Im Folgenden werden wir unsere Erlebnisse und Einschätzungen vom Aktionstag des „War starts here“ (warstartsherecamp.org) Camps und zu Bullen- und Militärstrategien während des Camps schildern. Für eine Zusammenfassung der Ereignisse des Aktionstags und der dazugehörigen Presse möchten wir auf den Text „War starts here – Aktionstag GÜZ: Zusammenfassung, Presseecho und erste Bewertung“ vom 18.09.2012 auf Indymedia verweisen (https://linksunten.indymedia.org/en/node/67243).
Wir betrachten bei unserer Auswertung auch die Letzlinger Protestkundgebung „Jedes Camp braucht seinen Platz“ und das Camp selber und hoffen, etwas von unseren Erfahrungen an andere Leute weitergeben zu können, sowie ein paar Funken der Begeisterung zu versprühen. Eine Auswertung der Diskussionen auf dem Camp lassen wir in diesem Text bewusst aus und führen sie an anderer Stelle. Dazu kurz: wir fanden die Diskussionsrunden einen gelungenen Anfang zum Weiterdiskutieren und freuen uns schon auf die vielen Offenen Briefe, die den Aufruf „Start the Wort - Krieg den Brief!“ anknüpfend an die Diskussionen auf dem Camp hoffentlich folgen werden: „Beim War Starts Here Camps entstand die Idee, die dort oft nur angerissenen Diskussionen in Form öffentlicher Briefe fortzusetzen.“ (Ein Briefblog wird bereitgelegt und bis dahin können Briefe auf die Website von bundeswehr-wegtreten gesendet werden (http://warstartsherecamp.org/de/story/start-wort-krieg-den-brief)). Desweiteren gibt es Möglichkeiten an Themen, die auf dem Camp diskutiert wurden weiterzudiskutieren auf dem BUKO 2013 in München. Hier werden u.a. Antimilitarismus und Aufstandsbekämpfung Themenschwerpunkte sein (http://www.buko.info/de/buko-aktuell/). Falls es ein nächstes Camp gibt, sollten wir die Chance wahrnehmen, dass so viele unterschiedliche Aktivist_innen aus unterschiedlichsten Kontexten zusammenkommen und mehr Raum für Diskussionen bieten. Denn die Vorbereitungen zum Aktionstag haben die spannenden Diskussionen zu sehr verdrängt.
Resümee einer kleinen Bande
Als ambitionierte Kleingruppe oder Bande haben wir das „War starts here Camp“ beim GÜZ mit großer Spannung und Vorfreude erwartet und uns auch entsprechend vorbereitet.
Das GÜZ ist mit seinen 230 Quadratkilometern ein riesiges Gelände, und so fanden wir es ratsam, uns das Gebiet zuvor anzuschauen, um nicht vor lauter Bäumen nur noch Wald zu sehen. Denn fährt mensch auf den Bundesstraßen außen am GÜZ vorbei, erscheint es, als wären dort über Kilometer hinweg nur Wald und Heide. Taucht mensch jedoch mal ins militärische Gelände ein, lassen sich dort erstaunlich viele Orte zum Markieren und Sabotieren finden. Besonders hilfreich dabei fanden wir das Kartenmaterial, das auf der Website zum Camp zur Verfügung gestellt wurde. Wir hörten, es sei zu jeder Jahreszeit möglich auf dem GÜZ herum zu spazieren. Das Gelände ist nicht umzäunt, nur an den Zugangswegen gibt es einfache Schranken. Diese könnten jedoch zur Not beseite geschafft oder ihre Schlösser entfernt werden. Die weißen Verbotsschilder des Militärs waren für uns gut überlesbar. Herumspazieren sollte mensch auf dem GÜZ dennoch mit gewissen Vorsichtsmaßnahmen: wichtig ist es zum Beispiel, nicht auf den Wegen zu laufen, sondern in den angrenzenden Waldgebieten neben den Wegen oder sich querfeldein bewegen. Lieber auch mal einen Umweg in Kauf nehmen. Wegen der Manöver sollte ganz besonders auf die Panzer aufgepasst werden, die mit nicht zu unterschätzenden Geschwindigkeit fahren. Wenn ein Militär-Konvoi oder ähnliches kommt, blitzschnell in Deckung gehen und in die Heide/ das Gebüsch fallen lassen, denn dort sehen sie einen meist nicht. Wenn die Militärs euch gesehen haben ist weglaufen auch eine gute Methode, so wie es viele Banden nach dem Aktionstag berichteten. Wichtig zu wissen ist, dass auch einige Orte der Infrastruktur auf dem GÜZ eingezäunt und Videoüberwacht sind, vor allem große Funkmasten und die Kommandozentrale. Dort, wo die Ausbilder_innen der und auszubildenden Mörder_innen schlafen, walten und verwalten – in der Zentrale und in der Kaserne - laufen Patrouillierende zum Schutz ihres Tötungsgeräts mit scharfer Munition herum. Auch wenn Manöver stattfinden, wird nachts bewaffnet patrouilliert, vor allem um den Stützpunkt oder die Biwaks herum. Die anderen Orte, wie die Übungsdörfer, sind, wenn nicht gerade genutzt, recht unkompliziert erreichbar und für antimilitaristische Markierung und Sabotage frei zugänglich.
