erster mai - scheiss auf mitte

das gebrabbel im vorfeld von 25 jahre erster mai berlin (sic!!) liess schlimmstes erwarten.
runde jubiläen lassen eher an 50 jahre volksrepublik als an emanzipatorische prozesse denken, nur das die parade in diesem fall vom rollenden truck und nicht von der ehrentribüne an der karl-marx-engels allee abgenommen wird.

 

nun also ist die katze aus dem sack.


die arab liess über ihren pressesprecher via taz verlauten, dass die erste mai demo in berlin dieses jahr raus aus kreuzberg zum hauptstädtischen kulissenareal brandenburger tor führen soll.
auf die idee, dies in der linken vorzudiskutieren oder zumindestens in den linken medien oder foren zu kommunizieren, scheint man nicht gekommen zu sein.

 

das man in letzten jahren in der vorbereitungsgruppe eh weitgehend unter sich gebleiben ist, weil kaum noch jemand bock auf das getue der vulgärkommunistInnen hat, scheint keine reflektierenden anstrengungen hervorgerufen zu haben, weil den “sozialismus in seinen lauf hält (ja eh) weder ochs noch esel auf”.

 

jenseits der inhaltlichen gräben, die sich notwendigerweise zu den gruppen ergeben, die das erste mai demospektakel in den letzen jahren veranstaltet haben, setzt die planung für dieses jahr der entwicklung der letzten jahre die krone auf.

 

die bullen und die politische eliten in dieser stadt haben diverse gescheiterten versuche unternommen, die randale am ersten mai zu unterbinden.

so wurde die anzahl der eingesetzten bullen im laufe der jahre zwischenzeitlich auf bis zu 10.000 einsatzkräfte erhöht, die sich dann doch wieder nur im raumschutz und den bereitstellungsräumen gegenseitig auf den füssen herumgestanden haben.

mal wurde die erste mai demo komplett verboten, woraufhin es dann rund um den mariannenplatz besonders heftig geknallt hat. mal haben sich die bullen auf der demo garnicht blicken lassen, was aber auch nicht den gewünschten “friedlichen verlauf” der “maifeierlichkeiten” gebracht hat.

 

die aktuelle version der aufstandbekämpfungsstrategie ist das sogenante myfest. gemeinsam geplant von bezirksamt und bullen, unter einbindung von “organisationen” aus dem migratInnenspektrum und selbsternannten kiezaktivistInnen, z.B. aus dem vorstand der “genosenschaft luisenstadt”.

der jahrelangen vorsitzenden der “genossenschaft luisenstadt”, die aus der verhandlerInnenfraktion der westberliner hausbesetzerInnenbewegung der 80iger hervorgegangen ist, haben ihre verdienste übrigens einen posten direkt bei den bullen eingebracht, den sie allerdings vor ein paar wochen im zuge von internen umstrukturierungsmaßnahmen verloren hat.

 

das konzept von brot und spiele statt revolte und selbstorganisierung ist aber nur teilweise aufgegangen.

zwar wurde medial immer wieder das bild eines “friedlich feiernden kiezes” inszeniert, verblasste aber immer wieder neben den auch weltweit versendeten videos und bildern von barrikadenbau, plünderung und angriffen auf die staatsmacht.

unangemeldete demos zogen in den letzten jahren immer mal wieder quer durch das festgebiet in 36, von vielen mit beifall bedacht, etliche festbesucher schlossen sich spontan an.


die menschmassen bereiteten die bullen erhebliche taktische probleme. während in früheren jahren, alle, die ab einer bestimmten uhrzeit noch auf der strasse waren, zu freiwild erklärt, und teilweise bis in die hausflure der mietshäuser hinein niedergeknüppelt wurden, müssen die bullen nun politisch implizierte rücksicht nehmen.

sie verbergen sich während der dauer des festes, solange es nur geht, mit grösseren einheiten in den grossen innenhöfen der neubaublöcke. verlassen sie diese, um gegen militante aktivistIstinnen vorzugehen, können sie sich nicht mehr quer durch das fest prügeln, ihre bewegungsfreiheit ist eingeschränkt.

 

trotz der taktischen vorteile, die das myfest teilweise für militante aktivistInnen bietet, kann das politische verhältnis einer radikalen linken zu diesem nur antagonistisch sein.

die politische zielsetzung einer befriedung des “ersten mai” ist klar und in unzähligen veröffentlichungen von autonomen und anderen linksradikalen gruppen benannt worden. die beteiligung der bullen in der vorbereitung spricht für sich.

 

trotzdem gibt es ein, vorsichtig formuliert, ambivantes verhältnis vieler gruppen, die u.a. auch in der vorbereitung der ersten mai demos der letzten jahre involviert waren und sind, zum myfest.

 

teilweise wurde, für kohle, der “schutz” von bühnen auf dem myfest übernommen. bei den diskussionen um die route der erst mai demo, die in den letzten jahren teilweise durch das festgebiet führte, wurde von der demovorbereitungsgruppe und den repräsentanten des myfestes mehrmals öffentlich betont, dass man in gegenseitigem respekt an einer gemeinsamen lösung arbeite.

