Zum erneuten Missbrauch der Bretzenheimer Gedenkstätte am „Feld des Jammers“ durch die NPD

Das allerletzte Aufgebot

Denk ich an dieses Deutschland in der Nacht- dann bin ich um den Schlaf gebracht (Prof. Franz Hamburger)
Wie bereits in den Vorjahren hat die NPD Rheinland-Pfalz um ihre Vorsitzende Dörthe Armstroff und den ebenfalls angereisten Nazi-Kadern Markus Walter, Safet Babic und Ricarda Riefling den diesjährigen Volkstrauertag genutzt um am ehemaligen Bretzenheimer Rheinwiesenlager „Feld des Jammers“ im Rahmen ihres „Heldengedenkens“ einen Kranz niederzulegen. Hierbei beschränkte sich das Gedenken auf die Toten im Rahmen des alliierten Befreiungskampfes 1945. Die Ursachen, die zu Krieg und Leiden von Millionen von Menschen führten nämlich faschistische Gewaltherrschaft und eine beispiellose Missachtung jeglicher Menschenwürde erschlossen sich den Anwesenden erwartungsgemäß auch dieses Jahr nicht.

 

Dass lediglich 14 überwiegend ältere Nazis dem Ruf ihrer Vorsitzenden Dörthe Armstroff gefolgt sind kann als Erfolg der antifaschistischen Gegenaktionen der Vorjahre verbucht werden, lässt auf den inneren Zustand ihres rheinland-pfälzischen Landesverbandes schließen und für die Zukunft hoffen.


Völlig blamiert hat sich die Bad Kreuznacher Polizei um Polizeioberrat Rainer Nehren. War dieser bei der Klageveranstaltung der Faschisten noch anwesend fehlte er hingegen bei der anschließenden Gegenkundgebung und demonstrierte damit eindrucksvoll ein Gesinnungsbild der Kreuznacher Polizei, die noch nach Abzug der Nazis Antifaschisten, die zunächst mit mehreren Platzverweisen für das Gelände um das Mahnmal überzogen wurden, den Zutritt zu der Gedenkstätte verwehrte.


Nachdem der Kranz der NPD entfernt worden war fand im Anschluss die Kundgebung des Bündnisses gegen Rechtsextremismus und das Pfarramtes für Ausländerarbeit statt. Dieses Jahr sollten hierbei neben Jugendlichen aus der Umgebung in erster Linie Wissenschaftler zu Wort kommen.


Zunächst erläuterte der Historiker und stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende der SPD, Dr. Michael Vesper die zunächst katastrophalen humanitären Zustände des Lagers unter amerikanischer Verwaltung in den Monaten vor und nach dem endgültigen Ende der faschistischen Terrorherrschaft 1945. Erst nach Übernahme der Lager durch die französische Armee habe sich die Lage vor Ort verbessert.


Die Tatsache, dass am Feld des Jammerns lediglich der Toten des alliierten Lagers gedacht wird ohne auf den Kontext, nämlich die Verbrechen des faschistischen Regimes vor und während des Zweiten Weltkrieges hinzuweisen, nannte Vesper die „offene Flanke der Gedenkstätte“, die es Rechtsextremisten erst möglich mache die Ereignisse der Zeit nach der Kapitulation Hitler-Deutschlands 1945 in ihrem Sinne umzudeuten. Vesper plädierte dafür die Gedenkstätte Bretzenheim zu einem Ort des Gedächtnisses an alle Opfer des Nazi-Regimes zu machen, also neben den Toten der Rheinwiesenlager explizit auch das Schicksal der Menschen ins Bewusstsein zu rufen, die durch die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten in Konzentrations- und Vernichtungslagern ihr Leben ließen. Somit könne dem Missbrauch des Ortes durch Neofaschistische Gruppen und Parteien der Boden entzogen werden.


Im Anschluss an Vespers Beitrag schlug der emeritierte Mainzer Erziehungswissenschaftler Prof. Franz Hamburger den Bogen von den Ereignissen der Vergangenheit in die aktuelle Gegenwart. Hamburger nannte es eine ekelhafte Perversität wenn die NPD versuche aus den Toten eigene Opfer zu machen. Zudem thematisierte der Wissenschaftler die durch rassistische Vorurteile in den Sicherheitsbehörden mit verursachten Ermittlungspannen bei der Aufdeckung der NSU Mordserie. Unter gequältem Beifall der anwesenden CDU-Landesvorsitzenden Julia Klöckner kritisierte Prof. Hamburger die Absichten von deren Unionskollegen und Bundesinnenminister Friedrich das „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismus Abwehrzentrum“, welches zunächst aufgrund des offensichtlichen Versagens der Behörden bei der Bekämpfung rechtsextremistischer Verbrechen eingerichtet werden sollte um Abteilungen zur Bekämpfung von „Spionage, Ausländerextremismus und Linksextremismus“ zu erweitern. Damit würden als Konsequenz aus Morden der rechtsextremistischen NSU sogenannte „Ausländer“ und vermeintliche „Linksextremisten“ verschärft überwacht. Hamburger schloss seinen Beitrag vor der anwesenden Polit-Prominenz mit den Worten „Denke ich an DIESES Deutschland in der Nacht- dann bin ich um den Schlaf gebracht“.

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Das hier Prof. Hamburger zugeschriebene Zitat stammt aus Heinrich Heines "Nachtgedanken", einem hochgradig politischen Gedicht, das bis heute nichts an seiner Aktualität verloren hat. Sowas *kann* mensch übrigens wissen, wenn mensch sich politisch engagiert.