Köln: "Linker Dialog"? (Zum Thema "Israel/Gaza/Palästina")

Am 21. Juni fand in der Alten Feuerwache ein Diskussionsabend des „Linken Dialogs Köln“ in Zusammenarbeit mit dem Bildungsverein Salz e.V. zum Thema „Israel – Palästina: Ein endloser Konflikt?“ statt. Schon im Ankündigungstext zur Veranstaltung wurden die Feindmarkierungen gesetzt, die den Abend bestimmen sollten. So heißt es: „Der Staat Israel läßt dieser Tage nichts unversucht, um die Menschen im Gazastreifen zu demoralisieren, auszuhungern und überhaupt den inzwischen Jahrzehnte alten Widerstand der Palästinenser gegen deren Fremdbestimmung zu brechen.“

 

Nachdem die Nahost-Front somit geklärt, die Hamas-Putschisten im „Widerstand der Palästinenser“ zu Verbündeten des verloren gegangen „Weltproletariats“ gehuldigt wurden, geht es gleich weiter an die Heimatfront in der Linkspartei: „Ihm [gemeint Gregor Gysi] kommen dabei seit einiger Zeit die sogenannten "Antideutschen" zu Hilfe, die vielerorts militante Aktivitäten gegen Unterstützer des palästinensischen Widerstands unternehmen. Diese mit allen Merkmalen politischen Sektierertums operierenden Individuen sind z.B. auch in der Kölner PDL bzw. deren Vorstand vertreten.“ In Anbetracht dessen, dass die Linkspartei Köln permanent „Soli“-Erklärungen an die „Palästinenser“ abgibt und zuletzt vor noch paar Wochen auf der Domplatte zusammen mit Hamas-Fahnen Trägern den „Tod Israel“ wünschte, scheinen die deklassierten Trotzkisten ihren Ausschluss von den Futtertrögen der Partei wohl mit Wahnvorstellungen auf irgendwelche „Antideutschen“ im Vorstand zu bewältigen.

 

Antizionismus mal ganz ohne „Ideologiekritik“


Gekommen waren rund 70 ältere Damen und Herren aus dem Sumpf der kölschen des Antizionismus. Die Referate wurden von Ex-Bundesvorstandmitglied der Linkspartei Thies Gleiss mit den Worten eröffnet, dass die „heutige Veranstaltung ohne Ideologiekritik“ daher käme, da diese „doch sowieso nur zum üblichen Schubladendenken führe“. Als erster Referent sprach Harri Grünberg. Statt einer materialistischen Konfliktanalyse bot er einen relativ flachen historischen Abriss zur Geschichte der Auseinandersetzung der sozialistischen Arbeiterbewegung mit dem „Zionismus“. Da der Vortrag auf seine Kernthese „eines irrationalistischen Post-Zionismus“ hinauslaufen sollte, bog sich der Referent so manches wie es ihm passte. So hätte der Zionismus in Deutschland den Antisemitismus Heinrich von Treitschke einfach positiv umgekehrt, um zum „Mythos der Nicht-Assimilation der Juden“ zu gelangen. Die damals sehr umstrittene Frage der Besiedelung sei aufgrund des „Zeitalters des Kolonialismus“ nicht problematisiert worden. Zu guter Letzt habe dann „Der Holocaust vieles umgeworfen und dramatischer gemacht“. Was wohl eher als Zynismus, denn als Euphemismus gelten kann.

Nach diesen mehr als fragwürdigen Darstellungen ging es prompt zur jetzigen Situation. Da „das Kapital in Tel Aviv sich konzentriert und es nur Politik macht für seine Sektoren“ habe die Region keine Entwicklungschancen. Israel sei gewiss kein „Wurmfortsatz des Imperialismus“ mehr, sondern seine Politik hätte eine „innere Dynamik“. Diese sei dadurch gekennzeichnet, dass ein „Post-Zionismus“ in Israel herrsche, der keinerlei rationellen Moment mehr aufweise. Im Klartext heißt dies, der Staat Israel und seine Gesellschaft sind per Definitionen nicht zu Frieden und friedlicher Koexistenz fähig und das Handel des Staates ergäbe sich nur noch aus „religiösen Eiferertum“. Dementsprechend sah der Referent als Lösung nur noch den „Druck von Außen“.

Der zweite Referent, Hermann Dierkes, verwarf ausdrücklich die in den Ohren der Zuschauer sowieso überflüssigen historischen Differenzierung bzgl. der Geschichte des Zionismus, und kam schnell zum Punkt: „Zionismus hat als Grundposition, jede Landnahme sei nur eine vorläufige (und als solche nicht ausreichend, war gemeint!)  und jeder Landgewinn geht einher mit der Dezimierung der dort ansässigen Bevölkerung“. Demnach könne sich die Geschichte eigentlich schon im Buch von Herzel „Der Judenstaat“ nachlesen lassen. Israel habe sich halt als „Gewohnheitstäter“ in der Geschichte erwiesen, wie es seit Herzel doch eigentlich schon feststand. Als nach diesem Ausführungen Unmut bei einem kleinen Teil des Publikums aufkam und darauf hingewiesen wurde, dass Dierkes Ausführungen zum Zionismus doch denen Adolf Hitlers in der berühmten Hofbräuhaus Rede von 13. August 1920 ähnelten, entstand kurzfristig eine aggressive Stimmung, die später jemand als „Reichsparteitag“ klassifizierte. „Rauschmeißen! Die machen die Veranstaltung kaputt! Haut ab!“ usw. Nachdem sich der kurzfristige Aufruhr gelegt hatte, konnte der Liebling von Altermedia weiter machen und mal wieder zum „Boykott von Waren aus Israel“ aufrufen.

Die Veranstaltung , die als eine des „Dialog“ angekündigt wurde indem der Gegensatz  „Israel – Palästina eine unendliche Geschichte“ debattiert werden sollte, geriet  also zum  Tribunal gegen den Zionismus in allen seinen historischen Varianten und natürlich gegen die Politik aller israelischen Regierungen. Das vom Referenten Dierkes Formulierungen gebraucht wurden wie: „die Zionisten tragen den Holocaust vor sich her“ oder „die Zionisten haben sogar (!) mit den Nazis verhandelt“ passt in die andernorts getätigte Beschreibung des Referenten als einen „notorischen Israel-Hasser“, der nicht ohne Grund von Nazis gelobt wird. Was beide, Dierkes und das Publikum, teilten, war der Wunsch, Israel als Gegensatz zu anderen Staaten als „irrationalistisches Gebilde“ darzustellen. Denn so kann in bester deutscher Ideologie im Sinne was nicht Wahr (Volk, Scholle & Nation) ist, darf auch nicht sein, die Vernichtung Israels als dem Juden und den Staaten das Wort geredet werden.

Nun nach soviel diskursiver Offenheit zogen es einige vor, den letzten Worten der „ehrbaren Antisemiten“ vom „Rassismus als der Grundlage des Zionismus“ (wieder Dierkes Aussage) nicht länger zu horchen. In der Straßenbahn gab es dann noch ein kleinen Highlight als sich die Genossen, die gesammelten pikanten Ausführungen der Referenten nochmals vorlasen um sich zu vergewissern, dass dies leider kein Schlechter Tagtraum war, fragte ein beherzter kölscher Fahrgast, ob man gerade von einer „pro Köln“ Veranstaltung käme.

Herzlichen Glückwunsch an die Veranstalter des Linken Dialog Köln

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Die Antideutschen

und deren Rezeption.

 

Ein Blick auf die Debatte der Linken über Israel.

von Patrick Hagen

Magisterarbeit an der Universität Köln 2004

1. Einleitung
2.
Entstehung der Antideutschen
2.1.   Vorgänger und Vordenker
2.1.1.      Der ehrbare Antisemitismus – Jean Améry
2.1.2.      Im Hause des Henkers – Eike Geisel
2.1.3.      Enttäuscht von der deutschen Linken – Moishe Postone
2.1.4.      Eigentlicher Vordenker – Wolfgang Pohrt
2.1.5.      Das linke Trüffelschwein – der Kommunistische Bund
2.2.   Die Linke und der Zusammenbruch des Sozialismus
2.3.   Radikale Linke und KB-Minderheit – Folgen der Wiedervereinigung
2.4.   By no means unified! – Kampagne gegen die Wiedervereinigung
2.5.   Wahlboykott und Niedergang der Radikalen Linken
3.
Verschärfung und Klärung der Positionen
3.1.   Die antinationale Linke und der Golfkrieg
3.2.   1995 – von der Kampagne zum Rückzug von der Politik
3.3.   „No Germans, no Holocaust – die Debatte um Daniel Jonah Goldhagen
3.3.1.      Antinationale vs. Traditionlinke
3.3.2.      Auseinandersetzung innerhalb der antinationalen Linken
3.4.   Der Kosovo-Krieg: antinational vs. antideutsch
4.
Exkurs: Wertkritik
4.1.   Grundlagen der Wertkritik
4.2.   Wertkritische Antisemitismustheorie
5.
Von der Al-Aksa-Intifada zum 11. September: “Es geht um Israel!“
5.1. Die Al-Aksa-Intifada
5.2. Der 11. September – ein Antisemitischer Anschlag?
5.3. Krieg gegen Afghanistan – Islamismus als der neue  Faschismus
5.4. Krieg gegen den Irak – mit den USA zum Kommunismus
6.
Fazit und Ausblick
6.1. Fazit
6.2. Ausblick
7.
Literaturverzeichnis

1. Einleitung:

In der deutschen Linken ist derzeit ein besonderes Phänomen zu beobachten: Gruppen, die sich als kommunistisch bezeichnen, aber den Antikapitalismus bekämpfen wollen, die von den USA „bis auf weiteres“ die Bombardierung „islamische[r] Zentren“ for­dern oder mit Israel- und USA-Fahnen gegen andere Linke demonstrieren. In fast allen deutschen Großstädten gibt es mittlerweile Vertreter und Gruppen dieser linken Strömung, die sich selbst „Antideutsche“ nennen. „Bedingungslose Solidarität“ mit Israel ist ihr Kernanliegen; um den Schutz Israels sicherzustellen, sammeln sie Geld für die israelische Armee.

Der Blick auf Israel erfolgte in Deutschland immer schon durch den Filter der nationalsozialistischen Vergangenheit. Das Verhältnis der deutschen Linken zu Israel war dabei starken Schwankungen unterworfen. Nach der Gründung des „Judenstaates“ herrschte zunächst ein positives bis idealisierendes Israelbild vor. Dies änderte sich erst mit dem Aufkommen der studentischen Protestbewegung in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre, die auch gegen die Täter und Mitläufer aus der Elterngeneration rebellierte. Im Zuge des Protests gegen den Vietnam-Krieg wandten sie sich den nationalen Befreiungsbewegungen der Dritten Welt zu und spätestens nach dem Sechstagekrieg 1967 von Israel ab. In der Folge bildeten sich in der radikalen außerparlamentarischen linken Strömung, die allgemein als Neue Linke bezeichnet wird, ein antizionistischer Konsens heraus. So wurde in den Siebziger- und Achtzigerjahren die Palästinasolidarität zu einem festen Bestandteil linker Aktivitäten. Diese gipfelte auch in Israelfeindlichen Ausfällen. So erschien die Zeitung „Arbeiterkampf“ 1982 während des israelischen Libanon-Feldzugs mit der Schlagzeile „Endlösung der Palästinenserfrage“; Flugblätter forderten: „Zionisten raus aus Palästina“. Dies führte zu einer kurzen Debatte um Antisemitismus innerhalb der radikalen Linken. Zum entscheidenden Thema für die radikale Linke ist das Verhältnis zu Israel und linkem Antisemitismus erst in den Neunzigerjahren geworden. Die Herausbildung einer antideutschen Strömung, die den antizionistischen Konsens der Linken offensiv anging und vehement für eine unbedingte Solidarität mit Israel eintrat, führte zu einer tiefen Spaltung der außerparlamentarischen Linken. Die Haltung zu Israel wurde zu einem Unterschied ums Ganze, sodass kaum noch von „einer“ Linken gesprochen werden kann.

In der vorliegenden Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie eine Strömung wie die Antideutschen, die es vergleichbar in keinem anderen Land gibt, entstanden ist. Dazu werden die entscheidenden Auseinandersetzungen auf dem Weg zu dieser Entwicklung nachgezeichnet. Ein Schwerpunkt wird dabei auf die Entstehung der Antideutschen gelegt. Die Grundlagen für ihre Entstehung bildeten sich im Zuge der Wiedervereinigung. Ein großer Teil der radikalen Linken fürchtete, dass mit einem vereinten Deutschland ein „Viertes Reich“ drohe. Gegen die Wiedervereinigung bildete sich eine breite Bewegung, die sich selbst antinational und antideutsch nannte. Im Anschluss wird die Verschärfung der Positionen in der antinationalen Linken untersucht. Der Aufbau folgt einer chronologischen Ordnung. Dabei zeigt die Arbeit in einer Geschichte von Spaltungen, die zentral für die Entwicklung der Antideutschen waren, auf, wie traditionelle Essentials der Linken, wie der positive Bezug auf die Arbeiterbewegung, zurückgelassen werden, und sich nach dem Anschlag vom 11. September und der Eskalation der Nahost-Konflikts eine fundamental proisraelische und proamerikanische Position herausbildete. Die Antideutschen erklärten, der Anschlag auf das World Trade Center sei antisemitisch motiviert gewesen und Ausdruck eines islamischen Faschismus. Mit dem Krieg gegen den Irak erreichte die Spaltung der Linken ihren Höhepunkt. Die Antideutschen feierten den Krieg als den „erste[n] antifaschistische[n] Waffengang im neuen Jahrhundert“.

Ein Exkurs widmet sich der Wertkritik, da ihr der dominante Teil der Antideutschen anhängt. In der Wertkritik liegen die theoretischen Grundlagen für den Bruch, den die Antideutschen mit den meisten linken Grundüberzeugungen vollzogen haben. In einem Ausblick werden die Möglichkeiten einer weiteren Entwicklung der Antideutschen diskutiert.

Zwar gibt es inzwischen einige Veröffentlichungen, die sich mit einem Antisemitismus von links befassen, aber es existiert noch keine wissenschaftliche Untersuchung, die sich mit den Antideutschen befasst. So musste für diese Arbeit auf die Originalquellen zurückgegriffen werden, die in diesem Fall aus den Beiträgen der widerstreitenden Protagonisten der Debatten bestehen. Im Mittelpunkt stehen Texte aus den Publikationen, in denen die Antideutschen hauptsächlich veröffentlichen: „Jungle World“, „Bahamas“ und „Konkret“. Für die Entstehungsgeschichte der Antideutschen war neben „Konkret“ der „Arbeiterkampf“, die Zeitung des Kommunistischen Bundes, die zentrale Quelle. Die ausgewerteten Texte sind als Debatten-Beiträge immer in der Auseinandersetzung verfangen und mussten daher auch dementsprechend gewichtet werden.

