Am vergangenen Donnerstag fand am Düsseldorfer Landgericht der 2. Verhandlungstermin im Mordprozess gegen Sven K. (38) und Dennis E. (18) statt. Angeklagt sind beide, weil sie in der Nacht vom 26. auf den 27. März 2011 einen 59 jährigen Deutschen vietnamesischer Herkunft im Schlaf zunächt gewaltsam ausgeraubt und danach zu Tode geprügelt haben sollen. Sowohl die Angeklagten, als auch das Opfer P.D. waren wohnungslos. Geständig räumten die Angeklagte bei ihrer Vernehmung am Donnerstag ein, dass sie ihrem Opfer 9 Euro, eine Basecap und Zigarillos entwendet und ihn danach mit einem Zaunpfahl zu Tode geprügelt haben.
Rassistisches Motiv oder doch „nur“ Verdeckungsmord?
Sven K. lies von seinem Anwalt eine sehr kurze Einlassung verlautbaren, an deren Ende er die Folgen seines Handelns „bedauerte“. Bereits am ersten Prozesstag hatte der jüngere Angeklagte bei Befragungen zu seinen Hakenkreuz- und „Kategorie C“-Tattoos seine rechte Gesinnung offenbart. Er hätte auch Kontakt zur Rechten Szene gehabt. Dies ist ein entscheidender Punkt in den Verhandlungen, spielt doch nach dem Geständnis das Tatmotiv eine gewichtige Rolle für die Aufklärung der Tat, und erst recht das Urteil. Dennis E. stritt ein Zusammenhang zwischen seiner neonazistischen Einstellung und dem Motiv seines Handelns ab. War es also ausschließlich die bare Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen wegen des Raubs und der schweren Körperverletzung? Immerhin kannte das Opfer P. D. die beiden Angeklagten aus dem Umfeld der Wohnungslosenherberge, was einen Verdeckungsmord wahrscheinlich macht. Von Interesse ist zudem, wie sich die beiden Angeklagten im Vorfeld ihrer Tat verhielten, insbesondere auch gegenüber ihrem späteren Opfer: welche Einstellung hatten sie zu P.D.? Wichtig ist also nicht nur die Frage, welches Motiv sie unmittelbar nach dem Raubüberfall zur Tötung führte, sondern auch, warum sie ausgerechnet diesen Menschen zum Ziel ihres Überfalls machten und mit einer solch derben Gewalt gegen ihn vorgegangen sind. Die Angaben, welche Dennis E. nach seiner Festnahme bei der Polizei machte, sprechen schon eine recht eindeutige Sprache. Kurz nach ihrem Überfall, infolge dessen sie die Beweise in einem Gebüsch 'entsorgt' hatten, seien sie noch einmal „zu der Peking-Ente zurück gegangen. Der kannte uns doch. Das musste nicht mehr beredet werden. Der durfte uns nicht anzeigen, also überleben.“ An diesen und anderen markanten Aussagen erkennt man schon deutlich, dass die Einstellung von Dennis E. zu seinem Opfer regelrecht entmenschlichend ist, und zwar nach einem rassistischen Muster.
Mehrere Angriffe im Vorfeld
Zur weiteren Ermittlung in dieser Frage lud das Gericht für den zweiten Prozesstag mehrere Zeugen vor, die vor dem Tod von P. D. mit ihm und seinen Mördern zu tun hatten, u. a. Mitbewohner und Mitarbeiter der Unterkunft. Durch ihre Aussagen ergibt sich ein Bild, in welchem das Opfer als Einzelgänger mit merkwürdigen Marotten gezeichnet wird, der sich unbeliebt gemacht habe, weil er immer viel bares Geld zur Verfügung hatte und offen damit prahlte. Sven K. dagegen wird als sehr grob, ständig alkoholisiert und streitsüchtig charaktersiert. Der jüngere Angeklagte Dennis E. widerum soll eher zurückhaltend und unauffällig angesehen worden sein. Andererseit war er bei seinem verhältnismäßig kurzzeitigen Herbergsaufenthalt schon mehrfach durch Konflikte mit dem Opfer aufgefallen. Seit seiner Erstaufnahme Anfang Februar ist Dennis E. sein späteres Opfer wenigstens zwei Mal angegangen, einmal hat er ihm eine blutige Nase geschlagen, das andere mal 20 Euro geraubt. Von Interesse ist desweiteren der Kontext, in dem sich der mörderische Überfall zutrug. Wie haben die Mörder denjenigen Tag begangen, als sie zu Mördern wurden? Darüber geben die Vernehmungen und die Aussagenprotokolle der Polizei recht viel Aufschluss.
