Bedenkliche Nähe

Frankfurter Rundschau vom 22.11.09
Erstveröffentlicht: 
22.09.2011

Spitzenpolitiker im Saarland pflegen enge Verbindungen zu Burschenschaft mit rassistischem Gedankengut

Von Felix Helbig


Frankfurt Die alten Herren mit den Mützen waren bester Laune. Ihre Burschenschaft, die stolze Ghibellinia zu Prag, hatte ein Jubiläum zu feiern an diesem Abend im Mai 2010 im Saarbrücker Schloss, der Saal war geschmückt, die Gästeliste konnte sich sehen lassen. Volker Linneweber, der Präsident der Universität des Saarlandes, hielt die Festansprache, der Generalsekretär der Saar-CDU, Roland Theis, übermittelte ein Grußwort des Ministerpräsidenten, er dankte der Ghibellinia "ganz herzlich" für "ihr Engagement zur Wahrung gesellschaftlicher, demokratischer und freiheitlicher Werte". Und Sebastian Greiber, der Vize-Landeschef der FDP, ermunterte die Burschen zu mehr Engagement und rief: "Die Flamme der Burschenschaft möge in unserem wunderschönen Saarland ewig brennen."


Begeistert applaudierten die alten Herren den Männern ohne Mützen, die ihnen derart gewogen waren. Als das Fest sich dem Ende zuneigte, erklang im Saal das völkische Heimatlied "Deutsch ist die Saar".


In Saarbrücken haben diese Auftritte im Frühjahr für einige Aufregung gesorgt. Nach einer Buchveröffentlichung, die ihre Reden bei der Ghibellinia dokumentierte, warfen sich Spitzenpolitiker im Saarland gegenseitig Kontakte zu dieser Burschenschaft vor, die schon länger im Verdacht steht, weit am rechten Rand zu stehen. Das Ganze habe sich dann aber "schnell versendet", sagt CDU-Generalsekretär Theis der Frankfurter Rundschau, es habe ja jeder mit anderen prominenten Rednern bei der Ghibellinia argumentieren können. Mit dem früheren SPD-Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt etwa. Mit dem Vorsitzenden der Synagogengemeinde Saar, Richard Bermann. Mit dem Universitätspräsidenten Linneweber. Und mit großen Namen aus CDU und FDP, zum Beispiel Rainer Brüderle.


Auch die Ghibellinia nannte stets sie als Aushängeschilder und Ausweis ihrer Unverfänglichkeit, die Burschen nennen sich "demokratisch" und "überparteilich". So sahen das auch CDU und FDP in der mit den Grünen regierenden Jamaika-Koalition. Es ist nur schlicht nicht richtig.


Dokumente, die der FR zugespielt wurden, zeigen, dass die Ghibellinia vieles zu sein scheint, aber keine harmlose Studentenverbindung. Die 1880 in Prag gegründete Burschenschaft ist schon wegen ihrer Historie belastet, unter den frühen Mitgliedern finden sich stramme Nazis, ihr Gründer Karl Hermann Wolf war Antisemit. Und die heute Aktiven stehen ihren Vorbildern wenig nach. So zeigt das Protokoll eines Generalconvents der Verbindung im Januar dieses Jahres, wie es wirklich bestellt ist um das Weltbild der Bundesbrüder.

 

Zusammenarbeit mit der FDP


Demnach schwadronieren die Burschen in trauter Runde, sie hätten einen Brief des jüdischen Weltkongresses bekommen, in dem dieser sich entschuldige, "unseren AH Jury in der Vergangenheit geschmäht zu haben". Der "Alte Herr" Hugo Jury begann einst als Ghibelline, nach seiner Karriere in der NSDAP wurde er 1942 SS-Obergruppenführer. Laut Protokoll erwägen die Burschen, einen Film mit dem Titel "Jurys Liste" zu drehen und neue Auflagen eines Buches zu drucken, mit dem anscheinend Adolf Hitlers "Mein Kampf" gemeint ist.


So geht das weiter. "Es folgt ein kleines Progrom", steht auf der zweiten Seite des Protokolls in mangelhafter Rechtschreibung. Beschrieben wird ein offenbar fiktives Pogrom der Burschen, bei dem "zur Feier des Tages vier Neger gelyncht" werden, "die man vorher weiß getüncht" habe. Unter "Veranstaltungen für das nächste Semester" finden sich schließlich eine "Aktivenfahrt nach Namibia zur Negerjagd" und "zwei wöchentliche Progrome".


