30. Pressemitteilung seitens der hungerstreikenden iranischen Flüchtlinge in Würzburg (Bayern)

Kein Mensch ist illegal

Wenn die für die Bearbeitung der ausstehenden Asylanträge Verantwortlichen bis Mittwoch, den 27.06.2012, also in fünf Tagen die ausstehenden Anträge nicht bearbeiten sollten, werden Mohammad Hassanzadeh Kalali und Arash Doussthossein in den verschärften Hungerstreik treten und selbst auf das Trinken von Wasser verzichten.

 

Heute ist der 97. Tag des Protests und des Hungerstreiks der iranischen Flüchtlinge in Würzburg.

97 Tage lang haben wir gegen die unmenschlichen Asylbedingungen protestiert. In unserem Streik forderten wir die Bearbeitung unserer Asylanträge. Wir forderten die Abschaffung der Gemeinschaftsunterkünfte; wir forderten die Abschaffung der Residenzpflicht, die gegen das Menschenrecht der Freizügigkeit verstößt. Aber es kam weder zu einer Veränderung der allgemeinen Asylpolitik noch wurden alle unsere Anträge bearbeitet.

 

Streikende, die mit ihrer Teilnahme an dieser Streikaktion in Würzburg gegen ihre Residenzpflicht verstoßen, wurde mit Strafanzeigen und der Rückführung in die unmenschlichen Asylbewerberheime ihrer Herkunftsstädte gedroht. Zwar wurde die Verlängerung unseres Streiks genehmigt, aber der  Verweis auf den Verstoß gegen die Residenzpflicht und die drohenden Rückführung scheint uns eine Zermürbungstaktik zu sein, mit der dieser Protest erstickt werden soll.

 

Gemeinschaftsunterkünfte drängen die Menschen in Quarantäne, treiben sie in den Selbstmord, fördern psychische Erkrankungen und verhindern jede soziale Integration. Wir stellen klar, dass wir nicht in die Gemeinschaftsunterkünfte zurückgehen und uns wieder in solche unmenschlichen Lebensumstände begeben. Der Landkreis ist für uns ein Gefängnis mit unsichtbaren Mauern und  wir wollen nicht länger wie Verbrecher behandelt werden. Wir haben hier Schutz gesucht.

 

Reza Feizi und Payam Rahoo sind Flüchtlinge, die nach etwa zweijähriger Wartezeit, erst durch ihre Teilnahme am Hungerstreik und durch das Zunähen ihrer Lippen ihre Anerkennung als politische Flüchtlinge erhalten haben. Mit dem Erhalt ihrer Anerkennung haben sie ihre Lippen geöffnet und das Zelt verlassen, um ein normales Leben aufzunehmen.

 

Unsere Frage an die deutsche Regierung ist folgende: Müssen Flüchtlinge erst in den Hungerstreik treten und ihre Lippen zunähen, um eine Bearbeitung ihrer Asylanträge zu bewirken?

 

Frau Mandana Hemat Esfeh, die sich ebenfalls mit zugenähten Lippen dem Hungerstreik angeschlossen hat, hat noch keine Antwort erhalten. Obwohl sie auf Bitten ihrer Freunde und der anderen Streikenden ihre Lippen geöffnet hat, erhielt sie heute die Nachricht, dass ihre Essenspakete eingestellt  und ihre Tochter in eine andere Gemeinschaftsunterkunft verlegt werden soll, sofern sie nicht nach Bayreuth zurückkehrt. Auf diese Weise wird die Tochter von Mandana zu einem Druckmittel instrumentalisiert, um den Protest der Mutter zu zerschlagen.

 

Warum müssen im Jahr 2012 in einem Land, in dem Meinungs- und Demonstrationsfreiheit herrscht, solche Mittel eingesetzt werden, um die Menschen zum Schweigen zu bringen?