Die Neusser „Hin und Herberge“ am Tattag
Zunächst sei festgehalten, dass sich alles in einem räumlich sehr engen Umfeld um die Neusser Wohnungslosenherberge abgespielt hat. Unter der Woche öffnet das gemeinnützige Projekt am Abend seine Pforten, um Wohnungslosen einen Aufenthaltsort für die Nacht zu geben. Am Wochenende ist der Aufenthalt auch tagsüber gestattet. Den BewohnerInnen stehen eigene Herbergszimmer mit Betten und Gemeinschaftsräume zur Verfügung. Nachts wacht ein Pförtner über die Zugänge und die Einhaltung der Hausordnung. Am Samstag, den 26.3. hatte P.D., der schon seit über einem Jahr das Angebot regelmäßig nutzte, morgens gegen die Hausordnung verstoßen, weil er dabei erwischt wurde, wie er fremde Taschen nach Pfandgut durchsuchte. Der diensthabende Pförtner schmiss ihn deshalb aus der Herberge und erteilte ihm ein Hausverbot bis zum folgenden Tag. P. D. packte seine Sachen und ging zu einer windgeschützten Stelle am nahegelegenden TÜV-Gebäude. Dort schlug er auf den Treppen des Eingangvorbaus sein Nachtlager auf. Den Aussagen der Angeklagten und anderer Zeugen zu folge, muss Dennis E. am frühen Abend des Tattages dem P.D. einen „Besuch“ abgestattet haben. Er wusste von den großen Mengen Bargeld in P.D.'s Portmonee und entschloss sich, ihn um 190 Euro zu berauben. Wie genau sich dieser erste Überfall zugetragen hat, darüber hüllt sich Dennis E. in Schweigen – wie im Allgemeinen über vieles andere auch. Fakt ist aber, dass er nach seinem Überfall zur Unterkunft ging – gefolgt von P.D., der sich beim Pförtner über den Diebstahl beklagen wollte. Der Pförtner nahm dies aber leider nicht zum Anlass, die Polizei zu rufen und verwies P.D. des Hauses.
„… vom Vietnamesen gesponsert“
Dennis E. verließ kurz darauf mit einem anderen Mitbewohner das Haus um für 80 Euro einkaufen zu gehen. Nach ihrer 'Shopping-Tour' kamen sie kurze Zeit später mit mehren vollen Real-Einkaufstüten voll Bier, Wein und Vodka zurück, deren Inhalt sie zum Teil in die Herberge schmuggeln mussten, weil harter Alkohol dort verboten ist. Im Aufenthaltsraum waren schon mehrere Mitbewohner zugegen, wo den restlichen Abend über Wein, Vodka und „Zündkerzen“ die Runde machten. Dennis E. machte manchen Aussagen damals Anwesender zufolge keinen Hehl daraus, dass die Party „vom Vietnamesen [oder auch: 'Fidschi'] gesponsert“ gewesen sei. Niemand nahm daran Anstoß. Nur teilweise können sich die Zeugen überhaupt noch daran erinnern. Der spätere Mittäter Sven K., der ebenfalls anwesend war, nahm dies zum Anlass, sich maßlos zu betrinken. Für Dennis E. allerdings schien die Annerkennung für seine Spendierfreudigkeit befriedigend genug gewesen zu sein. Denn nach übereinstimmenden Zeugenaussagen trank er im Verlauf des Abends bis zum Zapfenstreich (sic!) gerade einmal bis zur Heiterkeit. Durch den Zapfenstreich um Mitternacht ließen sich an diesem Abend nicht alle Partygäste beeindrucken, sie führten ihren Umtrunk im Hausflur fort, was zu Reibereien mit dem diensthabenden Pförtner und anderen BewohnerInnen führte. Insbesondere Sven K., der schon sehr betrunken war, wurde dabei sehr aggressiv. Kurzerhand wurde ihm ein Übernachtungsverbot erteilt. Das machte ihm wohl recht wenig aus, denn zusammen mit Dennis E. hatte er zuvor schon Pläne für die Nacht geschmiedet. Ein Ausflug nach Holland als erste Wahl fiel mangels verfügbarer Zugverbindungen aus. Somit begnügten die beiden sich mit der Aussicht auf eine Kneipentour in der Düsseldorfer Altstadt; mit genügend Geld waren sie ja ausgestattet. Bevor es losging, machte Dennis E. sich noch ausgehfertig und verpesstete zur Ärgernis seines Zimmergenossen den Raum mit Deospray.