Eine ernstzunehmende Gefahr geht dann in der Abenddämmerung noch von Wildschweinen aus, wenn mensch ihnen zu konfrontativ begegnet. Erprobte Methoden, wenn sie auftauchen und sich durch uns gestört fühlen, sind, sich ruhig zu entfernen oder mit eisernen Gegenständen aufeinander schlagen und Lautstärke erzeugen.
Yes we Camp!
Zurück zum Camp: Zwei Wochen vor dessen Beginn zogen sich einige dunkle Wölkchen über unserem aktionsfreudigen Optimismus zusammen. Zum einen durch die Schwierigkeiten beim Antifa-Camp in Dortmund und zum anderen durch die Ankündigung in den Presseberichten über die erste gemeinsame Übung von Bullen und Militärs in Verbindung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom August, die den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren ermöglicht.
Punkt eins beunruhigte uns, da wir uns fragten wie es sein kann, dass vor dem Hintergrund eines so brisanten Themas, wie der NSU und den Verwicklungen zum Verfassungsschutz, ein Antifa-Camp in Dortmund so wenig Unterstützung fand. Und dass es so wenig Wut und Entschlossenheit gegen das Verbot des Camps und damit des antifaschistischen Widerstands in einem von organisierten Nationalist_innen dominierten Gebietes gab. (Eine empfehlenswerte Auswertung zum Antifa-Camp in Dortmund findet ihr unter: http://de.indymedia.org/2012/11/338572.shtml).
In Bezug auf das Antimil-Camp in der Altmark hatten wir daraufhin die Befürchtung, die Behörden könnten mit einem weiteren quasi-Campverbot durchkommen. Die Tatsache, dass es zwei Wochen vor dem Camp beginn noch keinen Campplatz in Letzlingen gab und die Behörden- wie nicht anders zu erwarten- auch nicht daran interessiert waren, der Forderung nach einem geeigneten – sprich in unmittelbarer Nähe zum GÜZ befindlichen – Platz nachzukommen, unterstrich die Bedenken. Was, wenn ein weiteres Mal kaum jemand kommen würde und sich nicht genügend Wut über die Verbote unseres Protests in entschlossenen Widerstand verwandeln würde?
Was uns besonders verärgerte, war die Annahme von einigen Aktivist_innen, falls kein Campplatz vorhanden sei, dann würden die Leute auch nicht kommen und ihn erstreiten. Da stellt sich die Frage: hat der Kapitalismus und das dazugehörige Konsumverhalten auch schon unseren Widerstand vereinnahmt wenn kein entsprechender „Komfort“ gegeben, ist mensch nicht dabei? Oder werden andere Widerstandszusammenkünfte als ein Camp - in denen wir für eine kurze Zeit herrschaftsfreies Leben organisieren, diskutieren und agieren ausprobieren können - bevorzugt? Viele Genoss_innen haben ihre ersten gemeinsamen Erfahrungen aktionistisch und selbst organisatorisch meist auf Aktionscamps gemacht. Sind Camps als Widerstandsform für uns noch wichtig? Eine weiterführende Diskussion über die Frage Camps ja oder nein fänden wir interessant.
Punkt zwei, der erste gemeinsame offiziell angekündigte Einsatz der Bullen und Militärs seit 1945, flößte uns schon ein bisschen Angst ein. Zumal mensch diesbezüglich kaum auf Erfahrungen zurückgreifen konnte. Höchstens auf Zusammenstöße mit einzelnen Soldat_innen oder Feldjägern bei Gelöbnixen oder beim Bombodrom etc. Mit Mathematik versuchten wir unsere Ängste zu bezwingen, denn 1000 Bullen und ca. 300 Feldjäger_innen auf 233 km² macht ca. 5 Schweine auf 1km² - das sind nicht so viele. Da gibt’s wohl mehr Wildschweine den mensch begegnen könnte und wir schlussfolgerten: eine hohe Quote für unser Durchkommen. Trotzdem wussten wir natürlich nicht, was die gemeinsame Planung und Vorgehen von Bullen und Bundeswehr mit sich bringen, was sich die Gegenseite alles einfallen lassen, wie dicht die Bewachung des GÜZ werden würde. Und so blieb eine gewisse Unsicherheit, ob wir unsere Pläne, das GÜZ zu entern und zu sabotieren, wirklich erreichen würden.
