Am 11. Dezember fand im niederbayerischen Geiselhöring eine Antifademo unter dem Motto „Wikinerversand dichtmachen // reloaded – Naziläden schließen“ gegen den ortsansässigen neonazistischen „Wikingerversand“ statt. Etwa 80 Antifaschist_innen folgten dem Aufruf des Antifaschistischen Aktionskollektivs Straubing (aak_sr). Trotz negativer Presse im Vorfeld und herbeiphantasierten „Zusammenstößen von Links und Rechts“ blieb die Demo friedlich und es kam zu keiner Festnahme. Im Verlauf des Tages zogen dann noch einmal etwa 20 Antifaschist_innen durch Straubing um der Forderung den Wikingerversand zu schließen Nachdruck zu verleihen.
Presse und Extremismus
„Sonderverkauf beim 'Wikingerversand', Zusammenstöße mit linken Gruppen befürchtet“ lautete die Überschrift des Artikels im Straubinger Wochenblatt, welcher über die anstehende Demonstration in Geiselhöring berichtete. Auch im Straubinger Tagblatt wurde über den Protest gegen den Wikingerversand geschrieben. Doch auch hier bestand diese Berichterstattung darin, dass der Protest gegen einen der wichtigsten neonazistischen Versände in Deutschland kriminalisiert wird. So wurden auch hier Befürchtungen geäußert, dass es zu „Ausschreitungen oder Zusammenstößen zwischen Rechts und Links“ (Straubinger Tagblatt ) kommen würde. Darüber hinaus wurde angekündigt, dass das lokale Bündnis „Geiselhöring bleibt bunt“ ein Konzert unter dem Motto „Besinnlichkeit statt Extremismus“ organisiert „um den Extremisten nicht das Feld zu überlassen“. Mit dieser Veranstaltung sollte die antifaschistische Demo in ein schlechtes Licht gerückt und Antifaschist_innen mit neonazistischen Kund_innen und Besucher_innen des Wikingerversandes auf eine Stufe gestellt werden. Nicht nur um dieses absurde Vorurteil aus der Welt zu schaffen sondern auch um zu zeigen, dass antifaschistische Intervention notwendig und nicht kriminell ist zog mensch an diesem Tag durch Geiselhöring.
Die Demo
Nachdem sich trotz dieser negativen Berichterstattung im Vorfeld dennoch etwa 80 Leute in Geiselhöring einfanden, wurde die Veranstaltung um ca. 13.00 Uhr vom Veranstaltungsleiter eröffnet. Zur Auftaktkundgebung, welche sich nicht wie ursprünglich gedacht am Bahnhof, sondern am „Feuerwehrhaus“ befand, wurden neben dem Aufruf der antifaschistischen Kampagne „Wikingerversand dichtmachen // reloaded“ Grußworte des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Nürnberg verlesen, in welchem unter anderem das „Freie Netz Süd“ sowie Übergriffe aus dessen Umfeld auf Antifaschist_innen thematisiert wurden. Außerdem ging ein Redner der Antifa Neumarkt auf neonazistisch motivierte Angriffe auf das linke Hausprojekt „alte Schule“ ein und unterstrich dabei, dass eine Gleichsetzung von „Rechts“ und „Links“ absolut naiv und falsch ist.
Danach setzte sich die Demonstration, welche überwiegend aus Menschen aus dem linksautonomen Spektrum bestand, in Bewegung um bereits nach wenigen Metern den vom Ordnungsamt vorgesehenen Ort der Zwischenkundgebung zu betreten. Dort wurde ein Redebeitrag der Aktion Schwarz Rot aus Sulzbach – Rosenberg verlesen, welcher ebenfalls die schwachsinnige Gleichsetzung von „Links“ und „Rechts“ thematisierte sowie auf nutzlose „Bunt statt Braun“ Bündnisse in anderen Städten einging. Auch die antifaschistische Intervention gegen den Wikingerversand und die damit einhergehende Extremismusdebatte in Geiselhöring wurde angesprochen.
Danach folgte der Redebeitrag des Antifaschistischen Aktionskollektivs Straubing (aak_sr), welcher hier nachzulesen ist. Auch dieser Beitrag drehte sich um die absurde Gleichsetzung von „Links“ und „Rechts“ und kritisierte diese Theorie, sowie ihre Verfechter_innen scharf. Auch wurde darin auf die Veranstaltung des Geiselhöringer Bündnisses und die Repressalien im Vorfeld der Demo eingegangen. Er endete mit der Aufforderung an das Bündnis seine absurden Extremismustheorien über Bord zu schmeißen, denn nur dann würde das aak_sr eine Zusammenarbeit in Erwägung ziehen, welche der Schließung des Wikingerversandes ungemein dienlich wäre.
