[Aachen] Pressemitteilung bezüglich der Hausbesetzung in der Kasinostraße 55

Hausbesetzung in Aachen

In der Nacht zu Neujahr 2012 wurde in der Kasinostr. 55 ein seit mehr als vier Jahren leerstehendes Haus besetzt.

Unsere Motivation resultiert aus dem Mangel an bezahlbaren Wohnraum, unkommerziellen und selbstverwalteten Räumlichkeiten in Aachen. Verstärkt wird dieser Mangel beispielsweise durch das sogenannte Projekt „Kaiserplatzgalerie“, aufgrund dessen vorhandener Wohnraum zerstört wurde, um einem weiteren Einkaufszentrum Platz zu machen. Diese Art von Städtepolitik stellt die Interessen von Investor_innen über die Grundbedürfnisse der Bewohner_innen der Stadt Aachen, trotz kontinuierlich, medial thematisiertem Wohnraummangel.


Dieser Problematik soll durch ein soziokulturelles Zentrum entgegengewirkt werden. Wir fordern einen Raum in dem es für jede und jeden möglich wird kollektiv miteinander zu leben, aktiv zu werden und sich einzubringen, um der sozialen Isolation etwas entgegenzusetzen. Dies kann Ausdruck finden in gemeinsamen Kochabenden, Rechtshilfeangeboten, Spieleabenden, Fahrradwerkstätten, Nachhilfeunterricht, Kinderbetreuung oder Ähnlichem. Dahinter steht der Gedanke, dass Politik und alltägliches Leben nicht voneinander trennbar sind und an einem Ort kombinierbar sein müssen. Unser Anspruch ist es sich mit gesellschaftlichen Unterdrückungsmechanismen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie, Klassismus etc. auseinanderzusetzen und ihnen durch diesen Freiraum entgegenzuwirken. Demnach soll auch politisch motivierten Menschen die Möglichkeit zum Austausch, zur Organisation und Diskussion gegeben werden. Anregungen hierzu könnten zum Beispiel Vorträge, Lesungen, Diskussions- und kritische Filmabendeabende sein.

 

Die Besetzung begann um 23:00 Uhr als eine offene Silvesterparty mit Musik, Essen und Getränken, die von ca. 200 Personen besucht wurde. Nach drei Stunden begann die Polizei die Straße weitläufig abzusperren. Ab diesem Zeitpunkt war es nicht mehr möglich das Haus zu erreichen. Alle Menschen, die anschließend das Haus verließen wurden an den Absperrungen einer Personalienkontrolle unterzogen. Dabei wurde eine Person in Gewahrsam genommen. Gegen sieben Uhr morgens erschien eine Personengruppe, die sich mit uns solidarisierte. Diese versuchte im Laufe der Zeit eine Kundgebung anzumelden, was von der Polizei untersagt und später mit einem Pfeffersprayeinsatz beantwortet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Polizeipräsident Klaus Oelze ebenfalls vor Ort, der den fragwürdigen Polizeieinsatz mit zu verantworten hat und in der Tradition steht einen konfrontativen Umgang mit Hausbesetzungen und alternativen Protestformen zu führen. Besonders erschreckend fanden wir, dass anfänglich selbst der Presse verboten wurde zu uns an das Haus zu kommen. Sogar sich im Einsatz befindende Krankenwagen durften die Straßensperre nicht passieren.

 

Nach einer Nacht mit sehr wenig Schlaf, galt es für uns, im gemeinsamen Plenum herauszufinden, wie wir mit der Situation umgehen. Eine unserer ersten Handlungen bestand darin das Haus längerfristig nutzbar zu machen und mit unserer neuen Nachbarschaft in Kontakt zu treten. Wir freuten uns besonders darüber, dass die Anwohner_innen uns mit Lebensmitteln und weiteren notwendigen Utensilien versorgten, da es aufgrund der massiven Polizeipräsenz für uns unmöglich war diese eigenständig zu beschaffen. Sehr sympathisch fanden wir die verschiedenen kreativen Solidaritätsbekundungen, wie einen spontanen Straßenbrunch und ein Fußballspiel der Nachbar_innen.

 

An dieser Stelle ein besonderes Dankeschön an alle unterstützenden Anwohner_innen und weiteren solidarischen Menschen!