Kritik an der Mahnwache "Yes we camp!" am Marktplatz in Letzlingen
Die Marktplatzmahnwache, die mit ihren Zelten, dem Infowagen, der Vokü, Transparenten und Plakaten auf dem ersten Blick sehr nett anzuschauen war, hatte die Schwierigkeit, dass nicht genug Leute gekommen waren, um genügend politischen Druck aufzubauen und sie von Bullen und Behörden ziemlich zermürbt wurden. Rund um die Kundgebung standen Bullen so weit das Auge reichte. Andauernd wurde die Kundgebung mit den verschiedensten peniblen Auflagen schikaniert. Zudem wurde der Marktplatz permanent überwacht und durch eine Kamera auf einem Hausdach abgefilmt. Den Einschüchterungsversuchen und der Zermürbungstaktik der Bullen konnte aufgrund der wenigen anwesenden Aktivist_innen leider nicht richtig Paroli geboten werden. So wurden viele Auflagen, so absurd und unverschämt sie auch waren - wie Aufforderung die Teelichter auszupusten, da offenes Feuer verboten war – zwar scharf kritisiert, aber dennoch umgesetzt. Wir möchten deutlich machen, dass sich unsere Kritik hierbei nicht an die Anmelder_innen richtet, die ständig und sichtbar ätzend von den Bullen belagert wurden, sondern an uns alle, die wir uns verbal gegen Kontrollen, Überwachung und Verbote unseres Widerstands aussprechen, aber in der Praxis doch oft zögerlich sind.
Bei der Auswertung der Protestkundgebung auf dem Letzlinger Marktplatz stimmen wir mit den Autor_innen aP des Textes „War Starts Here Camp – eine Auswertung“ (Interim Nr. 744) darin überein, dass mit der Marktplatzkundgebung nicht genügend politischer Druck aufgebaut werden konnte, um einen Campplatz durchzusetzen. Jedoch widersprechen wir aP in ihrer Einschätzung, die Kundgebung sei „überflüssig und kontraproduktiv“, da sich zum einen der zeitliche Rahmen verlängert hätte und zum anderen wäre „kurz vor dem Camp eine Situation geschaffen worden, die sich zu einer gescheiterten Machtfrage entwickelte“. Denn die Machtfrage lässt sich nicht so einseitig auswerten. Sie lässt sich nicht auf die Schikanen und den vermeintlich fehlenden politischen Druck in Hinblick auf die Durchsetzung eines geeigneten Campplatzes in der Nähe des GÜZ reduzieren.
So teilen wir ebenfalls nicht die Einschätzung des selbigen Auswertungspapiers, dass die Marktplatzsituation auf die Leute „demotivierend und verstörend“ gewirkt haben soll. Die Aktivist_innen auf dem Marktplatz waren zwar sichtlich geschafft durch die Nervereien, die Überwachung der Bullen sowie durch die uns nicht so wohl gesonnenen Bewohner_innen Letzlingens, aber deshalb nicht zerstört oder weniger motiviert.
Und auch die Menschen zuhause, die kurz vor der Abreise standen, hatten, wenn sie die Mitteilungen der Camp-Orga verfolgten, ab Samstag, den 08.09. die Info, dass neben dem Versuch, einen Campplatz durchzusetzen, im Verborgenen eine Ausweichplatz organisiert worden war. Kein Grund also sich von der Marktplatzsituation demotivieren zu lassen. Aufforderung der Camper_innen mit der Losung „Widerstand lässt sich nicht verbieten!“, auf den Marktplatz zu kommen und für ein Campplatz zu kämpfen finden wir auch im Nachhinein unter Berücksichtigung der Erfahrungen durch den zermürbenden und repressiven Maßnahmen der Bullen weiterhin für einen wichtigen Aufruf und eine richtige politische Stoßrichtung, vor allem immer in Zeiten, in denen der Staat versucht, durch Verbote und Kriminalisierung nicht nur Camps zu verbieten. Wir geben zu bedenken, dass es zu kurzfristig war, um viele Menschen zu mobilisieren. Auch wenn’s die Kräfteverhältnisse nicht zu unseren Besten stehen, sollten wir an Parolen festhalten wie: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren!
