200000 Demonstranten am Parlament - Weitere 3000000, die nicht dahin kommen konnten (Straßen und U-Bahnen von der Polizei blockiert) - Bewohner von Kreta konfiszieren einen Kanal des griechischen TVs. Die Stadt Volos ist teilweise abgebrannt, die Finanzämter zerstört - Das Kino Akkon, Anno 1870, ist niedergebrannt. Das Gebäude wurde von der Gestapo als Haftanstalt benutzt - Eine Waffenhandlung auf der Athinasstraße ist geplündert worden - Zahlreiche Banken sind abgebrannt, einschließlich der Filialen und der Starbucks Eurobank - Zuvor waren die Banken hinsichtlich der Videoüberwachungssysteme bereits beschädigt worden - Die Nationalbibliothek wurde nicht verbrannt!
So lautet die Bilanz eines X-ten Kampftages in Griechenland. Weitere Auseinandersetzungen. Weitere Wut, sehr viel Wut. Gibt es aber Neues, in den jüngsten Ereignissen? Wir haben darüber mit Achilles gesprochen, der via Skype direkt aus Athen mit uns in Verbindung ist.
Freitag, 17. Februar 2012
Interview mit Achilles
Radiocane: Wir sind mit Athen verbunden, mit einem Genossen aus der Bewegung, mit dem wir schon andere Male gesprochen haben.
Radiocane: Hallo Achilles!
Achilles: Hallo!
Radiocane: Hör mal, in den letzten Tagen haben wir gehört, dass es in Griechenland eine von den extrem harten Maßnahmen, die, wie soll ich es sagen, die europäische Regierung der nationalen griechischen Regierung aufzuzwingen versucht ausgelöste, sehr starke Welle der Auseinandersetzungen und der sozialen Spannungen gegeben hat, die noch stärker als in den vorherigen Monaten gewesen ist. Kannst Du uns ein Bild der aktuellen Lage in Griechenland geben?
Achilles: Sagen wir, dass die Zusammenstöße am Sonntag Abend den Höhepunkt einer Mobilisierung dargestellt haben, die drei Tage angedauert hat. Freitag und Samstag gab es den sowohl von den Gewerkschaften des öffentlichen Sektors als auch des Privaten ausgerufenen Generalstreik. Um ehrlich zu sein, sind die Demonstrationen, die am Freitag und Samstag stattgefunden haben, unter den Erwartungen zurück geblieben. Die imposanteste Demonstration - man schätzt, dass sich fast 300000 Leute beteiligten - ist die vom Sonntag gewesen, bei der es zu mitunter auch ziemlich harten Zusammenstößen mit der Polizei kam, die über Stunden stattgefunden haben. Man schätzt, dass sie gegen 17:30 begannen und hörten erst kurz vor Mitternacht wieder aufhörten. Abgesehen von deren Dynamik, von den Plünderungen und den Sachschäden die an Einkaufszentren, Geschäften und so weiter verursacht wurden, liegt das bemerkenswerteste an diesen Zusammenstößen darin, dass auch die Personen, die sich nicht an den Auseinandersetzungen beteiligt hatten auf jeden Fall, mit welchen Mitteln auch immer, stundenlang die sagen wir dynamischeren Gruppen unterstützt haben. Die Demonstranten sind trotz Tränengas und dem erstickenden Klima, dass entstanden war auf der Straße geblieben. In vielen Fällen, besonders dann, wenn Banken oder andere Gebäude, die als Symbole der Macht gelten beschädigt wurden, aber auch während der Auseinandersetzungen mit der Polizei klatschten sie Beifall, ich meine, sie zeigten mit allen Mitteln ihre Zustimmung für das, was gerade geschah. Sie sind, sagen wir, mit denen, die aktiver waren, solidarisch gewesen, so. Meines Erachtens liegt auch fast eine generationelle Unterscheidung vor, die Aktiveren bei den Auseinandersetzungen gehören einer viel jüngeren Altersgruppe an, in der Regel bis 30, 35 Jahre alt. Das ist etwas schwierig zu interpretieren, weil es ganz gewiss sehr viel Wut gibt, da sie während der letzten beiden Jahre und besonders im Vergangenen erlebt haben, wie ihr Lebensstandard sehr viel schlechter wurde, auf eine sehr... sehr... ich würde sagen (grinsendes Kichern) radikale Weise. Die offizielle Arbeitslosigkeitsquote ist auf 20% gestiegen, es gibt ganz gewiss sehr viel Wut. Außerdem fällt es vielen schwer, in Bezug auf die Protestmethoden und darauf, wie man Dissens manifestieren kann bestehende Tabus zu brechen. Ich möchte auch anmerken, dass Transparente und die verschiedenen Symbole der Parteien etc. verschwunden waren, als die Auseinandersetzungen liefen. Bei den Demonstrantenblöcken, die meist im Bereich der Auseinandersetzungen waren, handelte es sich in der Regel um Basisgruppen, wie zum Beispiel Stadtteilversammlungen. Das ist möglicherweise auch Ausdruck einer Radikalität, die vielleicht nicht sehr breit, aber vorhanden ist. Eine Radikalität von Unten, so.
