ACAB – und täglich grüßt das Strafverfahren

ACAB

Man sollte meinen, mehrere glasklare Freisprüche und Verfahrenseinstellungen mit deutlichen Bezügen auf Verfassungsgerichtsurteile müssten reichen, damit die Gerichte es endlich mal sein lassen, aus der Buchstabenkombination ACAB eine eindeutige Beleidigung zu machen. Aber wo der Strafwahn im Vordergrund steht, geht eben doch alles.

 

Fortsetzungstermin ist der 2. August, 10:30 Uhr, Landgericht Hamburg

 

Im Sommer 2010 versuchen zwei Kletter-Aktivist_innen mit Transparenten in Bäumen gegen die Vattenfall-Cyclassics zu protestieren. Beteiligungen an den AKW Krümmel, Brunsbüttel und Brokdorf sowie der Bau des Kohlekraftwerks in Moorburg und die Zerstörung der Lausitz für Braunkohletagebau sind Grund genug, Vattenfall als Sponsor des Radrennens auf's Dach zu steigen. Wegen technischer Probleme klappt die Kletteraktion nicht, die Aktivist_innen verlassen die Bäume und werden äußerst unsanft von der Polizei empfangen. Statt die beiden nur wegzuschicken und ihnen Platzverweise zu erteilen, werden sie kurzerhand mitgenommen, getreten, gedemütigt, verletzt und für mehrere Stunden in fensterlose Zellen beim PK 14 in Unterbindungsgewahrsam gesteckt.

 

Bei der Entlassung unterschrieb eine der zwei Personen das Rückgabeformular für die Entgegennahme der beschlagnahmten Gegenstände mit einer Buchstabenkombination, die von einer Polizistin als „ACAB“ entziffert wurde. Während dieser Vorgang im ersten Polizeibericht noch keinerlei Erwähnung findet, so fühlt sich die Beamtin einige Zeit später dann doch von den Buchstaben auf dem Zettel in ihrer Ehre verletzt und erstattet Anzeige wegen Beleidigung. Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sind sich gewohnt einig und es ergeht ein Strafbefehl. Der Beschuldigte legt Einspruch ein und es kommt vor dem Amtsgericht Hamburg zum Prozess. Wegen Krankheit kann der Angeklagte zum angesetzten Fortsetzungstermin nicht erscheinen, das Gericht verurteilt ihn trotz vor Verhandlungsbeginn eingereichtem Attest in Abwesenheit zu 50 Tagessätzen. Der Angeklagte wehrt sich dagegen, all seine Beschwerden werden abgewiesen, es bleibt nur die Berufung. Die Staatsanwaltschaft geht ebenfalls in Berufung und begründet dies damit, 50 Tagessätze seien eine zu niedrige Strafe, der Angeklagte sei staatsfeindlich und deswegen müsse er zu 100 Tagessätzen verurteilt werden.

 

Es kommt zur Berufungsverhandlung, wieder ist die Polizistin Komp als Zeugin geladen. Sie ist sichtlich nervös, ruft im Vorfeld beim Gericht an, bittet darum, auf dem Mitarbeiterparklatz parken zu dürfen und bekommt Geleitschutz zum Saal. Sie leidet unter Burn-out, ist arbeitsunfähig geschrieben und schildert, dass das ganze Geschehen sie sehr belaste. In der erstinstanzlichen Verhandlung habe es vor dem Gericht mehrere maskierte Menschen gegeben, die sie erneut beleidigt hätten und ihr nachgerufen hätten.

 

Rückblick: Bei der amtsgerichtlichen Verhandlung hatte eine einzelne Person vor dem Gericht gestanden und mit einem Schild „Occupy ACAB – All cops are beautiful“ dafür geworben, sich die Deutungshoheit über das Akronym ACAB anzueignen (http://www.youtube.com/watch?v=88n3IRiCM8E).

 

Die Verteidigung führt aus, dass zu einer Beleidigung gehört, sich persönlich angesprochen und in der Ehre verletzt gefühlt zu haben. Erst jetzt und auf explizite Nachfrage des Richters bejaht die Zeugin Komp sehr einsilbig („ja“, „ja, klar“), sich persönlich angesprochen und in ihrer Ehre verletzt gefühlt zu haben. Nähere Ausführungen dazu kann sie nicht machen, weitere Fragen der Verteidigung werden verboten. Nichtsdestotrotz hält das Gericht die Angaben der Zeugin für glaubwürdig, will die Beweisaufnahme schließen. Die zuvor durchgesetzte Laienverteidigerin (http://laienverteidigung.de.vu/) kritisiert die Ungleichbehandlung von Polizeizeug_innen vor Gericht und zweifelt die Glaubwürdigkeit der Zeugin an. Zahlreiche Beweisanträge verhindern die vorzeitige Beendigung der Beweisaufnahme, der Prozess wird wieder unterbrochen. Man wolle ja schließlich „nichts über's Knie brechen“ erklärt Richter Dr. Halbach sein Verhalten. Und noch etwas räumt er (sogar protokollfest) ein: Die Deutung „Acht Cola, Acht Bier“ sei ihm durchaus bekannt.

 

Juristisch ist dieser Fall keineswegs eindeutig, Streitpunkte sind neben der Deutung von ACAB auch die Frage, ob sich eine konkrete Beamtin (mit der der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt persönlich zu tun hatte) überhaupt von „all cops“ angesprochen fühlen kann. Immerhin beschreibt „all cops“ ein unüberschaubar großes und nicht klar abgrenzbares Kollektiv (ist also vergleichbar mit „Soldaten sind Mörder“). Außerdem wurde dem Angeklagten das Formular aus der Hand gerissen, eine Beleidigung muss allerdings mit Willen des Täters zur Kenntnis des Beleidigten oder eines Dritten gelangen. Und nicht zuletzt bleiben die Misshandlungen des Angeklagten (mit blutigen Wunden als Folge), weswegen es als durchaus sozialadäquat angesehen werden kann, die Polizeibeamt_innen sehr deutlich zu beschimpfen. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Gericht auch nur minimal für irgendeines dieser Argumente interessiert, wer sich das Theaterstück ansehen will, ist herzlich willkommen.

 

Fortsetzungstermin ist der 2. August, 10:30 Uhr, Landgericht Hamburg, Eintritt frei, Einlasskontrollen inklusive

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Ähm, versucht ihr hier wirklich uns klar zu machen, dass ACAB nicht All Cops Are Bastards heißen sollte`? Finde ich wirklich lächerlich.

 

Was wäre gewesen, wenn die Person mit SS oder HH unterschrieben hätte und auf ner rechten Demo festgenommen worden wäre? Würdet ihr dann auch absprechen, dass der Bezug zum Nationalsozialismus klar ist und vllt "Schönen Samstag" bedeutet?

 

Also wenn, dann sollte man auch zu seinen Taten stehen. Wirklich albern wird es aber erst, wenn solch ein Medium den Fall aufgreift und auch noch zu verteidigen versucht.

All Cops Are Braindead
All Cops Are Buffoons
All Cops Are Bogus
All Cops Are ...