2. Entstehung der Antideutschen

2.1. Vorgänger und Vordenker

Die antideutsche Linke konnte sich in den Neunzigerjahren mit ihrer Kritik an der deutschen Linken auf einige Denker beziehen, die bereits in den Siebzigerjahren und Achtzigerjahren Antisemitismus, Antizionismus und Geschichtsvergessenheit der Linken kritisiert hatten. Dies waren vor allem der Holocaust-Überlebende Jean Améry, der schon früh den entstehenden Antizionismus als versteckten Antisemitismus geißelte, die intellektuellen Außenseiter Eike Geisel, Wolfgang Pohrt und Moishe Postone, dessen Aufsatz zu Antisemitismus und Nationalsozialismus zu den theoretischen Schlüsseltexten vor allem der wertkritischen Strömung der Antideutschen geworden ist. Gemeinsam ist ihnen, dass sie dem Anspruch der Neuen Linken, aus einem Bruch mit der Tätergeneration hervorgegangen zu sein, entgegentraten. Indem die Neue Linke selbst erlittene obrigkeitsstaatliche Repression als eben­bürtig mit der des Dritten Reiches betrachtete, was unter anderem in der inflationären Brandmarkung der Verhältnisse als faschistisch deutlich wurde, machten sie die Opfer des Dritten Reiches unsichtbar. Israel betrachteten sie nicht als Zufluchtsort der Holocaust-Überlebenden, sondern als imperialistischen Vorposten.

Diese Vordenker waren nicht die Einzigen, die sich mit dem Verhältnis der Linken zu Israel kritisch befasst hatten. Auch der Journalist Henryk M. Broder sowie Micha Brumlik und Dan Diner bekämpften bereits Anfang der Achtzigerjahren den Antizionismus der deutschen Linken, nahmen jedoch frustriert durch ihre Wirkungslosigkeit ihren Abschied von der Linken. Pohrt, Geisel, Améry und Postone sind jedoch trotz aller Kritik einer radikal gesellschaftsverändernden linken Perspektive verbunden geblieben. Oder wie Geisel es formulierte: „Das Problem ist nicht, was meine Feinde tun, wie Hannah Arendt sagt, sondern das, was meine Freunde tun. Deshalb habe ich mich kritisch mit der Friedensbewegung und mit den Alternativen auseinandergesetzt, weil die doch angeblich etwas anderes wollten als das, was Kohl und Genscher wollten.“

Der Einfluss, den die Texte von Améry, Pohrt, Postone und Geisel auf die antideutsche Linke ausübten, ist unverkennbar. Kaum ein Text dieser Strömung versäumt es, sich mit Zitaten von ihnen Autorität zu verleihen.

Als organisatorischer wie theoretischer Vorgänger der Antideutschen ist der Kommunistische Bund (KB) zu nennen. Im KB bildete sich im Zuge der Wiedervereinigung mit der so genannten KB-Minderheit eine Position heraus, die zum Entstehen der ersten antinationalen Bewegung entscheidend beitrug. Die „Minderheitler“ spielten in der Entwicklung der antinationalen und antideutschen Linken eine herausgehobene Rolle. Einige Bedingungen für das Entstehen der antinationalen Position wurden schon früh im KB gelegt. 

 

 

2.1.1. Der ehrbare Antisemitismus – Jean Améry

Jean Améry (1912–1978) war Kulturkritiker, Philosoph, Schriftsteller und ist durch seine Essays über Auschwitz und das Weiterleben danach bekannt geworden. Geboren als Hans Maier in Österreich emigrierte er 1938 nach Belgien. Dort wurde er nach dem Einmarsch der Deutschen interniert und nach Frankreich gebracht. Er konnte fliehen und kehrte nach Belgien zurück, wo er sich dem Widerstand anschloss, verhaftet, gefoltert und nach Auschwitz deportiert wurde. Nach dem Krieg zog er nach Brüssel und nahm den Namen Jean  Améry an, um seine Verbundenheit mit Frankreich zu demonstrieren. Da er seine Texte weiterhin auf Deutsch verfasste, zunächst aber nicht in der BRD publizieren und die Bundesrepublik auch nicht betreten wollte, veröffentlichte er seine journalistischen Arbeiten in der Schweiz.

Zu einer Ikone der Antideutschen ist Améry neben seiner Biografie als Nazi-Opfer und seiner Unversöhnlichkeit mit Deutschland vor allem durch seine Kritik am Antizionismus der Linken geworden. Gerhard Scheit würdigt ihn in der antideutschen Zeitschrift „Bahamas“ als Vordenker. Sein Diktum, dass der „Antisemitismus […] im Anti-Israelismus oder Anti-Zionismus wie das Gewitter in der Wolke“ enthalten sei, gehört zum ständig wiederholten Zitatenfundus antideutscher Publikationen. Der Text über den Antisemitismus, der „wiederum ehrbar“ geworden sei, drückt laut Scheit Amérys Erschütterung darüber aus, dass ausgerechnet die Linke „zu einem Faktor geworden ist, der die Existenz Israels und die Sicherheit der Juden unmittelbar gefährdet“: „Wenn aus dem geschichtlichen Verhängnis der Juden- beziehungsweise Antisemitenfrage, zu dem durchaus auch die Stiftung des nun einmal bestehenden Staates Israel gehören mag, wiederum die Idee einer jüdischen Schuld konstruiert wird, dann trägt hierfür die Verantwortung eine Linke, die sich selber vergisst.“ Améry hoffte, auf die jüngere Generation einwirken zu können und fühlte sich trotz dieser Entwicklung der Linken weiter zugehörig. 

2.1.2. Im Hause des Henkers – Eike Geisel

Eike Geisel war in den Siebzigerjahren noch ein Kritiker des Zionismus gewesen. So schrieben er und Mitherausgeber Mario Offenberg im Vorwort zu einem Buch von Nathan Weinstock über den Nahost-Konflikt: „Der Zionismus gibt vor, die angeblich ewige jüdische Frage mit der Emigration nach Palästina zu lösen. In Wirklichkeit hat er für Juden dort nichts zu bieten als das 'größte jüdische Ghetto der Geschichte'.“ In den Achtzigerjahren wurde Geisel einer der profiliertesten Kritiker des linken Antizionismus. Auch wehrte er sich gegen jede Beschönigung des jüdischen Lebens in Deutschland. Mit seinem polemischen Stil war er ein „unnachgiebiger Kritiker des deutsch-jüdischen Verbrüderungskitsches'', schrieb sein Verleger Klaus Bittermann über ihn. Wolfgang Pohrt charakterisierte den 1997 gestorbenen Eike Geisel in seinem Nachruf als jemanden, der an den Menschen hing, „in deren Leben Auschwitz nun mal die zentrale Rolle spielte“.

Als „Erfahrung der letzten Jahrzehnte“ galt für Geisel, dass „in Deutschland Erinnerung die höchste Form des Vergessens darstellt“. Mit seinen Polemiken zielte er auf die Verdrängung des Holocaust im Bewusstsein der Deutschen. Er kritisierte, dass diese anstatt die Frage zu beantworten, „warum die Deutschen wie eine Hammelherde hinter ihren Führern hergetrottet waren“, sich lieber „mit dem in eine Frage gekleideten Vorwurf [beschäftigen], warum die Juden sich damals nicht gewehrt hätten, warum sie wie Schafe zur Schlachtbank gegangen seien.“

Der Linken warf er vor, einen entscheidenden Anteil an der Geschichtsvergessenheit zu haben. „Den wirklichen Durchbruch aber schafft erst die Linke. Sie […] vervollkommnte die Mystifizierung der Geschichte, indem sie das Schicksal der Juden zum abstrakten Symbol, zum wieder verwertbaren Fetisch, zur Anstecknadel und zur Gesinnungsbrosche vernutzte.“ Die Friedensbewegung bezeichnete er als „neue Heimatbewegung“. In Anlehnung an Adorno wollte er die Linke daran erinnern, wo sie wohne: „Nämlich im Hause des Henkers.“ In Bezug auf Israel warf er der deutschen Linken vor, sie habe vergessen, „dass nicht die Glorie Herzls über Israel schwebt, sondern der traumatisierende Schatten Hitlers, und aus diesem Vergessen erhebt sich der Antisemitismus in neuer Gestalt“.

Ähnlich wie später die Antideutschen diagnostizierte Geisel bei der Linken eine Theorie-Feindschaft, die er als verkappten Antisemitismus begriff: „Was man vor Jahren noch kritisieren konnte, dass nämlich der neue Patriotismus notwendig antisemitische Züge annehmen werde, das kann man heute nur noch registrieren wie den virulenten Hass auf alles Fremde und das heftige Ressentiment gegen Theorie.“ Seine Polemiken dürfen auch als stilistisches Vorbild für viele antideutsche Autoren gelten. So bezeichnete Geisel die Deutschen als „Otto Normalvergaser“ oder spottete über den stereotypen „Beweis“, dass jemand kein Antisemit sein könne, weil er einige Juden zu seinen besten Freunden zählt: „Some of my best friends are German.“   

2.1.3. Enttäuscht von der deutschen Linken – Moishe Postone

Der US-amerikanische Historiker und Sozialwissenschaftler Moishe Postone lebte und studierte zwischen 1972 und 1983 in Frankfurt am Main, wo er an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität promovierte. Früh wurde er zu einem Kritiker der deutschen Linken und ihres Verhältnisses zum Nationalsozialismus. Bereits 1979 veröffentlichte er seinen Text „Antisemitismus und Nationalsozialismus“ in der Frankfurter Zeitschrift „Diskus“. In diesem kritisierte er die Geschichtsvergessenheit der deutschen Linken. Er warf ihr vor, sie würde sich auf die Geschichte der Arbeiterbewegung und des Widerstands gegen den Nationalsozialismus beschränken. Damit würde sie einer „historische[n] Konfrontation mit dem Dritten Reich“ aus dem Weg gehen. Postone forderte die deutsche Linke auf, sich mit dem konkreten Prozess der Vernichtung zu beschäftigen, um die „QUALITATIVE BESONDERHEIT“ des Holocaust verstehen zu können [Hervorhebung i.O.]. Da sie diese Konfrontation vermied, sei die deutsche Linke nicht fähig, die Besonderheit der deutschen Vergangenheit zu erkennen. Das zeige sich unter anderem darin, dass sie lieber den Terminus Faschismus anstatt Nationalsozialismus verwendet. Dadurch ginge die die spezifisch deutsche Komponente des Nationalsozialismus, nämlich die Vernichtung der europäischen Juden, verloren. „[S]owohl die nicht-dogmatische Linke als auch die orthodoxen Marxisten neigten dazu, den Antisemitismus als Randerscheinung des Nationalsozialismus zu behandeln. […] Das Ergebnis ist, dass die Vernichtungslager entweder als bloße Beispiele imperialistischer (oder totalitärer) Massenmorde erscheinen oder unerklärbar bleiben.“

1985 wandte Postone sich mit einem offenen Brief an die deutsche Linke, in dem er sich „[n]icht nur von Grund auf enttäuscht und erbittert, sondern emotional erschüttert“ zeigte. Der Grund für seine Erschütterung lag im Desinteresse, das die deutsche Linke am Besuch von Helmut Kohl und Ronald Reagan auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg zeigte, auf dem auch SS-Mitglieder begraben sind. Dieses Ereignis war von der deutschen Linken nahezu unbeachtet geblieben, während sie zu einer großen Anti-Reagan-Demonstration in Hamburg mobilisierte. „[W]enn Hunderttausende bereit sind, gegen den amerikanischen Imperialismus zu demonstrieren, und nur ein paar Hundert gegen die Rehabilitierung der Nazi-Vergangenheit, denke ich schon, dass der erste Anlass instrumentalisiert worden ist.“ Der Besuch in Bitburg war für Postone ein Symbol dafür, dass mit der Nachkriegszeit und den damit verbundenen Beschränkungen Deutschlands endgültig abgeschlossen werden sollte. „Dass so viele auf der Linken die ganze Angelegenheit offenkundig als eine zweitrangige Störung betrachten, als ein Stück Show-Business ohne politische Bedeutung, bringt ein Maß von Blindheit zum Ausdruck, das seinerseits nur bestätigt, wie weitgehend die fundamentale Verdrängung im Kern des nachkriegsdeutschen sozialen Bewusstseins die Gegenwart durchdrungen hat und an eine neue Generation übertragen worden ist.“

2.1.4. „Eigentlicher Vordenker“ – Wolfgang Pohrt

Der Stuttgarter Publizist und Sozialwissenschaftler, der als „Konkret“-Autor seit den Achtzigerjahren die deutsche Linke immer wieder provozieren konnte und laut Konkret-Herausgeber Gremliza ihre „linke deutsche Gemütlichkeit“ gestört hatte, inspirierte in den Neunzigerjahren mit seinen Polemiken die antinationale und antideutsche Linke; er wurde zu deren „eigentliche[n] Vordenker“, was sich auch darin zeigt, dass die Antideutschen bis heute häufig aus seinen Texten zitieren. Mitte der Siebzigerjahre hat Pohrt an der Pädagogischen Hochschule Lüneburg gemeinsam mit Eike Geisel gearbeitet.

In den Achtzigerjahren wandte sich Pohrt hauptsächlich gegen die damalige Friedensbewegung, die er eine „deutschnationale Erweckungsbewegung“ nannte, da er in ihr einen neuen gegen die USA gerichteten Nationalismus sah. „Eine Friedensbewegung, die keine Parteien und Klassen mehr, sondern nur noch Deutsche kennt, kann nur einen Teilerfolg erringen: die endgültige Niederlage der Linken.“

Pohrt vermutete, dass in Deutschland weiterhin ein virulenter Antisemitismus herrsche, da es in Deutschland aber kaum noch Juden gäbe, würde sich dieser Hass auf Israel richten. So bezeichnete er die Solidarität mit der PLO als eine Parteinahme für einen „großen militanten Heimatvertriebenenverband“ und als Ausdruck des Bedürfnisses, die beschädigte nationale Identität wiederherzustellen. Der Antizionismus der Linken diene der psychischen Entlastung von der Haftung für den Holocaust.

Im Zweiten Golfkrieg gehörte Pohrt zu den Kriegsbefürwortern. Der Publizist Robert Kurz, heute ein Kritiker der Antideutschen, sah diese Position als „Startschuss für die antideutsche Ideologie, deren Protagonisten sich dem Pohrtschen disparaten Opus bedienten wie Kleptomanen beim Kaufhausdiebstahl“.

Pohrt hat sich in der Zwischenzeit von den Antideutschen abgewandt und äußerte in einem Vortrag in Berlin und in einem 2004 erschienenen Buch scharfe Kritik an ihnen. Dass er zum Vordenker der Antideutschen werden konnte, erklärte er sich mit einer „Affinität zur Programmatik“, die seine früheren Texte besessen hätten, und bezeichnete seine damaligen Analysen als Fehler: „Ich habe 1989ff in den Kategorien von 1933 interpretiert – ich hatte keine anderen. Damals war es ein Irrtum, heute ist es Ideologie geworden.“ 

2.1.5. Das linke Trüffelschwein – Der Kommunistische Bund (KB)

Vor seiner Auflösung im April 1991 hatte der Kommunistische Bund (KB) gerade noch etwa 400 Mitglieder. Trotzdem hatte er eine bedeutende Position innerhalb der deutschen Linken und war bis zuletzt ein „anregender und organisierender Faktor in einem Spektrum, welches von den Autonomen bis zum linken Rand der Grünen reichte“. Zudem spielte der KB eine zentrale Rolle für das Entstehen der antideutschen Strömung.

