Während 2011 das politische Publikum - noch mystifiziert von den arabischen Unruhen und Regierungsumbildungen - eine Weile darauf verfiel die friedlichen Platzbesetzungen Spaniens und Griechenlands und dann in den USA zu bestaunen, brachte die englische Unterklasse die soziale Realität ins Gedächtnis, indem sie einige Tage im ganzen Land Unruhe verbreitete, Geschäfte plünderte, die Polizei angriff und dergleichen mehr.
Jetzt hat sich ein junger Nihilist zu Wort gemeldet, der dazu steht, an diesen Unruhen teilgenommen zu haben. Zuerst ist sein Text bei "Dark Matter Publikation" erschienen und hier ins Deutsche übersetzt.
Keine Zukunft, Nur Vergeltung: Reflexionen über die Augustrevolte
Von einem jungen anarchistischen Rioter
Der Augustaufstand entzündete das graue Dunkel der alltäglichen städtischen Schinderei; das Leben barst auf die Straßen, von denen uns das Landesrecht sagt, dass dort nur selbstkontrollierte Drohnen laufen dürfen – unter dem wachsamen Auge der Videoüberwachung. Ich kann nicht wirklich etwas Tiefsinniges anbieten oder in irgendeine bessere Zukunft weisen oder irgendwelche Vorhersagen treffen – außer dass nichts vorbei ist! Es war einer der lebendigsten Momente meines kurzen Lebens, jedenfalls bis jetzt. Es war mein Augenblick, unser Augenblick – der Augenblick loszumachen und unsere Wut aus dem Käfig zu lassen, hinaus auf die Straßen der Gefängnisgesellschaft, wo der Schleier gelüftet wurde und wir sehen, wie unsere individuelle Isolation auf den Straßen von einer Massenlähmung herkommt, wo wir unseren Feinden, den Bullen entgegentreten konnten, vereint gegen sie und die von ihnen geschützte öffentliche Ordnung.
Für mich gab es kein Zögern – ich konnte es kaum erwarten, die Ausschreitungen über London hinausgreifen zu sehen und die Bilder aus der brennenden Hauptstadt machten mich ungeduldig, mich dem Aufstand anzuschließen. Ich glaube das scheidet alle – diejenigen, für die es unsere Erhebung war und diejenigen, die sie als etwas Fremdes, Seltsames, Problematisches und Beängstigendes ansahen. Bei der nächstbesten Gelegenheit, als sich die Gesetzeslosigkeit ausbreitete, waren wir da draußen, euphorisch, beim Versuch, sie weiter auszubreiten: Durch die Konsumtempel randalieren, die Polizei bekämpfen, kaputt hauen und verbrennen. Wir gingen los, um dezentralisierte und chaotische Zerstörung und Plünderungen zu entfesseln. Wenn wir uns wie ein großer Körper empfunden und auf ihn vertraut hätten, dann hätten diejenigen von uns, die in der Gegend randalierten, in der ich war, deutlich mehr erreichen können, was die Bekämpfung der Bullen, gezielte Angriffe und Plünderung angeht. Es gibt immer ein nächstes Mal und ich weiß, dass sich viele darauf freuen und sich genau auf das vorbereiten.
Der Riot ist eine Form anarchistischer Organisation, ein Zusammenkommen für bestimmte Zwecke (Zerstörung und Plünderung), und es ist ein kollektiver Weg, auf dem sich die einbezogenen Individuen ihre eigenen Wünsche erfüllen können, auf der Grundlage kleiner Gruppen von Freunden oder Mitverschworenen, die sich informell im größeren Körper organisieren, bereit sich aufzuteilen und beweglich und dezentralisiert zu bleiben. Es gibt keine Führer, außer diejenigen, die mit gutem Beispiel vorangehen (man könnte es Propaganda der Tat nennen), und es kann keine Repräsentanten geben, außer den Rekuperatoren nach den Ereignissen – wie es nach den städtischen Ausschreitungen in Großbritannien in den 80ern geschah, aber nicht dieses Mal –, und niemand ist wegen irgendeiner ideologischen Sache dabei, sondern für uns selbst. Wir greifen den Feind direkt an, wir nehmen uns unmittelbar das, was wir wollen und befriedigen unsere eigenen Sehnsüchte.
