Heute fand die vierte Zusammenkunft des Gerichts im Prozess gegen Thomas „Steiner“ Wulff statt. Er ist wegen einer rassistischen Rede angeklagt, die er bei der NPD-Demonstration am 25.10.2008 in Bochum gehalten hat.
Frühere Berichte: 1. Prozesstag | 2. Prozesstag
Das Thema des heutigen Verhandlungstags (17.9.2010) war die Zurschaustellung eines Transparents mit der Aufschrift „Multikulti ist Völkermord“, welches vor der Bühne entrollt wurde, während Thomas Wulff seine zur Verhandlung stehende Rede hielt. Hierzu lud das Gericht drei Zeugen vor, deren Vernehmung aus Sicht des Staatsanwalts beweisen soll, dass Wulffs Rede nicht nur von DemonstrationsteilnehmerInnen in ihrem offen rassistischen Charakter erkannt, sondern auch durch Verwendung des Transparents bewusst unterstützt wurde.
In der Reihenfolge wurde zuerst der Neonazi-Kader Sven Skoda aus Düsseldorf befragt, dann kam sein „Kamerad“ Alexander H. an die Reihe. Zum Schluss wurde Sven Lobeck nur noch pro forma in den ZeugInnenstand gerufen, der – im Gegensatz zu den Erstgenannten – nicht selbst am 25.10.08 in Bochum zugegen war.
Bevor die Fragerunde mit Skoda im Zusammenhang mit der Rede eröffnet wurde, gab es aber noch einiges an Klärungsbedarf, z.B. inwieweit sich Skoda, der das Transparent vor fast 2 Jahren zusammen mit Alexander H. stolz in seinen Händen hielt, mit Aussagen zur Sache selbst belasten könnte. Diese Möglichkeit räumte die Staatsanwaltschaft sofort aus. Das Ermittlungsverfahren gegen Skoda und Herr wegen „Beihilfe zur Volksverhetzung“ wurde bereits im April 2009 eingestellt (Aktenzeichen 33 Js 88/09), und zwar wegen „geringer Schuld“.
Interessant in diesem Kontext ist, dass bei einer Nazi-Demonstration in Düsseldorf am 03.06.2006 die Polizei das selbe Transparent den damaligen Teilnehmern Sven Lobecke und Alexander H. wegnahm – Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung wurden eingestellt, das Transparent zurückgegeben. Nicht zuletzt dieser Umstand dürfte die Nazis Skoda und Alexander H. am 25.10.08 in dem Glauben bestärkt haben, die Aussage „Multikulti ist Völkermord“ sei rechtlich unbedenklich, und der halbherzige Versuch einer erneuten Beschlagnahme in Bochum „reine Schikane“.
Nach dieser „Klärung“ folgten einige Fragen an Sven Skoda und Alexander H., die in auffälliger Einheitlichkeit vor Gericht bezeugten, dass der Anlass der Transparentaktion nur zufällig mit der Rede von Wulff zusammenfiel und es keine vorhergehenden, dezidierten Absprachen mit irgendwelchen Rednern oder OrganisatorInnen über den Einsatz des Transparents gegeben habe. Somit brachte der heutige Verhandlungstag keine für Wulff belastenden Erkenntnisse auf Seiten des Gerichts und der Staatsanwaltschaft – im Gegenteil: das Gericht führte seinen toleranten und empathischen Umgang mit Nazi-Zeugen fort, indem er eine juristische Moralpredigt selbst dann nicht für angebracht hielt, als Skoda einräumte, dass ihm die potentielle Strafbarkeit des Transparents nicht interessiere. Wir können uns fast sicher sein: das Transparent wird bestimmt nicht zwischen „Jud Süß“ und Opas alten SS-Abzeichen im Regal verstauben.
Beim nächsten Prozesstag am 29.9. (Mittwoch) will sich das Gericht ein Bild von den Gegendemonstrationen machen und PolizeizeugInnen dazu anhören. Desweiteren will sich das Gericht einen Eindruck von Wulffs persönlichem Werdegang verschaffen und zückte schonmal das letzte Urteil aus Passau aus dem Aktenstapel. Notfalls, so der Richter mit imaginär erhobenen Zeigefinger, würde er auch ZeugInnen aus Wulffs persönlichem Umfeld vorladen oder sogar Hausdurchsuchungen veranlassen, wenn Wulff bei seiner am 1. Prozesstag erklärten angekündigten Aussagetotalverweigerung bleibe. Daraufhin versprachen Wulff und sein Anwalt, ganz artig, bis zum nächsten Verhandlungstag eine weitere „Erklärung“ vorzubereiten.
Informationen zu den Zeugen:
Sven Lobeck (Jahrgang 1976, wohnhaft in Mülheim-Kerlich bei Koblenz, Beruf: Bürokaufmann, ehem. Zeitsoldat):
führender Kopf in der Kameradschaftsszene im Raum Ahrweiler („Aktionsbüro Mittelrhein“)
Vorsitzender der NPD Koblenz
Kandidat der NPD-Landesliste bei der Bundestagswahl 2006
NPD-Direktkandidat in Koblenz bei der Bundestagswahl 2009
mehr zu Lobeck in der Lotta #38
Alexander H. (25 Jahre alt, Student, wohnhaft in Bad Neuenahr-Ahrweiler) ist aktiv in der Kameradschaft „Aktionsbüro Mittelrhein“ und nahm z.B. zusammen mit Kamerad Lobecke am Rudolf-Hess-„Gedenken“ 2004 teil.
Sven Skoda (32 Jahre alt, Software-Entwickler, wohnhaft in Düsseldorf)
Ein Portrait zum NRW-Nazikader findet sich in der Lotta #32 (Herbst 2008)
Zu Sven Skoda mal das Video hier sehen
Zu Sven Skoda mal das Video hier sehen:
http://yelloman1.blogspot.com/2007/10/neonazis-werken-grensoverschrijden...
Danke, Herr und Video
danke für den informativen Bericht!
Gibts einen Grund, wieso der Name Alexander Herr (mit einer Ausnahme) im Gegensatz zu den anderen Namen nur abgekürzt auftaucht, also als "Alexander H."?
Das Video mit Skoda ist übrigens nicht mehr unter dem angegebenen Link zu finden. Gibts das noch woanders zu sehen?
Link klappt...
... doch. Einfach noch mal versuchen.