Gratis Duschen bei Gaddafi

Zwölf Zimmer, Sauna, Schwimmbad und Kino: Mehr Komfort geht für Hausbesetzer kaum
Erstveröffentlicht: 
12.03.2011

Hausbesetzter haben sich in London das luxuriöse Anwesen von Gaddafi-Spössling Saif unter den Nagel gerissen. Sie wollen dafür sorgen, dass die Villa an das libysche Volk zurückgeht.

Im Millionärsviertel des Londoner Stadtteils Hampstead späht das alteingesessene Bürgertum nervös durch die Gardinen. So mancher hat Schlimmes kommen sehen, seit der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi seinem Sprössling Saif im Sommer vor zwei Jahren eine Villa dort auf den grünen Hügeln über London kaufte. Als damals Leibwächter die Übernahme des Hauses mit großem Tamtam organisierten, klagten einige Nachbarn schon, dass man sich einen potenziellen Unruheherd eingehandelt habe. Andere fanden, dass der betreffenden Straße nichts Besseres hätte passieren können. "Die Zahl der Einbrüche hier dürfte jedenfalls schnell sinken," freute sich einer. Doch ausgerechnet in die mit vielerlei Alarmanlagen und Überwachungskameras ausgestattete Gaddafi-Villa ist nun, am helllichten Tage, eingebrochen worden – wiewohl es keine Diebe waren, sondern Squatters, Hausbesetzer, die sich Zugang zu der Festung verschafften.

Nachdem von der Luxusbehausung vorige Woche im Zusammenhang mit Saif Gaddafis Zeit in London überall die Rede war, und Fotos des Gebäudes in den Zeitungen erschienen, hatte sich ein buntes Grüppchen Demonstranten unter dem Schlagwort "Topple the Tyrants" (Stürzt die Tyrannen) nach "zu den Gaddafis", aufgemacht. "Als wir davon hörten, dass einer der brutalsten Diktatoren der Welt in Nord-London ein Haus besitzt, schien es das Naheliegende, dieses Haus fürs libysche Volk in Beschlag zu nehmen", erklärt ein Sprecher der Gruppe, der sich Montgomery Jones nennt. "Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass von Gaddafi gestohlener Besitz ans libysche Volk zurückgeht – und nicht in den Taschen irgendwelcher Regierungen oder Großunternehmen verschwindet."

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Die Zwölf-Zimmer-Villa, die auch über ein Schwimmbad sowie über Sauna und eigenes Kino verfügt, war von den Gaddafis gekauft worden, als Saif seine Studien an der London School of Economics mit einem inzwischen heiß umstrittenen Doktortitel und diversen Finanzdeals mit der Uni abgeschlossen hatte. Der Kauf erfolgte im selben Monat, in dem Saif Gaddafi den aus schottischer Haft entlassenen Lockerbie-Bomber Abdelbaset Al Megrahi in triumphierender Gebärde nach Tripoli begleitete.

 

Gaddafis müssen vor Gericht, wenn sie ihr Haus zurückwollen

 

Ob Saif überhaupt jemals das Gebäude benutzte, das fast 13 Millionen Euro gekostet haben soll, weiß keiner der Nachbarn. Seit einiger Zeit stand es zum Verkauf, und in den vergangenen Wochen wurde es zur Vermietung angeboten. Statt eines gut betuchten Mieters kam nun aber der Hausbesetzertrupp. Der machte es sich auf den Plüschsofas gemütlich, hängte Revolutionsslogans aus den Fenstern und lud Besetzer anderer Quartiere zur freien Benutzung der Duschen ein: Nicht jedes besetzte Haus in Nord-London verfügt schließlich über den Luxus fließend Warmwasser.

Einiges an Spott zogen sich die Besetzer, wegen ihrer anfänglichen Heimlichtuerei und Abschottung zu. Zeitweise mussten sich Neuankömmlinge auf eine Warteliste setzen lassen, bevor sie das Haus betreten durften. Wer das korrekte Losungswort nicht wusste, musste leider draußen bleiben – den Besetzern zufolge eine Vorsichtsmaßnahme, um sich Polizei und Gaddafi-Sympathisanten vom Hals zu halten. Nur die wenigsten der Besetzer waren freilich selbst Libyer, wie Reporter schnell herausfanden. Etliche, wüssten gerade mal, dass Libyen irgendwo in Afrika liege, heißt es. Der Anführer der Truppe trage jede Menge "interessanter Ringe im Gesicht" und werde von den anderen Aussie, der Australier, genannt, berichtete der Daily Telegraph.

Vielen der nun endgültig ihres Friedens beraubten Anwohner wäre es am liebsten, wenn Scotland Yard der Hausbesetzung ein Ende bereitete. Die Polizei allerdings betrachtet die Besetzung nicht als kriminellen Akt, sondern als Frage eines Zivilstreits. Die Gaddafis müssten vor Gericht ziehen, um sich die erneute Verfügung über ihr Haus zu sichern. Unter den gegenwärtigen Umständen aber, und nach Sperrung all ihrer Guthaben auf der Insel durch die britische Regierung, können sich Gaddafi und sein Sohn für einen solchen Schritt wenig Erfolg ausrechnen.  

 

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Ein Indymedia-Bericht dazu findet sich hier:

http://london.indymedia.org/articles/7766