1971 gegründet, gehörte der KB zu den in der Folge der „proletarischen Wende“ der Studenten­bewegung entstandenen K-Gruppen. Die Organisationen dieses Spektrums bemühten sich um eine Rekonstruktion der 1956 vom Bundes­verfassungs­gericht verbotenen KPD. Sie wollten an die KPD-Politik während der Zwanziger- und Dreißigerjahre in der Weimarer Republik anknüpfen. In seinen besten Zeiten hatte der KB mehrere Tausend Mitglieder. Von den anderen K-Gruppen wie der KPD/ML oder dem Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) unterschied er sich vor allem dadurch, dass er finanziell und politisch unabhängig war und nicht an die Kommunistischen Parteien der Sowjetunion oder Chinas angebunden war. So war im KB auch die Bildung von Strömungen erlaubt, was in anderen K-Gruppen als „Fraktionismus“ mit dem Ausschluss bestraft wurde.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal des KB zu anderen K-Gruppen war sein pessimistischer Geschichtsblick. Bis in die Achtzigerjahre dominierte die so genannte Faschisierungsthese den KB. Damit wurde die „Möglichkeit eines neuen Faschismus als aktuelle Gefahr“ begriffen. Daher bestritt er die von andern K-Gruppen behauptete „Linkswendung der Massen“ und befürchtete stattdessen eine „schrittweise Faschisierung von Staat und Gesellschaft“.

Mit dem Bezug auf die Neuen Sozialen Bewegungen, wie die Anti-AKW-Bewegung, vollzog der KB ab Mitte der Siebzigerjahre eine Abkehr vom Proletariat als zentralem Bezugspunkt. Diese Politik, die auf die neuen Protestbewegungen zielte und versuchte, diese „ein bisschen zu radikalisieren und effizienter zu formieren“, machte den KB vergleichsweise erfolgreich. Der Marburger Politikwissenschaftler Georg Fülberth beschrieb den KB aufgrund seiner Fähigkeit, neue Themen, die in der Gesellschaft auftauchten, „in seine eigene Politik aufzunehmen, mit älteren Theorie-Elementen zu amalgamieren und sie somit zumindest für sich selbst nach links hin zu sortieren“, als „linkes Trüffelschwein“.

Nach einer Spaltung 1979, bei der einige zentrale Mitglieder als „Gruppe Z“ zu den Grünen wechselten, führte ein massiver Mitgliederverlust dazu, dass der KB mit der von ihm herausgegeben Zeitung „Arbeiterkampf“ (AK) immer mehr zu einem Zeitungsprojekt wurde.

Der Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten in Osteuropa, die Auflösung der DDR und die anstehende Wiedervereinigung Deutschlands läutete auch das Ende des KB ein. Im Streit um die Wiedervereinigung bildeten sich zwei entgegengesetzte Positionen, die schließlich zur Selbstauflösung des KB führten. Die Bruchlinien hatten sich jedoch schon ab 1985 innerhalb des KB entwickelt – damals allerdings noch nicht anhand der Frage um „Antinationalismus“, sondern um die Faschisierungsthese. Ab 1985 gab es im KB Versuche, die These zu revidieren, da eine Fa­schisierung bisher nicht ein­getreten sei. Innerhalb des KB konnte in dieser Frage allerdings keine Einig­keit erzielt werden. Be­sonders die Frankfurter Ortsgruppe um Detlef zum Winkel wehrte sich gegen eine Revision der These. Zwar sahen auch die Frankfurter, dass die innen­politische Prognose falsch gewesen war, aber zum Winkel argu­mentierte, dass die Aufhebung der Faschisierungsthese der BRD eine Nor­malität bescheinige, die sie als „Nachfolgestaat des deutschen Fa­­schismus“ nicht habe. Mit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung brach der Kon­flikt dann richtig auf und vermischte sich mit einem Streit um die von Teilen als undemokratisch empfundenen KB-Strukturen. Es bildeten sich zwei einander aus­schließende Positionen, die „Mehrheit“ und „Minderheit“ genannt wurden. Dennoch bestand der KB zunächst als organisatorische Hülle für beide Strömungen fort.

Am 20. April 1991 wurde von etwa 200 noch verbliebenen Mitgliedern und Sympathisanten die Auflösung des KB beschlossen. Die „Minderheit“ nannte sich nach der endgültigen Trennung „Gruppe K“. Ihre Mitglieder wie Jürgen Elsässer, Matthias Küntzel oder Heiner Möller spielten in der Folge eine herausgehobene Rolle in der antinationalen Linken. Die Gruppe K gab auch die Zeitschrift „Bahamas“ heraus, die bis heute existiert und sich zur Plattform der extremsten antideutschen Position entwickelte.

2.2. Die Linke und der Zusammenbruch des Sozialismus

Der Zusammenbruch der Sowjetunion stürzte die gesamte Linke in die Orientierungslosigkeit. Mit der Auflösung der so genannten realsozialistischen Staaten und dem „Globalwerden der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung“ verlor die Linke einen weltgeschichtlichen Bezugsrahmen, für den die Oktoberrevolution von 1917 stand. Für Anhänger wie für Gegner des Stalinismus hatte der real existierende Sozialismus eine welthistorische Chance symbolisiert und stellte damit implizit wie explizit ein wichtiges Bezugsmodell für die westdeutsche Linke dar. Die Zeit zwischen dem 9. November 1989 und dem 3. Oktober 1990 führte die Linke in eine zusätzliche Sinnkrise und führte zu massiven Zerfallserscheinungen. Es stellte sich die Frage, ob das Projekt der Linken an ein Ende gekommen war. Jan Philipp Reemtsma konstatierte: „Die Linke hat nicht nur welthistorisch verloren, sondern es gibt sie nicht mehr.“

In der Folge verschwanden nicht wenige linksradikale Organisationen von der gesellschaftlichen Bildfläche. Die Linke war von den Auswirkungen des Vereinigungsprozesses, wie der plötzlichen nationalen Euphorie, völlig überrascht worden. Auch die Tatsache, dass die Bevölkerung der DDR beinahe geschlossen in die Arme des „Imperialismus“ überlief, stellte so manches Weltbild in Frage. Kaum eine Gruppierung „überstand die total kontrovers geführten Diskussionen über die Bewertung der Wiedervereinigung und der für die Linke daraus zu ziehenden Konsequenzen unbeschadet“.

Aus der Ablehnung der Wiedervereinigung entstand in der radikalen Linken eine neue Strömung, die sich selbst antinational nannte, weil sie durch die Wiedervereinigung einen neuen deutschen Nationalismus fürchtete. Die Strömung bestand zunächst aus durch ihre Gegnerschaft zu einem vereinten Deutschland politisch heimatlos gewordenen Einzelpersonen, aber auch Mitgliedern des KB und anderer Organisationen. Diese sammelten sich in Diskussionszirkeln, wie dem im Dezember 1989 gegründeten Hamburger „Roten Forum“, das als erstes den Slogan „Nie wieder Deutschland“ in Umlauf brachte, der sich in den folgenden Jahren zu einem Schlachtruf der antinationalen Linken entwickeln sollte. 

2.3. Radikale Linke und KB-Minderheit – Folgen der Wiedervereinigung

Bereits im April 1989 hatte eine Gruppe von Linken in Hamburg beschlossen, eine neue strömungsübergreifende Plattform mit dem Namen „Radikale Linke“ (RL) ins Leben zu rufen. Die Gründungsmitglieder dieser Plattform beschrieb der Journalist und Mitbegründer Oliver Tolmein als „Noch-Grüne, Kommunisten, Unorganisierte“. Initiatoren der RL waren vor allem Teile des ökosozialistischen Flügels der Grünen. Einige, wie Rainer Trampert und Thomas Ebermann, traten 1990 mit der Perspektive der „Radikalen Linken“ aus ihrer Partei aus. Andere wie Jutta Ditfurth blieben vorerst bei den Grünen. Die RL sollte nach eigener Zielsetzung ein „Kristallisationspunkt für die radikale Linke in Deutschland“ werden. Dabei war sie nicht auf politische Praxis hin ausgelegt; vielmehr dachte man bei der Gründung an einen „gepflegten Diskurs“, der in den ihr nahe stehenden Zeitungen und Zeitschriften stattfinden sollte.

Die anfängliche Ausrichtung der Radikalen Linken war auch nicht antinational. Der Schwerpunkt lag in der Auseinandersetzung mit den Grünen, die sich immer deutlicher in Richtung Regierungsbeteiligung orientierten. In den „Grundlagen der Radikalen Linken“ wurden daher vor allem der „rosa-grüne“ Anpassungsdruck als gesellschaftlicher Trend kritisiert. Für die RL bleibe nur die Rolle der „Opposition im Zeitalter der rosa-grünen Besoffenheit“. Die „Grundlagen“ konstatierten eine „Modernisierung des Kapitalismus“: Gleichzeitig mit dem Versuch, ihn umweltverträglicher, frauenfreundlicher und friedlicher zu machen, setze eine soziale Deregulierungsoffensive ein. Der Konsens für diese Modernisierung sei weit gefächert und reiche von den Grünen über DKP und SPD bis zum Heiner-Geißler-Flügel der CDU. Die Radikale Linke wollte dagegen die „Kraft der Negation“ sein.

Kurze Zeit später wurde dieser Text von den historischen Ereignissen überholt. Infolge der Maueröffnung am 9. November 1989 radikalisierte sich die RL und wandte sich mit Blick auf die Wiedervereinigung gegen die „nationale Besoffenheit“, die sie nach dem Einsetzen der Wende zu erkennen glaubte. So wurde beim vierten Treffen der RL am 20./21. Januar 1990 kurzfristig die Tagesordnung geändert und unter dem Titel „Nie wieder Deutschland“ eine Erklärung gegen die Wiedervereinigung beschlossen.

Auch auf den Kommunistischen Bund hatte die neue Situation beträchtliche Auswirkungen. In der letzten gemeinsamen Erklärung im Dezember 1989 erklärte das Leitende Gremium (LG) des KB: „Wir lehnen die Wiedervereinigung nicht ge­zwungener­maßen oder unwillig, nicht bedrückt oder als Verzicht von etwas ab, das man eigentlich gern hätte. Wir lehnen sie ab, weil es nach dem dritten kein viertes Reich geben darf und weil wir Internationalisten sind. […] zu­sammen wollen wir ‚Deutschland’ bekämpfen und durchsetzen was ansteht: Die Anerkennung der DDR!“ In der auf die LG-Erklärung folgenden Debatte bildeten sich allerdings zwei Richtungen heraus, die nach den Mengenverhältnissen „Mehrheit“ und „Minderheit“ genannt wurden. Die Mehr­heit war der Ansicht, dass man mit der Tatsache Wiedervereinigung um­zu­gehen habe und orientierte sich in Richtung PDS, während die Minderheit die Auffassung vertrat, die Ver­einigung dürfe nicht akzeptiert werden und müsse bis „fünf nach zwölf“ be­kämpft werden. Die BRD-Linke müsse „den Hass auf das eigene Vaterland schüren und es bekämpfen“. Der Blick der Minderheit auf die Wiedervereinigung war historisch-moralisch begründet, sie ver­suchten aus Sicht der Opfer des Nationalsozialismus zu argumentieren und standen damit proto­typisch für die spätere antideutsche Linie.

Die Minderheit lehnte die Orientierung auf die PDS und die Zusammenarbeit mit DDR-Linken ab, weil das eine Akzeptanz des Einheitsprozesses darstellen würde. Sie befürchtete, dass nach einer Wiedervereinigung die „innerimperialistischen Widersprüche beim Wegfall des gemeinsamen Gegners wieder aufbrechen und eskalieren würden – bis hin zum Krieg“. Ihre uneingeschränkte Ablehnung der Wiedervereinigung brachte die „Minderheit“ wieder mit einigen ehemaligen KB- und Grünen-Mitgliedern der „Gruppe Z“, wie Thomas Ebermann und Rainer Trampert in der RL zusammen. Die „Minderheit“, versuchte die antinationale Position in der RL voranzutreiben. Die „Mehrheit“ kritisierte die sich als „Kraft der Negation“ ver­stehende RL: Für eine solche Art der Opposition seien die Bahamas oder die Kanarischen Inseln „der hinreichend weit entfernte und klimatisch be­kömmliche Ort“.

2.4. „By no means unified!“ – Kampagne gegen die Wiedervereinigung

Die Aktivitäten der westdeutschen Linken gegen die Wiedervereinigung spielten sich nahezu alle im Rahmen der RL ab. Für den 12. Mai 1990 mobilisierte sie zusammen mit der KB-Minderheit und Einzelpersonen zu einer „Demonstration gegen deutschen Nationalismus, Kolonialisierung Osteuropas und die Annexion der DDR“ nach Frankfurt. Unter dem Motto „Nie wieder Deutschland“ sollte die „Initiative ergriffen werden, den Widerstand gegen die Wiedervereinigung“ sichtbar zu machen und die „Volksgemeinschaft der Demokraten“ zu provozieren. Die linken Gegner der Wiedervereinigung befürchteten ein „Viertes Reich“ und einen aggressiven deutschen Nationalismus. Dazu beigetragen hatten die Wahlerfolge der Republikaner und Äußerungen von Regierungsmitgliedern zur deutschen Ostgrenze, die als unverhohlene Drohung gegenüber Polen interpretiert wurden. Im Aufruf zur Demonstration heißt es: „Beschwichtigungen, ein Viertes Reich sei nicht geplant, [sind] wirklichkeitsfremd, werden ‚Reiche’ heute doch weniger durch Einsatz von Armeen als durch Kontrolle des Weltmarkts gebaut. Ein ökonomischer und politischer Koloss in der Mitte Europas, der sich auf seine Identität mit dem deutschen Nationalstaat zwischen 1871 und 1945 beruft, ist ein Viertes Reich“.

Neben der Vergangenheit fürchteten sie auch die vermutete ökonomische Stärke eines vereinigten Deutschlands. „Ein vereinigtes Deutschland wird die ökonomische Hegemonie über West- und Osteuropa besitzen und die politische Führung behaupten. Imperialistischer Größen- und Eroberungswahn und eine auch militärische Dynamik könnten die Folge sein.“ Das zentrale Argument gegen die Wiedervereinigung war die deutsche Vergangenheit. So hieß es im Aufruf zur Demonstration: „Es ist das Land, in dem selbst der Faschismus in einer einzigartigen niederträchtigen, von Vernichtungswillen geprägten Form, als Nationalsozialismus an die Macht gebracht wurde. Allein in der Teilung Deutschlands war eine friedlichere Entwicklung angelegt.“ Der Aufruf beschreibt diese Position als „antideutsche“: „Wir halten die antideutsche Haltung für die einzig richtige. Nicht weil wir uns überwiegend hier geborene als die besseren Deutschen profilieren möchten oder glauben, uns aus der Geschichte dieses Landes stehlen zu können. Sondern weil wir in der entschiedenen Opposition gegen die Wiedervereinigung die einzige Möglichkeit sehen, uns der Verlängerung der blutigen deutschen Geschichte entgegenzustellen.“

Die Demonstration wurde von einem breiten Bündnis der westdeutschen Linken getragen; mehr als 100 Organisationen und Gruppen hatten sich zur Teilnahme entschlossen. Dem Aufruf folgten etwa 14.000 Menschen. Die Demonstration stellte knapp ein Jahr nach ihrer Gründung auch den Höhepunkt der „Radikalen Linken“ dar. In der sehr heterogen zusammengesetzten Koalition aus Linken unterschiedlicher politischer Herkunft gab es Einigkeit nur in Bezug auf die Ablehnung der Wiedervereinigung. Diese Übereinstimmung wurde derart unterschiedlich begründet, dass spätere Auseinandersetzungen abzusehen waren. Die Uneinigkeit im Bündnis zeigte sich schon während der „Nie-wieder-Deutschland“-Demonstration. Einige autonome Zusammenhänge erwarteten in ihren Redebeiträgen einen massenhaften Widerstand von unten gegen das sich entwickelnde neue Deutschland, während beispielsweise die KB-Minderheit die deutsche Bevölkerung von Rassismus und Nationalismus getrieben sah. 