190 Euro Beute waren nicht genug
Alsbald verließen sie das Haus um sich auf den Weg in Richtung Hauptbahnhof zu machen. Auf dem Weg dorthin kamen sie auch am TÜV vorbei, wo Dennis E. wenige Stunden zuvor P.D. überfallen hatte. Spätestens in diesem Augenblick musste Dennis E. eingefallen sein, dass er bei seinem Überfall 'nur' das Bündel Geldscheine aus P.D.'s Portmonee erbeutet hatte. Das Münzgeld und andere Wertgegegenstände hatte er völlig außer Acht gelassen. Zumindest wird dieser „Einfall“ von Dennis E. ein Grund dafür gewesen sein, warum er und sein bereitwilliger Begleiter Sven K. erneut zum Überfall auf den bereits zum Schlaf gebetteten P.D. übergingen. Während Sven K. sein wehrloses Opfer mit Schlägen, Tritten und Bodychecks (sich fallen lassen) traktierte, durchsuchte Dennis E. den Körper und die Kleidung. Schnell fand er das Portmonaie wieder, mit dem er sich vom Opfer entfernte und um das Haus herum ging, um das Portmonaie nach Geldentnahme direkt zu entsorgen. Er ging allerdings nicht wieder direkt zum Opfer zurück. Augenscheinlich war er schon vor dem Überfall auf einen 1 Meter langen Holzpfahl aufmerksam geworden, der an einer anderen Stelle lag. Er holte den Holzpfahl, ging zum Opfer, dem Sven K. zwischenzeitig ein Basecap und Zigarillos entwendet hatte, und schlug mehrere Mal auf den Schädel des am Boden liegenden P.D. ein. Im Verlauf des Verhandlungstages wurde auf Grundlage des Obduktionsberichts erörtert, welche Gewalteinwirkungen zu welchen Verletzungen geführt haben. Insgesamt macht der Rechtsmediziner drei mögliche Ursachen fest, die infolge der Verletzungen zum Tod führten. Die Obduktion des Leichnams ergibt ein Schreckensbild. Es bedurfte keiner öffentlich gezeigter Fotos um sich vorzustellen, wie entstellt allein das Gesicht des Opfers gewesen sein muss. Die massiven Kopfverletzungen, Schädel-, Ober- und Unterkieferbrüche können nur auf einen stumpfen Gegenstand zurückzuführen sein, den der Angeklagte mit beiden Händen und vollem Schwung eingesetzt hat, sodass selbst dieser zersplitterte. Zudem hat P.D. noch dermaßen viele Rippenbrüche und inneren Verletzungen im Oberkörper erlitten, wie man es sich nicht vorstellen möchte.
Was dann geschah, liegt noch ziemlich im Dunklen. Die Täter entfernten sich zwar vom Tatort, versuchten die Beweismittel loszuwerden um danach wieder zum Opfer zurückzukehren, dass gerade dabei war, am eigenen Blut zu ersticken. Sie blieben dann wahrscheinlich noch einige Minuten um das Ableben ihres Opfers mitzuerleben. Was in den Köpfen der Täter vorgegangen ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Aufschluss darüber kann vielleicht geben, wie sich der Rest der jungen Nacht für sie gestaltet hat. Hier sei es kurz zusammengefasst: in einer nahegelegenen Esso-Tankstelle riefen sie ein Taxi, mit dem sie sich zum Neusser Hauptbahnhof chauffieren ließen. Von dort fuhren sie nach Düsseldorf, wo sie in einer Kneipe auf die ersten Zugverbindungen nach Venlo (Niederlande) warteten. Den ganzen Sonntag verbrachten sie in Venlo, kauften Grass und erschienen noch am selben Abend wieder in der Herberge in Neuss, wo sie augenblicklich festgenommen wurden.