 

Schließlich verkünden wir, die hungerstreikenden iranischen Flüchtlinge in Würzburg: Wenn die für die Bearbeitung der ausstehenden Asylanträge Verantwortlichen, bis Mittwoch 27.06.2012, also in fünf Tagen, die ausstehenden Anträge nicht bearbeiten sollten,  werden Mohammad Hassanzadeh Kalali und Arash Doussthossein in den verschärften Hungerstreik treten und selbst auf das Trinken von Wasser verzichten.  Das ist eine ernsthafte Warnung: Zu dieser Zeit werden sie sich bereits seit 101 Tagen im Streik und davon 50 Tage im Hungerstreik befinden. Der verschärfte Hungerstreik wird dann zu einer noch ernsthafteren Gefährdung ihrer Gesundheit werden.

 

Wir möchten uns bei allen Gruppen, die sich für die Verbesserung der Asylpolitik einsetzen und bei allen Würzburgern/innen, die uns unterstützt haben, bedanken. Wir fordern alle Menschenrechtsorganisationen auf, unsere Forderungen zu unterstützen und uns bei unserem Protest zu begleiten.

 

Wir bedanken uns zudem bei den Mitarbeitern/innen des Juliusspital , die uns medizinisch versorgt haben.

 


 

Unsere früheren Pressemitteilungen können am Kirschnerhof gelesen werden oder auf unserer Facebook- oder Blogseite

Kontaktperson:  Baset Soleimani 0175/77247619; 0176/71080087

Spendenkonto: Karawane Nürnberg Kto: 3501817 BLZ:52060410 Evangelische

Kreditgenossenschaft e.V. Verwendungszweck „ Würzburg“

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 zum einen fehlt die Zeit, zum anderen lassen die sich nicht erpressen. Menschenrechte sind nicht erpressbar, sie existieren.

 

Manchmal muss man sie nur finden und sich durchkämpfen bis zu ihnen.

 

Schreibt nach Brüssel !!!

Die sich -mit Unterbrechung- seit mehreren Monaten in Würzburg im Hungerstreik befindenden Flüchtlinge aus dem Iran haben eine ePetition an den bundestag initiiert, welche hier: https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;pe... mitgezeichnet werden kann.

Text der Petition

Der Bundestag möge beschließen:
Die Abschaffung von Gemeinschaftsunterkünften, Residenzpflicht und Essenspaketen. Einen Anspruch für jeden Asylbewerber auf einen Anwalt, einen zertifizierten Dolmetscher sowie Deutschkurse ab dem ersten Tag. Die drastische Verkürzung der Dauer der Antragsbearbeitung durch das BAMF. Die Möglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit zu sichern. Die Vereinfachung des Verfahrens um eine Studienerlaubnis zu erhalten und der Familienzusammenführung.
Begründung

Eine Integration in die deutsche Gesellschaft wird durch das System der Gemeinschaftsunterkünfte verhindert. Hierbei handelt es sich um gefängnisähnliche Einrichtungen in denen sich häufig acht erwachsene Personen ein Zimmer teilen müssen.

Die Residenzpflicht verstößt gegen die Menschenwürde und ist durch nichts zu rechtfertigen - weder die räumliche Beschränkung auf einen Landkreis noch auf ein Bundesland. Sie stellt eine unnötige Härte für viele Familien, Verwandte und Freunde dar, sie verhindert, dass Flüchtlinge möglichst schnell Arbeit bekommen oder bei Verwandten
billig wohnen können, sie schränkt die Betroffenen nicht mehr nachvollziehbar über Jahre in ihrem Recht auf Selbstbestimmung ein. Während ganz Europa Freizügigkeit genießt, bleibt die Bewegungsfreiheit von Asylbewerbern und Geduldeten extrem eingeschränkt. Eine Abschaffung der Residenzpflicht ist längst überfällig.

Die Versorgung mit Essenpaketen ist teuer, bürokratisch und in höchstem Grade entmündigend.

