In Heilbronn entsteht seit Ende des Jahres 2012 ein neues selbstverwaltetes linkes Zentrum.
Das „Soziale Zentrum Käthe“, das seit 2010 in angemieteten Räumen in der Heilbronner Nordstadt beheimatet war, wird ab dem Sommer 2013 in einem im Rahmen des bundesweiten „Mietshäuser Syndikats“ erworbenen Haus viel Platz für politische und kulturelle Arbeit und kollektives Wohnen bieten.
Erfolgreich linke Infrastruktur aufgebaut
Entstanden aus einer recht überschaubaren Initiative von Aktivistinnen und Aktivisten, wurde das „Soziale Zentrum Käthe“ schon kurze Zeit nach seiner Eröffnung in den Ladenräumen in der Dammstraße im September 2010 zum Anlaufpunkt für politisch Interessierte und Bewegte der Stadt.
Dass dabei auch zahlreiche Schwierigkeiten und finanzielle Engpässe zu bewältigen waren, verwundert kaum angesichts der Tatsache, dass in Heilbronn seit dem Ende des alten Infoladens im Bahnhofsviertel in den 1980er Jahren kein selbstverwalteter linker Raum mehr existiert hatte.
Jahrelang hatten sich die lokalen Gruppen und Initiativen von einem halbwegs korrekten Unterschlupf zum anderen und wieder zurück gehangelt, ohne den Mut zu finden, etwas eigenes zu entwickeln und aufzubauen.
Dass ohne eigenständige Infrastruktur und Entfaltungsmöglichkeiten fortschrittliche und linke Bewegungen aber immer weniger attraktiv und schwächer werden und dass subkulturelle „Szene“- Nischen dies nicht kompensieren können, wurde dabei völlig außer Acht gelassen.
Die Eröffnung des „Sozialen Zentrums Käthe“ war deshalb auch ein Bruch mit der Tradition des „Geht nicht“ und „Haben wir ja leider Nicht“ und schuf eine völlig neue Arbeitsgrundlage für Menschen in der Region, die Interesse an emanzipatorischem Engagement haben.
Verschiedenste Veranstaltungen, steigende BesucherInnenzahlen und ein wachsender Kreis von im Zentrum engagierten Menschen verdeutlichten das Potential und die Notwendigkeit eines unabhängigen, politischen und kulturellen Zentrums in der Stadt.
Die Anziehungskraft der „Käthe“ ging dabei über die eines reinen Veranstaltungsraumes hinaus und aus dem Umfeld vor allem vieler junger Leute entwickelten sich eigene Projekte und Strukturen wie das „Offene Antifaschistische Treffen“ (OAT) und der „Arbeitskreis Internationale Solidarität Heilbronn“.
Vom Laden zum eigenen Haus
Vor diesem Hintergrund entstand die Überlegung, einen qualitativen Sprung zu wagen und ein Haus für ein neues und deutlich größeres Zentrum zu erwerben.
An der kompletten finanziellen Autonomie von Stadt, sonstigen staatlichen Institutionen und etablierten Parteien sollte unbedingt festgehalten werden. Wir waren und sind immer noch der Meinung, dass ein Zentrum, in und von dem aus auch offensiv Gesellschaftskritik betrieben wird, am glaubwürdigsten und handlungsfähigsten ist, wenn es juristisch, monetär und politisch unabhängig ist.
Wie geschaffen für ein solches Vorhaben schien deshalb das aus der Freiburger HausbesetzerInnenbewegung hervorgegangene Modell des „Mietshäuser Syndikat“. So entstand Anfang des Jahres 2012 mit der Unterstützung erfahrener Hausprojekte aus anderen Städten eine Heilbronner Projektinitiative des Syndikats. Nach sehr arbeitsintensiven Monaten voller Telefonate, Diskussionen,Verhandlungen, Vereinsgründung, Öffentlichkeitsarbeit, GmbH- Gründung und Finanzplanerstellung, wurde im Herbst 2012 schließlich der Kaufvertrag für unser neues Haus in der Wollhausstraße unterzeichnet. Die Grundlage hierfür waren neben einem Bankkredit vor allem rund 120.000 Euro Direktkredite von solidarischen Einzelpersonen und Projekten.
