Am 18./19. Juni fand die Jahrestagung der Immobilienwirtschaft im RitzCarlton-Hotel am Potsdamer Platz in Berlin statt. Dagegen regte sich Widerstand. 500 Menschen schloßen sich einer Demonstration unter dem Motto "Keine Rendite mit der Miete" an. Die Fahrt eines Busses mit Tagungsteilnehmer*innen zu einem Abendessen wurde zu einer Schnitzeljagd. Sitzblockaden, Fahrrad-Flashmobs und andere kreative Aktionen verzögerten die Ankunft der Investor*innen um zwei Stunden.
Die Tagung
Die Jahrestagung der Immobilienwirtschaft am 18./19.
Juni beschäftigte sich mit den neuesten Trends auf dem Wohnungsmarkt.
Auf der Internetseite ist zu lesen: Krisenzeiten sind Immobilienzeiten.
Die Wirtschaftskrise im Euroraum bringt immer mehr Vermögende dazu ihr
Geld im deutschen und speziell Berliner Wohnungsmarkt anzulegen. Die
Teilnehmenden konnten sich über die sichere Anlagemöglichkeiten
austauschen und Kontakte knüpfen. Ein wichtiges Diskussionsthema war die
energetische Sanierung mit der sich unter ökologischem Anstrich
luxusmodernisieren lässt. Die Rendite der Immobilienkonzerne bedeuten
allerdings zwangsläufig steigende Mieten für die Meisten. Die Wut der
Mieter*innen tritt den Vertreter*innen der Immobilienwirtschaft in
letzter Zeit stärker entgegen.Die Immobilienzeitung
resümiert den Tag: "Immobilienkongresse in Berlin gehen nicht mehr ohne
Proteste. Nachdem im Mai eine noch kleine Gruppe von zwei Dutzend
Gegnern steigender Wohnungsmieten am Eingang zum Gasometer-Gelände
"Keine Rendite mit der Miete" gefordert hatte, fiel der Protest
angesichts der 19. Handelsblatt Jahrestagung Immobilienwirtschaft im
Berliner Nobelhotel Ritz-Carlton ungleich größer aus."
Die Demonstration und der Bus
Die
Demonstration lief vom Mehringplatz zum Potsdamer Platz auf einer
relativ kurzen Route. Ungefähr 500 Menschen nahmen teil, was für einen
Montagnachmittag okay, wenn auch für die Größe der Mobilisierung, nicht
berrauschend ist.
Auf der anschließenden Kundgebung wurden viele
Redebeiträge verlesen über die GSW, energetische Sanierung, Deutsche
Wohnen, Berichte aus einzelnen Kiezen und vieles mehr.
Die
Teilnehmer*innen der Tagung wollten anschließend zu einem Abenddinner in
die Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg fahren. Schon am Potsdamer Platz
wurde das mit Farbe eingedeckte
Hotel belagert. Veranstalter und Polizei waren nervös und beschloßen
die Investor*innen über einen Hinterausgang in die Busse zu lotsen. Die
Abfahrt der Busse gestaltete sich schwierig,
die Polizei setzte Pfefferspray ein, räumte Blockaden, ließ Fahrrädern
die Luft aus den Reifen. Die Investor*innen schauten geschockt aus ihrem
Fenster auf prügelnde Robocops. Aber das war erst der Anfang.
Im
Prenzlauer Berg brach der Bus seinen ersten Anfahrtsversuch wegen
spontan Radblockaden ab und fuhr zurück. Nach einer halben Stunde wagten
die Polizei einen zweiten Versuch ihre gefährliche Fracht an seinen
Bestimmungsort zu bringen. Der Bus hatte auch schon zwei Farbbeuteln
abbekommen und steckte nun abermals fest. Eine Sitzblockade wurde unter
Einsatz von Schmerzgriffen brutal geräumt, Menschen auf der Straße
abgedrängt. Hunderte Menschen hatten sich dem Bus im Kiez kreativ
entgegengestellt. Die Tagungsteilnehmer*innen kamen mit zwei Stunden
Verzögerung zu ihrem Essen, beschimpft von wütenden Anwohner*innen.
Die
Polizei war mit der Situation überfordert und machte willkürliche
Festnahmen. Eine Frau wurde wegen angeblichen Einsatzes einer
Wasserpistole wegen gefährlicher [sic!] Körperverletzung verhaftet. Insgesamt sollen 35 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein, die meisten mit ähnlich albernen Begründungen.