Ohne Begleitung durch einen Anwalt und Dolmetscher besteht das Asylrecht nur auf dem Papier. Im Gegensatz zu den Niederlanden besteht in Deutschland ein Anspruch auf eine Vertretung durch einen Anwalt und eine Begleitung durch einen Dolmetscher allen Phasen des Asylverfahrens bisher nicht. Dies würde aber von vorneherein viele Verfahren beschleunigen und Asylsuchenden eine effektivere Wahrnehmung ihrer Rechte ermöglichen.

Bearbeitungsdauern des Erstantrages auf Asyl von bis zu zwei Jahren und länger sind keine Seltenheit. Während dieser Zeit schweben die Asylsuchenden in einer ständigen Ungewissheit über ihren Status und ihre Zukunft. Gerade jüngere Flüchtlinge verlieren so die besten Jahre ihres Lebens, denn durch den Status als noch nicht anerkannte Asylsuchende sind ihre persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten extrem beschränkt. So gibt es in der GU Würzburg beispielsweise einen Flüchtling, der seit zwölf Jahren in diesem Teufelskreis gefangen ist. Im Zusammenhang mit dem Würzburger Hungerstreik hat sich gezeigt, dass eine Bearbeitung von Asylanträgen durch das BAMF in weniger als einem Monat möglich ist.

Ohne eigene Deutschkennnisse sind Asylsuchende faktische hilflos und eine effektive Integration unmöglich.

Die Möglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit zu sichern ist unabdingbare Voraussetzung für die Teilhabe an der Gesellschaft sowie eine erfolgreiche Integration.
Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland dringend hochqualifizierte Fachkräfte benötigt werden, schaden die hohen Hürden für eine Studienerlaubnis nicht nur der persönlichen Entwicklung der einzelnen Asylbewerber, sondern auch der gesamten deutschen Gesellschaft.

Das in der Regel Familienzusammenführungen nicht durchgeführt werden sorgt bei vielen Asylsuchenden für erhebliche psychische Probleme. Dies ist auch eine der Hauptursachen für die zahlreichen Selbstmorde sowie Selbstmordversuche die sich in den letzten Monaten unter Flüchtlingen in der Bundesrepublik ereignet haben.


mehr infos zum hungerstreik und den Unterstützungsmöglichkeiten: http://gustreik.blogsport.eu/

+ + + + + Musterprotestschreiben an den Oberbürgermeister von Würzburg + + + + +

Absender
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An den Oberbürgermeister der Stadt Würzburg, Herrn Georg Rosenthal
Direktorium, Rückermainstr. 2, 97070 Würzburg
Telefon: 0931 - 37 22 18
Fax: 0931 - 37 33 73
E-mail: ob@stadt.wuerzburg.de

Sehr geehrter Herr Rosenthal,

wir verfolgen seit dem Tod von Herrn Mohammad Rahsepar die Entwicklungen der Asylpolitik in der Stadt Würzburg. Wir waren nach seinem Tod verwundert, warum er trotz seiner bekannten Krankheit in der miserablen Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge, in der ehemaligen Emery-Kaserne leben musste.
Seit März sind nun seine Freunde und andere iranischen Flüchtlinge aus Bayern in einen öffentlichen Streik getreten. Sie setzen sich für das Recht auf politisches Asyl ein. Sie nutzen ihr Recht auf Meinungsäußerung und protestieren seit dem 18. März ebenfalls für die Verbesserung der Lebensbedingungen für Flüchtlinge und für das Ende der Residenzpflicht ein. Wie Sie vielleicht wissen, geht die Residenzpflicht zurück auf eine nationalsozialistische Polizeiverordnung von 1938 (gültig bis 1965!) und wurde 1982 im Asylverfahrensgesetz erneut festgeschrieben. Dabei wurde gleich das Höchststrafmaß aus der Nazi-Zeit mit übernommen: ein Jahr Gefängnis.

Wir erfuhren durch die Pressemitteilungen der streikenden Flüchtlinge in Würzburg, mit welchen bürokratischen Hürden der Protest belegt wird. Um den Protest zu unterminieren, werden seitens der organisatorisch Ihnen unterstehenden Stadtverwaltung Auflagen festgelegt, um die Flüchtlinge physisch zu schwächen und ihren legitimen Protest für bessere Lebensbedingung zu brechen.

