Verurteilung eines weiteren Bildungsstreik-Aktivisten

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Im Saal III des Amtsgerichts Freiburg wurde heute ein weiterer Aktivist des Bildungsstreik-Bündnisses wegen der Gleisbesetzung vom 9. Juni 2010 verurteilt. Der Strafbefehl war auf 60 Tagessätze zu 20 Euro angesetzt.

Hier das kurze Plädoyer des Aktivisten:

 

Mit Berufung auf folgende Artikel des Grundgesetzes fordere ich Freispruch:

 

Versammlungsfreiheit

Art. 8 (1) "Alle Menschen* haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffe zu versammeln."


Freie Versammlungen dienen der Einflußnahme auf die politische Willensbildung und sind damit ein wesentliches Element unmittelbarer, demokratischer Partizipation. Die Versammlungsfreiheit gewährleistet „ein Stück ursprünglicher, ungebändigter, unmittelbarer Demokratie“.
Dadurch ist sie in einer Zeit, die moderat als postdemokratisch, prägnanter jedoch als Wirtschaftsdiktatur bezeichnet werden muss, und in der die politische Klasse jede Glaubwürdigkeit und somit Legitimität in weiten Teilen der Bevölkerung verloren hat, was sich in erratischen Wahlergebnissen und ständig sinkenden Wahlbeteiligungen niederschlägt, eine der letzten Möglichkeiten Gerechtigkeit einzuklagen und den notwendigen Druck zu gesellschaftlicher Veränderung aufzubauen.

 

Koalitionsfreiheit

Art. 9(3) "Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermensch und für alle Berufe gewährleistet."


Mithin auch für Auszubildende, StudentInnen und Erwerbslose!
Das Streikrecht in Deutschland ist durch das Richterrecht der Arbeitsgerichte hochgradig restriktiv reguliert und erlaubt Streiks nur bei tarifrechtlichen Auseinandersetzungen. Ein laut der Europäischen Sozialcarta und den ILO Konventionen 87 und  98 nicht zu akzeptierende Fehlentwicklung innerhalb  Europas.
Da jedoch Staat und Kapital ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Klima schaffen, - in dem die Bildungsfrage zur Existenzfrage wird, - wird Widerstand notwendig! Damit sind auch Streiks und direkte Aktionen gerechtfertigt, - die weitere Bewegungen in Gang setzen können. 
Streikrecht ist ein Menschenrecht!
In diesem Sinne war die Gleisbesetzung ein zeitlich engumrissener akzentuierter politischer Warnstreik der Studierenden und Auszubildenden, um auf Misere und unzumutbaren Zustand des Bildungssystems aufmerksam zu machen, und Bildungsgerechtigkeit einzufordern.
In dieser Hinsicht war die Gleis1 Besetzung des Freiburger Hauptbahnhof ein großer Erfolg, wie schon die Bankbesetzungen in Berlin während der Bildungsstreikinitiative von 2009, die ähnliche mediale Reaktionen evozierten.
Obwohl dem berechtigten Protest eine einzigartige Aburteilungswelle der Freiburger Justiz gegen 70 AktivistInnen des Bildungsstreiks-Bündnisses folgte, bin ich glücklich an dieser Aktion teilgenommen zu haben.


Without Deviation from the norm, Progress is not possible. Frank Zappa

 

Nachklapp: Die Staatsanwaltschaft hatte zu diesem Zeitpunkt 100 Tagessätze zu 10 Euro gefordert und daraufhingewiesen, dass nichts zugunsten des Angeklagten spräche, er der Nötigung nach §240 und des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §103,1 eindeutig überführt sei. Die Richterin entschlied schließlich auf eine Gesamtstrafe von 60 Tagessätze zu 10 Euro.

 

*Zitierfehler mit Absicht

 

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kann man i-wo spenden?

wäre vllt sinnvoll das hier reinzuschreiben, nur zur info.

kann man immer spenden, in freiburg gibt es auch einen EA (Ermittlungsausschuss):

http://www.kts-freiburg.org/spip/spip.php?article852

Direkter sind Spenden an den EA, die kommen dann ohne Umweg beim Betroffenen an.