Ein allgemeiner Kommentar zum Prozess und dem Verlauf am 2. Verhandlungstag
Aus Sicht des Zuschauerraums ist die Perspektive immer sehr beengt. Der Prozessbeobachter kann sich lediglich an das halten, was in der Verhandlung besprochen wird. Ein Blick in die Akten wäre sicherlich aufschlussreicher, da darin alle Ermittlungsergebnisse der Polizei und anderer Behörden zusammengefasst sind. Eine Verhandlung orientiert sich zwar an dem, was in den Akten steht, die Prozessbeteiligten werten diese aber nur sehr selektiv aus, d.h. es werden nur Ergebnisse erörtert oder den Zeugen in der Vernehmung vorgehalten, die aus Sicht von Staatsanwaltschaft, RichterInnen, GutachterInnen und VerteidigerInnen von Belang sind. Das Handicap der Prozessbeobachtung besteht also darin, dass er sich nur unzureichende Urteile bilden kann, weil schon alle möglichen Informationen „vorgefiltert“ sind, selbst in den Ermittlungsakten. Der Prozessbeobachter muss auf die Arbeit des Gerichts und aller Behörden bauen. Viele Aspekte eines „Falls“ können daher schon bei einem Mangel an Interesse „hinten über fallen“. Gerade bei solch schweren Verbrechen, wie einem Mord, ist es fatal, wenn die „politische Färbung“ ignoriert wird, ob aus Mangel an Interesse oder aufgrund der politischen Einstellung der „Sachbearbeiter“.
Merkwürdig mutet im Prozess um den Mord an einem deutsch-vietnamesischen Obdachlosen schon der Umstand an, dass die offensichtlich rechtsradikale Einstellung des 18jährigen Dennis E. erst zu einem so späten Zeitpunkt im Verfahren, nämlich erst kurz vor Prozessbeginn, ermittelt wurde. Die auffällig großen Tattoos hätten schon längst einem JVA-Beamten auffallen müssen. Das Gericht kann bis jetzt nicht sagen, ob er die Nazi-Tattoos schon vor seiner Festnahme oder erst während der U-Haft hat machen lassen. Wäre Letzteres der Fall, wäre dies ein eindeutiges Statement a la „Seht her, ich bin stolz drauf“. Die allgemeine Maulfaulheit des Dennis E. vor Gericht – während der einstündigen Vernehmung hat er fast keine zusammenhängende Sätze heraus gebracht – sprechen selbstverständlich Bände, helfen der Urteilsbildung des Beobachters aber auch nicht weiter.
Das Gericht, die Staatsanwaltschaft und der Gutachter haben während der Verhandlung Fragen zum Verhältnis der Täter zu seinem Opfer gestellt, wobei durchaus eine rassistische Motivation bestätigt wurde. Die Befragung der Zeugen hinsichtlich dieses Aspekts hätte, wie viele andere auch, wesentlich eindringlicher geführt werden können. Die Befragung weiterer ZeugInnen könnte eventuell noch etwas mehr Licht hinter die Umstände bringen.
Nur beiläufig wurde der Zuschauerschaft bekannt, dass im Prozess eigentlich auch eine Nebenklage von der Familie des Opfers geführt wird. Leider war weder einE NebenklägerIn anwesend, noch in Vertretung eines Anwalts. Das kann sicherlich auf die Erörterung der Mordumstände zurückgeführt werden. Allerdings würden die Scherze der Prozessbeteiligten am Rande der Verhandlung, die wohl den bittereren Alltag als Richter oder Staatsanwalt „versüßen“ sollen, wahrscheinlich ebenso gefühllos auf die Verwandten gewirkt haben, wie die Teilnahmslosigkeit der geständigen Angeklagten. Leider fiel dem Gericht nicht auf, dass in der Zuschauerschaft ebenfalls Menschen anwesend waren, die um das Opfer trauern.
