Berlin: Interview zur Evolutionären 1. Mai-Demonstration 2011

Stellungnahme zur evolutionären Demonstration am 1. Mai 2011 in Berlin, die unter dem Motto "Evolutionäre 1. Mai-Demonstration 2011 - Gegen die Zensur von Bombenbauanleitungen - Für den grossen Knall" stattfinden wird. Das Gespräch wurde mit dem Anmelder, Roland Bialke, in Interviewform geführt. (Es handelt sich jedoch um kein Interview, sondern um eine Stellungnahme, da der Interviewte die Fragen sich selbst vorgab.)

 

Frage: Vor wenigen Tagen haben Sie zum 1. Mai 2011 (18 Uhr) in Berlin-Kreuzberg eine evolutionäre Demomnstration angemeldet, nachdem der Anmelder der traditionellen Revolutionären 1. Mai-Demonstration, Nikolaus Brauns, von seiner Anmeldung zurücktrat. Brauns, Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke), trat von seiner Anmeldung zurück, nachdem die Polizei seinen Namen an die Presse weiter gab und für ihn der öffentliche Druck zu gross wurde. Warum sind Sie auf die Idee gekommen eine eigene Demonstration anzumelden, die die gleiche Zeit und eine ähnliche Strecke der abgemeldeten Demonstration hat? 

Bialke: Dass die Medien über Anmelder und Anmelderinnen von Demonstrationen berichten ist ihre Aufgabe. Nikolaus Brauns hat gewusst, dass er eine öffentliche Aufgabe übernimmt und hätte dem Druck standhalten müssen. Seine Reaktion nach den Presseberichten ist aufschlussreich, sie offenbart seine Naivität und die Unorganisiertheit der nicht-parlamentarischen "linken Gruppen" in Berlin. Was mich jedoch besonders enttäuscht ist, dass der Anmelder der "revolutionären" 1. Mai-Demonstration für eine rassistische Partei wie "Die Linke" arbeitet. Es ist keine Seltenheit, dass sogenannte "antifaschistische Gruppen" Bündnisse mit (rassistischen) Bürgerlichen eingehen und somit ein Teil dieses abscheulichen Apparates werden. Erst am 8. Juni 2009 zeigte sich die Partei "Die Linke" für eine Abschiebung von 104 Menschen nach Vietnam verantwortlich. Aber es ist nicht das erste Mal, dass sich "revolutionäre Schmetterlinge" als etwas anderes entpuppen.

Ich habe die Demonstration am 1. Mai 2011 auch angemeldet, weil ich solchen Leuten nicht eine Machtposition überlassen wollte. Damit sind die gemeint, die ein falsches, verlogenes Spiel treiben - (ohne darüber offen zu reflektieren) etwas anderes tun, als das was sie predigen - und die, die solche Leute machen lassen, weil sie sich irgendwelche Vorteile daraus erhoffen. Und genau das ist der Punkt. Linke Politik in Berlin ist von Führern bzw. kleinen Führungsgruppen dominiert, die viel zu oft ihre Machtpositionen ausnutzen und andere Menschen nach Strich und Faden belügen.

Frage: Können Sie Beispiele für das Ausnutzen von Machtpositionen durch linke Gruppen in Berlin nennen? Und in welchen Zusammenhängen werden Menschen von linken Gruppen wie belogen?

Bialke: "Lügen" ist vielleicht das falsche Wort. Es geht um das Weglassen von Kommunikation über gemachte Erfahrungen und die fehlende (ungesteuerte) Diskussion innerhalb von Gruppen/Zusammenhängen. Es geht um hohle Phrasen und Aufrufe, die so allgemein gehalten werden, dass sie in alle Richtungen auslegbar sind. Auch werden gerne mal plakativ Slogans rausgehauen, die keinen Sinn ergeben, aber für unerfahrene Menschen cool klingen.

