Dublin II- Abschiebungen, fehlende Flüchtlingsanerkennung, willkürliche Asylentscheide, soziale Ausgrenzung - Flüchtlinge wollen 2 Tage und Nächte vor dem Parlament in Wien protestieren.
In
Reaktion auf ihre prekäre Lebenssituation haben sich somalische
Flüchtlinge in Österreich zusammengeschlossen, um gemeinsam für ihre
Rechte zu protestieren. Sie planen für Mittwoch, 10. Oktober, ab 13
Uhr, einen Demonstrationszug vom Bundesasylamt (Landstraßer Hauptstraße
171, 3. Bezirk) zum östereichischen Parlament. Dort wollen sie
anschließend 2 Tage und Nächte, bis Freitag, 12. Oktober, 15 Uhr,
bleiben und ihren Forderungen Gehör verschaffen. Unterstützt wird der
Flüchtlingsprotest von den antirassistischen Basisinitiativen "1. März
transnationaler MigrantInnenstreik", "Afrique Europe Interact",
"Familien und FreundInnen gegen Abschiebung und Plattform Bleiberecht
Innsbruck, sowie von SOS Mitmensch und Asyl in Not.
Dublin-II-Abschiebungen
Der diskriminierende Umgang mit den Flüchtlingen aus dem
kriegsgeplagten Somalia, die oft eine jahrelange Odyssee über tausende
Kilometer Land- und Seeweg hinter sich haben, beginnt mit der Ankunft
im Erstaufnahmelager in Traiskirchen: Zunächst müssen die Flüchtlinge
ihre Fingerabdrücke abgeben, um zu prüfen, ob sie vorher nicht in einem
anderen EU-Land registriert wurden. Denen, die durch diese Prüfung
durchfallen, wird der Zugang zum österreichischen Asylsystem
verweigert. Sie müssen damit rechnen, nach Ungarn, Italien, Malta oder
die Slowakei abgeschoben zu werden, wo Flüchtlinge über Monate
eingesperrt oder ohne jegliche Unterstützung auf die Straße geworfen
werden.
Willkürliche Asylverfahrenspraxis
Von den BeamtInnen bei der Asylanhörung erleben die Flüchtlinge einen
respektlosen und einschüchternden Umgang. Über ein undurchschaubares
Sprachidentifizierungsverfahren, das von angeblichen GutachterInnen,
die selbst nicht anwesend sind, per Telefon durchgeführt wird, wird
entschieden, aus welcher der 3 Regionen Somalias (Zentralsomalia,
Somaliland und Puntland) die betroffene Person angeblich kommt - dies
wird als Grundlage für die unterschiedliche Bewertung der Fluchtgründe
benutzt. In völliger Verkennung der Realität behaupten österreichische
Behörden, die Lage in Somalia habe sich stabilisiert und es sei
möglich, dorthin zurückzukehren. Aber im Land herrscht nach wie vor
Krieg. Kürzlich wurde eine neue Regierung eingesetzt, doch die Lage hat
sich durch die Kämpfe zwischen islamistischen Al Shabab-Milizen und den
Truppen der AMISOM-Mission der Afrikanischen Union weiter
verschlimmert. Erst letztes Jahr herrschte eine schwere
Hungerkatastrophe. Für die Menschen in Somalia gibt es bis heute keine
Chance auf ein sicheres Leben.
Prekärer Rechtsstatus
Die Asylverfahren dauern quälend lange, oft zwei bis vier Jahre oder
mehr, und am Ende steht oft die Ablehnung des Flüchtlingsstatus. Viele
somalische Flüchtlinge bekommen dann nur einen sog. "subsidiären
Schutz" - dieser bietet jedoch kein adäquates Aufenthaltrecht. Er wird
nur für je 12 Monate erteilt, ohne Sicherheit auf Verlängerung. Immer
mehr SomalierInnen wird jedoch sogar dieser prekäre "Schutz" verweigert
- die Folge ist ein Leben in völliger Unsicherheit und Rechtlosigkeit.
Soziale Entrechtung
Viele Flüchtlinge leben über Jahre, in denen sie keine positive
Asylentscheidung bekommen, in einem Lager, ohne Recht auf Arbeit,
Wohnung oder staatliche Unterstützung, ohne Perspektive auf ein
menschenwürdiges Leben. Viele von ihnen sind krank, besonders in den
Flüchtlingsunterkünften auf dem Land gibt es keine Infrastruktur für
Ausbildung und Gesundheit. Traumatisierte würden aufgrund der
Erfahrungen in Somalia besondere Unterstützung brauchen, aber niemand
kümmert sich um sie. Ca. 50 SomalierInnen haben kürzlich ihren Putzjob
am Flughafen verloren, weil ihnen die Arbeitserlaubnis vorenthalten
wurde. Auch von denen mit "subsidiärem Schutz" bekommen viele keine
Arbeit, weil Verträge für länger als nur ein Jahr abgeschlossen werden
sollten. Sie können oft kein Bankkonto eröffnen, keinen Führerschein
machen und nicht frei reisen, da sie keinen anerkannten Ausweis
bekommen. Außerdem werden ihnen keine Wohnungen durch die Stadt gegeben
- diese Notlage machen sich skrupellose VermieterInnen zu Nutze, die
für ein minimal kleines Zimmer völlig überteuerte Mieten nehmen.
Die somalischen Flüchtlinge wollen diese Zustände nicht mehr hinnehmen und fordern:
- Schluss mit Dublin-II-Abschiebungen, Recht auf Zugang zum Asylverfahren in Österreich
- Schluss mit dem quälenden Warten - schnellere Bearbeitung der Asylanträge
- Anerkennung des vollen Flüchtlingsstatus statt Ablehnung oder
prekärem "subsidiären Schutz"
- Recht auf Familienzusammenführung
- Zugang zum Arbeitsmarkt
Presseaussendung von Somalischen Flüchtlingen in Österreich und Unterstützer_innen, Wien am 9. Oktober 2012.
Weitere Informationen auf no-racism.net:
- Probleme von somalischen Flüchtlingen in Österreich (09. Oct 2012)
- Aufruf: Gerechtigkeit für somalische Flüchtlinge (01. Oct 2012)
Dort finden sich auch pdf-Flugblätter usw. zum Kopieren und Verteilen.
Alle Leute in Wien sind aufgerufen, die Proteste zu unterstützen und zur Demostration bzw. zum Parlament zu kommen. Bringt euch ein und zeigt Solidarität!
Berichte und Bilder der Proteste somalischer Flüchtlinge in Wien
https://linksunten.indymedia.org/de/node/68987