Erfolg Mahnwache am Marktplatz in Letzlingen
Den Einschüchterungsversuchen der Bullen stehen unserer Einschätzung nach zwei konkrete Erfolge der Mahnwache auf dem Marktplatz entgegen. Es wurden erste Kontakte zur Bevölkerung geknüpft: Anwohner_innen brachten gefrorene Blaubeeren, Kuchen vorbei; Wasser konnte in einem Haushalt geholt werden; morgentliche Grüße wurden den Campierenden zugerufen; es gab Letzlinger_innen, die sich über die Bullenbesatzung aufregten und wehleidig den Abzug vom Autokonvoi zuschauten. Zudem waren wir mit unseren Formen und Inhalten des antimilitaristischen Protestes auf dem Marktplatz ansprechbar für die Bevölkerung. Es kam zu vielen Gesprächen - die sicherlich auch oftmals kontrovers geführt wurden – und so war es möglich, Standpunkte zu benennen und auszutauschen, Argumente pro und contra GÜZ zu diskutieren. Auch wenn viele der Leute vor Ort dem Camp kritisch gegenüber standen, halten wir Kontakt und Austausch mit ihnen für grundlegend, falls wir nächstes Jahr an gemachte Erfahrungen und Protest auflammenden Widerstand anknüpfen und längerfristig einen breiten Widerstand aufbauen wollen. Besonders vor dem Hintergrund der lokalen Berichterstattung, die im Vorfeld gegen das Camp und Aktivist_innen gehetzte und sie als „gewaltbereite Chaoten“ versuchte zu diskreditieren, halten wir eine direkte Präsenz und eine Vermittlung unserer politischen Ansätze vor Ort – praktisch sowie theoretisch – für extrem wichtig und notwendig.
Zweitens war die Kundgebung auf dem Marktplatz ein immer währender Anlaufpunkt für alle während der gesamten Woche und vor allem ein Kristallisationspunkt am Samstag, dem Aktionstag. Für neu ankommenden oder pausierende Aktivist_innen, aber auch Journalist_innen und Interessierte fanden einen gut erreichbaren Ort für Infos etc. Danke an alle die Fels in der feindlichen Brandung waren.
Das Camp
Nach den Erfahrungen auf dem Marktplatz, vor allem bestimmt durch die überwachungstechnischen und repressiven Maßnahmen der Bullen und dem Gefühl, zuwenige zu sein, freute uns besonders die Stimmung, die auf dem Eröffnungsplenum am Mittwochabend aufkam, den Bullen und ihren scheiß Auflagen nicht mehr nachzugeben, sondern sich zu verweigern und ggf. auch zur Wehr zu setzen. Wir waren nun schon so ca. 100 Leute auf dem Camp, hatten einen super Tag hinter uns, geprägt durch einen gemeinsamen Aufbau des Camps bei Sonnenschein, der nicht nur prima funktioniert hat, sondern auch ein Gefühl des kollektiven und solidarischen Miteinanders entstehen ließ.
Auf dem Camp störte uns dann ein wenig die pessimistische Stimmung gegenüber dem Aktionstag, denn bei uns herrschte eher das Gefühl „jetzt erst recht“. Wir hatten bewusst die Entscheidung getroffen zum Camp zu kommen, obwohl klar war, dass Bullen und Staat es unter starke Beobachtung stellen werden, zum einen zumal wir die BRD an einem sensiblen Punkt treffen wollen und zum anderen da der Name des Camps „War starts here“ sich auf eine Kampagne bezieht, die auch militante Politik mit einschließt und im Fokus der Repressionsorgane steht. Glücklicherweise hatten wir bis zum Aktionstag noch drei Tage mit Zeit für das Ankommen, den Aufbau, das Kennenlernen, die Diskussionsrunden, das zusammen Essen und Planen, weiter diskutieren und Ideen an den Feuertonnen spinnen. Vielleicht brauchte es ja diese Tage des Zusammenkommens, um einen solchen Aktionstag mit neu getankter Stärke und Leidenschaft anzugehen. Die Aktionstagsplenas am Donnerstag- und auch Freitagabend fanden wir gelungene Aktionstageseinführungen. Sie waren sehr informativ und gaben Andockmöglichkeiten für Kleinstbanden. Ein bisschen chaotisch empfanden wir die Vermittlung der vier offenen Banden von „pinker Ameisenbär“ zu „blaue Taube“, aber dennoch sehr liebevoll und von offenem, anschlussfähigem Charakter. Unsere Herzen erfreuten sich an den vielen klandestinen kreativen, einfallsreichen und auch detaillierten Vorbereitungen, sowie an den vielen kleinen Banden, die selbstorganisiert und tatenmutig mit den Karten und Kompasse in der Tasche loszogen. An dieser Stelle ein großes Lob und Dankeschön für das super Kartenmaterial, welche vorhanden war. Wir können vorweg schon mal sagen, dass wir uns mit diesen Karten und einem Kompass ausgerüstet sehr gut um und auf dem Gelände zurecht fanden.
