Update zu den Ereignissen in Toronto am 26.5.

20100626 bleeding protestor detained by toronto riot police.jpg

Der nächste Versuch, seriöse Informationen zu den Ereignissen im Schatten des laufenden Gipfeltreffens in Kanada zusammenzustellen kommt bestimmt - wenn nicht hier, dann sonstwo im web. Bis dahin einige wenige, notgedrungen unvollständige Updates aus dem Wust der vielen Fakten, die, wie auch immer, hoffentlich noch angemessene Verbreitung finden werden. Die Ereignisse des vergangenen Tages geben endgültigen Anlass zur Feststellung, dass ein weiteres Mal aller Register gezogen wurden, um Protest zu verdunkeln, zu kriminalisieren und zu spalten. Eine ausgeklügelte Repressionsmaschinerie, die wie nie zuvor auch auf Medienleute ausgerichtet gewesen zu sein scheint half, extremen psychischen Druck zu erzeugen, dem die Menschen, die gestern in Toronto protestierten jedoch standhielten. Viele mussten dafür offenbar die Zufügung heftiger seelischer und körperlicher Traumata in Kauf nehmen.

 

Verhaftungen:

 

Aktuell ist von mindestens 400 Verhaftungen bzw. Ingewahrsamnahmen auszugehen. Laut G20 report Meldung sind allerdings mindestens 480 Menschen betroffen. Eine ganze Reihe von ihnen soll wohl direkt vor Gericht gestellt werden, viele andere werden erst mit Anzeigen am Hals wieder frei gelassen. Es liegen zudem einige Berichte über heftige Gewaltanwendung bei den Festnahmen vor. Vielfach wurde ausgedehnter Amtsmissbrauch angeprangert.

 

Die Bedingungen in der eigens eingerichteten Gefangenenanstalt sind Berichten zufolge aüßerst bedenklich. Unter den Verhafteten war beispielsweise ein am Freitag verhafteter Gehörloser. Ihm wurde während des bis Samstag Nachmittag andauernden Gewahrsams kein Gebärdensprachdolmetscher gestellt.

 

Deaf man arrested in G20 protest gets bail

 

http://www.theglobeandmail.com/news/world/g8-g20/toronto/deaf-man-arrest...

 

 

Mehrere Journalisten und mindestens drei "legal observer" wurden gesten ebenalls verhaftet. Die anlässlich des Gipfeltreffens eingerichtete, wortwörtlich orwell'sch anmutende "Gefangenensammelstelle" ist in einem riesigen Filmstudiogebäude untergebracht. Jeder einzelne Raum ist videoüberwacht. Vor dem "detention centre" fanden Solidaritätsaktionen statt, bei denen weitere 30 Personen verhaftet wurden.

 

Eine Bilanz von 300 Verhafungen bzw. Ingewahrsamnahmen brachte u.a. die Vancouver Sun schon in den morgenstunden:

 

http://www.vancouversun.com/news/More+than+protesters+charged+early+Sunday+morning+with+continued+arrests+police/3206512/story.html

 

Am frühen Nachmittag hieß es vermehrt, über 400 seien betroffen.

 

http://cryptome.org/info/g8-police/g8-police2.htm

 

Nun berichtet ctv von mindestens 600 Personen:

 

http://www.ctv.ca/servlet/ArticleNews/story/CTVNews/20100627/g20-protest...

 

 

 

Hausdurchsuchungen:

 

Mindestens zwei Hausdurchsuchungen, die wohl eher als Hausstürmungen bezeichnet werden sollten, wurden in den frühen Morgenstunden vom samstag durchgeführt, bei denen vier Personen verhaftet worden sein sollen.

 

 

Näheres im Toronto Media coop Infoblatt zum 27.6.:

 

http://toronto.mediacoop.ca/sites/mediacoop.ca/files2/mc/thespoke10_fina...

 

 

Pre-dawn raids in Toronto homes result in four arrests

 

http://www.theglobeandmail.com/news/national/toronto/anti-olympics-activ...

 

 

More Repression in Toronto: House Raids, Warrants and Arrests

 

http://mostlywater.org/house_raids_warrants_and_arrests

 

 

Family hit by G20 raid say police overreached

 

http://www.cbc.ca/canada/toronto/story/2010/06/26/police-booth-raid426.html

 

 

Insgesamt wurden in der Nacht zum Samstag jedoch bis zu 23 Personen verhaftet:

 

Police conduct midnight raids on activists, up to 23 arrested

 

http://www.theglobeandmail.com/news/world/g8-g20/toronto/deaf-man-arrest...

