Wo ist die Solidarität?

Aus dem Alltag des gemeinsamen Wohnens

Ihr hattet gestern Abend Spaß in dem Haus in dem ich wohne.

Ich hatte heute morgen drei Stunden aufräumen in dem Haus in dem ich wohne.

Zugegeben, auch ich hatte gestern Spaß. Nette Menschen, interessante Gespräche, Bier, gutes Essen, später nochmal nach draußen durch die schlafende Stadt und die kühle Nachtluft, Zigaretten, vor dem Schlafen einen Film... Ein recht angenehmer Abend, irgendwie auch ganz normal.

 

Allerdings auch immer wieder den Gedanken daran, am nächsten Morgen alles aufzuräumen. Schon am Abend das Gefühl die einzige Person zu sein, die hin und wieder etwas wegräumt, mal was spült, den Kühlschrank mit Getränken auffüllt. Und mit dem Gedanken im Hinterkopf, am nächsten Morgen alles alleine aufzuräumen, merken, wie mensch den anderen gegenüber autoritär auftritt, wenn mensch sie darum bittet dieses und jenes nicht – bzw. zu tun. Und es trotzdem nicht zu schaffen, zu kommunizieren, wie mensch die Situation sieht und was eine*n nervt, was mensch sich wünscht.

 

Am nächsten Morgen ist es so wie vermutet. Die Decken auf dem Sofa durcheinander gewühlt und auf dem Boden verteilt. Die Küche voll mit dreckigem Geschirr, das Bad schmutzig, der Boden des ganzen Hauses mit Bröseln und Müll übersät. Die Besucher*innen längst nach Hause gegangen. Die anderen Menschen die hier wohnen hängen im Garten rum, lesen und rauchen.

Noch drei Stunden bis zum Antifa-Plenum, also drei Stunden aufräumen, putzen, saugen, abwaschen und dabei die Frage im Kopf: Wo ist die Solidarität?

Klar, in anderen Fällen ist Solidarität viel nötiger. Aber wir erklären uns solidarisch mit allen und jeder*m, schaffen es jedoch nicht einmal uns beim gemeinsam Wohnen und Feiern zu unterstützen.

 

Ich verstehe das Haus in dem ich wohne nicht als mein Eigentum. Es ist schön, wenn Freund*innen kommen und wir es gemeinsam nutzen. Das bedeutet für mich aber auch, es gemeinsam so sauber zu halten, dass noch Menschen darin wohnen und es nutzen können.

Das Ganze mag unwichtig klingen und vielleicht ist es das ja auch und die ganze Sache total übertrieben, aber wenn wir es nicht einmal beim gemeinsamen Wohnen schaffen rücksichtsvoll und verantwortlich zu sein, wie wollen wir dann unseren Traum von der befreiten Gesellschaft verwirklichen?

 

star noir

 

starnoir@riseup.net

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schon ganz interessant, was du schreibst. ich stimme auch dem meisten zu.

ich sehe das problem aber auch darin, dass unterschiedliche menschen unterschiedliche ansichten von "sauberkeit" und "aufräumen" haben.

 

gemeinsam wohnen bedeutet gemeinsam aufräumen bedeutet gemeinsam definieren, was "aufgeräumt" ist. und daraus folgt eine rießig große diskussion. in der zeit hättest du es auch allein aufgeräumt ;)

und so bleibt dann alle arbeit an derjenigen hängen die das größte sauberkeits/ordnungsbedürfniss hat...super...

Vielleicht weil die befreite Gesellschaft nur machbar ist, wenn der Einzelne möglichst wenig von anderen abhängig ist - ergo du dir entweder rücksichtsvollere Mitbewohner oder aber eine eigene Wohnung suchst.

Zieh bloß nicht auf einen Wagenplatz :)

Ich finde das ganz und gar nicht übertrieben, was Du schreibst. Ich kenne Deine Gedanken nur zu gut. Und wenn Dir Sauberkeit wichtig ist, dann lass Dir nicht einreden, es sei unwichtig. Dass die Verantwortung für das Aufräumen nicht übernommen wird, ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass bei Leuten das Bewusstsein dafür fehlt, dass wir in unserem Alltag Verantwortung füreinander übernehmen müssen. Ein anderer Grund ist sicherlich, dass reproduktive Arbeiten aufgrund der patriarchalen Struktur dieser Gesellschaft als unwichtig angesehen werden.

Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher ob du von Gästen oder von Mitbewohner_Innen redest. Oder von Gästen deiner Mitbewohner_Innen.

 

Falls es um Mitbewohner_Innen geht: Ich sehe da 2 Möglichkeiten.

  1. Du findest Mitbewohner_Innen, die eine ähnliche Vorstellung wie du davon haben, wie ordentlich und Sauber eine Wohnung/ein Haus sein soll.

 

  2. Du Diskutierst mit deinen Mitbewohner_Innen zusammen darüber, auf welche gemeinsame Vorstellung ihr euch einigen könnt, ohne, dass das miteinander Leben für eine_N davon unerträglich wird (was auf keinen Fall als Plädoyer für Putzpläne oder andere Scheuslichkeiten missverstanden werden sollte oder zu einem "So haben wir es aber beschlossen und jetzt musst du dich auch daran halten" führen sollte...aber das ist eigentlich selbstverständlich, oder?). Das setzt allerdings voraus, dass man Mitbewohner_Innen hat, die bereit sind die Bedürfnisse anderer ernst zu nehmen und mit denen es möglich ist zu diskutieren.

 

PS: Wenn es mit den Menschen mit denen man zusammen lebt, nicht möglich ist zu sagen, wenn es einem zu dreckig ist, oder nciht möglich sie darum zu bitten beim Aufräumen zu helfen (unabhängig davon warum es dreckig ist), dann stimmt was in der KOmmunikation untereinander nicht. Da hilft dann auch keine Solidarität.