2.5. Wahlboykott und Niedergang der Radikalen Linken

Kurz nach der als Erfolg gewerteten Großdemonstration begannen die Wider­sprüche in der RL aufzubrechen. Auf ihrem Juni-Kongress 1990 beschloss die RL eine nächste Großdemonstration für den 3. November. Diese De­monstration fand nicht mehr unter dem Motto „Nie wieder Deutschland“ statt, sondern benutzte eine Zeile aus Paul Celans „Todesfuge“ als Slogan: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“. Mit nur etwa 8000 Demonstranten war sie wesentlich schlechter besucht. Zuvor hatte der antinationale Flügel in der RL versucht, die provokante „Nie-Wieder-Deutschland“-Kampagne fortzuführen und dafür am geschichtsträchtigen 9. November in der „Heldenstadt“ Leipzig zu demonstrieren. Jedoch wurde dies von einer Mehrheit in der RL abgelehnt, die die Leipziger Montagsdemonstranten nicht abschrecken wollte. Die Unter­legenen werteten dies als Verzicht auf eine antinationale Schwerpunktsetzung.

Auch in Bezug auf die ersten gesamtdeutschen Wahlen am 2. Dezember 1990, auf die sich Teile der RL und andere Gruppen konzentrierten, existierte keine übereinstimmende Position. Die Minderheitsfraktion des KB rief mit der Parole „Keine Stimme für Deutschland – Reichstagswahlen ohne uns“ zum Wahl-Boykott auf: „Nicht weil es Wahlen sind, sondern weil es diese Wahlen sind [Her­vorhebung i. O.].“ Jedwede Beteiligung an den Wahlen stelle eine Legiti­mation der Wiedervereinigung dar. „Wir müssen versuchen, den Wahlkampf zu nutzen, antinationale Politik ins Bewusstsein zu rücken.“ Während die „Minder­heit“ eine „PDSierung in der bundesrepublikanischen Linken“ be­fürchtete, hatte sich ein Teil der RL ähnlich wie die KB-Mehrheit inzwischen auf die PDS zu bewegt. Andere wie Jutta Ditfurth traten als Kandidaten der Grünen an.

Nach erfolgter Wiedervereinigung klang das Interesse an antideutscher Politik bei vielen Linken schnell ab. Als klar wurde, dass nicht direkt ein „Viertes Reich“ etabliert werden würde, nahm ein Groß­teil der Linken Abstand von der antinationalen Orientierung. „Manche unserer Prognosen aus dem letzten Winter treffen heute nicht genau zu“. Da­her sei es unangebracht, „Assoziationen zum Nazifaschismus“ herzustellen. Der Teil der RL, der an einer antideutschen Ausrichtung festhalten wollte, begründete seine Haltung mit immer aggressiveren antisemitischen Aktionen, einer von Regierungs­seite initiierten Diskussion um die Oder-Neiße-Grenze, der Asylrechtsdebatte und drohenden Bundes­wehreinsätzen außerhalb des NATO-Territoriums. 

 

3. Verschärfung und Klärung der Positionen

3.1. Die antinationale Linke und der Golfkrieg

Am 2. August 1990 besetzten irakische Truppen das Emirat Kuwait. Nach mehreren UNO-Resolutionen, einem Handelsembargo und einem Ultimatum begann am 17. Januar 1991 die „Operation Wüstensturm“ unter Führung der USA. Mit Kriegsbeginn ließ Saddam Hussein Israel, das sich nicht am Krieg beteiligte, mit insgesamt 39 Scud-Raketen beschießen, die entgegen Saddams Drohungen aber nicht mit Giftgas bestückt waren. Der Golfkrieg und die Bedrohung Israels sorgten für eine scharfe Auseinandersetzung in der gesamten Linken und verstärkten ihre Zersplitterung. Zum ersten Mal seit dem Libanonkrieg 1982 rutschte die Auseinandersetzung um Israel wieder in den Fokus radikal-linker Politik und war damit auch ein Thema für die antideutsch-antinationale Strömung.

Während die Friedensbewegung auf die irakische Besetzung Kuwaits und die Bedrohung Israels durch irakisches Giftgas kaum reagierte, erlebte sie eine Renaissance, als sich eine Militärintervention unter US-amerikanischer Führung abzeichnete. Unter der Parole „Kein Blut für Öl“ fanden fast täglich Spontandemonstrationen statt. Am 26. Januar 1991 demonstrierten sogar Hunderttausende in Bonn. In der vor allem durch pazifistische Überzeugungen und der Angst vor einer ökologischen Katastrophe motivierten Bewegung kam es auch immer wieder zu israelfeindlichen Äußerungen. Die grundsätzliche Ablehnung von Krieg durch die Friedens­bewegung rief auch Widerspruch hervor. So wandten sich unter Verweis auf den National­sozialismus und die Befreiung Deutschlands durch die Alliierten eine Reihe von Altlinken wie Klaus Hartung in der „taz“, Hans Magnus Enzensberger im „Spiegel“ und Wolf Biermann in der „Zeit“. Aber nicht nur zum links­liberalen Milieu gehörige Autoren wurden zu so genannten Bellizisten, die einen Krieg gegen den Irak befürworteten.

Auch ein Teil der Linken aus dem „Nie-Wieder-Deutschland“-Spektrum be­fürworteten den Krieg gegen den Irak. Um die Zeitschrift „Konkret“, die bei den Aktivitäten gegen die Wiedervereinigung und innerhalb der „Radikalen Linken“ eine wichtige Rolle gespielt hat, sammelten sich Befürworter des Krieges gegen den Irak, die ihre Position mit der Bedrohung Israels be­gründeten. Dass Saddam Hussein Israel mit deutscher Giftgas-Technologie be­drohte, nahmen sie als eine Verlängerung deutscher Geschichte wahr. In „Konkret“ war es vor allem Wolfgang Pohrt, der schon in den Achtzigerjahren ein exponierter Kritiker von Nationalismus und Antisemitismus in der deutschen Friedensbewegung war, der die Antikriegsbewegung am schärfsten kritisierte: „Man fasst es einfach nicht, dass in Israel Auschwitzüberlebende mit der Gasmaske nachts unter Sirenenalarm in den Schutzraum flüchten müssen, während die Kinder und Enkel der Massenmörder von einst hier gemütlich über das Verhältnis von erster und vierter Welt räsonieren oder sich fröhlich auf der Bonner Hofgartenwiese tummeln und nicht die Verteidigung der Bedrohten, sondern Frieden mit einem Aggressor fordern.“ Eine Neuauflage der Friedensbewegung bedeute für ihn, dass „die hiesige Linke im weitesten und im engen Sinn wirklich für alle Zeiten moralisch erledigt ist“. Auch Eike Geisel kritisierte die Friedensbewegung in „Konkret“ auf das Schärfste, indem er darauf hinwies, dass diese die Bedrohung, die von irakischem Giftgas für Israel ausgehe, nicht wahrnehme. „Bei den ersten Demonstrationen gegen den Golfkrieg kam das Wort Gas nicht vor und erst recht nicht, wen es bedroht.“

Auch „Konkret“-Herausgeber Gremliza befürwortete, wenn auch etwas zögerlicher, den Krieg: „Es macht, dass hier einmal aus falschen Gründen und mit falschen Begründungen das Richtige getan zu werden scheint […] Dass Menschen sterben müssen, damit andere leben können; […] dass daran mit Appellen zu Gewaltlosigkeit so wenig zu ändern ist wie mit klugscheißerischen Ratschlägen an die Insassen von Schutzräumen; dass also das Schreckliche, das jetzt geschieht, das jetzt Richtige ist […].“ Seiner Ansicht nach handelte es sich zwar um einen imperialistischen Krieg, der aber durch diesen Umstand alleine nicht ausreichend charakterisiert sei, da es sich auch um einen Krieg gegen die irakische Diktatur und für Israel handelte. Auch er zog Parallelen zur Befreiung Deutschlands durch die Alliierten.

Die Positionen von Pohrt und Gremliza sorgten in der antinationalen Linken für eine erbitterte Debatte über den Krieg und Israel. Obwohl sich sonst niemand aus dem „Nie-wieder-Deutschland“-Spektrum der klaren Kriegs­befürwortung anschließen wollte, hinterließ der Golfkrieg sowohl „Radikale Linke“ wie KB-Minderheit gespalten. Im KB kam es während des Golf­kriegs sogar zu einer teilweisen Annäherung der verfeindeten Flügel. Mit­glieder der Minderheitenströmung wie Heiner Möller und Matthias Küntzel verteidigten in Übereinstimmung mit der „Mehrheit“ die Friedens­be­wegung, begriffen die Israel-Solidarität als Propaganda­instrument zur Schwächung der Anti­kriegsbewegung, und griffen Gremliza und „Konkret“ scharf an. Auf der anderen Seite wandten sich Teile der Berliner „Minderheit“ gegen eine „eindeutige Parteinahme“, da der Krieg einen widersprüchlichen Charakter habe. Die Frank­­furter „Minderheit“ um den RL-Mitinitiator Detlef zum Winkel wollte sich nicht von der Gremliza und „Konkret“ distanzieren und forderte in einem Flugblatt „Schluss mit dem irakischen Raketenterror gegen Israel“ und kritisierte die unkritische Bezugnahme auf die Friedens­bewegung, der sie antisemitische Motive vorwarf. Daraufhin musste sie sich die Frage gefallen lassen, ob sie ins „Lager der imperialistischen Kriegstreiber“ übergelaufen sei. Jürgen Elsässer verband beide Positionen. Er lehnte zwar den Krieg eindeutig ab, richtete seine Kritik aber an die deutschen „Raketenbauer“ und „Gift­gas­laboranten“, die er an israelische Gerichte ausliefern wollte und empfahl, „die anti­deutschen Proteste in Israel [zu] unterstützen“.

Wie groß die Differenzen innerhalb der „Nie-wieder-Deutschland“-Strömung waren, verdeutlicht auch die Frage nach der Kriegsbeteiligung Deutschlands. So sah Gremliza in der BRD keine Kriegspartei und kritisierte zugleich die Friedensbewegung als staatstragend, da auch die Bundesregierung gegen diesen Krieg sei, und sich aus ihrer bequemen Lage nicht befreien wolle. Demgegenüber bemühte sich ein Großteil der KB-Minderheit, vor allem Küntzel, um den Nachweis der deutschen Kriegsbeteiligung durch Waffenhilfe, Bereitstellung von Krankenhausbetten und Kriegsfinanzierung.

Ein kleinerer Teil der Antinationalen nahm die Auseinandersetzung zum Anlass, um eine Debatte über den theoretischen Ansatz des Leninschen Anti­imperialismus zu führen, den sie für den Antizionismus verantwortlich machten, der Israel nur als „Brückenkopf des Imperialismus“ und nicht als Staat der Opfer des Holocaust betrachte.  „[D]ie enge Verknüpfung, teil­weise sogar Gleichsetzung von US-Imperialismus und Zionismus“ wurde als Fehler betrachtet, der durch die antiimperialistische Ideologie verursacht wurde.

Die Auseinandersetzungen um den Krieg und Israel bedeuteten eine doppelte Zäsur für die antideutsche Linke. Zum einen war – wenn auch noch minoritär – aus der Bedrohung Israels durch irakische Scud-Raketen und der Kritik an der Friedensbewegung eine Position entstanden, die bis dahin in der Linken undenkbar gewesen war: die Unterstützung der Bombardierung des Irak durch eine von den USA geführte Koalition. Zweitens bedeutete der Golf­krieg zunächst eine „Wende zum Ende der antideutschen Orientierung“ in der deutschen Linken; das Bündnis „Radikale Linke“ zerfiel. So waren auf dem Anti-Kriegsrat der RL im März 1991 in Köln nur noch 60 Leute an­­wesend, gegenüber 1500 beim RL-Kongress im Juni 1990. Bereits im Februar hatte sich der Koordinationsrat der RL aufgelöst. Symptomatisch für die Abkehr vom Antinationalismus ist die Position des ehemaligen ver­antwortlichen Redakteurs der „Nie-wieder-Deutschland“-Kampagnenzeitung: „Die antinationale Orientierung, die ein Teil der Linken gegen die Wiedervereinigung vorgenommen hat, hat im Golfkrieg einen Knacks bekommen […] ‚Nie wieder Deutschland’ taugte zur Agitation gegen den Vereinigungsprozess und zur Schärfung des Bewusstseins gegenüber der deutschen Geschichte. Als Theorieersatz ist die Formel untauglich, Konflikte wie den Golfkrieg zu erklären.“ Auch in der KB-Minderheit war die antideutsche Linie nach dem Golfkrieg umstritten: „Die NWD-Kampagne war während der Vereinigungs­phase richtig, nach vollzogener Einigung und Beginn des Golfkriegs stellten sich Fragen, die nicht mit den NWD-Parolen zu lösen waren.“ Vermittelnde Stimmen wie Oliver Tolmein und Detlef zum Winkel, die die Kriegsbefürworter ebenso scharf kritisierten wie die Israelfeindschaft der Kriegsgegner und die den NWD-Ansatz fortführen wollten, konnten sich nicht durchsetzen. Nach dem Zerfall der „Nie wieder Deutschland-Bewegung“ bildeten sich einige kleinere antideutsche Zirkel wie die „Gruppe Ratio, Rausch, Revolution“ in Hamburg oder „ak kassiber“ in Berlin. 

3.2. Der 8. Mai 1995 – von der Kampagne zum Rückzug von der Politik

Im Jahr 1995 standen mit dem fünfzigsten Jahrestag der Bombardierung Dresdens und der bedingungslosen Kapitulation des Dritten Reiches am 8. Mai 1945 zwei Gedenktage an, die direkt das Verhältnis der BRD zur ihrem Vorgängerstaat betrafen. Die Gedenkfeiern vom 13. bis 15. Februar an­lässlich der Zerstörung Dresdens durch alliierte Bomberverbände waren be­reits im Vorfeld umstritten, da sich Bundespräsident Roman Herzog mit einer Rede angekündigt hatte. Der Schriftsteller Ralph Giordano mahnte Herzog in einem Offenen Brief, es dürfe „nicht zum Schulterschluss mit den Lügnern von der ‚Auschwitzlüge’“ und zur „großen Stunde der professionellen Aufrechner“ kommen.

