„Bist du taubstumm oder was?“ Warum das Wort „Taubstumm(heit)“ unkorrekt ist

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Wenn in Medien von Menschen mit starken Hörschädigungen die Rede ist, wird häufig von taubstummen Menschen gesprochen. Seit Jahren herrscht in der Gehörlosenkultur Empörung darüber. Engagierte der Gehörlosenszene schreiben daraufhin immer wieder die Berichtserstatter zwecks Aufklärung an, doch die Aufklärungsversuche erreichen nicht die Öffentlichkeit.


Häufig machen wir uns keine großen Gedanken über die Begrifflichkeiten, die wir im Alltag verwenden. Es würde uns auch konfus machen, über jeden Begriff zu philosophieren, bevor wir ihn aussprechen. Und doch drücken wir durch die Verwendung, bzw. Nicht-Verwendung von manchen Begriffen bestimmte Haltungen mit aus, denen wir uns bewusst sein sollten! Wer zu einem körperbehinderten Menschen „Krüppel“ sagt, ist sich in der Regel der negativ besetzten Ausdrucksweise bewusst, doch viele sind sich nicht dessen bewusst, dass der Begriff „Taubstumm“ genauso abwertend und  beleidigend von Betroffenen aufgefasst wird, wie der Begriff „Krüppel“.


Doch warum ist das so? Warum wollen Gehörlose nicht als „Taubstumme“ bezeichnet werden?
Die Antwort ist relativ simpel: Weil es keine taubstummen Menschen gibt! In Deutschland leben circa 80.000 Menschen, die die Lautsprache nicht verstehen können, doch deshalb sind sie lange noch nicht taubstumm. Denn Taubheit führt nicht automatisch zu Stummheit. Natürlich ist das Erlernen der Lautsprache, der Artikulation sehr schwer, wenn man nicht hören kann. Versuchen Sie, als Lautsprachfähige_r, doch mal mit zu gehaltenen Ohren zu sprechen. Es wird Ihnen schwer fallen! Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie sollten so, mit zugehaltenen Ohren, eine Fremdsprache erlernen. Ein Ding der Unmöglichkeit? Nein! Viele gehörlose Menschen schaffen es, trotz ihrer Beeinträchtigung, die Lautsprache zu erlernen, damit meine ich: sie zu verstehen und sie selbst zu benutzen. Wie kann man also von einem sich lautsprachlich artikulierenden Gehörlosen von einem Taubstummen reden? Aber was ist mit Gehörlosen, die nicht lautsprachlich kommunizieren? Sie haben auch eine Sprache und zwar die Gebärdensprache (nicht: „Taubstummensprache!“). Die DGS (Deutsche Gebärdensprache) ist eine linguistisch vollständige Sprache, mit einer eigenen Grammatik, nicht nur ein Hilfsmittel. Seit 2002 ist sie in Deutschland als Amtssprache anerkannt. Menschen, die in Gebärdensprache kommunizieren, sind demnach also auch nicht stumm. Somit könnte man höchstens Gehörlose, die nicht kommunizieren als „Taubstumme“ bezeichnen. Doch gibt es diese Menschen überhaupt? Oder findet nicht fast jeder und jede einen Weg zur Kommunikation?


Häufig wird der Begriff „Taubstummheit“ mit Dummheit assoziiert. Denn als der Begriff „Taubstumm“ auftauchte, dachte man noch, Gehörlose seinen nicht nur physiologisch sondern auch geistig behindert. Gehörlose, sind trotz ihrer physiologischen Einschränkung, autonome, kognitive Menschen, wie Sie und ich. Sie sind weder dumm, noch kommunikationslos. Dass wir uns dessen bewusst sind und sie als gleichberechtigte Menschen wertschätzen, sollen wir ihnen durch unsere Wortwahl zeigen.

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darüber hatte ich eigentlich ehrlich gesagt noch nie ernsthaft nachgedacht..danke für diese anregung!

Wie ist das mit der wortwahl, bzw. der bewußten sprache?

 

"cool"

 

ist ja wohl dann völlig daneben gegriffen.