Aktionstagserlebnis
Am Tag X, die Bullen waren verschwunden, das Camp war bereits morgens fast leer und selbst dann konnten es noch viele Aktivsit_innen verlassen und sich auf dem Weg zum Ziel machen. Die Befürchtungen vieler Leute, dass die Bullen uns am Aktionstag nicht vom Camp lassen oder an dem Kontrollstellen aufhalten würden, haben sich nicht bestätigt. Und wenn wie hätten sie das wohl begründen mögen? Zwar wurden die Personen- und Fahrzeugkontrollen weiterhin bei nahezu Jeder/Jedem durchgeführt, trotzdessen hatten wir einige Handlungsmöglichkeiten.
Das Ziel war Schnöggersburg! Phase 1 das Entern des GÜZ und den Übungsbetrieb unterbrechen und Phase 3 sich gemeinsam in Schnöggersburg wiederzutreffen. Phase 2 rief dazu auf, das GÜZ lahmzulegen den Weg als Teil des Zieles zu begreifen, indem die Banden sich „Spuren“ hinterlassend fortbewegen sollten. Darauf hatten wir richtig Lust, aber ob wir diese Phase erfolgreich umsetzen könnten, war uns in Anbetracht der vielen Bullen und Feldjäger_innen nicht ganz klar. Mit der Einstellung, wir schaffen es wenigstens über die Bundesstraße 71, hinter der das Gelände des GÜZ beginnt und die im Rahmen der Allgemeinverfügung bereits innerhalb der Versammlungsverbotszone lag, machten wir uns auf den Weg. Beschwerlich gings durchs Dickicht, durch Spinnennetzlabyrinthe abseits der Wege, den Kompass in der einen Hand und der Karte in der anderen Hand, wir lauschten den Geräuschen von möglichen Bullen, Militärautos und über uns kreisenden Hubschraubern und hielten ständig Ausschau und vor jedem zu überquerenden Weg nach Fahrzeugen oder Bullen/Soldat_innen. Die Bundesstraße wurde vorsichtig in Etappen bei freier Strecke überquert. Mit Gefühlen der Hin-und Hergerissenheit, ob wir uns auf dem richtigen Pfade befinden, erreichten wir nach einiger Zeit das Schild zum militärischen Sicherheitsbereich „Wir sind drin“. Wow, Phase eins gemeistert! Nun lag der noch gefährlichere Part vor uns, so schien uns. Aber wir waren ja schon einiges gewöhnt und erprobt und so erreichten wir nach ein paar Stunden unser Ziel. Glücklicherweise hatten wir kurz vor unserer Aktion die Bewegungen der Bullen bemerkt und konnten uns entsprechend darauf einstellen. Dann ging‘s los- und für ein paar Momente konnten wir unseren Zerstörungswillen gegen das kapitalistische, imperialistische und mörderische System ausleben. Mit Adrenalin gefüllten Glücksgefühlen verließen wir den markierten und sabotierten Ort und kehrten nach vielen, genau genommen neun Stunden zurück. Wir erreichten das Camp ohne zu wissen, wie es den anderen Banden ergangen war und was eigentlich noch vom GÜZ übrig geblieben war. Denn Phase 3 „GÜZ umgestalten und an einem zentralen Ort zusammenzukommen, um gemeinsam aktiv zu werden“, haben wir am Ende des Tages weggelassen. Sorry wir hoffen niemand hat dort gewartet. Und fürs nächste Mal: wir glauben, Phase 3 war ein Wunschtraum; als einziges Ziel eher möglich.
Ein Problem stellten die Kontrollen der Bullen zwischen Camp und GÜZ dar. Neben dem beschissenen Gefühl, Namens- und Bewegungstechnisch erfasst zu werden, war das Mitnehmen des Aktionsmaterials schwierig. Wir finden es einen sehr guten Tipp, das Zeug nicht dabei zu haben, sondern es direkt in der Nähe vom GÜZ erst „einzusammeln“. Zu den Kontrollen möchten wir noch anmerken, dass ein Umgehen gut möglich war, wenn mensch zu Fuß (natürlich nicht ausschließlich) und umwegfreudig unterwegs war. Es gab Aktivist_innen die uns geshuttelt haben zu gewissen Punkten und wir wurden wieder abgeholt zur verabredeten Zeit.
