklesschwert der Inhaftierung in Abschiebeknästen oder der Deportation schwebt, kommt zu dieser tristen Situation erschwerend hinzu.


Was nicht unerwähnt bleiben darf ist zudem die üble Mischung aus rassistischen und sozialchauvinistischen Geisteshaltungen, die den Flüchtlingen aus Teilen der Bevölkerung entgegenschlagen. So sorgte unlängst eine Umfrage der Heidenheimer Zeitung für Aufregung , nach der knapp 54 Prozent der Abstimmenden würdige Unterkünfte für Asylbewerber ablehnen. Unabhängig vom repräsentativen Charakter solcher Umfragen fügt sich dieses Ergebnis stimmig ins Gesamtbild. So rotteten sich im November 2012 in Elchingen bei Nattheim "Aktive Bürger" zusammen, um die Unterbringung von 35 Flüchtlingen in ihrem 1500 Einwohner zählenden Dorf zu verhindern. Innerhalb kurzer Zeit hatten 800 Menschen deren Forderung unterzeichnet.


Ein Artikel der HZ, der den Flüchtlingsprotest thematisierte, wurde wegen übelster Hetzkommentare von der Facebook-Seite der Zeitung entfernt.


Angesichts dieser von staatlichem und gesellschaftlichem Rassismus geprägten Verhältnisse ist es dringend notwendig, dass sich lokale Flüchtlingsinitiativen gründen und sich auch Menschen aus der antifaschistischen Bewegung verstärkt für die Problematik sensibilisieren.


Dass es den Flüchtlingen in Heidenheim nicht um Almosen und milde Gaben geht, sondern um Akzeptanz und die Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe, sollte klar sein. Die unmittelbare Forderung nach der Abschaffung des Sachleistungsprinzips ist hier nur ein kleiner, erster Schritt.

 

 


 


Zum Themenschwerpunkt Asyl der Heidenheimer Zeitung:
http://www.swp.de/heidenheim/lokales/hz-asyl./

 

 



Im Folgenden der Brief der Flüchtlinge in deutscher Übersetzung:

 


Sehr geehrte Damen und Herren,


wir bitten Sie uns anzuhören und unsere Probleme bezüglich der uns ausgehändigten Nahrungsmittel (Essenspakete) zu lösen, ebenso die der saisonal ausgegebenen Kleidung für Winter und Sommer.


In der Vergangenheit haben wir mehrfach auf diese Probleme hingewiesen, doch die verantwortlichen Personen konnten diese nicht lösen. Daher sehen wir uns letztlich gezwungen, diese Demonstration vor höheren Autoritäten durchzuführen, damit diese unmittelbar über unsere Situation informiert werden.
Wir kommen alle aus unterschiedlichen Ländern und von unterschiedlichen Kontinenten, und jeder hat seine eigene Ernährungsgewohnheit, wobei der Großteil des ausgegebenen Essens nicht diesen Bedürfnissen entspricht und zudem nicht ausreichend ist. Viele Nahrungsmittel müssen wir selbst kaufen.


Die Qualität des Essens ist ebenfalls nicht sehr hoch und wir sind müde, immer dasselbe essen zu müssen, so dass auch einiges im Container landet. Es wäre sehr hilfreich, wenn wir selbst für unsere Ernährung verantwortlich wären. Ebenso verhält es sich mit der Sommer- und Winterkleidung, die von minderer Qualität ist und die wir alternativlos annehmen müssen (ohne sie durch Geld oder Scheine selbst auswählen zu können).


Wir bitten Sie demütig, über diese Probleme nachzudenken und sie zu lösen. Wir haben nicht vor Probleme zu bereiten, sondern wollen nur angehört werden. Wir wissen von unseren Freunden, dass das selbe Problem in Schwäbisch Gmünd und Aalen gelöst wurde und die Menschen Geld statt Nahrung und Kleidung erhalten. Zudem haben sie freien Zugang zu Deutschkursen, wohingegen wir eine beträchtliche Summe dafür aufbringen müssen, gemessen an unseren 137 Euro monatlich. Wenn wir 20 Euro für zusätzliches Essen ausgeben müssen, sowie 50-60 Euro monatlich für die Deutschkurse, bleibt nur sehr wenig für andere Bedürfnisse übrig.


Aufgrund dieser zahlreichen Probleme und nach so vielen vergeblichen Beschwerden bzw Bitten, unsere Situation zu verbessern, haben wir uns zu dieser Form des Protestes entschlossen, aber eines demütigen und friedlichen Protestes, den wir direkt vor die Entscheidungsträger tragen. Da es eine politische Entscheidung ist, uns Geld anstatt von Essen und Kleidung zu geben, bitten wir Sie diese Angelegenheit im Kreistag zu besprechen.


Wir wären sehr dankbar und erfreut, wenn Sie dieses System ändern und unsere Probleme lösen könnten.


Mit freundlichen Grüßen,
die Menschen aus dem Asylbewerberheim in der Walter-Wolf-Straße in Heidenheim

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Ein aktuelles Flüchtlingsschicksal aus Heidenheim:

https://linksunten.indymedia.org/de/node/71581

es ist erfreulich das in der provinzstadt etwas geschieht.

danke für euer engagement & macht weiter

 

no boarder no nation

dass sich auch noch an anderen Stellen des Hinterlandes etwas bewegt.

 

Solidarität aus dem Allgäu!

Support your Hinterland!

Ich hoffe, dass sich dieses System ändert.

Von Sachleistungsprinzip verdienen sich nur die betroffenen Unternehmen ein goldenes Näschen - sie können Essen kurz vor dem Ablauf zu Sonderpreisen kaufen und an die Menschen verteilen. Mit der Stadt wird es aber zu normalen Preisen abgerechnet.

 

Die Betroffenen leiden unter der schlechten Qualität des Essens. Die Stadt spart kein Geld, weil sie genauso viel ausgeben muss, wie für Geldleistungen.

 

Daher fragt man sich, welche Interessenvertreter die politische Entscheidung beeinflussen.