Radiocane: Kannst du uns etwas mehr über diese Stadtteilversammlungen sagen, von denen Du uns berichtet hast, dass sie Protagonisten der Auseinandersetzungen waren?
Achilles: Na, Protagonisten vielleicht nicht, aber sehr aktiv. Sagen wir, dass diese Stadtteilversammlungen zu Zeiten entstanden sind, die, zu lokalen Themen und so weiter lange vor der jetzigen liegen und in letzter Zeit wieder aufgelebt sind - im letzten Jahr und im Besonderen nach den Demonstrationen auf dem Syntagma Platz im vergangenen Sommer, aber auch nach der Auferlegung einer Steuer, die in die Stromabrechnung eingebaut wurde - eine Sache, die von vielen Leuten als die x-te Erpressung erlebt wurde, in dem sinne, dass Du keinen Strom bekommst, wenn Du die Rechnung nicht zahlst. Diese Versammlungen sind geboren, um zu versuchen, die Solidarität mit denen, die nicht zahlen können zu organisieren, und auch die Verweigerung der Zahlung dieser Steuer zu organisieren, die praktisch eine Spezialsteuer darstellt, die kurzum direkt an unsere Gläubiger geht.
Radiocane: Wir haben oft gedacht, dass Krisen zu Vorrevolutionären Verhältnissen führen können. Ich glabe aber, dass ihr, die ihr dort vor Ort seid, euch dabei wiederfindet eine Situation zu erleben, die sehr viel schwieriger und komplexer ist, was ein Reihe von Gewissheiten ein Stück weit wieder zur Debatte stellt, die so gewiss nicht mehr sind.
Achilles: Ok, na gut. Zuallererst: ich kann mir vorstellen, dass vor allem die strammsten Deterministen der Rolle, die das Subjekt inne hat ein wenig Raum einräumen, dass sie den subjektiven Faktor anerkennen. Was zur Zeit aus Griechenland fehlt, ist ein radikaler, Revolutionärer Vorschlag, der überzeugend und fähig wirkt, zur Mobilisierung zu überzeugen. zum Anderen wird das überleben seit eineinhalb Jahren zunehmend schwierig, was mit Sicherheit nicht unbedingt di Mobilisierung hin zu einer radikalen Perspektive fördert. Das kann also ein Stück weit gegenteilige Wirkung haben, in dem Sinne, dass es zur Erstarrung und zur Verzweiflung der Leute führen kann. Wenigstens für den Moment sind Situationen von totaler Verzweiflung noch nicht so ausgedehnt, mit Sicherheit ist ein großer Teil der Bevölkerung, vor Allem Lohnabhängige und Rentner finden sich in einer Situation wieder, die sich als sehr schwierig erweist. Das kann von Einsparungen an nicht unbedingt Notwendigem bis hin zur Schwierigkeit, zu überleben reichen.
Radiocane: Hör mal, eine letzte Frage, Achilles: In den verschiedenen Berichten aus Griechenland, die Italien erreichen, tauchen immer wieder Nachrichten über Wiederaneignungen von Unten auf - Wiederaneinung von Geschäften, von Energiequellen, erweiterte Formen der gemeinschaftlichen Nutzung, die auf der Grundlage neuer Bedürfnisse, wie jene, die Du beschrieben hast entstehen.
Achilles: Angesichts der Situation, die in den letzten eineinhalb Jahren in Griechenland zustande gekommen ist, und angesichts der Arbeitslosigkeit, müssen viele Menschen eine Antwort auf die Frage finden, wie sie überleben können. Einige Antworten auf diese Frage bestehen auch in kollektiven Methoden, um diese Krise zu überwinden. Das kann von Kooperativen verschiedener Art bis hin zu Enteignungen reichen. Eine weitere Antwort ist zum Beispiel die Verweigerung der Zahlung jener Steuer gewesen, von der ich erzählt habe, die in die Stromrechnung eingebaut wurde. Meine Wahrnehmung ist, dass diese Formen für den Moment nicht sonderlich verbreitet sind, sie sind eher sporadische, unterschiedliche Experimente, um aus dieser Krise heraus zu kommen oder aber auch die Probleme zu überwinden, die durch diese Krise entstehen. Ich glaube aber, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass diese Antworten mit dem Sich verschärfen der Krise größeren Raum einnehmen werden. Ich glaube, dass das Beispiel Argentiniens in dieser Hinsicht sehr aussagekräftig ist, in dem Sinne, dass unmittelbar nach dem Bankrott Argentiniens gerade aus nicht so sehe politischen, sondern eher aus schlichten Überlebensgründen unheimlich viele kooperativen und Formen der Zusammenarbeit in Fabriken, die geschlossen worden waren entstanden sind. Ich glaube, dass diese Formen der Antwort auf die Krise auch in Griechenland kontinuierlich zunehmen werden.
Übersetzung von: Atene, una volta di piú
URL der Audiodatei: Iliade.mp3
Vielen Dank!
Danke für die Übersetzung!