Ein Moment, für den sich die Ängste und Zweifel und die konsequenten Versuche gelohnt hatten, war die gemeinsame Freude über die Berichte der anderen Banden abends auf dem Camp. Hier wären wir sehr dankbar über weitere Erlebnisbeschreibungen von Einzelnen oder Banden um die Freude über das mögliche Unmögliche zu teilen und weiterzuvermitteln. Über Indymedia oder an die Campadresse: kontakt@warstartshere.org, mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen versteht sich (verschlüsselt und nicht vom Computer zu Hause)! Jedes kleine Gefühl von „wir nehmen unser Leben in unsere Hände“ scheint uns gerade in Zeiten der gefühlten Depression / Entmutigung (niemand kommt zu Camps) wichtig.
Auf dem Camp gab es so viele strahlende Gesichter mit der klandestinen Freude, die Mordmaschine markiert und gestört zu haben. Viele reisten gestärkt und ermutigt von den erfolgreichen Aktionen, den spannenden Diskussionen, dem solidarischen Miteinander, einem Gefühl gemeinsamen Handelns, neuen Freundschaften ab.
Einschätzung zu Einsatz und Strategien von Bullen und Militär am Aktionstag
Sicher, haben der Aktionstag und das Camp eine Situation für die Bullen und Bundeswehr geboten, einen gemeinsamen Einsatz vorzubereiten und umzusetzen. Ob sie es als willkommenden Anlass für das Üben polizeilich-militärischer Zusammenarbeit gesehen haben, die sie in Zukunft vor dem Hintergrund des möglichen bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren und der Aufweichung der grundgesetzlichen Trennung von Militär und Polizei ausweiten werden oder dieser gemeinsame Einsatz stattfand, da militärisches Sicherheitsgebiet möglichst effektiv geschützt werden sollte, bleibt ungeklärt. Fakt ist, es hat diesen gemeinsamen offiziell angekündigten Einsatz von Bullen und Militär gegeben und sicher haben sie neue Strategien ausprobieren und gemeinsame Operationen trainieren können. Wir finde es aber falsch diesbezüglich zu kritisieren, dass der Aktionstag „im Grund eine polizeilich-militärische Zusammenarbeit ermöglicht hat“ (Auswertung, Interim Nr. 477). Es ist zu einseitig betrachtet, zu meinen, wir hätten ihnen diese Möglichkeit geboten. Deshalb denken wir, die Bullen und Militär haben auf unseren Widerstand reagiert und nicht wir haben ihnen eine Chance geboten. Bei jeder Widerstandshandlung, auf die der Staat oder Repressionsorgane reagieren, nutzen diese die Möglichkeiten aus, um ihre Einschätzungen, Taktiken, Maßnahmen entsprechend zu verbessern und weiterentwickeln. Im Fall des GÜZ, erscheint es wahrscheinlich ziemlich drastisch, da die Zusammenarbeit von Bullen und Militär noch ein gewisses „Neuland“ für uns darstellt. Aber die Richtlinien sind bereits abgesteckt, an den Plänen wird nicht erst seit diesem Sommer gearbeitet. Wir sollten uns lieber auf weitere gemeinsame Einsätze von ihnen einstellen und vorbereiten. Deshalb finden wir es viel wichtiger, das Ganze aus unserer Perspektive zu betrachten. Wir haben viel dazu gelernt, wir haben neue Erfahrungen auf einem neuen Terrain (geographisch und politisch) machen können. Die erfolgreichen Aktionen, das Wegesuchen und -finden, das Entern und Markieren von Kriegsinfrastruktur, das Versteckspielen, gemeinsames Agieren in großen anschlussfähigen Gruppen von völlig unterschiedlichen Leuten, selbstorganisierte Banden, Shuttle-Service… all das sind Erfahrungen, die sehr wertvoll sind und die uns extrem gestärkt haben. Auch wenn wir nicht in Massen unterwegs waren, es hat viele und phantasievolle Aktionen gegeben. Wir fühlen uns überhaupt nicht wie eine passive Übungsmasse oder „Statisten im Kriegsspiel“ mit denen „gespielt“ wurde (Auswertung, Interim Nr. 744).