In einem kürzlich erschienen Aufruf zum 1. Mai las ich etwas von einem "Funken der Revolte", der zum "Feuer der Revolution" werden könnte. Solche Phrasen meine ich, mit denen dann oft unterschrieben wird und dem wenig Inhalt voran geht. Dass die Revolte (Bürgeraufstand zum Erhalt von kapitalistischen Privilegien) das Gegenkonzept zur Revolution (Aufhebung der Klassen und somit auch die Aufhebung der bürgerlichen Privilegien) ist, kapieren die verfassenden Menschen nicht. In solchen Aufrufen lässt sich dann oft der Aufruf zur Gewalt implizieren - uns so bleiben dann von den coolen Bildern angefixte Jugendliche, die nach einem Steinwurf oder einer sonstigen dummen, sicher gutgemeinten, Aktion in den Fängen der Repression übrigbleiben. Ein weiteres Beispiel ist z.B. der Kampf um eine gerechte Entlohnung von Arbeiter und Arbeiterinnen. Schaue ich dann in die linken Projekte, sehe ich Arbeit die gemacht wird, aber sicher keine gerechte Entlohnung für diese Arbeit. Einerseits gewerkschaftlich organisierte Arbeit zu wollen und andererseits Menschen mit Ideologie zu füttern, damit sie kostenlos arbeiten, ist ein Widerspruch der nicht ausgehalten werden sollte!

Eine andere Sache ist die Anfeindung der Stadtaufwertung. Die Stadtaufwertung führte in Berlin nicht nur dazu, dass Menschen in Aussenbezirke verdrängt wurden, nein, auch migrantische und benachteiligte Menschen profitierten von ihr. Ich sehe viele Menschen hier in Neukölln und Kreuzberg, die den Flair dieser Berliner Bezirke nutzten und hier neue kreative Geschäftsideen verwirklichten. In meiner Strasse, die zuvor sehr trist war, wurden von jungen Leuten - viele mit migrantischen Hintergrund - Geschäfte eröffnet. Anstatt durch eine graue und menschenleere Strasse zu laufen, ist hier nun ein Spätkauf, eine Boutique, ein Pizzaladen, ein afrikanischer Friseur, ein Imbiss, Cafes, eine Diskothek und Galerien. In oder vor vielen Läden kann ich mich auch einfach hinsetzen und mich mit den Menschen unterhalten, auch ohne etwas konsumieren bzw. kaufen zu müssen. Ich befürchte, dass sich der blinde Hass auf die Stadtaufwertung zu einem neuen Rassismus entwickelt. Es ist richtig gegen die Verdrängung von geldarmen Menschen zu demonstrieren, ich finde es wichtig, aber wenn dann das Feinbild der "Bonzen" geschaffen wird, gegen sie Gewalt angedroht wird, und diese dann an irgendwelchen Äusserlichkeiten (z.B. Bionade, adrette Kleidung, Touristenführer) "erkannt" werden, dann läuft bei dieser Politik etwas gewaltig falsch. Neben den Hass auf "Bonzen" ist der Hass auf "Touristen" für diese widerliche Politik bezeichnend. Dabei sind, neben "weissen Bürgerkindern", Menschen aus anderen Ländern, die hier nicht auf Dauer arbeiten und wohnen (Touristen und Touristinnen), die grösste Gruppe in linken Projekten in Berlin. Wie gesagt: Gegen Verdrängung von geldarmen Menschen zu demonstrieren, ist richtig. Aber nicht auf eine rassistische Weise und nicht mit Lügen.

Ich kann mich z.B. an die Kampagne der Liebigstrasse 14 erinnern, wo plötzlich, als eine Räumung möglich wurde - und rausgekriegt wurde, dass einer der Hausbesitzer beim Kinderschutzbund arbeitete - Kinder auftauchten, die angeblich obdachtlos durch die Räumung sein würden. Es wurde auf kinderfreundlich getan, doch vor dieser Zeit gab es keine Wahrnehmung darüber, dass da etwas für Kinder getan wurde. Ganz im Gegenteil. In den Jahren vor der drohenden Räumung war das Projekt nicht präsent, es kam kaum etwas kollektiv politisches aus dem Haus und ein Kind hätte sich da garantiert nicht gut entwickelt. Ganauso in der Brunnenstrasse 183: Als die Räumung anstand lebte da auf einmal ein alter Mann, auf den doch nun acht gegeben werden sollte. Zuvor kehrte sich in der Szene kaum jemand um diesen Mann. Welche links-politische Szene-Gruppe in Berlin macht ernsthaft Politik für ältere Menschen, kleine Kinder und Behinderte? Und dann werden plötzlich solche Geschichten rausgekramt und die Glaubwürdigkeit würde ohne Propaganda und ein paar wirklich gute Menschen auf null sinken. Dabei gibt es gute Anwätze: Der S-Bahnhof Ostkreuz wurde z.B. vor kurzem saniert, allerdings keine behindertengerechte Umstiegsmöglichkeiten und Zugänge gebaut. Dort könnte für Fahrstühle protestiert werden. Oder auch für geschlossene Bahnhofshallen, in denen im Winter Obdachlose nicht erfrieren, und kostenlose Toiletten. Doch lieber wird sich im Szenesumpf verloren oder für hohle Phrasen mit Regierungsparteien beweihräuchert.