 

mittlerweile werden in den letzten jahren, auch ganz ungeniert, eigene bühnen als integraler bestandteil des myfest betrieben. so im letzten jahr das “barrio antifaschista” am engeldamm oder im jahr davor die grosse bühne am kotti.

es geht nicht darum, den angesprochenden gruppen, die wir hier bewusst nicht namentlich nennen, zu unterstellen, sie beteiligen sich bewusst oder unbewusst an der aufstandsbekämpfungsveranstaltung myfest.


wir vermissen allerdings eine klare politische ansage, in der man sich entweder klar gegen das myfest positioniert, oder zumindestens die widersprüchlichkeit der eigenen situation benennt. das derzeitige gemauschel im hinterzimmer finden wir jedenfalls einen unerträglichen zustand.

 

nun also will man dieses jahr “den kiez” ganz hinter sich lassen, wie wir dem tagesspiegel entnehmen durften (nochmals: warum muss man die bürgerliche presse lesen, um den planungsstand für den ersten mai zu erfahren?) die derzeit angemeldete route wird vom lausitzer platz über skalitzer, prinzenstrasse, moritzplatz, oranienstrasse, wilhelmstrasse,… am myfest vorbei zum brandenburger tor führen.

 

wir halten diese route aus politischen und taktischen gründen für eine katastrophe.

 

unsere politische kritik:
oberstes politisches ziel der bullen war in den letzen jahres, zu verhindern, dass die randale im gebiet des myfestes stattfindet. wenn man schon nicht in der lage ist, mit tausenden von bullen in einem über die jahre ausreichend erkundeten gebiet von ein paar strassenzügen randale zu vermeiden, soll wenigstens am ende die alljährliche “erfolgsbilanz” stehen: “tausende von besuchern des myfestes haben friedlich gefeiert”.

 

zu diesem zweck hatten die bullen 2010 am demoendpunkt spreewaldplatz massive absperrketten postiert, um zu verhindern, dass teile der demo anschliessend richtung fest zogen.

auch im letzten jahr haben sie die gleichen anstrengungen unternommen und so verhindert, dass nach der vorzeitigen auflösung der demo grössere gruppen von neukölln oder später vom südstern nach 36 gelangten.

auch war auffällig, dass es am kotti in letzen jahren massive absperrungen mit quergestellten wannen am zugang adalbertstrasse gab, um das terrain myfest bei den nächtlichen auseinandersetzungen am kotti nicht zum aktionsraum werden zu lassen.

 

zu dem gehalt, den widersprüchen, den emanzipatorischen und antiemanzipatorischen, dem alk, dem mackertum, und, uns, … bei den krawallen am ersten mai in berlin ist im laufe der jahre schon vieles und wahrscheinlich schon so gut wie alles gesagt worden.


wir wollen dem an dieser stelle nichts weiteres hinzufügen, ausser das wir uns, bei aller notwendiger kritik, grundsätzlich solidarisch auf die auseinandersetzungen beziehen. die vielen panneaktionen, das öffentliche produzieren von angesoffenen mackern, hat unser meinung nach auch damit zu tun, das viele “politische aktivistInnnen” sich schon früh am abend zurück ziehen. wir erleben jedenfalls jenseits aller scheisse in den nächten auch immer wieder viel solidarität und zielgerichtete wut.
im übrigen verweisen wir auf einen text aus hamburg, “splitter der nacht” (http://de.indymedia.org/2011/08/314614.shtml), der sich anlässlich der auseinandersetzungen rund um das schanzenfest mit der widersprüchlichkeit solcher riots und dem möglichen verhältnis der radikalen linken dazu beschäftigt.


Wir halten es für politisch wichtig, als radikale linke den kiez rund um heinrich-und- mariannenplatz nicht den bullen und dem myfest zu überlassen.

 

unsere taktische krtik:
in den letzten jahren konnten wir die erste mai demo ohne seitliche, einschliessende begleitung durch die bullen durchführen.


2009 kam es zu selbstbestimmten angriffen aus der demo heraus auf die bullen. herbeieilende sondereinheiten der bundespolizei wurden massiv angegriffen, konnten keine festnahmen tätigen, waren kaum zu offensiven aktionen in der lage. erst nach einer halben stunde gelang es mehreren hundertschaften, die situation vorübergehend zu beruhigen, bevor sie nach der vorzeitigen auflösung der demo wieder die kontrolle verloren und ein grosser mob, die erneute konfrontation suchend, unkontrolliert richtung kotti zog.


2010 war die demo scheinbar nach der erfolgreichen verhinderung des naziaufmarsches im prenzlauer berg eine reine pflichtveranstaltung. in nur einer stunde war die ganze angelegenheit nach einem kurzes schlenker durch neukölln erledigt, die bullen waren eigentlich zum bis ende hin nicht präsent.


