Obamas "Wandel" ist für viele US-Soldaten viel zu langsam

André Shepherd

Berlin, 5. Juni 2009. Was sagt Präsident Obama den verwundeten US-Soldaten heute, wenn er sie im Landstuhl Regional Medical Center (LRMC) besucht? Ein US-Soldat, der in Deutschland Asyl sucht, André Shepherd, 32, weißt, was Obama ihnen, so hofft er, sagen wird: "Wenn Obama es ernst damit meint, der Friedenspräsident zu sein, dann wird er den Soldaten sagen, dafl er die 'overseas contingency operations' einschließlich der Kriege im Irak und in Afghanistan beenden wird, und zwar sofort".


Shepherds Fall hat internationale Aufmerksamkeit erlangt, weil er als erster seit Beginn des "Krieges gegen den Terror" in Deutschland Asyl beantragt hat. Doch auch andere US-Soldaten leisten Widerstand, wie schon unter der Bush-Regierung. Zu den neuesten Fällen, die publik wurden, gehören zwei Soldaten von der US-Armeebasis in Ford Hood, Texas, Victor Agosto und Travis Bishop, denen beiden Militärgericht droht, nachdem sie sich letzten Monat öffentlich geweigert hatten, nach Afghanistan zu gehen. Agosto schrieb in einer Erklärung für die militärische Rechtsberatung, die von seinem Kommandanten eingesehen wird: "Ich werde auf keinen Fall nach Afghanistan gehen. Die Besetzung ist unmoralisch und unrecht. Sie macht das amerikanische Volk keineswegs sicherer. Sie hat die gegenteilige Wirkung."
 
Dies wird Obamas erster Besuch eines Krankenhauses für  Kriegsverletzte aus dem Irak und Afghanistan, seit er Präsident wurde. Landstuhl, errichtet 1938 als Hitlerjugend-Schule, ist derzeit die größte amerikanische Klinik außerhalb der USA und behandelt in Europa, dem Mittleren Osten und Afghanistan stationiertes US-Militärpersonal und einen Teil des Koalitions-Militärpersonals. Laut Marie Shaw, Chefin von Landstuhl Public Affairs, werden alle verwundeten Soldaten, die voraussichtlich nicht innerhalb von 14 Tagen genesen, von den Schlachtfeldern evakuiert und "alle nach Landstuhl gebracht". Sie kommen auf dem Ramstein Air Base an und werden von dort zu der nur 5 km entfernten Klinik gebracht. In der Grundsatzerklärung des Landstuhler Krankenhauses steht: "Wir ermöglichen es dem Soldaten, den Auftrag der US-Streikräfte fortzusetzen."  Aber ca. 90 Prozent der Verwundeten werden stattdessen nach erster Notversorgung in Landstuhl zur Weiterbehandlung in die Vereinigten Staaten geschickt.
 
Wieviele Verwundete kommen durch Landstuhl? Dr. Evan Kanter, Präsident von Ärzte für Soziale Verantwortung sagte: "Im Irak ist das Verhältnis (von Verwundeten zu Toten) 8 zu 1, verglichen mit Vietnam, wo es 3 zu 1 war...Heute können wir die Leute stabilisieren und innerhalb von 24 Stunden zum Luftstützpunkt Landstuhl in Deutschland ausfliegen... Infolgedessen haben wir jetzt Militärangehörige mit schrecklichen Verletzungen, die Ähnliches in einem früheren Kampf niemals überlebt hätten."
 
Laut US-Verteidigungsministerium beträgt die Gesamtzahl von Koalitionssoldaten, die im Irak gestorben sind, bisher 4624 (davon 4306 aus den USA, 179 aus dem UK und 139 Soldaten aus anderen Nationen). 1167 Koalitionssoldaten sind bisher in Afghanistan gestorben (695 aus den USA und 472 aus anderen Nationen, einschließlich 30 aus Deutschland, das nach den USA, UK und Kanada in Afghanistan die höchste Opferrate hat.)".
 
Admiral Mike Muller, Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs, sagte in einem Interview mit der Military Times am 27. Mai: "...wir haben fast 5000 Leute verloren, und wir haben etwa 36 000 mehr, und das Mehr ist kein kleines Mehr, das sind Verletzte und Verwundete." Doch glauben viele Beobachter, dafl das Pentagon untertriebene Opferzahlen angibt. Eine Untersuchung durch Veterans for Common Sense (Veteranen für den Gesunden Menschenverstand) fand heraus, daß bis zum Juni 2007 die Untertreibung etwa 50% betrug. Dr. Kanter erklärte im Juni 2008, dafl die Zahlen des Pentagons " Selbstmorde oder Todesfälle, die nach der Evakuierung infolge  im Kampf erhaltener tödlicher Verwundungen eintraten nicht enthalten, noch selbst den Tod von über 1000 Private Contractors (Söldner). Wenn wir alle Verwundeten, die Verletzten und die medizinisch Kranken mitrechnen, haben wir ein Gesamt von über 70.000...Wir haben bisher über 1.600.000 an Personal eingesetzt (jetzt sind es weit über 1.800.000), berücksichtigt man allein die Fälle von PTSD (posttraumatisches Syndrom) und schwerer Depression hat man drei- bis vierhunderttausend psychiatrische Opfer."
 
