[KE] Offener Brief an die BigBox Allgäu zum Frei.Wild Konzert am 22.12.2012

Scheiß Freiwild

Am 12.11.2012 verschickten Antifaschist_innen einen offenen Brief an die BigBox Allgäu, Oberbürgermeister Ulrich Netzer und an große Medien wie z.B. die Allgäuer Zeitung und Antenne Bayern. Um eine Absage des Konzerts, der neofaschistischen, völkisch Nationalen Band Frei.Wild, und eine Stellungnahme seitens der BigBox zu erwirken.

 

+++ Offener Brief: Keine Bühne für Neofaschismus in Kempten! +++

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie wir durch Ihre Homepage bigboxallgaeu.de erfahren haben, planen Sie für den 22.12.2012 ein Konzert mit der Band „Frei.Wild“.

Die Südtiroler Band »Frei.Wild« tritt in die Fußstapfen der »Böhsen Onkelz« und feiert damit immer größere Erfolge. Die Naziskin-Vergangenheit des Sängers scheint - wie beim großen Vorbild - kein Hindernis zu sein. Ebenso wenig sind es die nationalistischen und völkischen Töne der Band, die sich mit den Beteuerungen abwechseln, »unpolitisch« zu sein. Band und Fans scheinen diese Widersprüchlichkeiten problemlos auszuhalten. Das aktuelle Album hat es zwischenzeitlich auf Platz zwei der deutschen Charts gebracht.

 

Im Gegensatz zu den großen Vorbildern der Onkelz, die praktisch jedwede politische Äußerung nach ihrem Ausstieg aus der Nazi-Skin-Szene vermieden und in ihren Songtexten keinerlei im engeren Sinne politischen Aussagen mehr trafen, halten sich Frei.Wild mit solchen Botschaften an Ihre Fans alles andere als zurück. So heißt es zum Beispiel in Wahre Werte von 2010:

 

„[…]Formen und Spalten, Die dein Ich-Gefühl zurückerstatten […],Da, wo wir leben, da wo wir stehen, ist unser Erbe, liegt unser Segen, Heimat heißt Volk, Tradition und Sprache, für uns Minderheiten eine Herzenssache. […] Wir sind verpflichtet, dies zu bewahren, unser Tirol gibt’s seit 1200 Jahren. Wo soll das hinführen, wie weit mit uns gehen, selbst ein Baum ohne Wurzeln kann nicht bestehen. Wann hört ihr auf, eure Heimat zu hassen, wenn ihr euch Ihrer schämt, dann könnt ihr sie doch verlassen. […] Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat, ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk. […] Bräuche, Geschichten, Kunst und Sagen, sehe schon die Nachwelt klagen und fragen: Warum habt ihr das verkommen lassen? Die Wurzeln des Landes, wie kann man die hassen? Nur um es manchen recht zu machen, die nur danach trachten, sich selbst zu verachten.”

 

In diesen Zeilen steckt alles, was völkischen Nationalismus ausmacht: Die Bezüge auf ein »Erbe«, welches »bewahrt« gehöre und nicht »verkommen« dürfe; die Annahmen von Verwurzelung und genetischer Zugehörigkeit, kulminierend in der Formel „Heimat heißt Volk, Tradition und Sprache“. Obwohl – oder gerade weil – die Texte der Band voll von solchen nationalistischen und völkischen Tönen sind, versucht sie diese extrem rechten Positionen zu kaschieren und behauptet sie lehne „jeden Extremismus“ ab und gibt sich als unpolitisch. Auch diese ideologische Camouflage haben sie sich von den Onkelz abgeschaut.

Was genau Sänger und Songwriter Philipp Burger damit meint, wenn er davon spricht, dass all das „verkomme“, bleibt unausgesprochen. Allerdings engagierte sich Burger in der Vergangenheit auch mit politischem Engagement für eine Südtiroler Partei („Die Freiheitlichen“), die gegen Einwanderung und „Überfremdung“ kämpft. Auch an anderer Stelle findet sich, was Burger meinen könnte. So zum Beispiel, als er vor wenigen Wochen (am 20. September 2012) folgenden Witz auf seinem Facebook-Profil teilt:

 

„Erster Schultag in Berlin. Der Direktor ruft die Schüler auf:
Mustapha El Ekhzerzi?
Anwesend!
Mohamed Endahra?
Anwesend!
Mel Ani El Sner?
Keine Antwort
Der Lehrer fragt noch einmal: “Mel Ani El Sner?”
Jetzt meldet sich ein Mädchen:
Wahrscheinlich bin ich gemeint, ich heiße Melanie Elsner“


Ja, da lacht das Herz des Provinzrassisten über die vermeintlich fremdvölkische Degenerierung der deutschen Hauptstadt. Burger weiß, was er seinen Hörer_innen und seinem Volk schuldet. Bereits in „Land der Vollidioten“ von 2009 hatte er ausgeführt, wie der Verlust der Heimat zustande kommt: Denn „die Vollidioten“ sorgen u.a. dafür, dass „Kreuze aus Schulen entfernt werden, aus Respekt vor den anders gläubigen Kindern“, wie Burger beklagt.

