Keine Ruhe in Wisconsin - 100.000 gegen Antigewerkschaftsgesetz auf der Straße

Proteste am 7. FebruarFoto: von ThirdCoast DigestLizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Erneut haben bis zu 100.000 Menschen beim Wisconsin State Capitol am Samstag gegen das Antigewerkschaftsgesetz AB11 protestiert. Das Gesetz, das die gewerkschaftlichen Rechte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst erheblich beschneidet, wird als eine der größten Herausforderungen seit Jahrzehnten an die U.S. amerikanische organisierte ArbeiterInnenbewegung gesehen.

Ein Polizeisprecher schätzte die Menge auf 85.000 bis 100.000 Menschen, womit die Proteste in Madison diejenigen gegen den Vietnamkrieg übertrafen.

Die Proteste folgten am Tag nachdem der republikanische Gouverneur Scott Walker das Gesetz unterzeichnete und führten damit die Proteste der drei vorangegangenen Wochen weiter. Die Beschäftigten sollen künftig zwischen 17% bis 18% aus ihren Gehaltsscheck zur Krankenversicherung und Renten beitragen, was offener Lohnraub ist. Doch nicht genug: Die Löhne sollen für die nächsten drei Jahre eingefroren werden. Zukünftig sollen die Löhne zudem nicht den Anstieg des Verbraucherpreisindexes übersteigen, zudem soll es "Volksabstimmungen" zu den Lohnforderungen geben, mit denen diese "genehmigt" werden sollen. Da fällt dann kaum noch ins Gewicht, dass die Gewerkschaftsbeiträge zukünftig erst nach Abzug der Steuern bezahlt werden sollen.

Das Parlament von Wisconsin verabschiedete das Gesetz, indem die Republikaner eine Protestaktion der Demokraten mit einem Trick umgingen. Diese  "flüchteten" für drei Wochen nach Illinois. Damit versuchten sie, die für den Beschluss des Gesetzes notwendige Anzahl anwesender Senatoren zu verhindern. Nachdem alle Haushaltsbudgetrelevanten Passagen aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurden, war das erforderliche Quorum nicht mehr nötig.

Die Kämpfe in Wisconsin waren Auslöser für eine Reihe anderer Proteste in weiteren Bundsstaaten gegen die dortigen Haushaltsdebatten, in deren Zusammenhang dort ebenfalls die Rechte der Gewerkschaften eingeschränkt werden sollen.

Die Republikaner begründen AB11 damit, dass es "keine Alternative" dazu gäbe, um die Kontrolle über defizitäre Haushalte zurückzugewinnen. Dabei diffamieren sie seit Jahren die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die "viel zu hoch bezahlt" seien und ein "besseres Leben" als die in der Privatindustrie Beschäftigten führen würden. Die Demokraten, deren Position von den Gewerkschaftsführungen unterstützt werden, greifen die Republikaner wegen deren gewerkschaftsfeindlichen Vorschläge an. In einer Reihe von anderen US-Bundesstaaten mit republikanischen Gouverneuren, darunter Indiana, Ohio, Iowa, Michigan und Florida wurden ähnliche Gesetze eingeführt bzw. sind diese geplant. Da die Gewerkschaften die größten Beitragszahler der Demokratischen Partei sind müssen deren politische Positionen auch in Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen 2012 gesehen werden.

Die Konfrontation mit den Gewerkschaften konnte die größte Kraftprobe mit der Arbeiterklasse werden, seit Präsident Ronald Reagan vor fast 30 Jahren streikende Fluglotsen feuerte. Michael Moore formulierte in einer Rede vor den DemonstrantInnen den entscheidenden Vorteil der Arbeiterbewegung dabei - wenn diese das erkennt: "Sie sind die Minderheit, die Mehrheit sind wir!"

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Die Beschäftigten sollen künftig zwischen 17% bis 18% aus ihren Gehaltsscheck zur Krankenversicherung und Renten beitragen, was offener Lohnraub ist

 

Also in Deutschland trage ich knapp 15.5% meines Lohnschecks an die Krankenkasse und 9,95% an die Rentenkassen. Allerdings sind beide Versicherungen (fast noch) zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer paritätisch finanziert (schwarz -gelb gibt sich an allen Fronten größte Mühe das zu ändern). Gibt es diese paritätische Versicherung jetzt auch in den USA im Zuge der Gesundheitsreform? Wenn ja verstehe ich nicht den Aufstand dagegen. Es wäre ein riesiger Fortschritt zum bisherigen System, in dem jeder nur für sich selbst kämpfen musste, statt in eine solidarische Versicherung einzuzahlen. Aber bitte klärt mich auf falls ich falsch liegen sollte.

Was in Wisconsin geschieht, ist der systematische Versuch, die milliardenschweren Defizite für die Rettung von Großbanken auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst abzuwälzen. Scott Walker will 300 Millionen $ auf Kosten der Beschäftigten ein"sparen" und fährt genau die Taktik der Spaltung: Er sagt, die Beschäftigten in der Privatwirtschaft haben höhere Ausgaben für Kranken- und Rentenversicherung als die im öffentlichen Dienst. Tatsache ist, dass gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte im öffentlichen Dienst in den USA zu den wenigen Gruppen gehören, die noch auf eine gute Kranken- und Rentenversicherung vertrauen können. Was ja nicht gegen sie spricht, sondern dafür, sich zu organisieren und organisiert zu wehren., denn geschenkt haben die KollegInnen das auch nicht.  Auf die Profitlogik Scott Walker's einzusteigen wäre so genau der verkehrte Weg.

 

Konkret handelt es sich - wie im Beitrag beschrieben - um eine Erhöhung der Beiträge für Kranken- und Rentenversicherung, die im Schnitt zusammen mit den anderen Kürzungen wohl zu einer Mehrbelastung von 400 $ führen wird. Monatlich und für jedeN BeschäftigteN.