Auch die Antinationalen, die seit den „Nie-Wieder-Deutschland“-Aktionen keine größere Kampagne mehr organisiert hatten, befürchteten eine „Historisierung und Relativierung des Nationalsozialismus“. „Fünf Jahre nach der ‚befreienden’ Wiedervereinigung ist der deutsche Geschichtsrevisionismus Grundlage für die Wiederaufnahme revanchistischer Großmachtpolitik und für neue antisemitische und rassistische Angriffe.“ 1995 galt ihnen als „Zeitenwende“: „Alle 50-Jahres­feiern, die dem 8. Mai folgen, werden nicht mehr die Greuel von Deutschen, sondern die Greuel an Deutschen zum Gegenstand haben [Hervorhebung i.O.].“

Bereits seit Winter 1994 bereiteten die Antinationalen Gegenaktionen zu den offiziellen Feiern der Jahrestage vor. So fand am 10. und 11. Dezember 1994 auf Einladung der Zeitschriften „17° C“ und „Bahamas“ und verschiedener antinationaler Gruppen wie „ak kassiber“ ein bundesweites Treffen zur Vorbereitung einer antinationalen Aktion rund um den 8. Mai 1995 statt.  Die Aktionen sollten unter dem Motto „Kein Frieden mit Deutschland – gegen die Kollaboration mit der Nation“ ablaufen. Mit der Erklärung „Wir trauern nicht!“ wandten Antinationale sich gegen eine Gleichsetzung der Bombardierung Dresdens mit den Verbrechen Nazi-Deutschlands und verteidigten die Zerstörung Dresdens als militärische Notwendigkeit. Die Bombardements hätten einen „notwendigen Schritt bei der Zerschlagung des Nationalsozialismus und damit der Befreiung der in den KZ’s Inhaftierten“ dargestellt.

Im Zuge der Debatte gab es innerhalb der Linken Aus­ein­ander­setzungen um die Frage, ob die Bombardierung der Zivilbevölkerung gerecht­fertigt gewesen sei. Vor allem autonome Gruppen und traditionelle Marxisten verneinten dies. Die Antinationalen argumentierten, dass angesichts der umfassenden Unterstützung des Nationalsozialismus durch die Deutschen nicht mehr von einer Zivilbevölkerung gesprochen werden könne. Die Aus­einandersetzung mit den autonomen Gruppen, von denen 1991 noch viele an der „Nie-wieder-Deutschland“-Demonstration teilgenommen hatten, fand ihren Höhepunkt in einem Beschluss des Berliner Autonomen-Infos „Interim“, antideutschen und antinationalen Positionen keinen Platz mehr in der Zeitschrift einräumen zu wollen, da „keine grund­sätzlichen neuen Aspekte“ auftauchen würden.

Die Antinationalen und Antideutschen wollten die Frage der Haltung zu Dresden zu einem Lackmus-Test für die deutsche Linke vorantreiben, die Linke sollte klar Position beziehen. „Sage mir, wie Du die Tätigkeit eines Bomber-Harris bewertest, und ich sage Dir, auf welcher Seite Du stehst: Entweder auf der Seite der Opfer des NS, die die Bombenangriffe auf deutsche Städte herbeigesehnt hatten, oder auf der Seite der Täter des NS und ihrer de facto unangefochtenen Massenbasis“. Wer versuchte, sich dieser Dichotomie zu entziehen, dem wurde die Berechtigung als „Linker“ abgesprochen. „Wem zum 13. Februar und zum 8. Mai statt des nahe liegenden ‚Nie wieder Deutsch­land’ nur ein ‚Nie wieder Krieg’ einfällt, in dem sich auch der Hass auf die Armeen der Anti-Hitler-Koalition gut aufgehoben sieht, stand 1965 rechts von Konrad Adenauer und steht 1995 nicht links von Roman Herzog.“

Auch wenn trotz der langen Vorbereitungszeit die antinationalen Aktivitäten des Jahres 1995 zahlenmäßig auf einem niedrigen Niveau angesiedelt waren, so hatten die Aktionen in nahezu der gesamten radikalen Linken eine Debatte ausgelöst. In vielen Städten gab es 8. Mai-Vorbereitungstreffen und Debatten über den Umgang mit den Jahrestagen und die Konsequenzen für die eigene Politik. Am Ende dieser Diskussion blieben zwei Ergebnisse: Zum einen hatten sich die Antinationalen und die Autonomen, die 1990 noch zusammen gegen die Wiedervereinigung und für „Nie wieder Deutschland“ demonstriert hatten, endgültig voneinander entfernt. Die Abkehr vom Massenansatz, die mit der Wiedervereinigung begann, wurde fortgesetzt: „[K]lar ist, dass wir es uns mit einer Aktion gegen diese Feierlichkeiten in Dresden mit der Bevölkerung verscherzen“. Das wollten die meisten autonomen Gruppen nicht mittragen. Zum anderen fiel aber auch die antinationale Strömung nach Abschluss der 8.-Mai-Aktivitäten in ein Loch, da der Versuch der stärkeren Vernetzung der verschiedenen antinational orientierten Zusammenhänge gescheitert war. Viele Antinationale hatten gehofft, dass die Aktivitäten des Jahres 1995 nicht nur eine Kampagne bleiben würden, sondern dass sich eine Strömung formieren würde, die es auch schafft, überregional politisch zu intervenieren.

Mit dem Scheitern einer solchen Formierung setzte sich in der antinationalen Linken die Abkehr von der politischen Praxis durch. Die Kampa­gne zum 8. Mai verstanden sie als „letztes regressives Aufscheinen dieses falschen Traums von der politischen Praxis“. In der Folge dieser Diskussionen löste sich ein knappes halbes Jahr nach dem 8. Mai auch die „Gruppe K“ auf, die mit der von ihr herausgegebenen Zeitschrift „Bahamas“ zu den Hauptträgern der antinationalen Aktivitäten gezählt hatte. In ihrer Auflösungserklärung konstatierte sie, dass der Ansatz „einer kommunistischen Organisation, die mehr sein sollte, als der Herausgeberkreis einer Zeitung“, gescheitert sei. Rückblickend betrachtete die neue Redaktion der „Bahamas“ das Aktionswochenende zum 8. Mai als „ein letztes regressives Aufscheinen dieses falschen Traums von der politischen Praxis“. Zukünftig könne ihre politische Praxis nur noch darin bestehen, sich mit „Texten und Diskussionsbeiträgen“ an „die Köpfe jener Linken zu wenden, die auch nach 1989 nicht bereit waren, ihren Frieden mit den Verhältnissen zu machen“.

Mit der Auflösung der „Gruppe K“ und der Neuformierung der Redaktion des führenden antinationalen Theorie-Organs „Bahamas“ mit Anhängern der Werttheorie wurde ein Grundstein für die zukünftige Dominanz der Wertkritik in der antideutschen Linken gelegt. Sie bildete das theoretische Fundament für die Politikverachtung, die sich in der antinationalen Linken nach der 8.-Mai-Kampagne ausbreitete.

3.3 „No Germans, no Holocaust“: Die Debatte um Daniel Jonah Goldhagen

Im März 1996 erschien in den USA die Studie des jungen Harvard-Politik­professors Daniel Jonah Goldhagen: „Hitlers willing Executioners. Ordinary Germans and the Holocaust“. In dem Buch, einer erweiterten Fassung seiner Dissertation aus dem Jahre 1992, versuchte Goldhagen zu erklären, wie es zum Holocaust, der für ihn das „entscheidende Charakteristikum des Nationalsozialismus“ darstellt, kam, und warum dieser nur in Deutschland passieren konnte. Wie der Titel bereits andeutet, lenkte er den Blick auf die Täter selbst und ihre Motivation, er wollte die „Männer und Frauen, die wissentlich an der Ermordung der Juden mitwirkten“, in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Analysen des Holocaust rücken. Dabei stellte er fest, dass die „antisemitischen Auffassungen der Deutschen […] die zentrale Triebkraft für den Holocaust“ waren. Die Vernichtung der europäischen Juden bezeichnete Goldhagen als „nationales Projekt“ der Deutschen: „keine Deutschen, kein Holocaust“. Es sei „vernebelnd und unangemessen“ von „Nazis“ oder SS-Männern als Tätern des Holocaust zu reden. „Der einzig angemessene allgemeine Begriff für diejenigen Deutschen, die den Holocaust vollstreckten, lautet ‚Deutsche’“. Goldhagen folgerte, dass "die große Mehrheit der Deutschen“ nicht anders gehandelt hätte, wären sie in die entsprechenden Positionen gelangt, weil sie genauso antisemitisch dachten.

Der in den USA viel beachteten Untersuchung wurde ab dem Frühjahr 1996, noch vor dem Erscheinen der deutschen Ausgabe unter dem Titel „Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust“, in Deutschland so viel Aufmerksamkeit gewidmet, wie es bei einer fremdsprachigen Veröffentlichung selten vorkommt. Der Geschichtsprofessor Julius H. Schoeps bezeichnete es in seinem Vorwort für einen Sammelband, der die maßgeblichen Beiträge zur Goldhagen-Debatte zusammenträgt, als auffällig, „dass sich der Tenor der Reaktionen in den Vereinigten Staaten und Deutschland merklich unterscheidet. Hierzulande sind die bisherigen Besprechungen mehrheitlich kritisch bis ablehnend.“

Auch für die Linke war das Erscheinen von Goldhagens Studie ein Anlass für eine heftige Debatte, in deren Verlauf sich nicht nur die antinationale Linke ein weiteres Mal von der „traditionsmarxistischen“ abgrenzte, sondern auch innerhalb der antinationalen Linken „erhebliche Verwerfungen“ um den richtigen theoretischen Ansatz für eine adäquate Erfassung des Holocausts entstanden.

3.3.1. Antinationale vs. Traditionslinke

Die traditionellen Marxisten wurden in der Debatte hauptsächlich durch die Historiker Kurt Pätzold und Reinhard Kühnl vertreten. Sie nahmen Goldhagen zwar teilweise gegen Angriffe von rechts in Schutz und lobten auch Teile seiner empirischen Arbeit, verneinten letztendlich jedoch die zentralen Schlussfolgerungen Goldhagens. Sie wollten Goldhagens „idealistische Geschichtsinterpretation“ um eine materialistische erweitern. Kühnl rückte Goldhagen sogar in die Nähe zum „völkischen Nationalismus“. Den Grund für diese „Abwehr“ sahen die Autoren von „Goldhagen und die deutsche Linke“ darin begründet, dass Goldhagen mit seiner Arbeit die Möglichkeit für „den Glauben der Linken an das Volk“ und „die Unschuld der Arbeiterbewegung“ zerstört habe. Die Ursachen hierfür sahen sie in der traditionsmarxistischen Faschismusforschung, die sich immer noch auf die Thesen von Georgi Dimitroff berufe. Der Holocaust sei für die Traditionsmarxisten nur ein „politischer Nebenschauplatz“, der zudem erst mit der Zerschlagung der Arbeiterbewegung, die frei von Antisemitismus gewesen sei, ermöglicht wurde.

3.3.2. Auseinandersetzung innerhalb der antinationalen Linken

Die Debatte in der antinationalen Linken wurde hauptsächlich ausgelöst durch das Buch „Goldhagen und die deutsche Linke“, verfasst von einer Gruppe um Matthias Küntzel. Die Autoren hatten die Reaktionen der Linken auf die Goldhagen-Studie untersucht und waren zu dem Schluss gekommen, dass die „deutsche Linke Wege gesucht und gefunden“ hat, „um der Auseinandersetzung mit Goldhagens zentralen Thesen aus dem Weg zu gehen“. Auch im antinationalen und antideutschen Spektrum sei eine „der Goldhagen-Studie angemessene Auseinandersetzung weitgehend ausgeblieben“.

Die antinationale Linke war sich in der Beurteilung der Reaktionen der bürger­lichen Öffentlichkeit auf Goldhagen weitgehend einig. So wurden beispielsweise die Äußerungen von „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein als antisemitisch identifiziert. Auch in der Kritik an den traditionellen Marxisten waren sich die Antinationalen, die dazu publizierten, einig. Küntzel et al. machten jedoch auch bei großen Teilen der antinationalen Linken ein Abwehrverhalten aus, das sie in den vorherrschenden theoretischen Ansätzen der Antinationalen begründet sahen, die unzureichend seien, um den Holocaust zu erklären: die Kritische Theorie, die Werttheorie im Anschluss an Moishe Postone und den Sonderwegs-Ansatz von Ulrich Enderwitz. Dies löste eine lang anhaltende Debatte innerhalb der antinationalen Linken aus, die hauptsächlich in der Wochenzeitung „Jungle World“ ausgetragen wurde und in deren Verlauf sich drei Fraktionen herauskristallisierten: Eine in Anlehnung an Foucault diskurstheoretisch argumentierende, eine wertkritische und die Argumentation der Küntzel-Gruppe.

Den Beginn der Jungle-World-Debatte machte eine Gruppe um Günther Jacob mit ihrem Dossier „Goldhagen und die antinationale Linke“. Jacob und seine Mitautoren argumentierten diskurstheoretisch und zeigten die größte Übereinstimmung mit Goldhagen. Sie griffen die Kritik der Küntzel-Gruppe an den meisten antinationalen Strömungen auf, die sie allesamt als „traditions­marxistisch“ bezeichneten. Deren „Kritik deutscher Staatlichkeit“ sei nichts anderes als „eine besonders radikale Variante des alten Antikapitalismus“. Auf diese Weise seien „antinationale Positionen nicht zu halten“. Die Autoren gehen aber noch weiter und kritisieren auch den „’traditionsmarxistische[n]’ Ideologiebegriff“ [Hervorhebung i.O.] der Küntzel-Gruppe, nach dem „der Antisemit nur als Träger von falschem Bewusstsein identifiziert“ werden kann. Die Jacob-Gruppe verstand Antisemitismus im Anschluss an Foucault diskurstheoretisch: „Antisemitismus ist eben weder ‚falsches Bewusstsein’ noch eine essentialistische Identität, sondern entsteht durch Koppelung verschiedener Diskurse, die an ganz bestimmte Voraussetzungen gebunden sind.“

Auch die ableitungstheoretische Wertkritik kritisierten sie als ungeeignet: „Am Ende soll sogar Auschwitz aus dem Wert abgeleitet werden, was ein Wahnsinn ist“. In einem zweiten Dossier für die „Jungle World“ wollten sie „die Frage der Konstruktion von Wirklichkeit im Zusammenhang mit der Goldhagen-Debatte aufwerfen“. Sie beriefen sich auf den Diskurstheoretiker Michel Foucault und behaupten, eine strikte Unterscheidung zwischen Fiktion und Wirklichkeit sei nicht zu halten. Dabei ging es ihnen um die Frage, ob es zulässig sei, vom Holocaust als „Erzählung“ zu sprechen und ob die strenge Trennung zwischen authentischer und fiktionaler Literatur aufrechterhalten werden könne.

In ihrer Antwort erklären die Wertkritiker der „Initiative Sozialistisches Forum“ (ISF) die „Nutzlosigkeit Foucaults für die antinationale Linke“. Den diskurstheoretischen Ansatz der Jacob-Gruppe bezeichnen sie als „Heideggerisierung der Linken“. Unter Verweis auf den Einfluss Heideggers auf Foucault weisen sie die diskurstheoretischen Ansätze als „nazistische Philosophie“ zurück, die „das Denken durch das Denken liquidieren wolle“.