Frage: Neben dem Hauptthema "Zensur von Medien" haben Sie noch weitere Punkte, beispielsweise die Auflösung von Nationalstaaten und die kostenlose Nutzung von Nahverkehrsmitteln für alle Menschen, in ihrem Demonstrationsaufruf eingebracht. Warum gerade diese Themen und sind diese nicht zu utopisch?

Bialke: Utopisch, nein! Jeder Mensch hat Bedürfnisse und viele dieser Bedürfnisse, besonders die Grundbedürfnisse, müssen erfüllt werden. Ich finde es traurig, dass Menschen. die nach der Erfüllung ihrer Bedürfnisse streben oft ausgelacht oder ihre Forderungen als utopisch gesehen werden. Wenn einer Hunger hat, dann müssen Wir seinen Magen füllen und wenn eine lieben will, dann müssen Wir gute Wesen für sie suchen. All das ist nicht lächerlich und nicht utopisch - es ist der Ausdruck politischer Vorstellungen.

Die Punkte in diesem Aufruf sind was ich will und darum thematisiere ich sie auch. Mit Protesten und Aufrufen kann ich meine Meinung und meine Lebensvorstellungen verbreitern. Andere Menschen sollten das auch tun und ihre Bedürfnisse thematisieren, die Not, die sie erleben, beschreiben und öffentlich nach Lösungen suchen. Die deutschen Versammlungsgesetze verlangen durch die Anmeldung und die Themenwahl eine Hierarchie, die ich nicht will. Ich möchte darum, dass alle zu der Demonstration Aufrufe und Texte mit ihren eigenen Themen veröffentlichen und ihre Punkte, ihre Themen, in der Demonstration nach aussen tragen.

Die Organisation der Revolutionären 1. Mai-Demonstration in den letzten Jahren war für dieses selbstverantwortliche Handeln oft unförderlich. Zu kritisieren ist hier, dass z.B. grosse Party-Monstertrucks kleinere Thematisierungen überschalten und in der Demonstration kein offenes Mikrofon eingerichtet wurde. Die Behauptung in der Revolutionären 1. Mai-Demonstration könnten alle auf einer Ebene gleichberechtigt agieren, ist somit unwahr. Die Aufgabe einer emanzipatorischen Organisierung ist es jedoch, solche Hierarchien abzubauen.

Seid Jahren besteht beispielsweise die öffentliche Forderung an die Organisation des "revolutionären 1. Mai" in Berlin auf den Mobilisierungsmaterialen für den 1. Mai gleichzeitig für eine Demonstration kurz nach dem 1. Mai vor einem Gefängnis oder einer Gefangensammelstelle zu werben, um die vielen Gefangenen nicht alleine zu lassen. Die Repression zu brechen, also die Aufrechterhaltung der (kapitalistischen) Ordnung zu brechen, ist aber das A und O revolutuonären Handelns.

Frage: Sie sprechen vom Kampf gegen die Repression und Revolution. Was geschieht denn gegen die Repression rund um den ersten Mai? Und können die Menschen am 1. Mai die Revolution auslösen?