Auch auf der neuen Platte „Feinde Deiner Feinde“ finden sich reihenweise Versatzstücke, die nahtlos an rechtsradikale Diskurse anknüpfen. Gleich im ersten Stück heißt es:

 

Wir haben’s getan
Wir haben’s gemacht
Wir haben Leute verdroschen
Über die Folgen nicht nachgedacht
Wir haben die Straßen der Stadt für uns in Anspruch genommen
Keine Gefangene gemacht
Wir haben gesoffen und geboxt
Standen oft vom Richter
Keine Reue, haben darüber gelacht


Von Reue oder Mitgefühl für die Opfer keine Spur, stattdessen wird eine reine Schlägermentalität abgefeiert, die natürlich auch bei gewaltbereiten Neonazis auf Gegenliebe stößt. In „Wir reiten in den Untergang“ heißt es dann:

 

Nichts als Richter
nichts als Henker
Keine Gnade und im Zweifel nicht für dich
Heut gibt es den Stempel, keinen Stern mehr
Und schon wieder lernten sie es nicht
Und sagst du mal nicht
Ja und Amen
Oder schämst dich nicht für dich
Stehst du im Pranger der Gesellschaft
Und man spuckt dir ins Gesicht
Und ganz vorne stehen die Ärsche
Unterm großen Heiligenschein
Liebevoll und Solidarisch
Treten sie lustvoll in dich rein

 

Auch diese Zeilen sind sattsam bekannte Versatzstücke aus dem rechtsradikalen Milieu. Das arme Opfer ist der aufrechte deutsche Kämpfer, der seine Meinung nicht äußern könne, weil er von einer heuchlerischen Gesellschaft der Demokraten geknechtet werde. Dazu noch die Anspielung auf den „Stern“, den es heute nicht mehr gibt – fertig scheint das Abziehbild, mit dem Burger sich offenbar selbst zum „neuen Juden“ stilisieren will – ein rhetorisches Motiv, das in Neonazi-Publikationen zum Standard gehört.

Weiter geht es mit „Nur die Dummen sagen Ja und Amen“, wo es u.a. heißt:

 

Es kehrt zurück
was irgendwann war
Und was verloren schien
Was viele dachten, doch nie sagten
Die Meinungsfreiheit war dahin
Jeder verstellte seine Worte
und Tabus blieben Tabus
Gewisse Themen waren verboten
im Land der Vollidioten
Nimm die Hand vom Mund, sag was Du fühlst
Wenn Du dagegen bist
Und wo Recht zu Unrecht wird
Wird der Widerstand zur Pflicht


Es dürfte sehr schwer fallen, hierin keine lupenreine rechtsradikale Rhetorik zu entdecken. Dass die Meinungsfreiheit dahin sei, weil bestimmte Themen verboten seien, im „Land der Vollidioten“ – auch das kann  man in jeder zweiten Nazi-Postille lesen. Es handelt sich geradezu um klassische rechtsradikale Rhetorik gegen die vermeintlich verdorbene Demokratie. Es gibt sogar kaum eine andere Lesart, als diese Zeilen auf den Volksverhetzungsparagraphen und das Verbot der Holocaust-Leugnung zu beziehen – schließlich sind es de facto die einzigen „Themen“, die im heutigen Deutschland überhaupt verboten sein könnten. Das Ganze wird am Ende garniert mit der in Neonazi-Kreisen mittlerweile mehr als beliebten Parole vom Widerstand, der zur Pflicht wird.

Schließlich wird dem Hass auf alles, was links oder „politisch korrekt“ sein könnte, in „Gutmenschen und Moralapostel“ freier Lauf gelassen:

 

Es gibt nur ihre Meinung und sie denken nur schwarz-weiß
Sie bestimmen was gut, was böse ist, sie sind das, worauf ich scheiß
Sie richten über Menschen, ganze Völker sollen sich hassen
Nur um Geschichte, die noch Kohle bringt, ja nicht ruhen zu lassen
Nach außen Saubermänner, können sie jeden Fehler sehen
Sind selber die größten Kokser, die zu Kinderstrichern gehen
Ich scheiß auf Gutmenschen, Moralapostel
Selbsternannt, political correct
Der die Schwachen in die Ecke stellt
Und dem Rest die Ärsche leckt
Ich scheiße auf Gutmenschen, Moralapostel
Selbsternannt, sie haben immer Recht
Die Übermenschen des Jahrtausends
Ich hasse sie wie die Pest


Wer mögen die „größten Kokser“ sein, die „zu Kinderstrichern gehen“? Und wer lässt Geschichte nicht ruhen, um sich daran zu bereichern? Mit einem Augenzwinkern darf jeder Neonazi hier verstehen, was er verstehen will, nämlich beispielsweise, dass die Juden, die zu Kinderstrichern gehen, die Deutschen knechten, um sich am Holocaust zu bereichern. Wohlgemerkt: Explizit ausgeführt wird dies nicht, es reichen offenbar schon Versatzstücke.