Das Ausländergesetz entrechtet die Flüchtlinge, in dem ihnen Grundrechte abgesprochen werden. Die Aktion der streikenden Flüchtlinge in Würzburg ist ein Akt des demokratischen Engagements, die die iranischen Flüchtlinge im Iran nicht hatten. Was wäre passiert, wenn die selben Menschen im Iran sich für Demokratie eingesetzt hätten? Welchen propagandistischen Mittel wären genutzt worden, um die iranische Regierung zu kritisieren? Hier in Würzburg nutzen sie die noch hier geltenden Gesetze und protestieren. Dabei verstoßen sie aber auch gegen Gesetze wie die Residenzpflicht, das aus einer dunklen Zeit der deutschen Geschichte stammt und auch in den ehemaligen Kolonien zur Anwendung kam. Ist der Protest gegen solche Gesetze nicht die Pflicht jedes aufrechten Menschen? Oder dürfen die entrechteten Flüchtlinge hier nicht protestieren? Warum setzt man sich in der fernen Ukraine für die medizinische Versorgung von Frau Timoshenko ein und hier versucht man die hungerstreikenden Flüchtlinge physisch zu schwächen, in dem man ihnen verweigert, in ihrem Protestzelt Stühle und Betten zu benutzen? Warum berufen Sie sich auf die Residenzpflicht, das gegen die universelle Erklärung der Menschenrechte ist?

Wir fordern Sie auf, nehmen Sie Abstand von den Auflagen und verlängern Sie die Genehmigung für den Streik der Flüchtlinge. Schließen Sie die Gemeinschaftsunterkunft in der Emery-Kaserne und nutzen Ihren Spielraum für die dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge.

Mit freundlichen Grüßen

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Vorname, Name und Unterschrift

+ + + + + Musterprotestschreiben an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge + + + + +



Absender

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An das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Herrn Joachim Köhn
Telefon: 0911 - 9433001
Fax: 0911 - 9433003
E-mail: joachim.koehn@bamf.bund.de

Sehr geehrter Herr Köhn,

im Januar haben wir mit Bestürzung vom Tod von Herrn Mohammad Rahsepar gehört. Seit März sind nun seine Freunde und andere iranischen Flüchtlinge aus Bayern in einen öffentlichen Streik getreten. Sie setzen sich für das Recht auf politisches Asyl ein. Sie nutzen ihr Recht auf Meinungsäußerung und protestieren seit dem 18. März ebenfalls für die Verbesserung der Lebensbedingungen für Flüchtlinge und für das Ende der Residenzpflicht ein.

Wir fordern Sie auf, die Asylanträge der streikenden und im Folgenden genannten Personen kritisch zu überprüfen und ihnen das Recht auf politisches Asyl zu gewähren. Die streikenden Personen sind:

Herr Ajin Assadi, Flüchtling aus Würzburg
Herr Arash Dosthossein, Flüchtling aus Grafrath
Herr Reza Feizee, Flüchtling aus Aub
Herr Mohammad Hassanzade Kalali, Flüchtling aus Cham
Herr Soheil Hatamikia, Flüchtling aus Würzburg
Frau Mandana Hemmat Esfeh, Flüchtling aus Bayreuth
Herr Armin Jahanizadeh, Flüchtling aus Würzburg
Herr Mohsen Mashhadi, Flüchtling aus Aschaffenburg
Herr Mehdi Sajadi, Flüchtling aus Augsburg

Wir werden die Entwicklungen genau verfolgen und mit den streikenden Flüchtlingen in Würzburg engen Kontakt halten. Die Entscheidungen des BAMFs werden wir kritisch überprüfen und analysieren und jede Verletzung der Grundrechte und des Asylrechts in die Öffentlichkeit tragen.

Mit freundlichen Grüßen
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Vorname, Name und Unterschrift

http://thecaravan.org/node/3256