Mit der Erteilung der Baugenehmigung durch die Stadt im November 2012 fiel dann endgültig der Startschuss für die umfangreichen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen am Gebäude, die sich noch bis zum Sommer 2013 hinziehen werden.
Alles unter einem Dach
Im neuen „Sozialen Zentrum Käthe“ werden sich auf rund 350 Quadratmetern über 5 Stockwerke verteilt verschiedene Bereiche befinden.
Der Keller und das Erdgeschoss werden als öffentliche Räume für politische und kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Außerdem wird es im Erdgeschoss einen Infoladen geben, der Material aus verschiedenen politischen Strömungen verbreitet und archiviert.
Im ersten Obergeschoss werden sich zwei Büros für Gruppen und Organisationen befinden. Das zweite Obergeschoss und das Dachgeschoss dienen bis zu 7 Menschen, die sich für eine aktive Mitarbeit im Projekt entscheiden, als Wohnraum.
Hinzu kommt ein Dachboden, der noch ausgebaut werden kann und ein großer Hinterhof, in dem mit Sicherheit das ein oder andere Fest statt finden wird.
Das Haus befindet sich in einer Hauptstraße in der Innenstadt von Heilbronn. Einige bauliche Mängel und räumliche Einschränkungen haben wir zugunsten der zentralen Lage bewusst in Kauf genommen. Denn wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, momentan eher marginalisierte linke Inhalte in die Gesellschaft tragen zu können und uns langfristig als politischer und kultureller Faktor in der Stadt verankern. Die Präsenz eines ansprechenden, gut erreichbaren Zentrums in der Innenstadt ist dafür deutlich besser geeignet als ein Gebäude in einem Industriegebiet oder am Stadtrand.
Gemeinsam und solidarisch statt Spalterei und Konkurrenz
Unser Zentrum soll Treffpunkt, Arbeitsplatz, Partylocation, Rückzugsort und Wohnraum für viele verschiedene Menschen sein. Als politisches Projekt setzen wir allerdings gewisse Basisbanalitäten voraus, die wir in unserem Selbstverständnis so formuliert haben:
„Die Grundlage unseres Engagements ist das Streben nach einer solidarischen Gesellschaft, die nicht auf Konkurrenz und Profit aufbaut, sondern sich an den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen orientiert, frei ist von Ausbeutung und Unterdrückung und unsere Natur und Umwelt bewahrt (…) Reaktionäre Ideologien wie Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus und Sexismus lehnen wir dabei entschieden ab und wir sehen uns als Teil des Widerstandes gegen diese Unterdrückungsformen. Auch die konsequente Ablehnung imperialistischer Kriege und jeder Form von Militarismus gehört zu unserem Grundkonsens.“
Wer diese Grundsätze respektiert, ist bei uns willkommen und wer im Sinne dieser Grundsätze selbst aktiv werden will, hat dazu in unserem Zentrum die Möglichkeit.
Wir legen Wert darauf, unterschiedliche Analysen, Methoden und Herangehensweisen zu akzeptieren und diese nicht gegeneinander aus zu spielen und sich spalten zu lassen. Stattdessen wollen wir unsere Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen und uns gegenseitig unterstützen und (durchaus auch kritisch) ergänzen.
Konkurrenz, Besserwissertum und Sektiererei versuchen wir zugunsten einer solidarischen und respektvollen Atmosphäre zu vermeiden.
Eine solche Atmosphäre hat es in den letzten Jahren ermöglicht, dass sich in Heilbronn spektrenübergreifend aktive Menschen zusammengeschlossen haben, dass neue und junge Leute sich einbringen konnten und ein relativ lebendiges und konstruktives linkes Leben in unserer Stadt entstehen konnte.
Daran möchten wir anknüpfen und mit der neuen „Käthe“ einen Ort schaffen, der dies auch für kommende Generationen vereinfacht.
Um den erfolgreichen Auf- und Umbau des Hauses gebührend zu feiern, wird es nach dem Sommer ein großes Eröffnungsfest geben.
Genaue Informationen folgen!
Good times are coming...
Soziales Zentrum Käthe | Januar 2013
Freiraum erhalten – RM 16 bleibt!