Bialke: In Sachen Antirepressionsarbeit passierte fast nichts. Jedes Jahr werden extrem viele Menschen in und um der Demonstration kriminalisiert und nur ein Bruchteil davon bekommt Unterstützung. Die meisten stehen dann alleine im Gerichtssaal, entschuldigen sich für ihre Taten und bleiben dann auf einen Haufen Schulden und einer Strafe sitzen. Die wenigen Fälle, die unterstützt werden, werden nicht direkt aus der Organisation der Demonstration heraus unterstützt, sondern werden an andere Gruppen, wie z.B. der Roten Hilfe, ausgelagert. Solche Organisationen sind jedoch masslos mit der Flut an Repressionsfällen überfordert. Wenn ich mir z.B. bei der Roten Hilfe das Verhältnis von aktiven und passiven Mitglieder ansehe, dann weiss ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Solche Organisationen sind eher ein Ablasshandel, bei denen sich "Linke" mit einem Getränk bei der "Soliparty" oder einer bezahlten Mitgliedschaft ein gutes Gewissen kauft, anstatt eine gemeinschaftliche Antirepressionsarbeit zu betreiben.

Im Vorfeld der vergangenen "revolutionären 1. Mai-Demonstrationen" gab es auch keine ausreichende Initiativen zur Aufklärung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen über die Repression rund um den 1. Mai in Berlin. Selbst fähig erscheinende Gruppen wie der Ermittlungsausschuss Berlin können mit Mini-Veranstaltungen zur Repression am 1. Mai nicht darüber hinwegtäuschen, dass keine gemeinsamen Konzepte gegen Repression am 1. Mai erarbeitet werden und nicht aus den vergangenen Demonstrationen gelernt wird. Vor zwei Jahrzehnten gab es aus diesen Gruppen noch seitenlange Auswertungen - jetzt belassen es die Aktivisten und Aktivistinnen, wenn überhaupt, bei der Verwaltung der Repression.

Seit Jahren arbeite ich zum Thema Repression, seit mehr als einem Jahrzehnt demonstriere ich am 1. Mai in Berlin. Doch weder wurde der Repression ein Schnippchen geschlagen, noch gab es sowas wie "Revolution" in und um den "Revolutionären 1. Mai" in Berlin. Das geht auch garnicht, weil es in Deutschland kaum noch Arbeiter und Arbeiterinnen gibt. Solche Menschen, d.h. Arbeiter und Arbeiterinnen, können z.B. in Massen in Liberia gefunden werden. Dort konnten Wir sehen, was Revolution bedeutet, besonders was durch Lügen und Phrasen fehlgeleitete Revolution bedeutet. Doch zu diesen Themen arbeitet hier keine "linke Gruppe". Denn dies würde bedeuten, dass eingesehen werden muss, dass Wir deutsche Bürgerkinder verantwortlich für die Ausbeutung dieser Menschen (z.B. in Liberia) sind. Unserer Wohlstand ist auf ihrem Leid aufgebaut. Revolution würde bedeuten mit Unserem ganzen Hab und Gut dort runter zu fahren und Uns mit Unseren Finanzmitteln und Unserer Arbeit an ihren bewaffneten Kampf zu beteiligen.

Frage: Wollen Sie sich mit Ihrer Demonstration von der Revolutionären 1. Mai-Demonstration und dem Myfest abgrenzen?

Unbedingt! Das Myfest war seit seiner Gründung ein Staatsschutzprojekt. Die Polizei wollte mit einem Schutzschild aus Bratwurstbuden, Ballermann-Musikbühnen und Familien mit kleinen Kindern die wenigen politischen Proteste und die Ausschreitungen am 1. Mai verhindern. Dabei arbeiteten sie über die Jahre nicht nur mit der Bezirkspolitik zusammen, sondern an der Planung und Durchführung war auch die Organisation der verschiedenen 1. Mai-Demonstrationen beteiligt. Die Rechnung ging aber nicht auf, denn mit der Zeit beteiligten sich immer mehr Ballermann-Suffköpfe an den Ausschreitungen innerhalb des Myfest. Wer sich einfach nur betrinken und dann die Sau rauslassen will, ist in der von mir angemeldeten Demonstration an der falschen Stelle.