 

Den ganzen Tag versuchten wir Kontakt mit dem Besitzer des Hauses aufzunehmen, um ihm unsere Ideen bezüglich der weiteren Nutzung des Gebäudes mitzuteilen und unsere Bereitschaft zu Verhandlungen zu signalisieren. Bedauerlicherweise gelang uns dies erst nachdem dieser eine Strafanzeige gegen uns gestellt hatte. Der Kontakt konnte letztendlich durch einen Journalisten hergestellt werden. Dabei ergab sich, entgegen unseres vorherigen Informationsstandes, dass das Gebäude am 23.12.2011 verkauft wurde und dort neuer Wohnraum entstehen soll. Uns wurde zugesichert, dass die Umbauarbeiten innerhalb der nächsten Woche beginnen. Dies stellte eine völlig neue Situation dar, da dadurch für uns eine längerfristige Nutzung des Gebäudes ausgeschlossen wurde. Nach mehreren Telefonaten mit dem neuen Hauseigentümer sicherte dieser zu, seine Strafanzeige zurückzuziehen, wenn das Haus keine größeren Beschädigungen aufweisen würde. Festgestellt werden sollte dies durch einen Stellvertreter des Besitzers in Polizeibegleitung. Unsererseits stellten wir allerdings die Forderung der absoluten Straffreiheit, dazu verlangten wir eine Garantie, dass keine Personalien der Besetzer_innen festgestellt werden und dass die Polizei das Haus nicht betritt. Unter der Erfüllung unserer Bedingungen erklärten wir uns bereit noch in derselben Nacht das Haus zu verlassen.

Die Begehung fand mit uns und in Anwesenheit der unabhängigen Beobachter Horst Schnitzler (UWG), Andrej Hunko (MdB/Die Linke) und ohne Polizei statt. Nachdem es bei der Besichtigung keinerlei Beanstandungen gab, ließen wir uns vom Stellvertreter des Besitzers schriftlich versichern, dass die Strafanzeige zurückgezogen und von jeglichen Schadensersatzansprüchen abgesehen wird. Auch die Polizei kam unseren Forderungen nach und wir konnten mit samt all unseren Sachen, als auch dem Barrikadenmaterial das Gebäude unbehelligt unter den Augen der abrückenden Einsatzhundertschaft verlassen.


Hervorzuheben ist das skandalöse Verhalten der Aachener Polizei insbesondere in dem Punkt, dass dem Vertreter des Hauseigentümers geraten wurde keinen Kontakt zu uns aufzunehmen, obwohl er dies beginnend beabsichtigte, sondern direkt Strafanzeige zu erstatten. Diese bewusste Sabotage der Kommunikation mit uns, verdeutlicht die eskalative Strategie der Polizei und das Ignorieren der individuellen Wünsche des Vertreters und unsererseits. Die angebliche Gefahr die von uns ausgehen sollte wurde bewusst von der Polizei konstruiert, um die Nachbar_innen und Passant_innen einzuschüchtern und die permanenten Straßenabsperrungen zu legitimieren. Diese Gefahr bestand selbstverständlich zu keinem Zeitpunkt.


Immer wieder gab und gibt es Hausbesetzungen in Aachen die mit der politischen Forderung nach einem soziokulturellen Zentrum verbunden sind. Diese Forderungen bestehen nach wie vor und wir werden weiter dafür kämpfen, dass diese umgesetzt werden. Hiervon wird uns keine Polizeiblockade und auch kein Polizeipräsident abhalten.


Die Stadt gehört allen, also holt sie euch zurück!

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...aber wenn Ihr wirklich ein Problem mit der städtischen Wohnraumpolitik habt, warum besetzt Ihr dann nicht die Kaiserplatzgalerie? Da kann man vielleicht nicht so gemütlich feiern wie in einem privaten (!) Wohnhaus, aber dafür ist die Aktion dann für die breite Masse verständlicher und glaubwürdiger. Eure Ziele finde ich vorbildlich und Euren Tatendrang bewundernswert, aber Euer Vorgehen finde ich strategisch ungeschickt: Ihr fordert von der Polizei deeskalatives Verhalten und ruft gleichzeitig zum Kampf um unsere Stadt auf - für mich genauso falsch nur in die andere Richtung. Wenn man in Aachen was soziales schaffen möchte, sollte man mit einem sozialen Projekt beginnen und nicht mit einer Sylveterparty. Mit so etwas macht man es denjenigen zu einfach, die hinter Eurer Bewegung nur unterforderte, frustrierte und/oder betrunkene Jugendliche sehen.