2011 zogen zwar starke bullenkräfte parallel in den seitenstrassen mit, ein zunehmend vermummmt auftretender block zerlegte jedoch zahlreiche banken und filialen von grossen unternehmen. der erste auftauchende grosse bullentrupp frass massiv steine, kam nicht vom bürgersteig runter, weitere von vorne dazueilende verstärkung in einsatzhundertschaftsstärke bekam ebenfalls massive probleme, war so mit selbstschutz beschäftigt, das ihr nur eine festnahme gelang.
wenn die demospitze sich nicht von einer dünnen bullenkette hätte blocken lassen, wodurch die situation statisch wurde, was immer gut für die bullen und schlecht für uns ist, wäre sogar noch mehr möglich gewesen.

 

die derzeit angemeldete route für den ersten mai  2012 führt, von einigen touristischen hotspots abgesehen, weitgehend durch eine menschenleere gegend. an einem feiertag werden wir dort mit den bullen alleine sein.
die “zurückhaltung” der bullen gegenüber der ersten mai demo hatte immer damit zu tun, dass sie eine spätere “antwort” im “kiez” einkalkulieren mussten. 

 

bei der derzeitigen planung werden diesmal wir eine hohen preis zahlen müssen.

von einer einschliessenden begleitung ist auszugehen, wir haben kein rückzug-und-ausweichgebiet rund um die route, viele werden sich sogar in der gegend nicht besonders auskennen.

auch wird die anzahl der teilnehmer kontinuierlich abnehmen. viel werden, genauso wie wir, keinen bock darauf haben, durch die walachei zu latschen.

am pariser platz angekommen steht dann der geschrumpfte rest zwischen touris und greiftrupps, ein zurück in grösseren gruppen nach 36 werden die bullen unterbinden.

 

unter diesen umständen bleiben als optionen aus unserer sicht  entweder das verlassen der demo alleine und in kleingruppen, oder organisiert gemeinsam, solange wir noch in 36 sind.

 

wir werden jedenfalls nicht die von den bullen drangsalierte und vollständig kontrollierte massenkulisse abgeben, damit sich arab und konsorten vor dem brandenburger tor in scene setzen können.

 

für eine widerständigen ersten mai

 

passt aufeinander auf, übernehmt veranwortung in kritischen situationen, klebt nicht an den bullen, schiebt keine paranoia

 

und vergesst vor allem nicht die gefangenen

 

autonome traditionalisten/ unrealistisches zentrum

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Als Auswärtiger finde ich es Prima, endlich mal den Kiez zu verlassen! Die Kiezmiliz kann ja trotzdem in ihrer ungesalzenen Suppe verbleiben...

Bin ja auch kein Arabfreund, aber das nennt ihr politsche Kritik? Hauptsache es knallt im Kiez?!

Habt ihr schon mitbekommen, dass es außerhalb von 36 und euren Ritualen noch eine Welt gibt?

 

Angesichts der deutschen Krisenpolitik ist es nicht zuletzt ein Zeichen der Solidarität mit den Griechischen GenossInnen

den Widerstand ins Regierungsviertel zu tragen. Das wär übrigens auch ein Grund mal von weiter weg am

1. Mai nach Berlin zu fahren...

zu dem ersten absatz stimm ich dir zu. aber regierungsviertel? weil wir neuerdings unsere kritik an den herrschenden verhältnissen und sytemischen widerspruchen an die etablierte politische klasse delegieren? oder warum deiner meinung nach?

nein, weill die Kritik da als eine auf die aktuelle Krisenpolitik bezogene wahrgenommen werden kann und

ausserdem tatsächlich mehr stören kann, als wenn in 36 es eine hauerei mit den Bullen gibt. Das juckt die politische Klasse

in Mitte eher wenig...

Völlig außer Acht bleibt dabei auch, daß es 2009 wegen dem Griechischem Dezember heftig krachte, eine Kontinuität zu den Sylvesterrandalen und denen in kleineren - auch vom griechischem Kleinstadtaktivismus inspirierten -  ostdeutschen Städten bestand; leider blieb es über die Jahre allerdings dabei und copy cat riots passieren einfach nicht, obwohl das heutzutage viel einfacher wäre, als damals wo sie Bewegungsrealität waren.

Ich finde gut daß es mal raus aus em Kiez geht.Auch daß diesmal nich mit Randale für die Demo geworben wird.Solange wir viele sind können wir überall in Berlin demonstrieren,ohne angst haben zu müssen hinter jeder Ecke von ein paar bullen überfallen und zusammengeschlagen zu werden.  Klar für die kravallorientierten Kids ist es keine so tolle Strecke erstmal,aber vielleicht ergibt sich da noch was.

Groß war die 18 Uhr Demo ja schon immer,vielleicht schaffen wir es dieses Jahr ,sie auch noch Erfolgreich werden zu lassen.

... und die Prognose hat sich bewahrheitet.