Die Annahme, dass die Bundeswehr und das Militär die Leute am Aktionstag absichtlich auf das Gelände gelassen hat, und „auf dem GÜZ Aufstandsbekämpfung geübt haben“ (Auswertung, Interim 744) teilen wir keineswegs. Wir gehen eher davon aus, dass Militär und Bullen die Lage so einschätzten, dass sie nicht in der Lage sind, ein so großes Gelände mit 1000 Bullen und 300 Feldjäger_innen komplett abzuriegeln und zu schützen. Es sind eventuelle Schäden an Material und Infrastruktur zu befürchten gewesen. Mal ganz abgesehen vom Imageschaden, den die um ihr Ansehen stets kräftig bemühte Bundeswehr zu befürchten hat, wenn Antimilitarist_innen auf ihrem militärischen Sicherheitsbereich herumspringen, markieren und sabotieren und damit ihre politische und materielle Angreifbarkeit demonstrieren.
Somit scheint uns, dass der Fokus nicht auf das Absperren des Geländes bzw. ein Verhindern vom Entern der Aktivist_innen gelegt wurde. Vielmehr haben sie sich auf das Erfassen von Daten zu Personalien, Bewegungen, Gruppenzusammenhängen etc. durch ihre zahlreichen Kontrollen und auf die Sicherung Kontrollzentrums konzentriert sowie auf Schikanen und Repression bei den Kundgebungen in Letzlingen und vor dem GÜZ. Wir gehen auch nicht davon aus, dass die Bullen eine (rechtliche) Handhabe gehabt hätten, uns am Verlassen des Camps zu hindern oder das Gelände des GÜZ ausreichend zu sichern.
Fazit: Unsere Kreativität ist gefragt, wie Widerstand leisten und auf die Gegenseite und ihre Strategien zu reagieren und nicht die Unmöglichkeit vorauseilend heraufzubeschwören.
Schlussfolgerungen zum Camp und Ausblick
Das Camp bot eine Chance aus verschiedenen Spektren mit unterschiedlichen antimilitaristischen Ansätzen zusammenzukommen, Alltag und Reproduktionsarbeit – wenn auch nur ein paar Tage – kollektiv zu bewältigen, sich gegenseitig auszutauschen, zu diskutieren, mehr kennenzulernen und voneinander zu lernen, nicht vereinzelt in Kleingruppen aus der Ferne anreisen und loslegen, sondern als ein „Wir“-Gefühl von Widerstand entstehen lassen und gemeinsam handlungsfähig am Aktionstag zu sein.
Solch ein kollektiver und solidarischer Umgang untereinander während des Camps hätte sich auch stärker in Bezug auf die stattfindende repressiven Maßnahmen und Schikanen der Bullen bereits während der Kundgebung auf dem Letzlinger Marktplatz und des Camps entwickeln müssen, als direkte Reaktion und vor Ort. Daran sollten wir noch arbeiten. Zu wenig Widerstand und Verweigerungshaltung war präsent, zu viel wurde hingenommen; bei Kontrollen und Durchsuchungen wurde nicht direkt Einspruch eingelegt und/oder der polizeiliche Bescheid über die Maßnahmen zur Ansicht verlangt oder Versuche die Bullen anzugreifen und zu vertreiben. Vieles mehr wäre möglich gewesen und hätte die Bullen richtig genervt. Anstatt angesichts der maßlosen Kontrollen und Überwachung der Repressionsorgane den Kopf in den Sand zu stecken, unterstützen wir den Aufruf, der auf dem Plenum zur Repression am Sonntag auf dem Camp von formuliert wurde, sich gegen die repressiven Maßnahmen, wie Kontrollen, Datenspeicherung, Durchsuchungen von Fahrzeugen, Abfilmerei beim nächsten Camp besser zu organisieren und zur Wehr zu setzen und auch anwältlichen Beistand die ganze Zeit über vor Ort zu haben.
Wir sehen auch einen Erfolg darin, dass es ist gelungen ist im Rahmen des Camps das Thema GÜZ und Schnöggersburg in der Öffentlichkeit bekannter zu machen und antimilitaristische Perspektiven gegen Bundeswehr, Nato, Militarisierung der Gesellschaft und Aufstandsbekämpfung zu vermitteln. Wir sollten da jetzt dranbleiben und die Aufmerksamkeit, die zur Zeit auch aufgrund der politischen Situation (Stichwort: bewaffneter Einsatz von Bundeswehr im Inneren, Nato-Strategie-Papier „Urban Operation 2020“(http://warstartsherecamp.org/de/story/milit%C3%A4r-den-stra%C3%9Fen)) erreicht wurde, nutzen. In der Kampagne „War starts here“ sehen wir hierfür einen gemeinsamen Bezugspunkt um sich aufeinander zu beziehen und verschiedene Kämpfe vielfältig kontinuierlich und zusammen-/zuführen. Die Versuche der Kriminalisierung der Kampagne und der Aktionen, die sich auf die Kampagne beziehen, damit auch dem Camp, kommen nicht ganz unerwartet. Kann doch die Kampagne vielfältige und sichtbare antimilitaristischen Aktionen und Protest, dort, wo es Militär und Politik stört und angreift, aufweisen. Und auch das Camp mit dem erfolgreichen Aktionstag, der breiten Beteiligung verschiedener antimilitaristischer Gruppen – von autonomen, anarchistischen bis hin zu friedensbewegten Gruppen – und einer guten Öffentlichkeitsarbeit hat einen Ausgangspunkt für wirksamen antimilitaristischen Protest und Widerstand geschaffen. Die Versuche der Gegenseite, dieses zu zerstören, werden wir mit entschlossenem Widerstand beantworten. Der Text „Repression, Antirepression, Solidarität“ der Camp-Orga (Indymedia 18.09.2012, https://linksunten.indymedia.org/en/node/67243 gibt eine gute Zusammenfassung sowie politischen Einordnung der stattgefundenen Repression wieder. Den Aufruf, einen kollektiven Umgang damit zu finden, können wir nur unterstreichen.
