Interview mit einer Aktivistin aus dem Bündnis gegen den Naziaufmarsch 2011 in Stolberg

Stolberg: Gemeinsam blockieren!
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Auch 2011 wollen Nazis den Tod eines Jugendlichen in Stolberg nutzen, um ihren Märtyrerkult fortzusetzen. Diesmal hat sich jedoch ein Bündnis gegründet, das mit Blockaden diesem Umtrieb ein Ende setzen will. Aus diesem Grund haben wir uns vom Alternativen Pressekollektiv (APK) mit einer Vertreterin des Bündnisses getroffen, um zu erfahren wie der Stand der Dinge ist.
 

APK: Hallo erst einmal und schön das Du Zeit für uns gefunden hast. Was uns als erstes interessiert ist, seit wann gibt es nun dieses Bündnis und was war für Euch der ausschlaggebende Punkt, wo Ihr gesagt habt, wir wollen nun auch in Stolberg blockieren?

 

Lara: Na, es gab ja auch schon im Jahr 2009 Blockaden in Stolberg, die diesen Aufmarsch ganze vier Stunden verzögerten. Insofern ist das Konzept auch für die Stolberg-Mobilisierung nicht neu. Was uns wichtig war: ein breites Bündnis hinzubekommen, dass gemeinsam dort gegen diesen neonazistischen Aufmarsch agiert – mit den Ziel des konkreten, kollektiven Eingreifens bzw. der Verhinderung des Aufmarsches.
 

APK: Nun sagen viele, dass Stolberg ja ein ganz schönes Kaff ist und dass man jenen Naziaufmarsch ja überhaupt nicht vergleichen kann mit anderen großen Aufmärschen der extremen Rechten. Was entgegnet Ihr diesen KritikerInnen?

 

Lara: Nun, Stolberg ist ja tatsächlich nicht Metropole. Das heißt allerdings nicht, dass der alljährliche Aufmarsch dort weniger wichtig ist, als andere für die extreme Rechte in NRW. Und darauf kommt es doch an. Also zu begreifen, was diese Aufmärsche – wo auch immer – für eine mobilisierende, zusammenschweißende und ideologiestärkende Funktion haben. Bedenken wir das, ist es nahezu gleich, wo Neonazis marschieren. Nur weil Stolberg nicht gerade Kiez der antifaschistischen Linken ist, heißt das nicht, dass die Regionen der Rechten überlassen werden sollten. Zudem finde ich es wirklich unerträglich, dass dort Neonazis direkt am Rande des migrantisch geprägten Viertels marschieren und ihre Rassismen direkt adressieren können.


APK: Du sprichst von einer ideologistiftenden Funktion. Kannst du das näher erläutern?

 

Lara: In ganz NRW und weit darüber hinaus mobilisieren Neonazis für Stolberg mit ihren kruden Thesen der „Inländerfeindlichkeit“. Sie versuchen sich als Opfer aufzubauen. Als durch Migration Unterdrückte. Das ist natürlich absurd. Zu Rassismus gehört, dass er aus der Perspektive der Privilegierten heraus ausgeübt wird. Die Diskussion um „Inländerfeindlichkeit“, die ja bis weit in die so genannte Mitte geführt wird, negiert jede sinnvolle Diskussion über Rassismus. Aber es war schon immer eine Strategie der (extremen) Rechten, sich als Opfer zu generieren, um aus dieser Position heraus agieren zu können. Das ist die inhaltliche Dimension, die aufgebrochen werden muss. Ebenso wichtig ist es aber zu begreifen, was für einen Wert Masseninszenierungen für neonazistische Strukturen, Akteurinnen und Akteure haben. Sie vermitteln Kampfkraft, Geschlossenheit Stärke – und das nicht nur nach außen, sondern auch in die Szene herein.
 

APK: Hat dieser Aufmarsch auch Auswirkungen auf den gesamten Raum Aachen? Immerhin gilt Aachen neben Dortmund als Nazihochburg im Westen und nicht selten werden Vergleiche mit Ostdeutschland gezogen.

 

Lara: Neonazismus war nie ein wesenhaftes „Problem des Ostens“. In Westdeutschland gibt es viele Orte, in denen neonazistische Formierung stattfindet, so wie es wahrscheinlich ebenso viele Orte im Osten gibt, in denen extrem Rechte nicht diese Stärke haben. Ich glaube jenseits dieser regionalen Fragen ist es viel relevanter, ob Orte politisch „besetzt“ sind. Also ob es starke Gegenbewegungen gibt, ob es antifaschistische Jugendkultur gibt, usw. Aber klar: die Aufmärsche in Stolberg hatten Auswirkungen in den gesamten Raum Aachen. In der Stadt war die „Kameradschaft Aachener Land“, die ja eng mit der NPD zusammenarbeitet sehr präsent, es kam in den letzten Jahren immer wieder, teils im Wochentakt, zu Übergriffen auf „Unliebsame“. Dagegen haben sich etliche Menschen und Gruppen zusammengeschlossen, um dem Einhalt zu gebieten. Die Offiziellen der Stadt Dortmund machen ja im Moment zumindest Schritte in die Richtung, einzugestehen, dass es ein Problem mit Neonazismus gibt. Davon sind die Offiziellen in Aachen noch weit entfernt.