Ja, liebes Gericht, es gibt auch Menschen, die Wohnungslose zu Freunden haben, selbst wenn diese nicht verwandt sind! Das mag man kaum glauben, führt man sich die Umstände vor Augen, in denen dieser Mord geschah. Menschen wie die beiden Täter Sven K. und Dennis K., die ihrerseit schon einen schweren Stand in der Gesellschaft haben, kompensieren ihre eigene Ohnmacht auch durch das Nach-unten-treten auf noch Schwächere. Oder das „Hauen und Stechen“ um Pfandflaschen und Geld. Es ist fast nachvollziehbar, dass der Pförtner in der Wohnungslosenunterkunft die Polizei nicht rief, als P. D. sich über den Diebstahl beschwerte. Laut Pförtner wiegelte die Polizei solche Anzeigen regelmäßig ab. Offensichtlich wurden die Wohnungslose sich selbst überlassen. In diesem Fall wirkt es fast wie ein Freibrief für die spätere Tat, die natürlich nicht vorhergesehen werden konnte (es soll nur bedeuten, dass so eine unerbittliche Konkurrenz nicht im luftleeren Raum stattfindet, im Gegenteil!). Die Haltung, sich durch die Gewalt gegen andere sozial oder rassistisch ausgegrenzte Menschen die Anerkennung in der Mehrheitsgesellschaft zu erwerben, war in diesem Fall vielleicht ein nicht zu gering einzuschätzender Faktor. Sie hat reele Grundlagen in einer zunehmend auf Leistung basierenden Gesellschaft. Wohnungslose mit rechtsradikaler Einstellung ermordeten in Bochum vor 14 Jahren ebenfalls einen 59jährigen Menschen, dessen Leben aus ihrer Sicht „unwert“ war, weil er vermeintlich homosexuell war.
Pressemitteilung der Polizei vom 27.3.2011
NGZ: „Obdachloser ermordet“, 27.3.2011
http://www.ngz-online.de/neuss/nachrichten/obdachloser-ermordet-1.580916
Pressemitteilung der Polizei vom 28.3.2011
NGZ: „Obdachlosen-Mord: Ausländerhass als Motiv?“, 7.11.2011
http://www.ngz-online.de/neuss/nachrichten/obdachlosen-mord-auslaenderhass-als-motiv-1.2543988
NRW-Rechtsaußen, 17.11.2011
http://nrwrex.wordpress.com/2011/11/17/presseschau-neonazi-gesteht-mord-an-obdachlosem/
Westdeutsche Zeitung, 17.11.2011
Geschmacklose, hirnlose Bildgebung
Du wählst für diesen Artikel ein Bild aus Stanley Kubricks "Clockwork Orange"? Und dazu noch eine dieser ästhetisierten Tötungsszenen?
Wenn "schwarzer Prozessbeobachter" in deiner Selbstdefinition als Schreiber für anarchistisch stehen soll und du dies Foto ausgewählt hast, dann hast du neben deinen sozialromantischen Vorstellungen noch jede Menge rechten Ästhetikmüll im Kopf.
Die Bildwahl ist widerlich.
hab ich was verpasst?
Wo bitte schön werden in diesem Artikel die Täter, das Opfer oder ihre Verhältnisse romantisiert? Ich würde den Artikel als realistisch bezeichnen - im Sinne von "nichts aussparend". Den Film "Clockwork Orange" scheinst du ebenfalls nur bis zur Hälfte gesehen zu haben. Dort spielt das Versagen von Menschlichkeit eine genauso große Rolle auf der Seite der Täter, wie auf der Seite der Sie umgebenden Gesellschaft. Vielleicht genauso, wie im vorliegenden Fall auch?
ansonsten gelungener artikel
Es ist sicher nicht leicht zu einem solchen Thema ein passenes Bild zu finden das sowohl den Sachverhalt transparent macht, nicht weniger authentisch ist als es auf den ersten Blick verspricht, als auch die Privatsphäre aller Beteiligten respektiert.
Die Stadt Neuss etwa hat sich ein Symbolbild gekauft welches eher ihre eigene Hilflosigkeit illustriert:
http://www.neuss.de/leben/soziales/beratung-und-hilfen/sozialamt/einrich...
Das journalistische Lehrbuch empfiehlt beim Thema Darstellung von Brutalität grundsätzlich der Darstellung der Trauer einen zentralen Platz einzuräumen, wie etwa in dieser zwar wenig originellen dafür aber auch schwer angreifbaren Bildauswahl:
http://www.ngz-online.de/neuss/nachrichten/obdachlos-in-neuss-1.2135229
Und unabhängige Berichterstattung? Lass Dir was einfallen egal ob es ein pointiertes Symbolbild oder eine gelungene Dokufotografie ist. Aber ein urheberrechtsbelastetes Plagiat aus einem Multi-Milliarden-Dollar-Film um in einem freien Medium die Tragik von Armut und Elendsverwaltung darzustellen ist ein schlechter Witz über sich selbst und keine unabhängige Berichterstattung.
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