Zu den anderen 1. Mai-Demonstrationen ist zu sagen, dass fast alle Organisationen eng mit der Polizei zusammenarbeiteten und zusammenarbeiten. Während der Demonstration wird dann gesagt, "die Bullen sind scheisse", vor und (verdeckt) während der Demonstration, wird der Polizei aber erlaubt die Demonstration zu infiltrieren. Viele Kleinigkeiten werden dabei dem Staatsschutz zugespielt. Ich sage: "Anna und Arthur halten´s Maul!". Enge Gespräche bedeutet, dass einige Aktivisten und Aktivistinnen ins Polizeipräsidium gehen und sich dann mit dem Staatsschutz über die Demonstration austauschen. Dort vereinbaren sie dann unterschiedliche Dinge. Hier fehlen aus den letzten beiden Jahrzehnten komplett die Dokumentationen. Mal abgesehen davon, dass ein Teil dieser Vereinbarungen aktenkundig ist, schaffen die partizipierenden Menschen durch die fehlende Dokumentation ein extremes Misstrauen. Einige Vereinbarung schaffen strafrechtliche Nachteile und Rechtsunsicherheit, für später angeklagte Menschen.

Ich habe mich daher entschieden die Versammlungsbehörde zu einem öffentlichen Kooperationsgespräch einzuladen. Hier wollte ich mir wichtige Punkte thematisieren, z.B. das Verbot der polizeilichen Infiltration, das Verbot chemische Waffen zu tragen oder die Offenlegung der Zusammenarbeit mit Zivilstrukturen, und diese von der Polizei einfordern. Heute. am 27. April 2011, sollte dieses Gespräch auf einen öffentlichen Platz in der Nähe des Rathaus Neukölln stattfinden, doch die Polizei war zu keiner Kooperation bereit und erschien nicht. Vereinzelte linke Menschen waren dort und enttäuscht, dass da nichts los war.

Gegen den Vorwurf, dass ich der Organisation der Revolutionären 1. Mai-Demonstration die Option zur unangemeldeten Demonstration genommen habe, möchte ich mich wehren: In einem öffentlichen Telefoninterview meinte Nikolaus Brauns, dass dies nie geplant war und, dass ein Abgeordneter eigentlich zur Anmeldung der Demonstration gesucht wurde. Auch nach seinem Absprung eierte die Organisation mit der "Anmelderfrage" rum. Schliesslich wurde ein Anmelder oder eine Anmelderin dann noch per öffentlichen Aufruf gesucht.

Frage: Eine Zeitung berichtete heute, die Revolutionäre 1. Mai-Demonstration 2011 wäre jetzt doch noch angemeldet und ein neuer Anmelder sei gefunden. Die Evolutionäre 1. Mai-Demonstration hätte nun das nachsehen und müsse sich eine andere Strecke suchen. Wissen Sie etwas davon?

Bialke: Nein, die Polizei hat sich bei mir nicht gemeldet. Die Evolutionäre 1. Mai-Demonstration, also die von mir angemeldete Demonstration, hat allerdings das Vorrecht, da ich sie zuerst angemeldet habe. Zwar hat Nikolaus Brauns eine Demonstration zuvor angemeldet, doch diese auch wieder abgemeldet. Ich las heute auch den Artikel vom 27. April 2011 von Konrad Litschko in der TAZ online. Dort wird behauptet die erste Anmeldung wurde nicht abgemeldet, da die Polizei "ständigen Kontakt" mit einem Anwalt der Demonstrationsorganisation hat. Doch für eine Anmeldung und eine Abmeldung ist allein der Anmelder bzw. die Anmelderin zuständig, nicht eine Organisation, die nicht mal rechtsfähig ist, noch deren Anwalt. Sollte die Versammlungsbehörde tatsächlich dieser Demonstration den Vorrang und somit die freie Routenwahl zugestehen, dann ist das nichts weiter als ein Rechtsbruch. Aber das ist kein Wumder: Denn was die Polizei kontriollieren kann, das braucht die Polizei nicht fürchten.

Demonstrationen sollten generell nicht angemeldet werden, zumindest solche nicht, wo eine grosse Anzahl von Menschen zu erwarten sind. So wird kein Vertrauen verspielt, die teilnehmenden Menschen bleiben glaubwürdig. Dass Demonstrationen in solche Traditionen stehen - und Wir sollten mit so manchen verkalkten Demonstrationen brechen - trägt zur Repression bei und schränkt selbstverantwortliches, kreatives Handeln aller ein.