Schließlich antwortete die Autorengruppe von „Goldhagen und die deutsche Linke“ auf die Beiträge von ISF und der Jacob-Gruppe. Sie griffen in den Streit zwischen diskurstheoretischen und wertkritischen Ansätzen ein und verwerfen beide als Formen der Abwehr, durch die sie die Realität des Holocaust nicht an sich heranlassen würden. „Den einen erscheint der in Massenvernichtung sich austobende Antisemitismus als ein diskurs-gekoppelter Zufall, den anderen als gesellschaftliche, unmittelbar aus der Wertvergesellschaftung abzuleitende Notwendigkeit.“ Gegen die Jacob-Gruppe erhoben sie den Vorwurf, sich mit den Überlegungen über den Holocaust als Erzählung in die Nachbarschaft geschichtsrevisionistischer Holocaust-Leugner begeben zu haben und den Holocaust zu instrumentalisieren. „Wir haben den Eindruck, dass die Goldhagen-Thematik hier in erster Linie ein Aufhänger war, um postmodern oder wertkritisch ausgerichtete Grundsätze unter die Leute zu bringen.“ Sie stellen noch einmal fest, warum sie Debatte um Goldhagen für entscheidend halten. „Die Auseinandersetzung mit Goldhagens Thesen war (und ist) für uns vielmehr ein Gradmesser für die Bereitschaft der deutschen Linken, sich mit der Shoah und deren Ergründung auseinanderzusetzen.“

Der Verlauf der Debatte um die Thesen von Daniel Goldhagen spiegelt die Abtrennung der postmodernen Fraktion von den Antinationalen wider. 1997 trennte sich ein postmoderner Flügel von der antideutschen Zeitschrift „Bahamas“. In der für postmoderne Theorien offenen Zeitschrift „17°C“ spielten antideutsche Debatten in der Folge keine Rolle mehr. In ihrer Die Redaktion In ihrer vorletzten Ausgabe von Anfang 1999 spricht die Redaktion der ehemals antinationalen Zeitschrift sich selbst ausschließend von „den Antinationalen“.

3.4. Der Kosovo-Krieg – antinational vs. antideutsch

Im Gegensatz zum Golfkrieg 1991 war sich die Linke 1999 in der Gegnerschaft zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien vordergründig einig. In der innerlinken Diskussion offenbarten sich jedoch erhebliche Differenzen. Diese zeigten sich in diesem Fall nicht zwischen Antinationalen oder Antideutschen auf der einen und traditionellen Antiimperialisten auf der anderen Seite, sondern sie traten vor allem zwischen Antideutschen und Antinationalen zu Tage. Wurde bisher antideutsch als notwendige Ergänzung zu einer antinationalen Position betrachtet und umgekehrt, bildeten sich im Zuge des Kosovo-Krieges zwei sich ausschließende Positionen heraus.

Die Begründung des Kosovo-Krieges durch die neue rot-grüne Bundesregierung ausgerechnet mit der deutschen Vergangenheit führte die Antinationalen und Antideutschen in eine Krise. Gerhard Schröders Postulat „Wir wollen keinen deutschen Sonderweg“ und Joschka Fischers Aussage, er habe nicht nur „Nie wieder Krieg“, sondern auch „Nie wieder Auschwitz“ gelernt, glichen antinationalen Polemiken aufs Wort. Der Politik­wissenschaftler Matthias Küntzel, der bereits während der Auseinandersetzungen um den Golfkrieg, den 8. Mai und in der Goldhagen-Debatte eine herausgehobene Rolle gespielt hatte, beschrieb den Krieg gegen Jugoslawien in noch stärkerem Maße als den Fall der Mauer als eine Zäsur, die „auch der antinationalen Linken ein ‚Weiter wie bisher’ nicht erlaubt, sondern sie mit neuen analytischen und politischen Herausforderungen konfrontiert“.

Der Konflikt in der serbischen Provinz Kosovo und die Argumentation der rot-grünen Bundesregierung mit Versatzstücken antinationaler Kritik warf für die Linke die Frage auf, wie sie sich gegenüber dem serbischen Nationalismus verhalten sollte. Ein großer Teil der Linken stellte sich auch gegen die nationalistische Politik Milosevics. Dies führte dazu, dass auf Anti-Kriegs-Kundgebungen jugoslawischen Demonstranten verboten wurde, Nationalfahnen oder Milosevic-Plakate zu tragen. Teile der Antideutschen forderten eine unbedingte Solidarität mit Jugoslawien ein: Es gehe darum, an der Seite Jugoslawiens gegen den Krieg zu sein, eine Kritik von serbischem Nationalismus müsse jetzt zurückstehen. In der daran anschließenden Debatte um Nationalismus traten sie mit Parolen wie „Deutscher Antinationalismus bedeutet Krieg“ für eine Position ein, die eine Verbindung von antideutscher und antinationaler Kritik als nicht mehr vereinbar ansah. Diese Linie wurde hauptsächlich von den Mitarbeitern der Zeitschrift „Bahamas“ verfolgt und in Publikationen wie „Jungle World“, „Konkret“ und „Bahamas“ veröffentlicht. Begründet wurde sie damit, dass der Krieg „wesentlich von ehemaligen Linken getragen und mit einer gegen ‚Serbien’ gerichteten ‚antinationalistisch’ und menschenrechtlich daherkommenden Legitimationsideologie begründet wurde“.

Während die Antinationalen sich gegen alle Kriegsparteien wandten, sahen die Antideutschen es als ihre Pflicht an, sich mit den Serben zu solidarisieren. Dies begründeten die Antideutschen mit der „treibende[n] deutsche[n] Beteiligung an der Zerschlagung Jugoslawiens“. Deutschland trage durch die frühzeitige Anerkennung Kroatiens die Hauptschuld an den Bürgerkriegen in Jugoslawien und befinde sich damit in Kontinuität mit der Balkan-Politik des Dritten Reiches. Demgegenüber machten die Antinationalen auch Milosevics nationalistische Politik für die Zersplitterung Jugoslawiens verantwortlich, mit der soziale Konflikte im ehemaligen Jugoslawien ethnisiert worden seien.

Zudem sei der Kosovo-Krieg ein „deutscher Krieg“ gewesen, befanden führende Antideutsche. Einige, wie Jürgen Elsässer, gingen sogar so weit, zu behaupten, Deutschland habe die USA mit der „Falle von Rambouillet“ wider deren Willen in den Krieg hineingezogen. Auch Thomas Becker sprach davon, dass Amerika „in die Falle“ getappt sei.

Ein Antinationalismus, der sich unterschiedslos gegen jeden Nationalismus wende, sei eine „theoretische Disziplin, die hohl wird, wo historische und lokale Ortung des Phänomens unterbleibt“, schrieb Justus Wertmüller in der „Bahamas“ gegen die Linken, die sich nicht bedingungslos hinter Serbien gestellt hatten. Die historische Ortung war für die Antideutschen der Nationalsozialismus und seine Verbrechen auf dem Balkan. Die deutsche Außenpolitik stehe in der Kontinuität national­sozialistischer Expansionspolitik. Elsässer betonte, dass Jugoslawien neben Israel der Staat der Opfer des Dritten Reiches sei.

Die Antideutschen sahen im Kosovo-Krieg die historischen Konstellationen des Zweiten Weltkriegs wiederkehren. Deutschland kämpfe mit den einstigen Verbündeten gegen die damaligen Opfer. Entscheidend für eine Positionierung sei daher, wie ein Nationalstaat zu den vermeintlichen Interessen Deutschlands steht. Die Kosovo-Albaner wurden den Deutschen zugeordnet; sie würden im Gegensatz zu Jugoslawien ihr Staatsbürgerschaft völkisch begründen.

Jürgen Elsässer, der mit vielen Veröffentlichungen in „Konkret“ und zwei Büchern zum Thema einer der Hauptexponenten der Debatte um den Kosovo-Krieg war, setzte hier auf eine Unterscheidung von Staatsbürgernationen und  „Blutsvölkern“: Er unterschied zwischen repu­bli­kanischem und völkischem Nationalismus. Während der völkische Nationalismus sich auf Blutsbande zwischen den Mitgliedern einer Nation berufe, beziehe der republikanische sich auf die französische Revolution und betone die Gleichheit aller Staatsbürger unabhängig von ihrer Ethnie. Jugoslawien mit seinem republikanischem Staatsbürgerrecht, sowie Frankreich und die USA sah Elsässer in Opposition zu den Deutschen und den Kosovo-Albanern.

Ein zentraler Punkt für antideutsche Kritik war daher auch die Menschenrechtsrhetorik der rot-grünen Bundesregierung, die mit der Verhinderung eines zweiten Auschwitz argumentierte. Die Antideutschen befürchteten, dass Deutschland mit diesem Krieg die Fesseln der Vergangenheit hinter sich lassen würde. „Nur in einem moralischen Krieg konnte es Deutschland gelingen, militärisch wieder auf den Plan zu treten.“ Deutschland habe alle seine Kriegsziele erreicht, vor allem das eine: „dass Deutschland, ohne angegriffen oder auch nur bedroht zu sein, Krieg führen kann und darf, überall und aus jedem Grund“.

4. Exkurs: Wertkritik

4.1. Grundlagen der Wertkritik

Ihre erste Hochzeit hatte die Wertkritik in den Debatten um Marx’ Hauptwerk „Das Kapital“ in den Siebzigerjahren. Nach dem Zusammenbruch des so genannten real existierenden Sozialismus erfuhr sie in der orientierungslosen Linken der Neunzigerjahre eine Renaissance. Die „Neue deutsche Wertkritik“, wie ihre Gegner sie nennen, sieht sich als radikalste Kritik an den Verhältnissen. Sie gliedert sich in verschiedene Strömungen, deren bekannteste sich um die Zeitschrift „Krisis“ und den Publizisten Robert Kurz sammelt. Die antideutsche wertkritische Strömung gruppiert sich um die Zeitschrift „Bahamas“ und die Initiative Sozialistisches Forum (ISF), die sich auch auf die Kritische Theorie und besonders Adornos „Negative Dialektik“ berufen.

Die Wertkritik wendet sich gegen eine verkürzte Kapitalismuskritik, die nicht das Kapitalprinzip kritisiere sondern bloß an dessen Folgen ansetze. Dazu behaupten die Vertreter dieser Theorie einen „doppelten Marx“: einen „exoterischen“, dessen Geschichtsphilosophie und Klassentheorie sie ablehnen, und einen „esoterischen“ Marx, der die Kategorie „Wert“ als solche kritisiere. Der esoterische Marx finde sich im Fetischkapitel des ersten und im dritten Band des „Kapital“.

Die Wertkritik kritisiert den Kapitalismus als Warengesellschaft. Marx unterschied zwischen Gebrauchswert und Tauschwert einer Ware. Die Ware besitzt also einen Doppelcharakter, als sinnliches und als abstraktes Ding. Der Tauschwert steht für die abstrakte Seite der Ware, deren sinnliche Gestalt Marx den Gebrauchswert nannte. Für die Wertkritik ist der Gebrauchswert im Gegensatz zur Marxschen Auffassung keine überhistorische Kategorie, sondern dem „Diktat des Werts […] unterworfen“. Die Größe des Werts ergibt sich aus der Größe der abstrakten Arbeitskraft. Wertkritiker bezeichnen den Wert der Ware gerne als „Gespenst“. Der Wert ist nicht konkret, er existiert nur in den Vorstellungen der Menschen, die auf ihren alltäglichen Erfahrungen beruhen. Aber gerade dadurch wird er real: Er ist eine reale Abstraktion. Die Dinge besitzen den Wert nicht von Natur aus, er entsteht erst durch die Tauschpraxis der Menschen, die damit ihre Tätigkeiten einander gleichsetzen. Die Menschen können nur noch über die „Produkte der menschlichen Hand“ aufeinander Bezug nehmen. Damit wird ein soziales Verhältnis zur Eigenschaft einer Sache. Dies nannte Marx Warenfetischismus: „Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst, welches hier für sie die phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen annimmt. Um daher eine Analogie zu finden, müssen wir in die Nebelreligion der religiösen Welt flüchten. Hier scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eignem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten. So in der Warenwelt die Produkte der menschlichen Hand.“ Der Warenfetisch wird von den Wertkritikern im Sinne einer umfassenden Manipulation, eines allgemeinen „Verblendungszusammenhanges“ interpretiert.

Der Tauschwert, als abstrakte Dimension der Wertseite, erscheint immer in stofflicher Form. Er konkretisiert sich entweder in Waren- oder in Geldform. Die Ware erscheint also, obwohl sie eine gesellschaftliche Form ist, als rein gegenständlich, während das Geld sich als Manifestation des bloß Abstrakten ausdrücke. In der Ausdrucksform als Geld macht sich der Wert selbst zum Ausgangs- und Endpunkt der Bewegung des Kapitals. Bei dieser Bewegung vermehrt sich das Geld. Der Wert verwertet sich selbst und wird zu einem Selbstzweck, einem „automatischen Subjekt“, wie Marx es nannte. In der Marx-Interpretation der Wertkritiker vollzieht sich das Wertgesetz hinter dem Rücken der Individuen. Die Wertkritiker beschreiben das waren produzierende System deshalb auch als „subjektlose Herrschaft“. Die Herrschaft ist eine unpersönliche und betrifft alle Menschen. Es gibt also keine Ausbeuter, die die Arbeiter unterdrücken. Folglich spielen auch das Klassenverhältnis und das Proletariat als vermeintliches revolutionäres Subjekt für die Wertkritiker keine Rolle. Einer Überwindung der Wertverwertung sehen die Wertkritiker deshalb pessimistisch entgegen. Alle Praxis unterliegt ihrer Kritik der Fetische der Warengesellschaft. Handlungsperspektiven gibt es keine, es bleibt nur die Kritik. 