 

 

 

Behinderung von Medienleuten bei der Arbeit:

 

Mehrfach wurden Medienleute unter Zwangsgeleit vom Schauplatz der Ereignisse entfernt. In anderen Fällen wurden sie daran gehindert, zu gehen. Mindestens zwei Fotografen der National Post, ein Korrespondent des Guardian und vier Medienaktivisten vom Alternative Media center wurden verhaftet.

 

Media covering G20 caught up in arrests

 

http://www.timescolonist.com/entertainment/Media+covering+caught+arrests...

 

 

Two Post photographers arrested at G20 protest

 

http://news.nationalpost.com/2010/06/26/two-post-photographers-arrested-...

 

 

Guardian journalist Jesse Rosenfeld beaten and arrested by Toronto police at G20

 

http://rabble.ca/blogs/bloggers/rabble-staff/2010/06/guardian-journalist...

 

 

Canadian journalist arrested, possibly beaten

 

http://www.theglobeandmail.com/news/world/g8-g20/blog-local-view/canadia...

 

 

Bei der gewaltsamen Verhaftung von Jesse Rosenfeld war der TV Ontario Journalist Steve Paikin zugegen. Folgendes berichtete er über twitter nach dem Vorfall:

 

 

i saw police brutality tonight. it was unnecessary. they asked me to leave the site or they would arrest me. i told them i was dong my job.

 

https://twitter.com/spaikin/status/17137758681

 

 

they repeated they would arrest me if i didn't leave. as i was escorted away from the demonstration, i saw two officers hold a journalist.

 

https://twitter.com/spaikin/status/17137794505

 

 

the journalist identified himself as working for "the guardian." he talked too much and pissed the police off. two officers held him....

 

https://twitter.com/spaikin/status/17137826780

 

 

a third punched him in the stomach. totally unnecessary. the man collapsed. then the third officer drove his elbow into the man's back.

 

https://twitter.com/spaikin/status/17137863106

 

 

no cameras recorded the assault. and it was an assault.

 

https://twitter.com/spaikin/status/17137903927

 

 

the officer who escorted me away from the demo said, "yeah, that shouldn't have happened." he is correct. there was no cause for it.

 

https://twitter.com/spaikin/status/17137918390

 

 

 

 

Machtmissbrauch auf Hochtouren

 

 

Nicht nur Steve Paikin spricht von einer "Überreaktion" am Abend. Die große Gewaltorgie seitens der Vollstrecker wurde nicht während den Riots vollzogen, sondern später - in Form von einer umfassenden Aufhebung der Demonstrationsfreiheit. Unter anderem vertrieb die Polizei die Protestierenden aus dem explizit als genehmigten Versammlungsort geltenden Victoria Park auf die Straßen. Zum Vorgehen der Polizei twitterte Pakin:

 

 

i can appreciate that the police were on edge today, after seeing four or five of their cruisers burned. but why such overreaction tonight?

 

https://twitter.com/spaikin/status/17137965187

 

 

the demonstration on the esplanade was peaceful. it was like an old sit in. no one was aggressive. and yet riot squad officers moved in.

 

https://twitter.com/spaikin/status/17138017712

 

 

police on one side screamed at the crowd to leave one way. then police on the other side said leave the other way. there was no way out.

 

https://twitter.com/spaikin/status/17138079267

 

 

Der Journalist begibt sich daraufhin (siehe twit unter https://twitter.com/spaikin/status/17138434920 ) auf dem dünnen Eis der berühmten Differenzierung zwischen friedlichen Demonstranten und solchen, die an friedliche Mittel nicht glauben. Jenseits dessen bestätigt sein Zeugnis jedoch eine Polizeitaktik, die besonders beim G8 2001 in Genua folgenschwere Anwendung fand und nicht a Priori von der Hand gewisen werden sollte, weil diese Taktik neben der massiven Einschüchterung von "friedlicheren" Gegnern der Verhältnisse genau auf die Spaltungsdynamiken, die eine solche "Unterscheidung" nach sich ziehen kann abzielt. Deshalb wird das volle Zeugnis hier wiedergegeben:

 

 

so the police just started arresting people. i stress, this was a peaceful, middle class, diverse crowd. no anarchists

 

https://twitter.com/spaikin/status/17138137755

 

 

literally more than 100 officers with guns pointing at the crowd. rubber bullets and smoke bombs ready to be fired. rubber bullets fired

 

https://twitter.com/spaikin/status/17138232645

 

 

i was "escorted" away by police so couldn't see how many arrested, but it must have been dozens.

 

https://twitter.com/spaikin/status/17138288756

 

 

so the police just started arresting people. i stress, this was a peaceful, middle class, diverse crowd. no anarchists

 

https://twitter.com/spaikin

 

 

...just wanted to remind the authorities that the freedom to speak and assemble shouldn't disappear because world leaders come to town.