Frage: Wie wird die Demonstration ablaufen? Wie haben sie sich die Demonstration vorgestellt?

Bialke: Die Evolutionäre 1. Mai-Demonstration 2011 wird am 1. Mai 2011 um 18 Uhr an der Commerzbankfiliale am U-Bahhof Kottbuisser Platz in Berlin-Kreuzberg beginnen. Dort bleibt eine Stunde Zeit, bei dem jeder und jede die eigene Meinung äussern kann. Alle sind aufgerufen selbst Redebeiträge zu schreiben und diese dann dort vorzutragen oder vortragen zu lassen. Laut Demonstrationsanmeldung sind keine Aufbauten und technische Hilfsmittel vereinbart. Wenn aber welche mitgebracht werden, dann müssen in aller Öffentlichkeit eben neue Vereinbarungen getroffen werden.

Gegten 19 Uhr ziehen Wir dann zum Hermannplatz. Lautsprecherwagen oder andere Fahrzeuge, die bestimmte Meinungen wichtiger machen als andere und Personen über andere stellen, wird es nicht geben. Darum wäre es gut, wenn alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen sich tolle Sprechchöre ausdenken würden und diese dann lautstark gemeinsam rufen. Auch bunte und pfiffige Transparente sollten mitgebracht werden. Alles findet autonom statt, d.h. ihr macht die Demonstration zu dem was sie ist - in eigener Verantwortung. Es gibt keine übergeordnete Organisation! Am Hermannplatz wird es dann noch 15 Minuten Zeit für Redebeiträge geben. Dann ziehen Wir weiter bis zum U-Bahnhof Boddinstrasse in Neukölln. Dort ist die Demonstration bis 21 Uhr angemeldet. Hier wäre es gut, wenn Wir mit einer öffentlichen Autonomen Vollversammlung (AVV) die Demonstration und die Aktivitäten am 1. Mai auswerten.

Frage: Gibt es noch Dinge, die Sie Uns abschliessend mitteilen wollen?

Bialke: Diese Demonstration ist ein Versuch von verknöcherten, leicht kontrollierbaren, Strukturen wegzukommen und das selbstverantwortliche Handeln aller zu fördern. In der Demonstrationsanmeldung gab ich an, dass ich 250 Personen erwarte. Mit 50 Teilnehmer und Teilnehmerinnen wäre diese Demonstration aber auch ein voller Erfolg. Es kommt nicht darauf an, wieviele Hohlköpfe Menschen um sich scharen können, sondern es geht um die Inhalte, wonach die partizipierenden Menschen streben. Hier möchte ich mit anderen evolutionär wirken.

Wer sich in den letzten Jahren die politischen Veranstaltungen (u.a. Demonstrationen) anschaute, dem und der wird aufgefallen sein, dass an wichtigen Positionen immer die gleichen Leute auftauchen. Auch hier möchte ich ein evolutionäres Bewusstsein schaffen, um damit die Rolle von Führungsgruppen und Führern innerhalb von "linken" Bewegungen auflösen und diese Bewegungen von ihrer selbst geschaffenen Versklavung befreien. Selbstverantwortlich handeln heisst selbstverantwortlich handeln, und nicht die eigene Stimme einen anderen Menschen übertragen. Ich möchte anderen Menschen die Fähigkeiten und den Mut vermitteln, der gebraucht wird um selbst aktiv zu werden, anstatt wie Schafe der Herde zu folgen.

Berlin, den 27. April 2011

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Die Berliner Staatsanwaltschaft hat wieder ihre Ermittlungen wegen den Molotowcocktail-Würfen vom 1. Mai 2009 in Kreuzberg aufgenommen.  Damals hatten Yunus und Rigo mehrere Monate in Untersuchungshaft gesessen und wurden freigesprochen.

 

Bei zwei anderen Verdächtigen gab es Wonungsdurchsuchungen... Nun wurden neue Zeugenaussagen ausgewertet.

Ein paar wirklich interessante Ansätze sind in dem Text, beispielsweise der Vorschlag Vorabgespräche zwischen Demoleitung und Ordnungsamt und Bullen zu dokumentieren, oder eben auch die Sicht mehr auf Probleme außerhalb der "Szene" zu lenken (is ja leider tatsächlich so, dass, vorallem in Berlin, sich zu sehr auf die Szene und die altbekannten Probleme fokussiert wird), oder auch dieser Lokalpatriotismus (a la nur Berliner sind Revulutionäre, alle Schwaben sind Bonzen etc.).