4.2. Wertkritische Antisemitismustheorie

Moishe Postone versuchte den Antisemitismus aus dem Kapitalismus, also aus dem Warentausch heraus, zu erklären. Diese Analyse war ein entscheidender Einfluss für die wertkritischen Antideutschen. Postone setzte dabei am Fetischbegriff an: Die Merkmale, die der moderne Antisemitismus den Juden zuschreibe, wie Abstraktheit, Nicht-Fassbarkeit, Universalität und Mobilität seien „Merkmale der Wertseite“. Für Postone ist der moderne Antisemitismus eine Form des Denkens, die die Entwicklung des industriellen Kapitalismus mit ihren gesellschaftlichen Folgen im Juden personifiziert. So bezeichnete Postone den Frühsozialisten Pierre-Joseph Proudhon, der nur das Geld abschaffen wollte, als geistigen Vorläufer des modernen Antisemitismus. Dieser schließe laut Postone „eine Biologisierung des Kapitalismus ein, der selbst nur unter der Form der erscheinenden Abstraktion, als internationales Judentum, verstanden wird“. Postone sah hier eine innere Verbindung zwischen „jener Art von ‚Antikapitalismus’, der den Nationalsozialismus beeinflusste“ und dem Antisemitismus. Den „NS-Antikapitalismus“, der zwischen „schaffendem“ und „raffendem Kapital“ unterschied, beschrieb er als „Hilfsmittel im Übergang zum Quasi-Staatskapitalismus“ in einer krisenhaften Situation, in der die ab­strakte Seite des Kapitals biologisiert wurde und als das internationale Judentum erschien. Der Antisemitismus sei das „notwendig falsche Bewusstsein“ der kapitalistischen Gesellschaften. Mit Postone sind die Antideutschen der Meinung, Kapitalismus bringe grundsätzlich Antisemitismus hervor. „Antisemitismus ist in allen warenproduzierenden Gesellschaften angelegt, weil sie das am Verwertungsprozess Unbegreifliche verfolgungswahnsinnig rationalisieren müssen und auf die Konkretion des unverstandenen Prinzips drängen und [es] stellvertretend totschlagen wollen.“

Die wertkritischen Antideutschen kritisierten, dass auch die Linke von diesem Prozess bedroht sei, wenn sie eine verkürzte Kapitalismuskritik betreibe. So wurde auch Lenins Imperialismustheorie als strukturell antisemitisch kritisiert. Lenin verstehe unter Kapitalismus die Kapitalisten, die Personen an der Spitze des Ware-Geld-Systems und kein gesellschaftliches System: „Mit der Verortung der Übel des Kapitalismus in der Finanzoligarchie liegt Lenin dicht bei der sozialen Demagogie der Antisemiten.“ Von der Personalisierung zur Biologisierung sei es nur ein kleiner Schritt. Diese Kritik am „strukturellen Antisemitismus“ konnte sich auch bei den nicht wertkritisch argumentierenden Antideutschen durchsetzen. 

5. Von der Al-Aksa-Intifada zum 11. September: “Es geht um Israel!“

5.1. Die Al-Aksa-Intifada

Am 28. September 2000 besuchte der damalige israelische Oppositionsführer und Vorsitzende des Likud, Ariel Scharon, zusammen mit einigen Fraktionskollegen den Tempelberg in Jerusalem, auf dem sich neben den drittwichtigsten Heiligtümern des Islam auch die Überreste des jüdischen Tempels befinden. Nach dem Besuch kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen palästinensischen Demonstranten und israelischen Ordnungskräften mit Hunderten Verletzten und zahlreichen Toten. Vorausgegangen war diesen Auseinandersetzungen das Scheitern der israelisch-palästinen­sischen Ver­hand­lungen im Juli 2000 in Camp David. In der Folge begann Ende September in der West­bank und im Gazastreifen ein bis heute anhaltender Aufstand, der in Anlehnung an die erste Intifada von 1987 bis 1993 Al-Aksa-Intifada genannt wurde. Die Wahl Ariel Scharons zum Premierminister Israels im Februar 2001 verschärfte den Aufstand noch.

Mit dieser Eskalation des Nahost-Konflikts rückten auch für die deutsche Linke Israel und die Palästinenser wieder in den Blickpunkt. Die bereits tot geglaubte Palästina-Solidarität konnte neue Aktivisten verbuchen und auch Linke, die in der Globalisierungskritik aktiv waren, schlossen sich der „Solidarität-mit-Palästina“-Kampagne an. In den meisten linken Zeitungen und Zeitschriften wurde die Lage der Palästinenser wieder zum Thema, wobei sich in die einseitig pro-palästinensische Berichterstattung auch antisemitische Positionen mischten.

Auch für die Antideutschen wurde durch die neue Intifada die Haltung zu Israel zentral. Da palästinensische Gruppen dazu übergegangen waren, Selbstmordattentate im israelischen Kernland zu verüben, forderten sie, „Solidarität mit Israel“ zu zeigen. Während sich jedoch in der „Jungle World“ auch kritische Stimmen zu Scharons Besuch auf dem Tempelberg und seinem Wahlsieg fanden, stellten sich „Konkret“ und „Bahamas“ auf die Seite Israels und verteidigten den „Rundgang“ eines „israelischen Politikers auf dem Tempelberg“. Sie konstatierten eine große Einigkeit nahezu aller deutschen Medien bei der Beurteilung der Al-Aksa-Intifada. „Bei der empörten Verurteilung ‚jüdischer Greueltaten’ kennen deutsche Publizisten kein Halten mehr und vereinen sich über politische Grenzen hinweg zu einem antijüdischen Denunziationsbündnis.“ Jürgen Elsässer stellte die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Zweite Intifada in einen Zusammenhang mit dem Kosovo-Krieg. Jugoslawien und Israel seien beide Opfer der „Neuen Weltordnung“. Beide Staaten seien gegründet von Opfern und Gegnern des Nationalsozialismus. Palästinenser und Albaner hätten dieselben Freunde, „von ‚Taz’ über ‚FR’ bis zur ‚Süddeutschen’“ würden sie nur als Opfer wahrgenommen. Der Westen sei ein Förderer dieses „fundamentalistischen Aufstandes gegen Israel“. Einige befürchteten auch eine baldige Abkehr der USA von der Unterstützung Israels: „Israel hat für die USA an Bedeutung verloren.“ Begründet wurde diese Vermutung unter Anderem mit einem Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, der die „exzessive Gewaltanwendung“ Israels gegen die Palästinenser verurteilte und gegen den die USA kein Veto eingelegt hatte. Daher sei die Existenz Israels heute gefährdeter denn je.

Zur Verteidigung des israelischen Vorgehens verwiesen die Antideutschen vor allem auf den arabischen Antisemitismus: „Mit den so genannten Palästinensern steht Israel das derzeit wohl aggressivste antisemitische Kollektiv gegenüber.“ Der Antisemitismus der Palästinenser sei dem nationalsozialistischem „Vernichtungs-Antisemitismus“ ähnlich, Ziel sei  die „Vernichtung der Juden“. Am Friedensprozess kritisierten die Antideutschen um die Zeitschrift „Bahamas“ folgerichtig auch nicht dessen Scheitern, sondern, dass er überhaupt stattgefunden hat. "Einem völkisch-islamistischen Judenhasserkollektiv wie den derzeit in Vernichtungswahn sich gerierenden so genannten Palästinensern darf keinerlei Zugeständnis gemacht werden.“ Daher lehnen sie auch einen eigenen palästinensischen Staat ab, da dieser „sich den gleichen Zweck setzen [würde], wie die Intifada-Gemeinschaft heute schon: den Kampf gegen die Juden“. Von der Linken forderten sie als „Minimaloption“ die „[u]neingeschränkte Solidarität mit dem Staat Israel und schärfste Kritik der palästinensischen Volksbewegung und ihrer Unterstützer“. Unterstützt würden die „Feinde Israels“ von Deutschland, und zwar „zunehmend offener“. Belege dafür seien, neben der Eröffnung eines Vertretungsbüros in den Autonomiegebieten und großzügigen Aufbauhilfen, auch das Treffen von Schröder und Arafat, bei dem Schröder ein Orden überreicht wurde. 

5.2. Der 11. September – ein antisemitischer Anschlag?

Die Terroranschläge vom 11. September auf New York und Washington und die zu erwartenden militärischen Reaktionen der USA hatten auch weitgehende Auswirkungen auf die deutsche Linke. „Nichts wird mehr sein wie zuvor“ – war in der Zeit nach den Anschlägen ein viel zitierter Satz, der auch auf die deutsche Linke und besonders ihren antideutschen Flügel zutrifft.

In den ersten Veröffentlichungen nach den Anschlägen kritisierten die Antideutschen zunächst die Reaktionen der deutschen Linken, der nicht besseres einfalle „als platter Antiamerikanismus“. Die Antideutschen witterten bei vielen Linken eine „klammheimliche Freude“ angesichts der Anschläge. Diese wären der Ansicht, es hätte doch irgendwie die Richtigen getroffen. Tatsächlich interpretierten viele Linke die Anschläge als eine Art antikapitalistischer und antiimperialistischer Gegenwehr; die Ursache liege in der ökonomischen Situation der Dritten Welt. Der Großteil der Antideutschen wandte sich gegen diese Interpretation der Terroranschläge als Verzweiflungstat, der „Hungernden“ und „Unterdrückten“. Die Anschläge seien vielmehr gegen das amerikanische "Pursuit of Happiness", das „Glücksversprechen“ der bürgerlichen Gesellschaft gerichtet. „Am Kapitalismus störte die Attentäter nicht die soziale Ungleichheit, sondern sein uneingelöstes Versprechen, dass der Mensch sich von Hierarchien und Zwängen emanzipieren kann [...].“ Dieser sollte nun gegen die islamischen Fundamentalisten verteidigt werden: „Wer wollte bezweifeln, dass die bürgerliche Herrschaft der der islamischen Fundamentalisten vorzuziehen ist?“

Die antideutsche Linke war überzeugt davon, dass der Anschlag antisemitisch motiviert und das wahre Ziel Israel gewesen sei. Die Intention sei offensichtlich: „New York gilt nicht nur als Symbol für die globale Macht des Kapitals, sondern zugleich für den jüdischen Einfluss, dem es angeblich unterliegt. In antisemitischen Verschwörungstheorien steht die Wall Street als Beispiel für jüdische Dominanz schlechthin, von hier aus beherrschten die Juden das globale Finanzwesen und steuerten die US-amerikanische Politik. Der Terror galt dem verhassten jüdischen Amerika, und der Wunsch der islamistischen Fundamentalisten, es zu vernichten, ist identisch mit ihrem Verlangen, die Juden in Israel endlich ins Meer zu treiben.“

Als weiteres Indiz für die antisemitische Motivation der Anschläge wurde neben antisemitischen Tiraden von Osama bin Laden auch angeführt, dass jubelnde Palästinenser die Anschläge „so frenetisch begrüßten wie sonst nur Selbstmordattentate auf Israelis“.

Die Antideutschen um die Zeitschrift „Bahamas“ und das Freiburger ISF lieferten die extremste Interpretation der Anschläge, indem sie diese in Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und der weltpolitischen Bündnislage der Dreißiger- und Vierzigerjahre brachten. Das Attentat sei ein „faschistisches Massaker“, der Islamismus eine antisemitische Ideologie. Damit setzte sich die nach der Al-Aksa-Intifada begonnene Diskussion um einen arabischen Antisemitismus fort. Die Antideutschen zeichneten ein Szenario, in dem Deutschland und die arabischen Staaten Verbündete gegen die USA seien. Die transatlantische Solidarität, die Deutschland den Vereinigten Staaten zugesichert hätte, sei durchtrieben und durchaus halbherzig. Osama bin Laden sei ein deutscher „Partner in spe“, ein „Bündnispartner von morgen“. In Deutschland gäbe es eine große Koalition „von den Grünen über die FAZ bis zu den Autonomen“, die „sich klammheimlich darüber freuen, daß dem ‚großen Teufel Amerika’ nun dasselbe Schreckliche widerfährt wie dem ‚kleinen Teufel Israel’“.

Die USA wurden folgerichtig mit der Rolle der Alliierten im Zweiten Weltkrieg identifiziert und ein militärisches Eingreifen gefordert. „Sollte wirklich Afghanistan das erste Ziel eines US-Gegenschlags sein, wäre zu fordern, das dieser so konsequent wie möglich erfolgt, d.h. einen Sturz nicht nur des Taliban-Regimes, sondern auch die Verhinderung weiterer islamistischer Herrschaft bewirkt und nicht auf Afghanistan beschränkt bleibt.“ In ihrer Sicht stellen islamische Bewegungen und Staaten die zurzeit größte Gefahr für Israel dar.

Aber auch im antideutschen Lager gab es Auseinandersetzungen über die Einordnung der Anschläge vom 11. September. Es bildeten sich zwei Seiten: eine, die Solidarität mit Israel notwendig auch mit einer Befürwortung US-amerikanischer Militärschläge verbunden sah und eine, die an der Kritik amerikanischer Politik festhalten wollte. Die erste Gruppe sah in den Terroranschlägen ein selbstzweckhaftes Töten von Amerikanern, das „mit dem antisemitischen Programm der Nazis in Verbindung zu bringen war“.  Zu letzterer gehörte „Konkret“-Herausgeber Gremliza, der in seiner ersten Reaktion auf die Terrorangriffe schrieb: „Sie [die USA] haben geerntet, was sie gesät haben, mehr als ein halbes Jahrhundert lang.“ Die proamerikanischen Antideutschen zeigten sich enttäuscht von „Konkret“ und bezeichneten den Text als „imaginäre[s] Bekennerschreiben“. In der Kritik an Gremliza und anderen „Konkret“-Autoren tat sich besonders Matthias Küntzel hervor, der ihnen vorwarf, den Antisemitismus der Attentäter zwar nicht  zu ignorieren, aber ihn nur als ideologische Beigabe zu betrachten. Gremliza hatte Bin Ladens Judenhass als „verrückt antiimperialistisch“ bezeichnet: „Die Tatsache, [d]ass das reichste Land des Nahen Ostens Juden gehört und der Zentralbankchef der USA Greenspan heißt, muss so einen auf dumme Gedanken bringen.“ Küntzel kritisierte dies als Verharmlosung: „Die Täter des 11. September hatten die Wahl und die Tat zeugt vom Motiv. Ihr eliminatorischer Hass gegen das ‚jüdische’ New York ist weder ‚verrückt’, noch ‚religiös versponnen’ oder ‚rückwärtsgewandt’, sondern das Antriebsmoment ihrer regressiven Revolution: Der Anschlag auf das World Trade Center war die bisher monströseste Offenbarung eines erneut auf Vernichtung zielenden Antisemitismus.“

 

 

5.3. Krieg gegen Afghanistan – Islamismus als der neue Faschismus

Als die USA am 7. Oktober, knapp vier Wochen nach den Anschlägen ihre Luftangriffe gegen Afghanistan begannen, verschärfte sich die Lagerbildung in der Linken. Wie es sich nach dem 11. September  angedeutet hatte, bildete sich in der antideutschen Linken eine Front zwischen Kriegsbefürwortern und Kriegsgegnern. Diese Auseinandersetzung wurde hauptsächlich in der Zeitschrift „Konkret“ ausgetragen.

Die Kriegsbefürworter polemisierten heftig gegen die sich bildende Antikriegsbewegung, der sie vorwarfen, dass sie sich hauptsächlich gegen die USA richte und dass sie Gemeinsamkeiten mit deutschen Rechtsextremisten habe. „Kaum fielen die ersten Bomben auf Afghanistan, machten die Friedensfreunde von DKP bis NPD, von Horst Mahler bis Günter Grass, von Antje Vollmer bis Gabi Zimmer an der Heimatfront mobil.“ Auf den Demonstrationen von NPD und Friedensbewegung seien im Wortlaut die gleichen Parolen zu hören gewesen „von ‚Völkermordzentrale USA’ bis zu ‚Hoch die internationale Solidarität’“.