Nach den Redebeiträgen setzte sich die Demonstration wieder in Bewegung. Mit Transparenten, Fahnen, Schildern und Parolen artikulierte der Demonstrationszug dabei seine Forderungen. Auffällig ist die Tatsache, dass sich zum Zeitpunkt der Demonstration nur sehr vereinzelt Bürger_innen in Innenstadtbereich aufhielten. Es liegt nahe, dass dies auf die Hetze des lokalen Bündnisses sowie der Presse zurückzuführen ist. Dieses kollektive Ignorieren, welches wir normalerweise nur von Naziaufmärschen gewohnt sind ist sehr verwunderlich, richtete sich die Demonstration doch hauptsächlich gegen die Inhalte des neonazistischen Wikingerversandes. Hier zeigt sich einmal mehr, dass antifaschistische Aufklärungsarbeit über den Wikingerversand unbedingt notwendig ist um den Geiselhöringer_innen zu zeigen, dass der Protest notwendig und nicht kriminell ist.
Schließlich erreichte die Demo nach einer guten Stunde wieder ihren Ausgangspunkt. Dort angekommen stand mensch einem verhältnismäßig großem Polizeiaufgebot gegenüber. Nachdem die Versammlung offiziell aufgelöst wurde, versuchten einige Antifaschist_innen zum Wikingerversand zu gelangen um vor Ort ihren Unmut kund zu tun. Diese versuche wurden jedoch von den anwesenden Beamt_innen unterbunden.
Bis zum Ende der Demonstration wurde dem EA keine Festnahme gemeldet. Ein erfreulicher Umstand, welcher zeigt, dass herbeiphantasierte Horrorszenarien mehr der Einschüchterung der Geiselhöringer_innen und der Kriminalisierung von Antifaschist_innen dienten, als der objektiven Berichterstattung über den legitimen Protest gegen den Wikingerversand.
Ebenso erfreulich ist es, dass es während der Demo zu keinen Störaktionen der neonazistischen Kund_innen und Besucher_innen des Wikingerversandes kam. Zum ersten Mal seit langem prägten am Tag eines Sonderverkaufs nicht angereiste Neonazist_innen das Stadtbild, sondern zahlreiche Antifaschist_innen, welche vor allem inhaltlich gegen den Wikingerversand vorgingen.
Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Außewirkung der Demo äußerst gering war. Für die Zukunft sollte daher überdacht werden, ob sich Demonstrationen durch Geiselhöring als die passende Aktionsform gegen den Wikingerversand eignen. Trotzdem hat dieser Tag gezeigt, dass es für die Nazis kein ruhiges Hinterland gibt und sich antifaschistischer Protest weder verbieten noch kriminalisieren lässt.
Mobilisierung
Trotz der leider etwas kurzen Mobilisierungszeit von nicht einmal zwei Wochen, bewegen sich die etwa 80 Teilnehmer_innen im Rahmen unserer Erwartungen. Im Vorfeld der Demonstration wurden Vorträge in Neumarkt sowie in Passau gehalten, welche den Zuhörer_innen einen Einblick in das Sortiment etc. gaben, ein geplanter Vortrag und Sulzbach-Rosenberg musste leider ausfallen. Die jeweiligen Vorträge waren gut besucht und wir konnten zahlreiche Menschen mit unseren Inhalten erreichen und sie auch über die bisherige Intervention gegen den Wikingerversand zu informieren. Auch unser Mobilisierungsvideo wurde auf zahlreichen Seiten bayerischer Antifa-Gruppen gezeigt. Zugtreffpunkte aus München und Passau sowie zum ersten Mal auch in Straubing sorgten für eine koordinierte Anreise. Darüber hinaus finden sich in Straubing an unzähligen Orten Sticker und Sprühereien, welche ebenfalls die Forderung den Wikingerversand zu schließen beinhalten. Auch prägten Plakate, welche für die Demonstration warben, das Stadtbild in Straubing. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass in Straubing zahlreiche Personen gemeinsam den Weg nach Geiselhöring antraten. Dies zeigt uns, dass sich die regionale Antifaszene durch Tage wie diese weiter festigt, was gerade in Niederbayern aufgrund der hiesigen Naziszene äußerst wichtig ist.