Ich rief Kumpel in der Kleinstadt an, aus der ich komme, und sie begehrten auch auf! All unser Hin und Her über „Anarchismus“ schien bedeutungslos, da ich weiß, dass meine Freunde die wirkliche Anarchie viel mehr lieben, als viele der politischen „Anarchisten“, die ich getroffen habe und die nicht den Anschein machen, als ob sie auch nur einen Tropfen des Geistes der Revolte und der Anarchie in sich haben. Für mich zeigte sich hier die gezähmte Belanglosigkeit der Aktivisten und ihres Politzirkusses. Es passierte wirklich, war menschlich und nicht durch Repräsentation und Politik verkrüppelt. Die Erhebung war vergnüglich, erhebend, befriedigend, ernsthaft und ein Ausdruck von Leuten, die gegen das aufbegehren, das uns jeden Tag niederhält und quält. Ich erinnere mich, wie ich gedacht habe, dass ich gerade die bislang besten Augenblicke meines ganzen Lebens durchlebe und dass diese von vielen anderen auf der ganzen grauen Gefängnisinsel-Tierfabrik Großbritannien geteilt werden – für einen Moment machte unsere Wut den von mir jeden Tag an meiner eigenen Haut erfahrenen Krieg explizit, als wir das Land demolierten und verbrannten, alles ausgelöst durch die Gewalt der Autoritäten – der Hinrichtung Mark Duggans durch die Polizei. Der Schock und das Entsetzen der Medien in der Folgezeit, als von ihnen interviewte Randalierer Sachen sagten wie Es war eine der besten Zeiten meines Lebens und dass sie all das jederzeit wieder tun würden, selbst wenn sie wüssten, dass sie erwischt würden, brachten mich zum Lachen.
Nachdem die Ausgegrenzten des Westens in Ausschreitungen explodierten, redeten die Laberköpfe der Gesellschaft von „wilden Jugendlichen“ und hoffen darauf, dass die Herrschaftseinrichtungen in Zukunft gründlichere Anstrengungen unternehmen, diese Unkontrollierbaren zu zähmen. Die Linke will die Ausgegrenzten durch Ausbildung und Arbeit integrieren, die Rechte uns durch Gesetz und Familie disziplinieren. Gesellschaftliche Auflösung verursacht Chaos und eröffnet Möglichkeiten für ein weites Spektrum menschlicher Verhaltensweisen, einschließlich Anarchie, weil es mehr als alles andere eine Entwertung des monolithischen Systems ist, ein Zerfall des einheitlichen Realitätstunnel, der zu Individual- und Kleingruppenautonomie führt.
Für mich scheint es in der hochtechnologisierten städtischen Gefängnisgesellschaft mehr und mehr so, dass es nur die Wahl gibt zwischen vollständiger Unterwerfung oder vollständiger Revolte. Unterwerfung nimmt viele Formen an: Der ironische Fatalismus all derjenigen, die mit erschöpften Augen auf die Welt schauen, aber sich an die Ordnung halten; verbitterte Konsumenten und Kinder der unverfroren heuchlerischen, nach Geld verrückten Gesellschaft; Zyniker, die sich anscheinend nichts Besseres vorstellen können, was sie mit sich selbst anfangen sollen, als das was ihnen die mit dem Hamsterrad hausieren gehende Gesellschaft anbietet; solche, die den Kopf in den Sand des Idealismus stecken, um sich von ihren individuellen Fähigkeiten und den daraus folgenden Verantwortlichkeiten zu distanzieren; solche die die Diktate des Systems als ihre eigenen Werte annehmen, sich eifrig zu einem Zahnrad verstümmelnd, das mit der geringsten Reibung funktioniert. Herrschaft wird mehr als von allem anderen durch die unterwürfigen Haltung bestärkt, die vor allem Unbekannten in Panik gerät – von der Weigerung, über das eigene Leben nachzudenken und durch irgendeine andere Brille zu gucken, als der von der Gesellschaft verschriebenen, der gesellschaftlichen Hysterie gegenüber psychoaktiven Substanzen Rechnung tragend, die die verstaatlichten Linsen enthäuten, durch die die Wirklichkeit gesehen wird.