Immobilienwirtschaft aufgeschreckt
Der Berliner Kurier titelt populistisch: Sightseeing-Tour der Miethaie gestoppt, während die Bild-Zeitung von einer Hetzjagd quer durch Berlin schreibt. Sie schreibt: "CHAOTEN MACHEN JAGD AUF BANKER UND IMMOBILIEN-EXPERTEN, DIE IM ARMEN BERLIN INVESTIEREN WOLLEN!"
Auch das Immobilieninformationssystem Thomas Daily
stellt fest: "Auf ihrer fast zweistündigen Odyssee bekamen die
"Immobilienhaie" zwar durchaus auch originellen Protest zu sehen,
erlebten vor allem aber hasserfüllte Gesten und eine aggressive
Stimmung. Die Polizei musste etliche Mannschaftsbusse auffahren, um
Straßenblockaden zu räumen und die Tagungsteilnehmer vor der
aufgebrachten Menge zu schützen." Hintergrundberichte erschienen in Jungle World, Neues Deutschland und Junge Welt.
Allerdings
gab es abseits dieser mehr oder minder reißerischen Artikeln auch ein
Beispiel von abstoßender Pressehetze. Die gutbürgerliche Tageszeitung
lässt in ihrem Hetzartikel ausführlich die Vertreter*innen der
Jahrestagung und des für seine extrem mieterfeindliche Politik bekannten
Immobiliekonzerns Taekker zu Wort kommen. Äußerungen von
Demonstrationsteilnehmer*innen werden nur dazu verwendet den
mietenpolitischen Protest zu diskreditieren und zu delegitimieren. Die
gutsituierten Gentrifizierungsgewinner der TAZ mögen zwar bei kleineren,
friedlichen Mietenproteste noch ein Auge zudrücken, aber wenn die
soziale Frage vehementer gestellt wird, stellen sie sich klar auf die
Seite der Privilegierten. Die TAZ erhebt den moralischen Zeigefinger der
Oberschicht gegen über denjenigen, die sich still und leise aus Berlin
verdrängen lassen sollen.
Auf der Demonstration hielt sich die
Linkspartei mit ihren Fahnen wie vereinbart weitgehend zurück.
Solidarisch zu den mietenpolitischen Protesten ist sie deswegen aber
trotzdem nicht. So distanzierte sich Frau Lompscher im obengenannten
Hetzartikel von den Aktionen. Ein solch unsolidarisches Verhalten macht
den Versuch der Linkspartei, sich den mietenpolitischen Protesten
anzuschließen, vollends unglaubwürdig.
Heute ist nicht aller Tage...
Schon vor der Demonstration kam es zu Aktionen gegen Taekker und danach gegen ein Verdrängungsobjekt. Die Lärmdemos von Kotti und Co setzen sich weiter fort und das Camp setzt nun schon seit Wochen ein unübersehbares Zeichen. Die vielen kleinen Initiativen und Aktionen zeigen eine Zunahme des Widerstands gegen steigende Mieten.
Trotzdem
dieser erfreulichen Entwicklungen ist noch einige Anstrengung notwendig,
damit sich noch mehr Betroffene an den Aktionen beteiligen. Wirklich
entscheidende Veränderung im Herrschaftsdispositiv können nur durch eine
massive Aktivierung der bisher Anteilslosen an der Entwicklung der
Stadt erreicht werden. Dies muss das Ziel der stadtpolitischen
Organisierung sein.
Zu beobachten, bleibt ferner, die von der Gruppe *andere zustände ermöglichen
in ihrem Aufruf angesprochenen Personalisierung. In der
Presseverwertung ist immer wieder von "Immobilienhaien" die Rede, bei
den Aktionen war es ein wichtiger Bestandteil den "Spekulanten" und
"Investoren" Ablehnung deutlich zu machen. Eine weitergehende
Beschäftigung mit den strukturellen Ursachen von steigenden Mieten und
ein Austausch über Strategien und Schwierigkeiten von Mietenprotest sind
anzustreben.
Keine Rendite mit der Miete
Fang den Bus
Video
http://www.youtube.com/watch?v=lTVg9s9fhg4