Der Philologe Victor Klemperer, obwohl er nach den Rassengesetzen als Jude galt, überlebte den Nazismus, weil seine Ehefrau als „arisch“ galt. 1935 verlor er seine Professur an der TH Dresden und wurde von den Nazis zu schweren Arbeiten gezwungen. Anfang 1945, nach dem alliierten Luftangriff auf Dresden, ergriff er die Flucht und konnte so dem Tod in einem Konzentrations- oder Vernichtungslager entkommen. Während des Nationalsozialismus untersuchte er bruchstückhaft die Sprache des Dritten Reiches und veröffentlichte seine Notizen nach dem Krieg, unter dem Titel „LTI“ (Lingua Tertii Imperii).
1925 erschien „Mein Kampf“ zum ersten Mal und schon darin, bemerkte Klemperer, konnten die Grundzüge der Sprache des Nazismus ausgemacht werden. Im Laufe der Zeit breitete sich diese Sprache allmählich in ganz Deutschland aus, selbst von den „Feinden“ des Nationalsozialismus wird sie übernommen.
Klemperer dokumentiert die Bedeutungsverschiebung von Wörtern wie „Fanatismus“, die Übertragung von Begriffen aus der technischen und industriellen Branchen in menschliche Bereichen („das eindeutige Mechanisieren der Person“), den Drang, alles abzukürzen und oft blieb der eigentliche ungekürzte Begriff vergessen, die spezifisch nazistischen Wörter „Strafexpedition“, „aufziehen“, „Staatsakt“ und viel mehr. Er beschreibt, wie sich die Namensgebung änderte und welche Folge sie hatte auf das Leben der „Arier“ und der JüdInnen.
Victor Klemperers These ist die der Radikalisierung des sog. Linguistischen Relativismus. Die Sprache verselbstständigt sich und verbreitet Botschaften, die allein durch Worte von den Menschen assimiliert werden.
Aber Sprache dichtet und denkt nicht nur für mich, sie lenkt auch mein Gefühl, sie steuert mein ganzes seelisches Wesen, je selbstverständlicher, je unbewußter ich mich ihr überlasse. Und wenn nun die gebildete Sprache aus giftigen Elementen gebildet oder zur Trägerin von Giftstoffen gemacht worden ist? Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.
Doch das Werk ist nicht nur eine (unvollständige) Analyse der Sprache des Dritten Reiches; es befinden sich darin vielzählige Geschichten aus dem Alltag Klemperers, die es ermöglichen, ein Blick auf sein Leben während der verschiedenen Stadien des Nationalsozialismus zu werfen . Er beschäftigt sich außerdem mit den Ursprüngen des Antisemitismus in Deutschland und mit dem Konstrukt des „Weltjuden“, sowie den Anfängen der zionistischen Bewegung und deren Anhänger.
- Victor Klemperer: LTI. Notizbuch eines Philologen. Aufbau Verlag, Berlin, 1947. Jüngere Ausgabe, Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-020149-7. Es wurde in der Bundesrepublik Deutschland zuerst von Jörg Schröder im Joseph Melzer Verlag, Darmstadt, 1966 verlegt.
- Victor Klemperer: LTI. Reclam-Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-15-010743-0. Herausgegeben und kommentiert von Elke Fröhlich.
Auch eine Dokumentation des GeStaPo-Terrors!
"Geschichten aus dem Alltag" - und vor allem dokumentieren die Tagebucheinträge die Funktionsweise und das Grauen des GeStaPo-Terrors. Die schnüffelt in seinen Tagebüchern, nimmt seine Einträge zum Anlass für ihren Terror. Klemperer erwähnt einen Namen, wenig später wird die Person von GeStapo ermordet. Klemperer schreibt über die Situation jüdischer Kinder. Wenig später reagiert die Nazi-"Politik" mit neuen Maßnahmen, die sich speziell dieser Situation annehmen. Erst spät schöpft Klemperer Verdacht, daß eine Mitbewohnerin des "Judenhauses" GeStaPo-Spitzel ist und versucht, das Tagebuch woanders zu verstecken. Über das Grauen im GeStaPo-Verhör kann er nur allegorisch schreiben, so wie andere Zeitzeugen bei der literarischen Verarbeitung der Folter in die science fiction ausgewichen sind.
Dieser GeStaPo-Terror stand dem Staatsschutz-Terror (genannt "Anti-Terror") der vergangenen zehn Jahr zum Vorbild!
Gewagter Vergleich aber nachvollziehbare Stoßrichtung
Wenn Dir vom Faschismus der Demokratie Vergleichbares widerfährt wie dem großen Sprachgewaltigen, hast Du entsprechende Mitentscheidungsanteile im finalen außerordentlichen Kriegsverbrecher_innenprozess. Widersage der Versuchung der Scheinheiligkeit und schenke keinem dieser Leute das Leben. Denn das ist der Unterschied zwischen Faschismus und Apartheid, dass das Übel keine Grenzen in natürlichen Gegebenheiten finden kann und daher auch kein anderes Ende als das seines Wesens. Wo die Geschichte sich selbst der Geschichtslosigkeit bezichtigt ist der Menschenverstand das letzte Gericht.
Die Sprache lügt nicht - Die Tagebücher von Victor Klemperer
Dokumentation: http://video.google.com/videoplay?docid=-2603556840060656490&hl=de
1945
Klemperer überlebte ganz konkret wegen des Luftangriffs auf Dresden und nicht wegen seiner Frau. das verschaffte ihm nur mehr Zeit, aber normalerweise sollte er am nächsten Tag mit dem Transport der letzten verbliebenen Dredner Juden deportiert werden. So konnte er aber das Chaos dieser Nacht mit seiner Frau zur Flucht nutzen.
Na toll...
Über das Kommentar hättest du ja auch ganz groß "SPOILER-ALERT" setzen können.
Victor Klemperer ist ein sehr vielseitiger Mensch und so sind seine Schriften. Lesenswert ist nicht nur LTI, sondern auch seine Tagebücher.
*spoiler*?
Sind wir hier im TV-Serien-Forum oder auf einer linksradikalen Webseite?
Keine Angst, ich verrat dir jetzt nicht wie der 2.Weltkrieg ausgeht. Aber vielleicht bist du ja auch erst bem 1. angelangt. Jetzt weißt du wenigstens das es ein Sequel gibt.