Relativieren und Umdeklarieren - der Fall Emil Tscheulin

Podium vom 18.03 in Teningen

Emil Tscheulin war ein Teninger Industrieller der frühzeitig das Potenzial und die Wichtigkeit des Aluminiums erkannt hat. Als Gründer der Tscheulinwerke in Teningen war er während der NS-Zeit einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region. Als NS-Wehrwirtschaftsführer bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer hatte er auch außerhalb seines Unternehmens viel Einfluss. Emil Tscheulin unterstützte die lokalen Nazistrukturen aktiv mit Personal, Veranstaltungsräumen und Geld und war als Wehrwirtschaftsführer für die sogenannte "Arisirung" jüdischer Betriebe verantwortlich. Er beschäftigte überdurchschnittlich viele Zwangsarbeiter und lies diese auch ungewöhnlich viele Wochenarbeitsstunden verrichten.


Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Emil Tscheulin 1945 wegen seiner aktiven Tätigkeit für das NS-Regime zu 40 Monaten Internierungshaft und einer Geldstrafe von 5.000 Mark verurteilt; er verbüßte die Haft von 1945 bis 1947. Außerdem entzog ihm die Gemeinde Teningen die Ehrenbürgerschaft.
Kurz vor Emil Tscheulins Tod wurde ihm jedoch in der Nachbargemeinde Köndringen erneut die Ehrenbürgerwürde verliehen und drei Jahre nach seinem Tod wurde eine Ehrentafel an der evangelischen Kirche in Köndringen angebracht.

 

Seit 2011 kämpft eine Initiative für die Entfernung bzw. die Ergänzung der Ehrentafel an der evangelischen Kirche in Köndringen und für eine kritische Auseinandersetzung mit der Person Emil Tscheulin. Aus diesem Anlass organisierte die Initiative DEMON (DEnk-Mal-Ohne-Nazis) eine Podiumsdiskussion mit dem Titel: "NS-Geschichte: Verdrängen oder Aufarbeiten? - Erinnerungskultur am Beispiel Emil Tscheulins."

Rund 200 Menschen sind am 18. März 2013 der Einladung zur Podiumsdiskussion in die Zehntscheuer in Teningen gefolgt. Knapp die Hälfte, so wurde geschätzt, kamen aus Teningen selbst. Auf dem Podium saßen Prof. Dr. Wolfram Wette aus Waldkirch, Dr. Phil Norbert Ohler aus Horben und Günter Stein von der Initiative DEMON aus Köndrigen. Das Grußwort sprach der Bürgermeister von Teningen Heinz-Rudolf Hagenacker.

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Im Artikel oben steht, "als NS-Wehrwirtschaftsführer bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer hatter er auch außerhalb seines Unternehmens viel Einfluss. E. T. unterstützte die lokalen Nazistrukturen .... und war als Wehrwirtschaftsführer für dei sogenannte "Arisierung" jüdischer Betriebe verantwortlich".

 

Diese Angabe ist korrekturbedürftig. Es ist zu unterscheiden zwischen seiner Funktion als Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Freiburg und dem Titel eines Wehrwirtschaftsführers. Letzterer wurde ihm bereits 1938 verliehen, weil er Leiter eines Betriebes war, der als rüstungswichtig angesehen wurde. Besonders während des Krieges wurden auch Nicht- Parteigenossen und eher ablehnend gegen die Nazis eingestellte Personen zum Wehrwirtschaftsführer ernannt - einfach weil sie einen Betrieb hatten, der für die Rüstung produzieren musste.

 

Jedenfalls hatten die WWF in dieser Funktion nichts mit "Arisierungen" zu tun. Arisierungen waren primär die Aufgabe der NSDAP-Gauwirtschaftsberater. Im Gau Baden hatte diese Funktion der Schwiegersohn Tscheulins, Clemens Kentrup, inne. Die Präsidenten der IHK mussten (bei Mittelstandsbetrieben; nicht bei Konzernen) die Verträge genehmigen und hier vor allem den "Kaufpreis" gutheißen. In den meisten Fällen lag dieser weit unter dem Unternehmenswert.

 

Tscheulin wollte sich selbst eine Stahlwollfabrik in Lahr unter den Nagel reißen, wurde jedoch durch Proteste von (deutschen) Kammermitgliedern davon abgehalten. Er schickte einen Strohmann vor, seinen Schwiegersohn, NSDAP-Gauwirtschaftsberater und Tscheulin-Direktor Clemens Kentrup. Tscheulin hat wohl das Geld dazu spendiert - es blieb ja in der Familie! (nach Roland Peter: Die Kammer unter dem Hakenkreuz. vollständige Literturangabe siehe Emil Tscheulin in Wikipedia).

 

s. auch meinen heutigen Beitrag zu Otto Krayer und Emil Tscheulin in diesem Blog.