Soweit ich das sehen kann, ist es unwahrscheinlich, dass ein Aufstand über die ausgegrenzten und unzufriedenen, oft vorübergehend aufständischen Minderheiten hinausgreift. Weltweit sind die vom kapitalistischen System Ausgeschlossenen oder die, die zu ihm in einer prekären, randständigen Beziehung stehen, eine riesige und wachsende Anzahl. In den kapitalistischen Kernländern („Der Westen“ oder „Erste Welt“) sind die Ausgeschlossenen eine kleinere Minderheit, wenn auch eine wachsende. Wenn der gesellschaftliche Krieg eskaliert und die Bevölkerung des „Westens“ polarisiert wird, kann die Verbundenheit und die Unterstützung der Mehrheit für den Staat deutlicher als das gesehen werden, was sie ist: als aktive Teilnahme an der Repression und Unterdrückung.
Das vertieft den feindseligen Abgrund zwischen der eingeschlossenen Mehrheit und der ausgeschlossenen Minderheit. Besonders da viele der ausgeschlossenen Minderheit im „Westen“ Immigranten und Nachfahren von Immigranten außerhalb des Kerns sind, aus Ländern, dessen Ausgegrenzte durch ein globales System und die Großmächten brutal enteignet, ausgebeutet und ermordet werden, deren Gewalt nur ansteigen wird – alles mit der stillen (und gar nicht so stillen!) Unterstützung der Eingeschlossenen. Natürlich unterstelle ich nicht, dass die Ausgeschlossenen eine Art „revolutionäres Subjekt“ sind, ein Agent der Geschichte wie die eigentumslosen Lohnsklaven in der Einbildung der Marxisten – das einzige revolutionäre Subjekt ist für mich das Individuum. Es ist schlicht eine Frage des Potentials. Das ineinandergreifende Gerüst der gesellschaftlichen Beziehungen, die Institutionen wie Familie, Bildung, Arbeit und das Recht domestizieren das Individuum. Wo ein gesellschaftlicher Zusammenbruch auftritt, wird eine umfassende Umwertung des Lebens möglich. Wie anderswo hervorgehoben wurde, wurden die klassischen anarchistischen und aufständisch-antikapitalistischen Bewegungen aus dem Umbruch der gesellschaftlichen Beziehungen geboren, in dem die Eliten Bevölkerungen von der dörflichen Landwirtschaft in die städtische Industrialisierung verschoben. Fabriken, Gewerkschaftlertum und sozialistische Parteien töteten den aufständischen Geist, und Sozialdemokratie und Konsum hämmerten den letzten Nagel in den Sarg des westlichen Proletariats. Nun steht eine feindselige Minderheit von widerspenstigen und nihilistischen „inneren Feinden“ gegen eine Gesellschaft von Konsumenten und Bürgern, die das System internalisiert haben und deren sozialisiertes Gruppendenken ein endloser geschlossener Schaltkreis aus Fügsamkeit ist (die politische Linke und die meisten „Anarchisten“ sowie Ökoaktivisten selbstredend eingeschlossen, zumindest in Großbritannien).