Parteinahme für Rechtsaußen

2008 sollten »Frei.Wild« bei der »Freiheitlichen Rocknacht« auftreten, einem Konzert der »Freiheitlichen Jugend«, Nachwuchsorganisation der Südtiroler Partei »Die Freiheitlichen«. Burger selbst war auf Bezirksebene im Eisacktal (Brixen) für die Rechtsaußen-Gruppierung aktiv. Eine Kostprobe aus dem Forderungskatalog der »Freiheitlichen Jugend«: »Südtirol zuerst! Einwanderung stoppen! Heimat schützen! Sofortige Ausweisung von ausländischen Straftätern!« Nach einigem Hin und Her sagte die Band das geplante Konzert ab. Politik würde der Band schaden, so in etwa die fadenscheinige Begründung.

Burger trat schließlich aus der Partei aus. Dem Parteiprogramm aber ist er weiterhin treu. Im Internetforum der Band erschien erneut eine Distanzierung von »Politik« und eine Erklärung, wie es zum Engagement für die Partei gekommen sei: »Nur weil man Musiker ist, [muss man] nicht jedes Mal und überall tatenlos zusehen. (..) Es kann nicht sein, dass fast jedes Wochenende gewalttätige Übergriffe ausländischer Gangs auf einheimische Jugendliche begangen werden.«

Ihr Magdeburger Plattenlabel »Bandworm Records« kündigte wegen der durchscheinenden Rechtslastigkeit von »Frei.Wild« die Zusammenarbeit auf. Mittlerweile veröffentlichen »Frei.Wild« als Indieband über das eigene Label »Rookies & Kings«. Der neue Manager Stefan Harder war vorher bei Universal Music und zeichnete dort für Hits wie »Schni Schna Schnappi das kleine Krokodil« verantwortlich.

Toleranz auch für Nazis

Wenn es um andere Themen als um die »heilige« Heimatscholle geht, geben sich »Frei.Wild« durchaus Mühe, »tolerant« zu sein. Gegensätze ziehen sich an, Vielfalt ist eine gute Sache. Im Song »Schwarz und Weiß« zählt die Band nicht nur lose auf, was sie alles ganz in Ordnung findet, sondern verrät nebenbei auch ihr sexistisches Frauenbild: »Weich oder hart; dick oder dünn; reich oder arm; hetero oder warm; Pampa oder City. Wir sind hier und Du bist dort; weit weg von mir. Eckig oder rund; farblos und bunt; die eine will's von Hinten; die andere nimmt ihn in den Mund; Nord- und Südpol, USA und der Rest der Welt.«


Stichwort Toleranz: Philipp Burger erklärt in einem Interview, dass Naziskinheads wie alle anderen Gäste bei »Frei.Wild«-Konzerten willkommen seien - »solange sich die Leute benehmen«. Denn: »Nur weil einer was anderes denkt«, dürfe man niemanden ausgrenzen. »Ich kann ehrlich zu ihm sagen 'Willkommen! Aber benimm dich!'« Allerdings mutmaßt Burger auch, dass »richtig überzeugte Nazis« mit den »Frei.Wild«-Texten »eh nicht klarkommen würden«. Ein Blick in das Nazi-Internetportal »Thiazi« zeigt das Gegenteil. In der dortigen Bandliste sind »Frei.Wild« neben Nazirock der Marke »Störkraft« wie selbstverständlich mit Diskografie und vollständigen Liedtexten gelistet.

»Frei.Wild besingen eine Blut-und-Boden-Ideologie und knüpfen genau dort an, wo man 1945 geglaubt hatte, einen Bruch vollzogen zu haben«, sagt Politikwissenschaftler Günther Pallaver von der Universität Innsbruck.

Wir, der Arbeitskreis Recherche Allgäu, meinen: Schluss damit! Keine Halle für Frei.Wild! Kein Raum für Rassist_innen und Nazis, nicht in Kempten und auch nicht anderswo!

Wir fordern die Big Box Kempten und den Veranstalter des Konzerts aufgrund genannter Vorwürfe auf das Konzert mit „Frei.Wild“ abzusagen!
Ansonsten trägt die BigBox Allgäu eine aktive Rolle bei der Etablierung Neofaschistischen Gedankenguts in der Mitte der Gesellschaft!
 Gerade in Zeiten in der eine Terrorzelle wie die NSU jahrelang Menschen aus rassistischen Motiven ermordet ist es nicht zu entschuldigen Neofaschistischen Ideologien einen Nährboden zu bieten!

+++Ende+++

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http://www.publikative.org

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dein vater war ein tumber wicht
noch blöhder gar: dein onkel
die fahne hoch, die birne dicht
im kopf bleibts zappendonkel

 

 du südtiroler schluchtenschmock
bist jetzt ins heimreich einmarschiert
dein unterschichtschwachmatenrock
mit nationalholz ausstaffiert

 

 dank beißreflex und selbstmitleid
den letzten krümel hirn gekillt
entkernt der geist, es ist so weit:
nun bist du frei, nun bist du wild

 

www.zwoelfzeilen.com