Fazit Camp
Wir haben erfolgreich üben können, uns in Banden im Wald so zu bewegen, dass wir nicht vom „Feind“ ertappt werden - auch nicht von Hubschraubern –, unseren Weg (querfeldein und nicht auf direkt auf den Wegen) mit Karte und Kompass ausgerüstet gehen konnten. Wir konnten Orte markieren und sabotieren, wir konnten ein Manöver stören und den Panzer ansprühen, wir kamen ungesehen weg. Für uns ist es eine wichtige Erfahrung gewesen, das die Gegenseite nicht alles kann- Wendland Deluxe! Vielleicht hatten wir auch verdammt viel Glück, aber es zeigt sich das Widerstand immer wieder geübt und kreativ strategisch und nicht als zwecklos gedacht werden sollte.
Trauen wir uns mehr zu! Wir halten den Widerstand gegen das Güz als ausbaufähig betreffend der Strategien, unterschiedliche Aktionsformen, die Kräfte bündelnd wirken können. Einige Menschen vor Ort haben angefangen, mit unserem Widerstand zu sympatisieren. Der Aktionstag hat gezeigt, dass sie so ein grossen Gelände nicht schützen können, ähnlich wie im Wendland. Die Mahnwache und die Demonstration haben Bullenkräfte gebündelt und so Freiräume für die Aktivist_innen auf dem GÜZ-Gelände geschaffen. Dass Militär und Bullen zukünftig öfters gemeinsam eingesetzt werden, sollten wir in unseren Widerstandsstrategien miteinbeziehen- früh übts sich. Wo gäbe es gerade einen zentraleren Ort für antimilitaristischen Widerstand, als das GÜZ? Auf dem Soldat_innen zu Mörder_innen ausgebildet werden und in postkoloniale Kriege für die BRD, ihre Kapitalinvestitionen und neuen ausbeuterischen Absatzmärkten, den alten und erneuerbaren Energieressourcen geführt werden? Auf dem eine Stadt gebaut wird, in der Militär und Bullen üben, wie zukünftig arme Bevölkerungsteile und Überflüssige an den Stadträndern in Zaum gehalten werden können?
Wo sonst ein Camp, ein Kristallisationspunkt von Widerstand schaffen, ein GÜZ abschaffen - für alle, die Antimilitarismus, No Boder, Antifaschismus und nicht zuletzt Anti Gentrifizierung, als politisch offensive Begriffe in ihren Handeln einbeziehen? Wir würden uns an der Stelle über eine gemeinsame Auseinandersetzung, Kritik und bessere Vorschläge für unsere widerständige Zukunft freuen?
Zu leben heißt zu kämpfen.
Kein ruhiges befriedetes Hinterland für die Nato!
Wir wollen wieder ein Camp – länger, größer, wärmer!
Eine pinke Bande
NATO-Sicherheitskonferenz 2. Februar 2013
Krieg beginnt hier. Beenden wir ihn hier. Für die soziale Revolution. Smash NATO/Siko!
BLOCKIEREN – Rüstungsexporte stoppen! Die Sicherheitskonferenz stören!
DESERTIEREN – Bundeswehr raus aus Schulen, Unis und anderen Ländern!
SABOTIEREN – Kriegsgerät verschrotten! Generalstreik jetzt! Solidarität mit den Kämpfen der lohnabhängigen Klasse weltweit! Kapitalismus abschaffen!
Kommt zur Demonstration gegen die NATO-Sicherheitskonferenz am Samstag 02. Februar 2013 in München – Beteiligt euch am antikapitalistischen Block!
www.al-m.org
www.sicherheitskonferenz.de