 

https://twitter.com/spaikin/status/17138488640

 

 

Interessanterweise stellt der Journalist eine Frage, die gerade in Zusammenhang mit dem G8 in Genua bis heute lautstark gestellt wird:

 

Who specifically gave the order to clear the street? was that decision made on site or by a higher authority?

 

https://twitter.com/spaikin/status/17140740874

 

Jüngste Gerichtsurteile in Genua gegen die Polizei haben in Zusammenhang mit einigen schweren Vorfällen klar bestätigt, dass höchste Polizeiränge mitschuldig waren - die selben, die an den Besprechungen Teil genommen hatten, die eine Entscheidung über die Durchführung der fraglichen "Maßnahmen" getroffen hatten.

 

 

Das in Europa mit Sicherheit in Genua mit den dramatischsten Folgen praktizierte Modell ist auch andernorts einschlägig bekannt, so Catherine Porter vom Star.

 

http://www.thestar.com/news/gta/torontog20summit/article/828876--porter-...

 

 

Die Verfolgung der Protestteilnehmer dokumentiert rabble.ca mit einer Zusammenstellung von 503 tweets:

 

 

The People First March and the Toronto riot in 503 Tweets

 

http://rabble.ca/blogs/bloggers/rabble-staff/2010/06/people-first-march-...

 

 

Stattdessen dominierten die riots vom Nachmittag die Medieberichterstattung - unabhängigere Berichterstatter weisen jedoch unmissverstndlich darauf hin, dass der Polizeistaat das weit ernstere Problem ist:

 

 

Widespread police misbehaviour, illegal activity at G20

 

http://backofthebook.ca/2010/06/27/widespread-police-misbehaviour-illega...

 

 

Let's get some perspective

 

[...] People can debate all we want about tactics and property damage, etc… but this police state and what it represents is a much more serious issue [...]

 

http://www.g20breakdown.com/2010/06/1373/

 

 

Ontarios Ministerpräsident Dalton McGuinty verweigerte am Samstag jede Stellungnahme zu den höchst umstrittenen polizeilichen Sonderbefugnisse, die in diesen Tagen die Verdunkelung und die faktische Mundtotmachung der Proteste

 

Ontario premier refuses to discuss new police powers

 

http://toronto.ctv.ca/servlet/an/local/CTVNews/20100626/mcguinty-police-...

 

 

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twitter-meldungen 27.6.2010, 19 Uhr 10  

 

jesse rosenfeld, the guardian reporter who was assaulted by a police officer last night, is still missing. have spoken with his father.

 

 

https://twitter.com/spaikin/status/17180350215

 

rosenfeld's father says he went to the eastern av. holding tank last night but they had no info as to his son's whereabouts.

 

https://twitter.com/spaikin/status/17180374821

 

Firsthand report of arrests, tear gas, beatings of peaceful demonstrators at detention centre


Interview with independent journalist Stefan Christoff

 

http://toronto.mediacoop.ca/audio/firsthand-report-arrests-tear-gas-beatings-peaceful-demonstrators-detention-centre/3874

Appeal for broad political support for the G20 arrestees

 

June 27, 2010, 3:00pm

 

The MDC’s Summit Legal Support Project is appealing to the movements it supports to mobilize a show of political strength and solidarity for the nearly 500 people arrested in the last four days. The Toronto Police and the ISU appear to have lost control of their ‘prisoner processing center’, denying arrestees meaningful and timely access to counsel while beating and arresting those peacefully protesting their detention outside.

 

Despite assurances to the contrary, only a handful of people have been released, including those held for many hours without charge. Arrestees are given incorrect information about the bail process they will be subjected to, and friends and family members gather hours early at the courthouse, located far from the city center and inaccessible via transit. Our lawyers call in and are told that there is no one available to make decisions or wait for hours at the detention centre, only to be denied access to their clients. Almost 500 people are in custody and we know from experience that the vast majority of those charges will disappear and yet the cell doors remain shut.

 

We need to step it up and build a political response. We need many more voices – especially prominent ones – to say that the abuse and incompetence at 629 Eastern Avenue must stop. We must demand that all levels of government take control of the police forces under their command. We need to ensure that courts and crown attorneys act to enforce constitutional rights rather than collude in their violation.

Free the Toronto 500!

 

The Movement Defence Committee

 

 

http://movementdefence.org/G20appeal

Jail solidarity action attacked by Toronto police

http://ht.ly/23Swx

 

Jesse Rosenfeld wurde gefunden. Sein Anwalt schätzt aber, dass er nicht vor 11 Uhr örtliche Zeit frei kommen wird.