Denn kühl oder kalt ist als Bewertungskriterium für den o.g. Artikel falsch gewählt.

"Taubheit führt nicht automatisch zu Stummheit."

 

Ich meine eigtl., dass das kein all zu großes Geheimnis ist und ich hab bisher auch noch nie wirklich erlebt, dass jmd. das Gegenteil behauptet. hat Es gibt eben die zwei Begriffe taub und stumm und wenn beide zutreffen, spricht man von taubstumm. Sonst gäbe es auch nicht den Begriff taub getrennt von taubstumm, so würde nämlich taub synonym zu taubstumm verwendet werden. Es ist allerdings auch kein großes Geheimnis, dass es schwierig ist ,ohne etwas hören zu können, eine Sprache zu lernen. Es ist auch oft so, dass man, wenn man das Gehör verliert auch die Sprache verlernt bzw. mit der Zeit immer undeutlicher spricht. Da kennt man schon Unterschiede. Dass Taubstummheit häufig mit Dummheit assoziiert wird, ist mir auch unbekannt.

 

Dass Menschen mit irgendeiner Behinderung gleichberechtigt sind, muss man nicht über Wortwahl zeigen. Es genügt die Diskriminierung, sofern eine vorliegt, zu kritisieren oder zu bekämpfen. Wenn Stumme, Taube oder Taubstumme diskriminiert werden, dann liegt das sicherlich nicht an einer durchgesetzten (falschen) Wortwahl, sondern schon eher an dem Interesse solche Leute zu diskriminieren. Ein behindertenfeindliches Arschloch interessiert es sicherlich wenig, ob die dumm sind oder als Taube doch sprechen können. Dass Menschen mit Behinderung öfters mal als dumm betrachtet werden, kommt daher, da dies eine Rechtfertigungslüge einer Konkurrenz ist, deren Maßstäben sie nicht genügen. Daher kommt eine Abwertung, auf Grundlage derer sich restliche Konkurrenzobjekte aufwerten und dabei sich einiges auf ihrem "besseren" Status einbilden. Statt der Suche nach einer geeigneteren Wortwahl wäre der Kampf gegen eine Gesellschaft angebracht, die solche ideologischen Bilder über die Verlierer ihrer Konkurrenz braucht.

In der kapitalistischen Realität ziehen Menschen mit Behinderung übrigens gerade wegen der Gleichberechtigung (als Arbeitskräfte) den Kürzeren. So wäre da eine Forderung nach Gleichberechtigung fehl am Platz, weil eigtl. mehr eine besondere Rücksicht angebracht wäre. Das wäre aber ein anderes Thema.

„so würde nämlich taub synonym zu taubstumm verwendet werden“
Und genauso ist es! In der Alltagssprache werden diese Begriffe fälschlicherweise synonym verwendet.

„Dass Menschen mit irgendeiner Behinderung gleichberechtigt sind, muss man nicht über Wortwahl zeigen. Es genügt die Diskriminierung, sofern eine vorliegt, zu kritisieren oder zu bekämpfen“
Kann eine Bekämpfung von Diskriminierungen u. a. nicht durch Sprache geschehen? Oder muss sie nicht sogar durch Sprache geschehen? Da wir auch in Sprache denken, also unser Denken maßgeblich von der Sprache beeinflusst wird. Aber dass zu einer Bekämpfung von Diskriminierungen es mehr braucht als nur eine korrekte Wortwahl, gebe ich dir völlig recht! Aber vielleicht ist die richtige Wortwahl ein Schritt in eine bessere Richtung…

Außerdem geht es weniger um die bewusste Diskriminierung von Gehörlosen, sondern ehr darum, dass Gehörlose diesen Begriff als Beleidigung empfinden. Also sollte mensch diesen Begriff nicht nur nicht verwenden, weil er schlichtweg falsch ist (da ein Mensch, der kommuniziert, sei es in Laut- oder Gebärdensprache, nicht stumm ist), sondern auch weil die Betroffenen ihn als Beleidigung auffassen. (Auch wenn ich es nicht böse meine, sage ich trotzdem nicht „du Arschloch!“ zu meinen Freunden, da ich weiß, dass sie das kränken würde. Verstehste was ich meine?)

danke für diesen artikel! schön, dass indymedia auch über das übliche linksradikale-szene-zeug hinaus progressive inhalte zu bieten hat!

