Dieses Urteil wurde heute im Amtsgericht Tiergarten gefällt. Die erklärte Anti-Kriegsaktivistin Inge Viett soll nun 1.200 Euro Geldstrafe zahlen! Die Urteilsbegründung lautet, sie habe öffentlich Sympathie für Brandanschläge auf Kriegsmaterial der bundesdeutschen Angriffsarmee bekundet. Eine solche Gesinnung "störe den öffentlichen Frieden" und sei deshalb nach Meinung des Gerichts nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Sie soll damals gesagt haben: "Wenn Deutschland Krieg führt und als Antikriegsaktion Bundeswehrausrüstung abgefackelt wird, dann ist das eine legitime Aktion wie auch Sabotage im Betrieb an Rüstungsgütern, illegale Streikaktionen, Betriebs- und Hausbesetzungen, militante antifaschistische Aktionen, Gegenwehr bei Polizeiattacken." Ein Schelm, wer nun bei diesem Urteil bloßen Rachedurst der herrschenden Klasse und ihrer entsprechend willfährigen politischen Gesinnungsjustiz vermutet.
Inge Viett und ihr Verteidiger, Sven Richwin, forderten Freispruch, der Staatsanwalt wollte drei Monate Haft ohne Bewährung, heraus kam die 1.200 € Geldstrafe. Leider konnte ich nur an der Kundgebung vor dem Amtsgericht (siehe Fotoimpressionen unten) teilnehmen aber nicht mehr den eigentlichen Gerichtstermin wahrnehmen. Deshalb ist mir noch nicht bekannt, ob die Verteidigung oder die Anklage Revision einlegen werden.
Die Tageszeitung "junge Welt" (http://www.jungewelt.de/) hat auf Seite 3 die Prozeßerklärung von Inge Viett abgedruckt, die sie heute vor Gericht abgeben wollte. Darin heißt es unter anderem:
"Der Staatsanwalt behauptet ja tatsächlich, ich hätte mit meinem Vortrag auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz den öffentlichen Frieden gestört. ( ... ) Wer stört eigentlich wirklich den öffentlichen Frieden hier im Land, in Europa und weltweit? Und welcher Frieden ist gemeint? Das Verstummen und sich Abfinden mit der Politik einer profitgetriebenen Klasse, die schon wieder, wie auch in der Vergangenheit, Raubkriege und eine Militärpolitik in vielen Teilen der Welt betreibt, sich Ressourcen und Macht für eine maßlose Ökonomie der Verschwendung und Zerstörung zu sichern?Das Abfinden mit einer Angriffsarmee, die sich immer noch Bundeswehr nennt, aber längst eine Kriegsarmee ist, die in heimtückischer Weise die gesellschaftlichen Institutionen okkupiert, um eine kriegsunwillige Bevölkerung zu manipulieren und fügsam zu machen?
Sollen wir ganz friedlich zusehen, wie sich die Vertreter des Militarismus vor allem an die Schwächsten heranmachen, die noch kein reales Weltbild haben, an die Kinder, an die Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten und an die Arbeitslosen und Perspektivlosen? Sollen wir hinnehmen, daß sie den Krieg als Abenteuer auf Spielplätzen inszenieren, daß sie das Mörderhandwerk der Soldaten als normalen Beruf verkaufen, und ihre Kriegspolitik als alternativlose "Sicherheitspolitik" in die Universitäten tragen? Dient das etwa dem Frieden?
Ich habe mal ins Strafgesetzbuch geschaut, was denn der hier in der Anklage aufgeführte Paragraph 306 ( http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__306.html ) für Straftaten erfaßt, die zu billigen und belohen ich mich strafbar gemacht haben soll. ( ... ) Ich habe den Eindruck, der Paragraph 306 trifft eher auf das zu, was die Bundeswehr in Afghanistan treibt, wenn sie, wie in Kundus, Tanklastwagen bombardiert und dabei über 100 Menschen umbringt, oder wenn sie Dörfer und Zivilfahrzeuge in Brand schießt, weil sie dort sogenannte Terroristen vermutet. Oder wenn sie Zivilisten zusammenschießt, die gegen ihre Besatzung demonstrieren, wie im Mai 2011 in Talokan. ( ... )
Das Gesetz ist also ein politisches Instrument dort wo es um einen politischen Sachverhalt wie in diesem Prozeß geht. Hier geht es um die meinungsfreiheit, um die Pressefreiheit, um das Recht auf öffentliche Debatten über Strategien zur Abschaffung des Kapitalismus, um das Recht auf öffentliche fundamentale Systemkritik, um das Recht, gegen diese Zustände Widerstandsmöglichkeiten zu diskutieren und zu organisieren.
Der Staatsanwalt vertritt hier auch nicht das Recht, sondern den Staat, der mich als politische Aktivistin gegen das kapitalistische System und seine immer wiederkehrenden Kriege mundtot machen will. ( ... )
Debatten wie auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz über mögliche Strategien zur Überwindung des Kapitalismus und um Wege zum Kommunismus werden seit Jahrhunderten auf der ganzen Welt geführt. Nur der brutale und strohdumme Antikommunismus in Deutschland wird darüber hysterisch. ( ... )
Ich schließe meine Erklärung hier vor Gericht mit dem Aufruf des Revolutionärs Georg Büchner: Friede den Hütten! Krieg den Palästen!"
Das Verfahren gegen Thies Gleiss begann um 12 Uhr. Bis zur Stunde liegt mir jedoch noch kein Urteil vor.
17 Fotoimpressionen sind unter http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/1/28494524#28494524 eingestellt. Sämtliche Demo-Fotos dürfen bei namentlicher Nennung des Knipsers und Angabe der Quelle für nichtkommerzielle Zwecke gerne heruntergeladen, gespeichert und weiterverbreitet werden.
Nie war ich furchtloser
Urteile von Inge Viett und Thies Gleiss
gelesen in: http://www.jungewelt.de/2011/11-24/041.php
Kriegsgegner vor Gericht: Thies Gleiss freigesprochen, Inge Viett zu Geldstrafe verurteilt.