Am 16. Juni 2012 fand in Karlsruhe eine nationalchauvinistische Kundgebung unter dem Motto „Gegen ESM und Euro-Rettungswahnsinn“ statt. Hier ein paar kritische Hintergrundinformationen.
Initiiert wurde die Protestkundgebung unter anderem vom rechtskonservativen Verein „Zivile Koalition e.V.“, der marktradikalen „Partei der Vernunft“ (PdV) und dem „Netzwerk Volksentscheide“. Etwa 400 bis 500 Personen sollen teilgenommen haben.
In der „Stuttgarter Erklärung“ der für die Kundgebung verantwortlichen Gruppen ist u.a. die Rede von einer „heraufziehenden modernen Schuldsklaverei und EU-Diktatur“. Das erinnert stark an die nationalistische Propaganda aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Nicht ganz grundlos berichtete die rechte Wochenzeitung "Junge Freiheit" über die Veranstaltung und das Neonazi-Infoportal "Deutschland-Echo" spiegelte diesen JF-Bericht.
*** Die Redner_innen-Riege ***
Redner_innen auf der Kundgebung waren:
* Beatrix von Storch (* 1971) aus Berlin, der Reflexion-Blog bezeichnet sie als „Ikone der europamüden konservativen Rechten“. Sie ist eine geborene Herzogin von Oldenburg, Urenkelin des letzten regierenden Großherzogs von Oldenburg und vom bürgerlichen Beruf her seit 2001 Rechtsanwältin. Zudem ist sie Multi-Funktionärin in mehreren rechten Gruppen. Sie ist Vorstandsvorsitzende und Sprecherin der „Zivilen Koalition“, Vorstandsmitglied des Bürgerkonvent e.V., Vorstandsmitglied Allianz für den Rechtsstaat e.V. und war ehemals Sprecherin der „Studenten für den Rechtsstaat“. Den rechten Blättern „Junge Freiheit“ und „eigentümlich frei“ stand sie als Interviewpartnerin zur Verfügung und als Referentin trat sie u.a. für die CDU-Rechtspopulisten von der „Aktion Linkstrend stoppen“ (September 2011) und die Querfront-Truppe „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“ (03.11.11.) um Jürgen Elsässer auf.
* Volker Reusing aus Wuppertal, ein Verschwörungsideologe, ÖDP-Abgeordneter und Aktivist im „Netzwerk Volksentscheid“.
* Josef Szoboszlai, Mitglied der marktradikalen und verschwörungsideologischen „Partei der Vernunft“ (PdV) und Vorsitzender des PdV-Regionalverbandes Rhein-Neckar.
* Leon Siegmund, Gründungsmitglied des „Aktionsbündnis Direkte Demokratie“ und PdV-Mitglied, verkündete das Grußwort von Occupy Hamburg.
* Marcus Anton vom „Aktionsbündnis Direkte Demokratie“.
* Hansjörg Schrade aus Reutlingen, ein evangelischer Freikirchler und Biofruchthändler, der selbständig mit einem Obst- und Gemüsegroßhandel in Stuttgart mit ca. 20 Mitarbeiter_innen ist. Schrade ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und versteht sich nach eigener Aussage als wertkonservativ („Ich bin Mitglied bei den GRÜNEN, ganz klar auf dem bürgerlich-wertkonservativen Flügel“).
* Stefan „Aaron“ Koenig, Gründungsmitglied von der rechtspopulistischen Kleinstpartei „Die Freiheit“, aus der er im November 2011 austrat. Davor war König Ex-Pressesprecher und Ex-Bundesvorstandsmitglied der Piratenpartei. König applaudierte in seinem Blog „Politicool“ dem Schweizer Anti-Minarett-Votum, lobte Sarrazins Positionen und erklärte „Linke [zu] hassen“. Koenig präsentierte seinen Song „Euroshima“, in dem er u.a. vor der EUdSSR warnte.
* Wolfgang Eschenbacher von den „Freien Wählern Baden-Württemberg“.
Grußworte kamen von:
* Wilhelm Hankel (* 1929) aus Königswinter, u.a. Buchautor im rechtslastigen KOPP- Verlag, Referent u.a. für die „Junge Freiheit“, den Kopp-Verlag, das FPÖ-Bildungsinstitut (9. Juni 2011) und die REPs-nahe Gottlieb-Fichte-Stiftung.
* Carlos A. Gebauer (* 1964) aus Duisburg, Redakteur des „marktfundamentalistischen Kampfblatts“ „eigentümlich frei“, Moderator bei familyfair.tv.
Ursprünglich angekündigt waren weiterhin, hatten aber nach interner Kritik abgesagt:
* Michael Schlecht, Linkspartei-MdB und Chefvolkswirt der Bundestagsfraktion „Die Linke“.
* Robert Stein, MdL der Piraten aus NRW.
* Dietmar Schulz, MdL der Piraten aus NRW.
Rechtsoffene und marktradikale Mischszene
Die „Brechung der Zinsknechtschaft“ gehörte bereits zu den Zielen der NSDAP und das Gerede von der „Versklavung“ des deutschen Volkes zur festen Terminologie der Neonaziszene. Zudem wurde auch ein Aktivist des neonazistischen „Karlsruher Netzwerk“ auf der Veranstaltung gesehen.
Das bestehende und durch den ESM bestärke Demokratiedefizit der EU und der Währungsunion mit dem so genannten Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 zu vergleichen, verharmlost die NS-Diktatur.
Wer sich wie die NPD auf Wilhelm Hankel, einem Autor des verschwörungsideologischen Kopp-Verlags, der neurechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ sowie der faktischen Parteizeitung der DVU – die „National-Zeitung“ – bezieht und offen für antisemitische Verschwörungs- sowie antikommunistische Ideologien ist, der bewegt sich nun mal in eine rechtsoffenen Mischszene, wo auch Antisemiten und Rassisten mitmischen.
Das dieser Haufen möchtegernlibertär und marktradikal und somit zumindest antisolidarisch ist, dürfte außer Frage stehen. Das die Akteure eines solchen Mischspektrums nicht so greifbar und einfach anzugreifen wie die NPD sind, erhöht eher deren gesellschaftliches Gefahrenpotenzial. Ausdruck dafür, dass es auch politisch linke Alternativvorschläge zu ESM und derzeitiger EU-Politik gibt, sind u.a. die Proteste rund um Blockupy Frankfurt.
Antifa Karlsruhe?
Warum bekommt man davon erst im Nachhinein mit?
"Zivile Koalition" bei "Marsch für das Leben 2012"
Die "Zivile Koaltion" von Beatrix von Storch, die bei allen rechten Anti-ESM-Demos mitmischte, unterstützt auch die gruseligen Anti-Abtreibungsdemos der selbsternannten "Lebensschützer":
www.marsch-fuer-das-leben.de/unterstuetzer.php