 

Leider gibts in dem Text auch en masse unsachliche bzw. unbelegte Kritik. Ein krasses Beispiel will ich mal herausstellen: Der angesprochene scheinbare Gegensatz zwischen der Forderung eines gerechten Lohns und der kostenlosen Arbeit in linken Projekten. Da hab ich zwei Kritikpunkte: 1. Seit wann fordert die revolutionäre Linke gerechte Entlohnung? Ist es nicht Ziel die lohnabhängige Beschäftigung abzuschaffen? 2. Selbst wenn dies ein Ziel wäre, wäre es kein Widerspruch. Solange kein andere davon finanziellen Profit hat ist an kostenloser Arbeit doch absolut nichts auszusetzen. Hier wird niemand finanziell ausgebeutet, niemand zwackt sich den Mehrwert des Arbeiters als Profit ab.

 

Und wiso sollen Revolten per se dem Machterhalt der herrschenden Klasse dienen? Revolten können meiner Meinung nach durchaus eine vorstufe zur Revolution sein. Hätte gern dazugelernt, aber mangels Begründung gings leider nicht ;)

 

Auch die Kritik an den "Führern" stößt mir auf. Ist es, gerade im außerparlamentarischen Bereich, nicht meistens so dass schlicht diejenigen die "Führer" sind die das meiste tun, machen, organisieren? Wer bestimmt wer ein "Führer" ist? Da denk ich mir: Lieber mal an die eigene Nase fassen: Wo es keine schlichten Mitläufer gibt gibts auch keine Führer, aber dafür müsste man ja was tun. Ist dann doch einfacher wenn ein angeblicher Führer alles organisiert und man  nur noch bei der Demo mitlatschen muss...

 

Hätte ein guter, zum nachdenken anregender Text werden können. Leider wirds zum Teil eben durch zu plumpe, fabrizierte Kritik vermiest. Etwas weniger arrogante Besserwisserei und etwas mehr Sachlichkeit und das wird schon noch.

Danke für die relativ gute Kritik.

 

"1. Seit wann fordert die revolutionäre Linke gerechte Entlohnung? Ist es nicht Ziel die lohnabhängige Beschäftigung abzuschaffen?" Das ist ja die Frage. Da verhalten sich die unterschiedlichen Spektren ja unterschiedlich. Aber nehmen Wir das mal an. Trotzdem müssen auch in einem solchen Verhältnis die erarbeiteten Sachen "gerecht" geteilt werden und die negativen Konsequenzen gemeinsam getragen werden. Ich habe den Eindruck, dass das die meiste Zeit nicht passiert.

 

Zu den Fühern in der Linken, ich hoffe Du kannst mir das Platte verzeihen. Ich hatte es eilig mit dem Text und bin die Tage nicht so frisch unterwegs. Die Kritik im Text ist noch unausgegoren, aber ich möchte mit der Zeit auch noch mehr dazu beitragen.

 

"Leider wirds zum Teil eben durch zu plumpe, fabrizierte Kritik vermiest. Etwas weniger arrogante Besserwisserei und etwas mehr Sachlichkeit und das wird schon noch." Danke, ich versuche mich besser darauf zu konzentrieren!

 

Man hat eine Demonstration zum 1. Mai verboten? Hat jemand die Unterlagen? Es betrifft wohl nur die evolutionäre 1. Mai Demo.

Die Evolutionäre 1. Mai-Demonstration wurde verboten. Die "Revolutionäre" 1. Mai-Demonstration wird aber schon um 17 Uhr beginnen, laut dem anderen Verbotsbescheid, und der neue Anmelder hat zugestimmt den Antreteplatz vom Kottbusser Tor zur Kottbusser Brücke (leichter zu kontrollieren) zu verlegen. MyFest und "Revolutionäre" Demonstration werden von der Partei "Die Linke" organisiert bzw, von deren Mitglied angemeldet. Von daher ist die räumliche Trennung zum MyFest irgendwie weniger sinnvoll.