Am 19. Januar, kurz bevor er sein Amt antrat, sagte Obama: "Um diesen Krieg verantwortungsvoll zu beenden, werde ich sofort anfangen, unsere Soldaten aus dem Irak zurückzuholen." Bisher sind keine Soldaten aus dem Irak abgezogen worden. Während der ersten fünf Monate von 2009 sind in Afghanistan mehr US- und Koalitionssoldaten gestorben, als in den ersten fünf Monaten eines jeden Jahres, seit der Krieg 2001 begann. Seit Obama das Amt antrat, gab es auch einen 14-prozentigen Zuwachs im Rückstand an Behindertenanträgen von Veteranen, die jetzt fast 1 Million betragen. Letztes Jahr begingen 140 US-Soldaten Selbstmord, eine Rekordhöhe, doch schon während der ersten Monate von 2009 haben 64 US-Soldaten Selbstmord begangen.
 
Alle verwundeten Soldaten, die Obama in Landstuhl besuchen wird, wurden verletzt, nachdem er das Amt antrat. Für diese US-Soldaten und ihre Familien, ist der "Wandel", den Obama versprochen hat nicht schnell genug eingetreten.
 
Anderen US-Soldaten steht Gefängnis oder, wie André Shepherd, Exil bevor. Von seiner Familie in den USA abgeschnitten, lebt Shepherd jetzt mit anderen Asylsuchenden, hauptsächlich Irakern und Afghanen, in einer von der deutschen Regierung zur Verfügung gestellten Einrichtung. Er hofft, daß Obama nicht nur zu den Verwundeten in Landtuhl sprechen, sondern ihnen auch zuhören wird. Er weifl, dafl er selbst nicht nach Hause gehen kann, bis es einen Wandel in der US-Politik gibt.
 
Übersetzt von Eva Brückner-Tuckwiller


Weitere Infos und Unterstützung für André Shepherd:

girights-germany@dfg-vk.de
http://www.connection-ev.de/index.php

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Diese Scheiss Kriege bringen so viel Leid, das kotzt mich maßlos an. Besser werden die Zeiten vorerst kaum werden, wenn man sich die Politiker, die Politikerinnen und die Welt in der "Krise" anschaut. Da wird wohl jemand noch mehr um sich beissen. Der Kapitalismus in der Ecke kurz vor dem Ende oder erst am Anfang der kompletten Unterdrückung der Menschen?

 

Ich weiss es nich

irgendwie komisch hier werden soldaten beweint, soldaten sind mörder! wisst ihr wie egal mir es ist wie es denen geht? kein wort über opfer in der irakischen/afgahnischen bevölkerung. die soldaten sind freiwillig soldaten, haben sich alle mal entschieden berufsmörder zu werden, sie sind täter nicht opfer! die leute, die in den mit krieg überzogenen ländern wohnen tun mir leid, weil sie haben sich das nicht ausgesucht, sie wurden nicht gefragt ob sie da bock drauf haben, die können nicht weg ohne alles zu verlieren, um deren post-traumatische prbleme kümert sich keine sau.

trotzdem natürlich respekt den deserteuren.

gegen militär und nicht für ein erträglicheres soldaten dasein!!!!!!!!!

 

 

du musst aber auch beachten, dass bei der derzeitigen sozialen situation in den usa für viele junge menschen aus der unterschicht die army die einzige chance ist, einen halbwegs lohnenden job zu bekommen. grundsätzlich hast du und auch tucholsky recht, aber du kannst nicht alle über einen kamm scheren. und ich finde es auch extrem respektabel, sich als soldat, also staatsangestellter gegen einen schon fast kryptofaschistischen staat wie amerika zu stellen.

Militär abschaffen bedeutet Kapitalismus abschaffen.

du gehst nicht wirklich auf meine kritik ein: hier gehts zu wie in bürgerlichen medien, aufwendig werden die "eigenen" toten beweint, aber wann hast du das letzte mal bilder von leidenden afgahnen gesehen? sowas kommt im fernsehen nicht und auch todesmeldungen kommen nur selten, wie gesagt bei denen eigenen wird ein mords trara gemacht mit sondersendung und pipapo und genau das fängt hier auch an. wieso gibts hier keine artikel über die leute die wirklich am arsch sind? wieso werden die mit keinem wort in dem obigen artikel erwähnt? ps: militarismus gibts meines wissens auch ohne kapitalismus

Es gibt einen Schreibfehler in dem Artikel von mir oben, die ich hier korrigieren möchte.  Ich habe  geschrieben:

 

"1167 Koalitionssoldaten sind bisher in Afghanistan gestorben (695 aus den USA und 472 aus anderen Nationen, einschließlich 30 aus Deutschland, das nach den USA in Afghanistan die höchste Opferrate hat)."

 

Es sollte heißen: "...einschließlich 30 aus Deutschland, das nach den USA, UK und Kanada in Afghanistan die höchste Opferrate hat.)" 

 

In dem Afghanistan-Krieg hat UK 166 Gestorbene und Kanada 118 Gestorbene.

 

Die Quelle für diese Information ist http://icasualties.org/oef/, deren Recherche auf die Berichte des U.S. Verteidigungsamts (Department of Defense) basieren.

 

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Elsa Rassbach

elsarassbach@gmail.com