Dieser Artikel ist eine Übersetzung aus "Fire To The Prisons" Nr. 9 und soll ein Beitrag zur Strategiediskussion sein.
Es ist eine verbreitete anarchistische Praxis, die rebellische Aktivität anderer durch die politische Brille des Anarchismus zu sehen, ohne überhaupt die wirkliche Motivation der Teilnehmer zu kennen (oder zu verstehen). Aufgrund des außergewöhnlichen Charakters der folgenden Ereignisse wäre es unangebracht, zu viele Mutmaßungen darüber anzustellen, was den Leuten durch den Kopf ging. Dieser Artikel versucht also nicht eine anarchistische Motivation auf die Aktionen der Teenager in Philadelphia zu projizieren, eher chronologisiert er das Verhalten und untersucht die Taktiken, die zum Einsatz kamen.
Im Juni 2009, marodierte eine Gruppe von etwa 100 Jugendlichen durch die South Street in Philadelphia, zerstörten Eigentum, klauten ein Taxi und plünderten ein Lebensmittelgeschäft. Unmittelbar danach brach bei den besser gestellten Bewohnern des Viertels Empörung aus und Fernsehberichte verbreiteten die Klagen wütender Yuppies.
In den folgenden Monaten kam es rund um die South Street zu ähnlichen Zwischenfällen und jeder Flashmob wurde größer als der davor. Die Polizei vermutete, dass Jugendliche über Twitter kommunizieren und Treffpunkte ausmachen, mit der Absichte hippe Viertel zu überfallen.
Im März kam es zur größten Aktion dieser Art, mit Hunderten von Jugendlichen, die sich in Downtown Philadelphia versammelten, durch die Straßen marschierten und „Burn the City!“ riefen, während sie mehrere Geschäfte in der South Street zerstörten.
Das Phänomen des Flashmob-Aufruhrs ist nicht auf Philadelphia beschränkt. Diese Praxis hat sich in letzten paar Monaten die gesamte Ostküste entlang ausgebreitet. Zu ähnlichen Veranstaltungen kam es auch in New Jersey, Boston und New York City, dessen Bürgermeister die Zwischenfälle als „wilding“ bezeichnete.
Die Kids in Philly kommunizierten keine politische Forderung, auf eine Art die die meisten Radikalen verstehen würden, weil unsere statische Sprache nicht fähig ist, dieses neu aufkeimende subversive Verhalten zu beschreiben. Ohne eine konkrete politische Motivation auszudrücken, haben die Flashmobs in Philadelphia, durch ihre innovativen Techniken, neue Formen taktischer Organisation und Kommunikation demonstriert. Diejenigen unter uns die in radikalen Kreisen verkehren, können eine ganze Menge von diesen subversiven Kommunikationsformen lernen.
Es ist Interessant, wie eine Taktik, die entwickelt wurde um „avant-garde street performances“ und „hipster dance partys“ zu erleichtern, so erfolgreich umgekehrt werden konnte, dass sie den Wohlhabenden tatsächlich Angst einjagen konnte. Die Vortsellung, dass sich ein neuer Trend ausbreitet, der auf nichts anderem beruht, als dem Verlangen sich öffentlich zu versammeln und Eigentum zu zerstören, ist für die Macht mit Sicherheit furchteinflößend. Die Flashmobs sprechen nicht die Sprache der Macht und deshalb weiß der Staat keine andere Möglichkeit sie zu stoppen, als durch direkte Repression. Die Stadt Philadelphia hat bekannt gegeben, dass die stadtweite Ausgangsperre strenger kontrolliert werde und Politiker diskutieren Pläne, die Bewegungsfreiheit junger Menschen einzuschränken, indem sie die Zeiten ändern, in denen Studenten ihre Bus Tickets benutzen dürfen.
Die Vorteile von Flashmobs als Guerilla-Taktik in der Konfrontation mit dem Kapital sind zahlreich. Anders als öffentlich organisierte Veranstaltungen oder Vollversammlung, bieten sie wenig Raum für Infiltration oder Bespitzelung. Wenn anonyme pre-paid Handys benutzt werden ist es für die Bullen extrem schwer, Leute über die SMS, die sie versendet haben zu identifizieren. Mit diesen „burner phones“ können Treffpunkte vereinbart werden, um Geschäfte zu plündern, Rechtsradikale anzugreifen, der angreifenden Polizei auszuweichen, Straßenpartys zu organisieren oder Gebäude zu besetzen.
Am deutlichsten war das subversive Potenzial von SMS und Twitter in den Banlieu-Aufständen im Herbst 2005 und 2007 zu sehen. Damals hatten Leute, in Wut über den Tod junger Menschen durch die Polizei, Telephonzellen und SMS benutzt um sich wieder zu versammeln und Autos anzuzünden, nachdem die ürsprüngliche Demonstration aufgelöst wurde.
Soziologen und Liberale ziehen die gleichen, alten Erklärungen heran, die sie seit 50 Jahren verwenden: Die Nachmittagsprogramme an der Schule werden gekürzt, die Bibliotheken schließen. Das mag vielleicht eine Teilerklärung sein, aber es ist offensichtlich, dass hier mehr dahinter steckt. Es ist gut möglich, dass die wirkliche Motivation etwas ist, dass nicht mehr durch höhere Sozialausgaben gestoppt werden kann. Und dass die Flashmobs mehr Spannung bieten, als irgendein staatliches Programm.
Es ist interessant, dass in letzter Zeit die effektivsten Aktion zur Störung des Normalbetriebs in Philadelphia nicht von erfahrenen Anarchisten kamen, sondern von gelangweilten High-School Studenten. Es wird Zeit, dass die radikale Szene anfängt von den Kids zu lernen und neue Taktiken übernimmt.
Video zu einer der Aktonen:
Smashmob
Diese Erscheinung wird gemeinhin auch Smashmob genannt und ist keineswegs nur in den USA zu beobachten. Ähnliche Entwicklungen gibt es auch in westeuropäischen Städten. Der Smashmob scheint einen Zeitgeist zu treffen, dank subversiver Kommunikation ist es möglich, sich kurzfristig zu treffen, ohne dass die Polizei davon erfährt. Durch forderungsfreie und schnelle Ausführung kann dem Repressionshammer ausgewichen werden. Der Smashmob als subversiver urbaner Akt scheint durchaus Zukunft zu haben.