Liebig 14 Linksradikale drohen mit Welle des Widerstands

Erstveröffentlicht: 
01.02.2011

Liebig 14 Linksradikale drohen mit Welle des Widerstands

 

Extremismus. Die Räumung eines besetzten Hauses wird in Berlin zum Politikum. Die Stadt fürchtet Krawall an allen Ecken. Von Katja Bauer


Das Video zeigt einen Mann wie einen Gefangenen auf einem Stuhl. Er trägt eine Maske mit dem Konterfei des Berliner Innensenators Ehrhart Körting, in den Händen hält er ein Plakat. Alles erinnert an die Entführung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die RAF - auch wenn der Spruch auf dem Plakat des Körting-Doubles eher Spontihumor verströmt: „Seit vier Tagen nur vegane Pampe."

Spätestens seit dem Wochenende wissen die Berliner Sicherheitsbehörden, dass mit den Liebhabern solcher Videobotschaften nicht zu spaßen ist: 40 Polizisten wurden am Samstag im Steinhagel einer Demonstration der linken Szene verletzt. Einige Beamte wurden mit Laserpointern geblendet, auf andere ergossen sich Flüssigkeiten, die aus dem Fenster gekippt wurden. Autos wurden demoliert, später gingen in schicken Läden in Mitte Schaufensterscheiben zu Bruch. Kurzzeitig herrschten in dem Straßenzug im Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg Zustände wie am 1. Mai. Dabei hatte die Polizei noch Schlimmeres verhindert: Aus einem Hubschrauber heraus hatten Beamte auf zwei Hausdächern Pflastersteinlager gesehen - die Polizei wurde wegen der Gefahr von oben aus der Straße zurückgezogen.

Der Grund für die Demonstration mit mehr als 1000 Teilnehmern ist die bevorstehende Räumung eines der letzten besetzten Häuser der Stadt. Am Mittwoch will die Polizei den Räumungsbeschluss gegen das Projekt „Liebig 14" in der gleichnamigen Straße vollstrecken. Im vergangenen Jahr waren alle Vermittlungsbemühungen mit den neuen Eigentümern, in denen sich auch der Bezirk für den Verbleib des selbst ernannten Wohnprojektes eingesetzt hatte, vergeblich gewesen. Obwohl solche rechtskräftigen Entscheidungen immer wieder durchgesetzt wurden, ist diese Räumung - im Jahr der Abgeordnetenhauswahl - schon vorab zum Politikum geworden. Die Szene macht seit Wochen mobil und kündigt ganz offen an, sich mit Gewalt zu wehren. Es gab Drohungen gegen den grünen Bezirksbürgermeister, das Klima ist aufgeheizt. Im Parlament warf der bürgerliche Teil der Opposition aus CDU und FDP dem rot-roten Senat vor, sich erpressen zu lassen. Seit Jahren wirft die CDU dem Bündnis Blindheit auf dem linken Auge vor. Zu der hitzigen Debatte gehörte auch die neue Wahlkampflinie der Union, sich von den Grünen zu distanzieren und als einzige Alternative im strukturell linken Berlin darzustellen. Die Grünen gerieten in die Kritik, weil eine Abgeordnete ein Flugblatt der Besetzer im Innenausschuss verteilt hatte. Sie riefen allerdings gestern alle Bewohner des Hauses auf, das Gebäude zu verlassen.

Das dürfte die 25 Bewohner kaum beeindrucken. Sie beharren darauf, mit ihrem Wohnverein Miete zu zahlen und Inhaber der Mietsache zu sein, die von einem privaten Eigentümer nun saniert werden solle. Die „Liebig 14" ist längst zum Symbol stilisiert worden - und genau das macht die Lage politisch explosiv.

Die linksextreme Szene thematisiert an dem Beispiel des Hauses das Problem der „Gentrifizierung" - mit diesem Begriff ist die Sanierung bisher billigen Wohnraums in der Innenstadt zu schicken Apartments und die daraus folgende Vertreibung weniger solventer Mieter gemeint. Schon seit Jahren kommt es bei Protesten gegen Projekte privater Investoren immer wieder zu Gewalt. Der Berliner Protestforscher Dieter Rucht sagte gestern, das besetzte Haus sei das letzte Überbleibsel einer vergangenen Ära. Den Bewohnern gehe es um Beifall aus der radikalen Szene.

Wie gewaltsam und wie politisch gefährlich der Mittwoch werden wird, ist im Voraus zwar schwer einzuschätzen, aber die Zeichen stehen auf Sturm. Die Polizei, so hieß es, werde die Hausdächer mit Spezialkräften besetzen. Die Szene kündigte „dezentralen Widerstand" in der ganzen Stadt an. Innensenator Körting hat im Abgeordnetenhaus klargemacht, dass das Haus auf jeden Fall geräumt werden wird.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Bisher geplant: Keine Aktionen gegen Polizeichefs, Hundertschaftsführer, Innenpolitiker, Hausbesitzer. Nur ein bischen das eigene Viertel zerlegen und sich von der Polizei verprügeln lassen. Prosit! Man kann doch wenigstens mal versuchen Innenpolitiker aus seiner eigenen Wohung zu werfen. Dann haben die auch was davon.