Tatsächlich brachte der Augustaufstand zum Vorschein, dass die Mehrheit der britischen „Anarchisten“ und „Revolutionäre“ feige Staatsbürger sind, die, auch wenn sie gerne jammern und sich über die „Übel“ der Welt beklagen, im Grunde als passive Sklaven zufrieden sind. Momentan scheinen die meisten der britischen „Anarchisten“ einfach bitterfroh zu sein, hinter den Staatssozialisten und Liberalen herzulaufen, als das impotente „gute Gewissen“ und/oder als schwarzgekleidete und Kraftausdrücke benutzende Krawallmacher am Rand. Das ist erbärmlich. Sie sprechen die Sprache der Politik, davon, ein vernünftiges und programmatisches anarchistisches Projekt aufzubauen, und das Ergebnis ist ein Anarchismus, der weder Fisch noch Fleisch ist. Sowohl als politische Pragmatiker wie als anarchistische Aufrührer scheiternd, hinkt der bürgerliche Anarchismus traurig hinterher. Die Idee, dass vernünftige Ideen von einer gesellschaftlichen Transformation die Leute zum Rebellieren verleiten, ist vollständig falsch, obschon sie Linke und Liberale zur politischen Philosophie „Anarchismus“ bringen, wobei sie im Allgemeinen so bleiben wie sie waren, auch wenn sie sich Anarchisten nennen. Ich hatte NIEMALS irgendeinen unpolitischen Freund oder Bekannten, der sich für das langweilige Gesabber von „sozialem Anarchismus“ interessiert hätte, aber viele, die am Anarchismus als einer extremen Position der stolzen Revolte interessiert waren. „Ernsthaft mit den Leuten reden“ meint im Allgemeinen, am laufenden Band sublinke Rhetorik herzustellen, die als linke Politik scheitert, weil sie zu unrealistisch ist, und die als anarchistische Agitation scheitert, weil sie nicht mit den Gewissheiten der Gesellschaft bricht. Die Linke hat sich als gesellschaftliche Kraft zur Verbesserung der bestehenden Gesellschaft hinsichtlich des Grads und der Bedingungen der Ausbeutung bewiesen, indem sie als eine Barriere gegen die Exzesse der Elite in den hochindustrialisierten und postindustriellen Ländern fungiert, während sie in den nicht- und halbindustrialisierten Ländern als Avantgarde der kapitalistischen Art zu produzieren agiert. Die Linke (inklusive dem linken Anarchismus) ist ein Ausdruck des gesellschaftlichen Kampfes um die Bedingungen der sozialen Unterdrückung. Der Punkt ist aber, aufständische Durchbrüche zu erzeugen, Fluchtlinien jenseits der Normalität, die über Repräsentation und Vermittlung hinausgehen und die die Zerstörung verbreitern, die es braucht, um uns selbst zu befreien (oder wenigstens unsere Sehnsucht nach Rache und befreiten Momenten zu befriedigen).
Es scheint mir eine weitverbreitetes, unausgesprochenes Bewusstsein davon zu geben, wie ineinandergreifend und monolithisch das System ist, von dem die Bevölkerung abhängt. Das ist eine Realität, die viele möchtegernrevolutionäre Idealisten mit idealistischem Hokuspokus zu glätten versuchen. Wie halbbewusst auch immer, die Bevölkerungsmasse weiß, dass diese Gesellschaft – die wirtschaftliche, technologische, wissenschaftlich spezialisierte Infrastruktur – auf „Zusammenarbeit“ (Spezialisierung und Hierarchie) beruht. Entgegen der linken Idealisten wird die Gesellschaft nicht besonders „ineffizient“ betrieben und ihre „Ungerechtigkeiten“ sind für ihr Funktionieren notwendig – zum Beispiel fördern höhere Gehälter für spezialisiertere Manager/Experten/Techniker die Produktivität und den für das Funktionieren der massenhaften sozialen Organisation notwendigen Ehrgeiz. Sobald sie an der Macht sind, enden die linken Idealisten natürlich einfach als ein neues Management, das seine Ideologie so ausrichtet, dass man mit ihr die gesellschaftliche Maschine pragmatisch betreiben kann – die russische Revolution 1917 und die spanische Revolution 1936 haben das klar gezeigt. Selbst wenn sich die Leute die hierarchische Beherrschung nicht wünschen (obwohl die Mehrheit dies anscheinend tut! – wenig überraschend nach tausenden Jahren der autoritären Sozialisation), sehen sie keinen anderen Möglichkeitshorizont. Vergleiche das mit den Erfahrungen derer, die nicht vom Land, von tradiertem Wissen und von potentiell autonomen Gemeinschaften getrennt sind. Die spanischen, ukrainischen, koreanischen und mandschurischen anarchistisch/antiautoritären Bauernbewegungen konnten einfach die Handvoll Staatsbeamte und die wenigen reichen Landbesitzer aus ihren Dörfern vertreiben und eine befreite Kommune ausrufen, wie es bei zahllosen Gelegenheiten der Fall war. Oder man kann zeitgenössischer auf die anarchische Revolte der ländlichen Bevölkerung in Algerien schauen, in einer Gegend wie der Kabylei, wo Dorfbewohner die Polizei, die Steuereintreiber und die Repräsentanten des Staates verjagten, um einfach weiter ein agraisches Subsistenzleben zu führen, das sich Einmischungen von außen widersetzt und sich auf kommunaler Ebene durch die alten, traditionellen Dorf- und Regionalversammlungen selbst organisiert. Es geht hierbei nicht um die Idealisierung des Bauernlebens oder der Realität dieser Gemeinschaften, sondern darum herauszustellen, dass, während die Zivilisation uns in sich integriert hat und zunehmend technologisch ausgeklügelt wurde, unsere Fähigkeit autonom zu leben dabei aufgefressen wurde.