 

APK: Die Blockadeaktionen in Dresden, Köln und anderswo waren sehr erfolgreich in letzter Zeit, dennoch, glaubt Ihr das sich das Konzept der Blockade auch auf das ländliche Gebiet anwenden lässt?

 

Lara: Solche Konzepte können nie eins zu eins übertragen werden. Sicher muss je spezifisch geschaut werden, welche Form welcher Gegebenheit angemessen ist. Aber wir glauben, dass das Blockadekonzept in Stolberg aufgehen kann, wenn sich viele daran beteiligen. In so einer kleinen Stadt ist es ja sogar unter Umständen leichter, zu blockieren. Wir müssen für Beispiele gar nicht so weit schauen. 2001 sollte in Herzogenrath bei Aachen ein „grenzüberschreitender“ Naziaufmarsch stattfinden. Dieser ist durch eine breite Blockade verhindert worden. Warum sollte das nicht in Stolberg funktionieren?


 

APK: Bis jetzt habt Ihr schon einige UnterstützerInnen gewonnen. Darunter Kirchengemeinden, eine Gesamtschule und viele andere. War es schwierig den Menschen das Konzept Blockade näherzubringen?

 

Lara: Ich denke, dass da in Köln und Dresden tatsächlich gute Vorarbeit geleistet wurde insofern, dass vermittelt werden konnte, dass Blockaden legitim sind und dass Widerstand nur gewinnen kann, wenn er breit und different ist. Ehrlich gesagt denke ich, dass das ganze schlicht sich auf eine Frage zuspitzen lässt. Wollen wir es zulassen, dass Nazis dort marschieren? Wenn wir das nicht wollen, müssen wir das eben verhindern, sonst werden sie es nämlich tun.
 

APK: Wie sieht es in Stolberg selber aus? Am Anfang war kaum eine Stolberger Gruppe dabei, aber jetzt scheint die Liste ständig zu wachsen. Was hat sich verändert?

 

Lara: Ich bin nicht sicher. Offensichtlich ist die Stolberger Bevölkerung nicht so einheitliche gegen direkte Interventionen, wie das angenommen und teils vermittelt wurde.
 

APK: Jetzt müssen wir natürlich zu unseren „Freunden und Helfern“ kommen. Bei Eurem letzten Blockadetraining in Stolberg hatte Euch die Polizei Auflagen erteilt, die ein Darstellen einer Blockade unmöglich machte. Wie habt ihr an dem Tag reagiert und plant Ihr auch in Zukunft öffentliche Blockadetrainings?

 

Lara: Na klar wird es weitere geben! Das ist doch eine gute Möglichkeit, das Konzept vorzustellen und Menschen dazu zu bewegen, mitzumachen. Dass die Aachener Polizei versucht, die Aktivitäten gegen den Naziaufmarsch zu behindern, das stimmt. Wir sollten uns aber von Schikanen im Vorfeld nicht beeindrucken lassen. An dem Tag haben wir dann halt gezeigt, was uns „verboten“ wurde, quasi die Auflagen bildlich vermittelt.


 

APK: Zum Abschluss würde uns jetzt noch interessieren, was nun genau am 08. und am 09.04.2011 in Stolberg passieren wird, und wo sich die Menschen schlau machen können, wenn sie im April mitblockieren wollen?

 

Lara: Am Freitag den 8.4. sind an einigen Punkten in Stolberg Kundgebungen angemeldet. An dem Abend wollen die Neonazis ja einen Fackelmarsch durchführen. Erfahrungsgemäß kommt mensch da sehr nah an den Aufmarsch heran.
Für die Nacht wird es eine Pennplatzbörse in Aachen geben. Am Samstag den 9.4. werden wir mit vielen, vielen Menschen verschiedene gut ausgewählte Punkte in Stolberg blockieren und so den Aufmarsch verhindern. Im Vorfeld finden noch verschiedene Mobilisierungsveranstaltungen in NRW, den Niederlanden und Belgien von uns statt.
Auf unserer Homepage gibt’s alle Infos und Termine.


 

APK: Dann vielen Dank für Deine Antworten und viel Erfolg.

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Wir fahren nach Stolberg ist eine antifaschistische Mobilisierung ergänzend zum Bündnis gegen den Naziaufmarsch in Stolberg 2011.
Auch dieses Jahr haben sich Antifaschist_Innen zum Zielgesetzt die Naziaufmärsche in Stolberg zu verhindern. Kommt deshalb am zweiten April Wochende nach Stolberg und helft uns die Notwendigkeiten zu erledigen – Das Nazi-Event platzen lassen!

 

Den ganzen Aufruf lesen | Material + Web Banners

No Nazis Dortmund Banner

 

Kommt zur antifaschistischen Demonstration:
02.04.2011 | 16:00 h | Dortmund | Hauptbahnhof (Vorplatz)


Es bleibt dabei: Nichts und niemand ist jemals vergessen!
Kein Vergessen den Opfern neonazistischer Gewalt!
Gegen Neonazis und rechte Gewalt!


Kundgebung in Gedenken an Thomas Schulz
28.03.2011 – 18.30 Uhr – Dortmund [U-Bahnstation Kampstraße]

Achtet auf Ankündigungen und mögliche Änderungen!
http://dab.nadir.org/

"Diesmal hat sich jedoch ein Bündnis gegründet [...]"

Es ist sicher nicht das erste mal dasz es ein Bündnis gibt.^^