Gerade habe ich herausgefunden, ein Blogger schrieb: "Paco: Ich zitiere aus einem Editorial der DGZ 1987:


Zitat: 
Ein Vogel ist an allem schuld

… Wer das Wort (gehörlos) „erfunden“ hat, konnte ich noch nicht eindeutig feststellen. Mir ist nur bekannt, dass der Ausdruck „gehörlos“ erstmals nach dem Ersten Weltkrieg aufkam, vermutlich in Anlehnung an das Wort „sprachlos“. Damals waren alle, die nicht hören oder nicht sprechen oder beides nicht konnten, durchweg „taubstumm“. Das passte den Taubstummen, die in der Taubstummenanstalt mittlerweile sprechen gelernt hatten.., gar nicht (…)
Nun wäre es aber ganz logisch und naheliegend gewesen, von dem Wort „taubstumm“ einfach die zweite Silbe auszumerzen und nur noch „taub“ zu gebrauchen – wie die Engländer und Amerikaner das allgemein gut ankommende „deaf“.
Da aber hat uns ein sehr bekannter, vielgeliebter, oft auch gehasster Vogel mit seinem Namen einen dicken Strich durch die Absicht gemacht. Es würde sich doch sehr komisch lesen, wenn unser Leib- und Magenblatt mit dem Titel „Deutsche Tauben-Zeitung“ zu Ihnen kommen würde. Man würde Sie sofort als Mitglied eines Taubenzüchtervereins sehen. Oder wenn der Herr Pastor uns in seiner Kirche mit „Meine lieben Tauben“ anreden würde. Nein, die damaligen Führer der Taubstummenvereine waren sich schnell einig, dass mit dem Wort „taub“ kein Staat zu machen ist. So machte man sich auf die Suche nach einer anderen Bezeichnung und kam eben auf „gehörlos“, das schon hier und dort verwendet wurde und Anfang der zwanziger Jahre bereits in Vereinsnamen zu finden war (….)

Die damalige „Allgemeine Deutsche Taubstummen-Zeitschrift“ änderte ihren Namen am 1. Januar 1927 in „Allgemeine Deutsche Gehörlosen-Zeitschrift“ und 14 Tage später wurde in Weimar der „Reichsverband der Gehörlosen Deutschlands e.V.“ (Regede) mit Sitz in Berlin gegründet, der Vorgänger des jetzigen Deutschen Gehörlosen-Bundes. So war`s mit dem „gehörlos“! Wissen Sie vielleicht ein besseres Wort?
Herzlichst, Ihr Friedrich Waldow

(aus: DGZ 11/1987,Dank an Helmut Vogel für die Übergabe des Artikels)

Quelle: www.gl-cafe.de

Darum ist dies so entstanden. Die gehörlosen Kritiker verstehen unter “stumm” etwas ganz anderes, als Hörende! Es ist tatsächlich so, dass fast alle Hörenden in jedem Gehörlosen/Tauben einen “Stummen” sehen, wie man obige Twitter-Screenshot feststellen kann. Sie denken so: er/sie kann zwar (mehr oder weniger gut) sprechen, aber…

Wenn die Verbände und Gehörlosen also sagen: Wir sind nicht “stumm”, wir wollen dies und das (Anerkennung etc.), dann stiftet das nur Verwirrung in den Köpfen. Dann denken die Hörende: “Was hat das eine mit dem anderen zu tun?”

Auch der Begriff “taub” wird mitunter als abwertend angesehen, z.B. taube Nuss oder auch Gefühllosigkeit etc.

Ist es nicht besser, die echte und alltägliche Benachteiligung zu bekämpfen, als sich wegen angeblichen Diskriminierung durch irgendwelche Begriffe aufzuregen?"

Quelle: http://hewritesilent.wordpress.com/?s=taubstumm 

Interessant oder?