Die Nazis
Informationen zufolge planten die Nazis vom „Nationalen Bündnis Niederbayern“ zunächst den Wikingerversand zu unterstützen und wohl auch angereiste Antifaschist_innen bzw. die Demonstration zu provozieren oder diese gar anzugreifen. Doch davon war am Tag der Demo nichts zu sehen. Ihre Gegenaktionen beliefen sich auf das Verteilen von Flyern, welche jedoch neben den stumpfen Inhalten nicht zuletzt wegen orthographischer Peinlichkeiten und dem falschen Datum eher belustigend als informativ waren. Ebenso fand sich auf den Pamphleten die Adresse unserer Internetseite sowie unser Logo der Kampagne. Was vor allem durch Letzteres zum Ausdruck gebracht werden sollte, erschließt sich uns leider nicht ganz. Laut ihrer Flyer und ihrer Internetseite wollten sich die Nazis des NBN am Tag der Demo nicht in Geiselhöring einfinden „um die Lage nicht noch weiter anzuheizen“. Dennoch befand sich beim Eintreffen des Zuges aus Straubing eine Gruppe von Anhängern des „Nationalen Bündnisses Niederbayern“ gegenüber des Bahnhofs um angereiste Antifaschist_innen zu provozieren. Durch ihr Auftreten zeigten die Nazis, dass der Wikingerversand auch für die lokale rechte Szene eine wichtige Rolle spielt. Zudem begingen sie aufgrund ihrer Aussage nicht in Geiselhöring anwesend zu sein, einen Wortbruch. Es ging ihnen lediglich darum sich den Bürger_innen Geiselhörings als vernünftig und friedlich zu präsentieren und die Demonstrant_innen als Störfaktor der Ruhe im Dorf darzustellen, dies sollte mit der Erklärung selbst nicht anwesend zu sein zum Ausdruck gebracht werden. Tatsächlich aber fanden sie sich doch in Geiselhöring ein und zeigten damit allen warum die Antifaschist_innen an diesem Tag in diesem Dorf waren: Um gegen Wikingerversand zu demonstrieren, welcher ein solches Klientel anzieht.
Die Polizei
Durch die negative Presse im Vorfeld war klar, dass die Demonstration von einem verhältnismäßig großem Polizeiaufgebot begleitet werden würde. Dies war am 11. Dezember auch tatsächlich der Fall. Neben Einheiten der Bereitschaftspolizei befand sich auch eine nicht geringe Anzahl von Beamt_innen des USK im Ort. Während sich die Polizei während der Demonstration zurückhielt und auch nach Verwendung eines weiteren Seitentransparentes, welche laut Auflagen eigentlich untersagt worden waren, nicht einschritt, fielen hauptsächlich die USKler_innen negativ durch ihr prolliges und aggressives Verhalten auf. Indem sie Antifaschist_innen, welche sich nach der Demonstration ein eigenes Bild vom Wikingerversand machen wollten, äußerst brutal aufhielten, anwesende Pressevertreter_innen an ihrer Arbeit hinderten und auf die Forderung der Herausgabe der Dienstnummer nur mit einem Lachen reagierten, zeigten sie, dass die anwesenden Demoteilnehmer_innen eigentlich nicht erwünscht sind. Dies machte auch durch willkürlichen Platzverweise und Androhung körperlicher Gewalt deutlich.
Sponti
Am späten Nachmittag des 11. Dezembers sollen auch in Straubing etwa 20 Aktivist_innen durch die Straubinger Innenstadt gezogen sein um der Forderung den Wikingerversand zu schließen noch einmal Nachdruck zu verleihen.
Noch einmal ein fettes Dankeschön an alle angereisten Antifaschist_innen. Wir haben gezeigt, dass der Protest gegen den Wikingerversand notwendig und nicht kriminell ist. Trotz einer schlechten Auswirkung und der Abwesenheit der meisten Geiselhöringer_innen sehen wir die Demo dennoch als kleinen Erfolg an. Denn an diesem Tag prägte eine antifaschistische Demo das Stadtbild und nicht die zum Sonderverkauf angereisten Neonazist_innen. Ebenso trugen wir durch zahlreiche Redebeiträge vielleicht doch ein wenig zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem extrem rechten Wikingerversand bei.
Weitere Bilder der Demo gibt es hier hier
aak_sr
aha
Toller Erfolg. Ne Sponti mit 20 Pseudo-Revoluzzern absets des Brennpunktes, die Demo vermummt, brüllend durch die Provinz. Großes Kino, Genossen. Ihr habt nichts gelernt.