Die Burschenschaft selbst stellt das Schriftstück, verfasst und verschickt von einem ihrer Aktiven, später intern als "Satireprotokoll" dar. Auf Anfragen der Frankfurter Rundschau reagiert sie nicht.


Universitätspräsident Volker Linneweber spricht von "seriösen Leuten" aus dem Saarland, die immer wieder zu ihm kämen, von Anwälten und Ärzten, die dann in seinem Büro säßen und ihn einladen würden zu Veranstaltungen der Ghibellinia. So sei das eben "in einem kleinen Land". Mit dem Protokoll konfrontiert, sagt Linneweber, "muss ich natürlich sagen, dass ich erheblich schärfer hätte recherchieren müssen". Die Burschen verhielten sich an der Hochschule aber "völlig unscheinbar".


Roland Theis sieht das ähnlich. Der CDU-Generalsekretär hatte sich bislang gegen alle verwahrt, die "die Ghibellinia unter Extremismusverdacht stellen", und die Burschen "honorige Männer" genannt. Nach Ansicht des Protokolls spricht er von "abstoßendem und widerlichem Gedankengut", das er "mit Abscheu" zurückweise. Hatte die CDU die Burschen bislang auch mit Spenden unterstützt, komme er nun "zu einem anderen Ergebnis", er sei "erschrocken und überrascht".


Dabei hätte nicht nur Theis schon viel früher erschrocken und überrascht sein können. Im Verbindungshaus der Ghibellinia am Saarbrücker Schmittenberg hängen Alte Herren in einer Ahnengalerie, von denen intern selbst Ghibellinen zu bedenken geben, dass sie aus der Sicht von "Empörten und Aufgeregten" als problematisch betrachtet werden könnten - da sie "nachgewiesener Maßen nicht gerade Freunde des jüdischen Volkes" waren.


Und auch die Gastredner der Ghibellinia taugen keineswegs immer als Aushängeschilder: Unter ihnen finden sich Markus Beisicht, Mitgründer der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Bürgerbewegung Pro Köln, der Republikaner-Vorsitzende Rolf Schlierer und der frühere Brigadegeneral Reinhard Günzel, der dem Kommando Spezialkräfte in Afghanistan als Kommandeur diente. Günzel wurde 2003 in Ruhestand versetzt, weil er dem wegen einer antisemitischen Rede aus der CDU ausgeschlossenen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann einen Solidaritätsbrief geschrieben hatte.


Richard Bermann sagt, man hätte eigentlich "nur mal im Internet nachschauen" müssen, um zu wissen, wes Geistes Kind die Burschen sind. Der Vorsitzende der Synagogengemeinde hat das selbst versäumt, er sei damals "vollkommen blauäugig" als Gastredner bei der Ghibellinia aufgetreten, erst anschließend habe er nachgeforscht und sei "erschrocken, was da zu Tage kam". Als einziger distanzierte er sich umgehend von seinem Auftritt, den er heute einen "großen Fehler" nennt.


Roland Theis sagt, man habe da vielleicht "nicht genau genug nachgeforscht", ehe er Grußworte des damaligen Ministerpräsidenten Peter Müller, der in diesem Herbst immerhin Verfassungsrichter werden will, übermittelte. Seine Koalitionspartner von der FDP im Saarbrücker Landtag sagen - nichts.


Das hat Gründe: Wohl keine andere Partei im Saarland pflegt so enge Kontakte zur Burschenschaft wie die Liberalen. Nicht nur haben ihre Spitzenvertreter wie der stellvertretende Ministerpräsident Christoph Hartmann der Ghibellinia immer wieder die Aufwartung gemacht und dabei schon mal die "integrative Arbeit" der Burschenschaft gelobt, auch umgekehrt funktioniert das Verhältnis. So ist ein führender Ghibelline auch Mitglied im FDP-Kreisverband Saarbrücken. Gleichzeitig arbeitet er für den Konzern des Kreisvorsitzenden Hartmut Ostermann, der mit seinen Seniorenresidenzen und vielfältigen Kontakten als "Pate von der Saar" gilt.


Richard Bermann nennt den FDP-Mann "die graue Eminenz", er kennt die Verhältnisse an der Saar, er hat sich intensiv damit beschäftigt. Manche Partei, sagt er, habe dort eine besondere Geschichte. Und wolle sich offenbar nicht damit auseinandersetzen. Die FDP jedenfalls reagiert trotz mehrfacher Versuche nicht auf Anfragen. E-Mails und Anrufe zum Thema Ghibellinia bleiben unbeantwortet.


Universitätspräsident Linneweber hat gerade erst erneut eine Einladung der Ghibellinia erhalten. Er habe sie abgelehnt, sagt er.

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