Vollständige Revolte ist nichts anderes als zerstörerischer Nihilismus. Sie beißt die Hand, die uns füttert – die Hand eines totalitären Systems. An diesem Punkt der Integration des menschlichen Lebens in das Herrschaftsgerüst, in das ökonomisch-technologisch-soziale System, ist die Wahl inWirklichkeit die zwischen Gehorsam und Chaos, dem Unbekannten, dem Gefährlichen.
Die Perspektive von autonomen, vom Staat und den Gesetzen des wirtschaftlich-technologischen Systems befreiten Gebieten kann man sich unmöglich ohne einen Minderheitenkampf vorstellen, der den von der Gesellschaft in Abwehr gepflegten Konsens erschüttert, die „Normalität“ aussetzt und den Möglichkeitshorizont erweitert. Nur Zerstörung kann uns aus der Sackgasse der alltäglichen Normalität herausbrechen. Revolutionäre Anarchisten bekämpfen die Staaten dieser Welt seit einigen Hundert Jahren, blutig und bitterlich. (Auch wenn wir jüngst nicht besonders blutig gewesen sind!) Bis jetzt jedenfalls haben wir das Ziel der ersten anarchistischen Verschwörung – die Staaten Europas zu zerstören – nicht erreicht, ganz zu schweigen von den späteren Plänen, alle Regierungen und elitären Klassen der Welt zu zerstören! Vielleicht war die gesellschaftliche Revolution, die die Klassengesellschaft zerstört und sie durch eine Föderation von selbstständigen Individuen und Gemeinden ersetzt, einmal eine Möglichkeit. Eine sich umfangreich ausbreitende, bewusste gesellschaftliche Veränderung scheint nicht länger anzustehen, wenn sie das jemals tat. Die einzige Gewissheit ist die Unmöglichkeit der Gegenwart.
Während das weltweite System sich in Verheerungen schüttelt und dabei sogar an Fahrt gewinnt, obwohl es unmöglich scheint, so weiter zu machen, klammern sich die Eingeschlossenen an den zunehmend totalitären und repressiven Staat, der einzigen Barriere, die ihre Lebensweise schützt, inmitten des Chaos der kollabierenden Gesellschaften, der Konsequenzen der massenhaften Zerstörung der Biosphäre unseres Planeten, der Bürgerkriege, Rohstoffkriege und Massenvertreibungen. Dies ist offensichtlich genauso eine Beschreibung der Gegenwart wie eine Zukunftsprognose. Wenn zerstörerischer Nihilismus als das Gefühl und die Verwirklichung definiert werden kann, dass die gesellschaftlichen Umstände so schlecht sind, dass sie Zerstörung wünschenswert machen, ohne jede bestimmte (oder klare) ursächliche Verbindung zu irgendeiner ersehnten besseren Zukunft, dann kann dieser destruktive Nihilismus nur etwas sein, das weiter wachsen wird – außerhalb einer und gegen eine Gesellschaft, deren mal aktivere, mal passivere Kollaboration mit einem zunehmend widerwärtigen Staat immer klarer hervortreten wird, in all ihren entsetzlichen Details.
Großbritannien restrukturiert sich und die Reichen und die Bürgerschaft haben den Armen und Abweichenden den offenen Krieg erklärt. Wie sich gezeigt hat, werden wir uns das allerdings nicht einfach so gefallen lassen, sondern Rache an ihrem korrupten und scheinheiligen System nehmen.