„In Pieschen existiert heute noch eines der letzten linksalternativen Wohnprojekte der Stadt“ 1
Die Bedeutung solcher Projekte wird immer wieder deutlich, wenn ein Blick auf sächsische Zustände geworfen wird. Sachsen ist bekannt für seine Nazis – die Robert-Matzke-Straße 16 ist dagegen ein Ort für alternatives Wohnen und linke Politik. Jetzt haben wir die Chance, das Haus zu kaufen – oder es zu verlieren. Deshalb brauchen wir deine Unterstützung.
1999 besetzten Antifaschist_innen in Dresden einen Altbau im Stadtteil Pieschen. Sie sanierten das Gebäude und 2002 wurde das Projekt von der Stadt Dresden anerkannt. Seit dem ist es nicht nur ein Wohnhaus, sondern auch Veranstaltungsort für Vorträge, Kinoveranstaltungen, Konzerte und Partys. Die RM 16 ist ein wichtiger Ort des Widerstands gegen Neonazis und reaktionäre Politik in Sachsen. Deswegen war das Haus und seine Bewohner_innen, wie auch andere Projekte in Dresden, oft Ziel von Neonaziangriffen. Allein von 2007 bis 2010 wurde das Haus 13 Mal attackiert. Dabei wurden Fenster eingeworfen, Autos beschädigt und im Garten randaliert. 2010 warf ein Dresdner Neonazi nachts einen Molotowcocktail in das Haus. Nur durch schnelles Handeln konnte der Brand rechtzeitig gelöscht werden, so dass niemand verletzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich 12 Personen im Haus auf.
Ein Naziproblem gibt es nicht nur in Dresden. Die NPD sitzt seit 2004 im sächsischen Landtag, die NSU-Mörder lebten jahrelang unbehelligt im sächsischen Zwickau und nationalbefreite Zonen werden zu No-Go-Areas. Gegen linke Politik hingegen schwingt der Freistaat gern die „Extremismus-Keule“ und versucht antifaschistisches Engagement zu delegitimieren und zu kriminalisieren.
Wir Bewohner_innen der RM 16 wollen angesichts dieser Zustände mehr als ein linkes Wohnprojekt sein. Unser Haus mit einem Bar- und Veranstaltungsraum, einer Galerie und einem Konzertkeller soll eine linke Alternative zum reaktionären Alltag in Sachsen sein. So hat sich beispielsweise die Partyreihe „Squeerdance“ in der LGBT2-Szene Dresdens etabliert, auch vielfältige Konzerte von Hardcore bis Techno wurden veranstaltet. Wöchentlich fand das „Umsonstkino“ statt, in welchem vielfältige Themen bearbeitet werden. In verschiedenen Vortragsreihen widmeten sich die Referent_innen z.B. Religion & Relegionskritik, Antisemitismus & Antizionismus oder regressiver Kapitalismuskritik. Sie wurden u.a. von der Amadeo Antonio Stiftung gefördert.
Zur Zeit müssen diese Veranstaltungen ruhen, da das Bauaufsichtsamt, nachdem es vom LKA Sachsen dazu angehalten wurde, Baumaßnahmen in den Veranstaltungsräumen fordert. Damit können wir jedoch erst anfangen, wenn die Existenz des Projektes gesichert ist – und dafür brauchen wir deine Hilfe!
Wir haben die Chance, unser Haus von der Stadt Dresden zu kaufen. Wir brauchen Spenden oder Darlehen, um einen Kredit aufnehmen zu können. Deshalb bitten wir dich um Unterstützung – macht Soli-Partys, teilt diese Informationen. Spenden nehmen wir gern über folgende Kontonummer entgegen:
Parabel e.V.
KN: 659377101
BLZ: 10010010
Postbank
Verwendungszweck: Erhöhung des Vereinsvermögens
Vielen Dank!
Die Bewohner_innen und Freund_innen der RM 16
Kontakt: klub-rm16@gmx.net
Infos: http://rm16.blogsport.de
1 Heitmeyer, Wilhelm et. al/ Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) Universität Bielefeld (2012): Rechtsextreme Strukturen, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und bürgerschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus in der Landeshauptstadt Dresden.
2 Lesbian,Gay,Bi,Trans*
http://rm16.blogsport.de/2013/01/08/35/