Angry Youth (Dark Matter Publications)
Quelle: http://www.magazinredaktion.tk/nofuture.php
meine meinung
ich versteh diese nihilistische sichtweise nicht so ganz.
immer wieder finde ich tolle textstellen und freue mich über den revolutionären geist zwischen den zeilen.
dann aber lese ich ständig wie scheiße doch die meisten anarchisten sein. und die begründung verstehe ich nicht. ich zhabe selber viel kritik an manchen anarchisten und an der bewegung, aber ich verstehe die begründung in nihilistischen texten nicht. die begründungen wirken für mich eher wie hass und persönliche differenzen und nicht wie klar analysiert kritik an theorie und praxis dieser anarchisten.
kann mir jemand das mal erklären?
oder ist es doch so simpel, dass nihillisten einfach nur zerstörung als politische arbeit akzeptieren?
ich hoffe nicht
Warum Nihilisten die anarchistische Szene ablehnen
Hallo,
ich bin kein Nihilist, habe aber eine gewisse Sympathie für diese Position. Ich versuche also, so gut es geht, stellvertretend zu antworten.
Zunächst kreiden die Nihilisten der Szene an, dass sie, als im Sommer 2011 Englands Städte brannten, mit Abwesenheit glänzten. Die meisten Anarchisten erlebten die Krawalle nicht als Teilnehmer, sondern passiv vor dem Bildschirm. Sie entpuppen sich dadurch - so der Vorwurf - als das, was sie sind: Brave Bürger, die 99% ihrer Zeit ein völlig konformes Leben führen, mit der einzigen Besonderheit, dass sie sich eine etwas extravagante Meinung leisten. Nihilisten werfen den radikalen Linken vor, dass sie sich in ihrer praktischen Lebensführung so sehr in das Bestehende integriert haben - durch Studium, Job, Familie usw. - dass sie, wenn es darauf ankommt, nicht in der Lage sind, etwas Rebellisches zu tun. Sie müssten sonst viel zu viel von dem, was sie im bürgerlichen Leben "erreicht" haben, aufs Spiel setzen.
Neben dieser Kritik an privater Lebensführung und persönlicher Haltung wird auch die politische Art und Weise, wie die Szene das Bestehende angreifen möchte, für untauglich gehalten. Nehmen wir z.B. die Kampagnen der FAU für den Erhalt einer mitteldeutschen Fahrradfabrik oder den Job eines Kinomitarbeiters in Berlin. Hier wird vermeintlich bei den "Bedürfnissen" der "normalen Leute" angesetzt, die man aufgreifen und deren Kämpfe man radikalisieren will. In Wirklichkeit, so die Nihilisten, ahnt aber jeder, dass es bei diesen Kämpfen niemals um einen wirklichen Bruch mit den Verhältnissen geht, sondern eher um konservative oder reformistische Versuche, dürftige Besitzstände bestimmter Gruppen zu bewahren oder zu vergrößern. Die besorgten Bürger würden die Sozialanarchisten daher wohlwollend als ihresgleichen erkennen, the angry youth würde sie verabscheuen wie andere Lehrer/Bullen/Sozialarbeiter.
Drittens wird nicht nur der politische Inhalt kritisiert, sondern auch die Form des Politaktivismus selbst sowie dessen Bedeutung für das aktivistische Individuum. Man kann sich leicht vorstellen, dass so eine Kampagne für dies oder jenes schnell zur Routine wird: Plena müssen besucht, Buttons bedruckt, Pressemitteilungen geschrieben werden, man ärgert sich auf Bündnissitzungen mit den anderen Gruppen herum und raucht eine Zigarette nach der anderen (sofern man das im jeweiligen Etablissement überhaupt noch darf). Letztlich ist das ein Job so fremdbestimmt und langweilig wie die Lohnarbeit, nur das man kein Geld dafür kriegt. Von der persönlichen Befreiung, den eigenen Wünschen und Bedürfnissen kommt dabei jedenfalls nicht viel vor.
Dies einige der Gründe, warum die nihilistische Jugend verschiedener Länder mit der bestehenden anarchistischen Szene gebrochen hat.
danke
danke das war um einiges verständlicher.
nun kenne ich die anarchistische bewegung in anderen ländern nicht so gut, aber verstehen kann ich diese nihilisten schon.