Ebenfalls „gegen die deutsche Friedenssehnsucht“ angehen wollte die Zeitschrift „Bahamas“, um die sich die expliziten Kriegsbefürworter sammelten. Diese begründeten ihre Position mit der „Verteidigung der Zivilisation“ gegen die islamischen Länder. „Nicht weil der Feind meines Feindes mein Freund ist, sondern weil die USA selbst in Gestalt eines Präsidenten Bush im Vergleich zu islamischer Herrschaft oder deutschem Antiimperialismus noch fast ein Menschheitsversprechen darstellen.“ Auch Matthias Küntzel unterstützte die Militärschläge: „Selbstverständlich müssen die amerikanische und die britische Politik weiterhin kritisiert werden. Jedoch nicht deshalb, weil sie die Djihadisten verfolgt, sondern weil sie diese nicht zielgenau und konsequent verfolgt.“ Deutschland hingegen wurde kritisiert, weil es diese Politik nicht teile. „Immerhin haben Washington und London damit begonnen, die antisemitischen Netzwerke Bin Ladens zu zerstören, was von der Berliner Politik, die besonders deshalb zu kritisieren ist, kaum behauptet werden kann.“ Die deutsche Unterstützung für die USA sei nur vordergründig, die BRD wolle ihre guten Beziehungen zu den arabischen Staaten nicht gefährden. Deutschland rüste „seit 10 Jahren […] für einen Krieg mit der Dritten Welt gegen den US-Imperialismus.“

Bei einigen Antideutschen setzte sich eine mit dem 11. September einsetzende Verschiebung des Hauptinteresses von Israel auf die USA fort. So erklärte Thomas von der Osten-Sacken, dass für Al Kaida nicht länger Israel der Hauptfeind sei, sondern das „‚jüdische Prinzip’, dass längst mit den USA identifiziert wird“; Israel spiele nur mehr die „sekundäre Rolle einer Chiffre“.

Dagegen setzte sich in „Konkret“ die nach dem 11. September eingeschlagene US-kritische Linie fort. Herausgeber und Redaktion der Zeitschrift verbanden ihre Kritik am Afghanistan-Krieg mit grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber den USA. So wandte sich Gremliza gegen den „Anti-Antiamerikanismus“ der Kriegsbefürworter und Redakteur Elsässer stellte dem individualistischen Ideal der amerikanischen Revolution das kollektive der Französischen Revolution entgegen: „Anders als die Begriffe ‚Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit’, die als klassische Ideale jeder Zivilisation bezeichnet werden können, ist der ‚Verfolg des Glücks’ bereits eine kapitalistische Deformation dieser Ideale unter der Prämisse gegeneinander konkurrierender Marktsubjekte und Konsummonaden.“ Im Gegensatz zu den proamerikanischen Antideutschen interpretierte er das „Pursuit of Happiness“ nicht als „Traum von individueller Freiheit und schönem Leben für alle“, sondern als „individuelles Streben nach dem eigenen Vorteil ohne Rücksicht auf die Interessen anderer“. Gegen die Kriegsbefürworter gerichtet begann er einige antideutsche Überzeugungen zu revidieren. So hätten die USA „sowohl 1989 als auch 1991 kein Remake der Anti-Hitler-Koalition gegeben“. Die Hauptlast im Kampf gegen das Dritte Reich hätte zudem die Sowjetunion getragen. Elsässer plädierte deshalb für eine „differenzierte Betrachtung“ des Antiamerikanismus. Dieser könne „die Vorstufe eines linken Antiimperialismus“ sein, der sich auch gegen den eigenen Staat richtet. Elsässer wollte eine „Sperrminorität“ gegen den Krieg bilden und dafür auch mit Gewerkschaften und traditionellen Linken zusammenarbeiten.

Die proamerikanischen Antideutschen kritisierten „Konkret“ und vor allem Elsässer scharf: In der Zeitschrift würde „das antiamerikanische Bündnis […] ideologisch bedient“. Sie zogen Bilanz aus 10 Jahren antideutscher Linken und erinnerten an den Zweiten Golfkrieg, als „Konkret“ den Krieg gegen den Irak unterstützt hatte. Allerdings wurde dieser Vergleich von Gremliza zurückgewiesen. „Der Krieg, der heute gegen die Taliban und demnächst gegen andere Schurken geführt wird, tut nicht einmal aus falschen Gründen und mit falschen Begründungen das Richtige: Gefahr von Israel abwenden.“ Im Widerspruch zu Elsässer betonte er aber, dass ihm manche Kriegsbefürworten dennoch näher seien als manche Kriegsgegner.

5.4. Krieg gegen den Irak – Mit den USA zum Kommunismus

Bereits kurz nach dem Afghanistan-Einsatz war abzusehen, dass der Irak das nächste Ziel im US-amerikanischen „Krieg gegen den Terror“ werden würde. In Deutschland hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder relativ früh klargestellt, dass seine Regierung sich an einem Krieg nicht beteiligen würde. In der Linken entbrannte eine Debatte über den Irak und einen möglichen Kriegseinsatz der USA. Es entstand eine breite und große Antikriegsbewegung, die nicht nur das klassische pazifistische Spektrum umfasste, sondern auch die Antiglobalisierungsbewegung um Attac. Teile der Antideutschen sprachen sich hingegen wie schon vor dem Afghanistankrieg für einen Sturz des irakischen Regimes aus. Überlagert wurde diese Debatte von einer Diskussion über das Verhältnis zu Israel. Während die Debatten um Israel und Antisemitismus sich nach dem 11. September und während des Afghanistankriegs in relativ kleinen Zirkeln abgespielt hatten, kam mit den Planungen für den Irakkrieg und der weltweiten Widerstandsbewegung dagegen in Deutschland eine weitgreifender „Antisemitismusstreit“ in Gang. Aufgrund der Eskalation im Nahost-Konflikt stellten sowohl Kriegsbefürworter wie Kriegsgegner immer wieder Israel in den Mittelpunkt. So wurde auf vielen Antikriegsveranstaltungen mehr über Israel als über den Irak diskutiert, was sich in Forderungen nach Solidarität mit den Palästinensern oder der Bezeichnung von Israel als Apartheidstaat niederschlug.

Die Antikriegsbewegung wurde von allen Teilen der antideutschen Linken abgelehnt, auch von denen, die einem Krieg nicht explizit zustimmen wollten. Einigkeit herrschte darin, dass die Friedensbewegung „zutiefst deutsch und antiamerikanisch“ sei. Zudem sei sie „sozialdemokratisch-grün geprägt und „pro-staatlich“ und hätte überdies eine offene Flanke nach rechts und reiche von „gerhard schröder über horst mahler, peter gauweiler, der pds bis zu autonomen [Kleinschreibung i.O.]“. Im Vergleich zur Friedensbewegung der Achtzigerjahre drohe die aktuelle Antikriegsbewegung „eine antisemitische und völkisch-universalistische Erweckungsbewegung zu werden“. Thomas von der Osten-Sacken sah „von Hamas bis ATTAC Einigkeit“. „Deutscher Nationalpazifismus und Globalisierungskritik“ würden zu einer „antisemitischen Vernichtungsandrohung“ verschmelzen. „Die Option der Friedensbewegung dagegen, die im Bundesverband der Deutschen Industrie einen starken Fürsprecher findet, ist die Fortsetzung der Herrschaft Saddam Husseins. Einmal mehr sollen die USA die irakische Bevölkerung hängen lassen und zusehen, wie ihr verzweifelter Aufstand von Husseins Truppen niedergewalzt wird. So bleibt als Hoffnung nur, das Engagement der »Kein Blut«-Bewegung für billiges Öl möge daran scheitern, dass sich im US-Establishment jene durchsetzen, die wissen, dass mit Saddam Hussein auf Dauer kein Vertrag zu machen ist.“

Demgegenüber waren sich die Antideutschen einig, dass die deutsche Kriegsablehnung in deutschem Interesse sei, das in diesem Fall nicht in einem Krieg liegen würde. Zum einen erhoffe Deutschland sich, in einem Konkurrenzblock zu den USA eine einflussreiche Rolle zu spielen, zum anderen würde ein Sturz Saddam Husseins die Hoffnungen der deutschen Wirtschaft auf Handel mit dem Irak zunichte machen. Daher hätte sich die BRD im Rahmen der EU seit längerem für ein Ende der Sanktionen gegen den Irak eingesetzt. Schröders „Nein“ zu einer deutschen Kriegsbeteiligung erklärte Thomas von der Osten Sacken so: „Weil Deutschland Frieden will. Frieden für Saddam.“

Die Befürworter eines militärischen Eingreifens rechtfertigten sich auch mit der Menschenrechtslage im Irak. Dass es bei einem Irak-Krieg um die Alternative von Krieg und Frieden ginge, sei ein „Phantasma“ von „Deutschen und andere[n] Friedensbewegte[n]“, da sich der Irak seit über 20 Jahren im Kriegszustand befinde: „Krieg gegen Iran, giftgasgestützte Attacken gegen die kurdische Bevölkerung, Überfall auf Kuwait, Scud-Raketen auf Israel, Massaker an SchiitInnen, Aushungerung unliebsamer Bevölkerungsteile.“ Vor allem Thomas von der Osten-Sacken und Thomas Uwer, Mitarbeiter einer Hilfsorganisation für die nordirakischen Kurden, lieferten eine Vielzahl von Texten, die sich mit der irakischen Opposition befassten und nahe legten, dass diese einen Krieg zur Befreiung begrüßen würde. „Wenn im Irak nämlich US-amerikanisches Militär erneut einen Volkaufstand gegen Saddam Hussein auslösen könnte und damit erstmals in der jüngeren Geschichte der arabischen Staaten eine Regierung quasi von der eigenen Bevölkerung gestürzt würde, eröffnete das eine nahezu ungeheuerliche Perspektive für die ganze Region. […]. Was wie eine ‚List der Geschichte’ erscheint, die früher den Marxisten eine helle Freude gewesen wäre.“

Die deutlichsten Unterstützer der US-Politik sammelten sich um die Zeitschrift „Bahamas“. Sie forderten „Krieg dem Baath-Regime, Waffen für Israel!“ und setzten dem Antiamerikanismus von Teilen der Friedensbewegung eine komplette Zustimmung zur amerikanischen Außenpolitik entgegen, die die „vernünftige Wahl“ für jeden Kommunisten sei. Kritik äußerten sie an denen, die in „lähmender Unentschiedenheit“ verharren würden. Israel würde bedroht von dem „eigentlichen Frontstaat der islamischen Welt, dem Irak“. Das Hauptargument für eine Bedrohung Israels durch den Irak war neben vermeintlichen Massenvernichtungswaffen die finanzielle Unterstützung, die Saddam Hussein Angehörigen von palästinensischen Selbstmordattentätern gewährte. Eine Gefahr für Israel bestehe allerdings auch darin, dass die USA den Kampf gegen den Terror nicht entschieden genug angehen könnten, um „nochmals ein Appeasement mit den Kräften des Untergangs zu wagen“: „[W]enn die USA ihren Krieg gegen den Terror in bloßen Verlautbarungen und gelegentlichem nutzlosen Geballere einschlafen ließen, käme es zum Ernstfall in Nahost, zu so genannten ernst gemeinten Friedensverhandlungen. Dann käme der Barbar vom Dienst, Kronprinz Abdallah, wieder zu Ehren, dann würden amerikanische Delegationen sich in Fischer-Sprech ergehen, und Israel stünde endgültig an der Wand.“ Da Israel keine Verbündeten außer den USA habe, propagierten die Antideutschen „die bewaffnete Selbstverteidigung Israels als Kristallisationspunkt eines weltweiten Kampfes gegen den barbarischen Antikapitalismus“. Mit dem Antikapitalismus lassen die Antideutschen nun ein weiteres Kernelement der Linken hinter sich. Die Speerspitze des Antikapitalismus bestehe aus „Islam, Sharia und Djihad“.

Nach Kriegsende beglückwünschte die Bahamas-Redaktion die USA und Großbritannien und bezeichnete US-Präsident George W. Bush als „The Man of Peace“: „Mit größter Genugtuung nimmt die Redaktion zur Kenntnis, dass der Sieg der antifaschistischen Koalition eine schwere Niederlage Deutschlands bedeutet, nicht nur seiner Regierung, sondern auch jener 90 Prozent der Landsleute, die sich dem unmenschlichen Machtkalkül ihrer Oberen vorbehaltlos angeschlossen haben.“

Die „Bahamas“ konnte in der Zeit vor und während des Irak-Kriegs ihren Einfluss auf die Linke deutlich erweitern. Es bildeten sich neue antideutsche Gruppen, und auch wenn nur eine Minderheit die extreme Linie der „Bahamas“ komplett übernahm, spalteten sich einige linke Organisationen an der Frage der Kriegsbeteiligung und des Verhältnisses zu Israel. Auch bei den dem antideutschen Spektrum zugerechneten Publikationen „Jungle World“ und „Konkret“ gab es Konflikte. Bei „Konkret“ schied Jürgen Elsässer aus der Redaktion aus, weil er ein breites Bündnis aller Kriegsgegner suchte. Gremliza schrieb dazu, dass Elsässer versucht habe, „seine eigene politische Neuorientierung gegen den Willen des Herausgebers und der Redaktion sowie auf Kosten anderer Konkret-Autoren auf die Zeitschrift zu übertragen“. Zwar stand auch Herausgeber Gremliza einem Krieg gegen den Irak kritisch gegenüber, wollte ihn aber nicht explizit ablehnen. Gremliza übte vor allem Kritik an der staatstragenden Friedensbewegung. Außerdem kritisierte er jene scharf, die den Kosovo-Krieg befürwortet hatten, nun aber einen Krieg gegen den Irak ablehnten. „Das Votum der deutschen Regierung gegen einen Angriff auf den Irak hat keinen […] menschenrechtlichen Grund, die ‚linken Prinzipien’ sind im Kosovo verfault.“ Gremliza versuchte sich, wie die Mehrzahl der „Jungle-World“-Autoren, in einer Position der Äquidistanz zu Friedensbewegung und dem „Bahamas“-Flügel. Dabei lag die Betonung mehr auf Abgrenzung von der Friedensbewegung als von den „Bahamas“-Positionen. Das verdeutlicht den Einfluss, den die „Bahamas“ trotz ihrer extremen Position auf die Linke ausüben konnte.

6. Fazit und Ausblick

6.1. Fazit

Ziel dieser Arbeit war, rückblickend zu beleuchten, wie mit den Antideutschen eine sich kommunistisch nennende Linke entstehen konnte, die nahezu alle Essentials der kommunistischen Bewegung und der Linken, wie den positiven Bezug auf die Arbeiterklasse, den Antiimperialismus, den Antikapitalismus und den Antirassismus hinter sich gelassen hat und zu einer tief greifenden Zersplitterung der außerparlamentarischen Linken geführt hat. Die Geschichte dieser Linken ist eine Geschichte der Abspaltungen. Die zentralen Streitpunkte für die Entwicklung der antideutschen Bewegung waren die Bewertung der deutschen Vergangenheit und damit die Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Israel als dem Staat der Überlebenden des Holocaust. In anderen Ländern ist eine ähnliche Bewegung wie die Antideutschen nicht existent und wohl auch nicht denkbar.

Die Wiedervereinigung war das Schlüsselereignis für eine durch den Zusammenbruch des so genannten real existierenden Sozialismus orientierungslos gewordene Linke. Ein großer Teil der Linken befürchtete, dass ein „Viertes Reich“ entstehen könne, sobald Deutschland seiner durch die Alliierten angelegten Fesseln beraubt würde. Die „Nie-Wieder-Deutschland“-Kampagne war auch der Anstoß für die folgende Hinterfragung linker Grundüberzeugungen. Vorläufer für ein solches Denken gab es, wie gezeigt, bereits in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Auch ist es kein Zufall, dass die meisten Wortführer, der sich unter der Bezeichnung „antideutsch“ oder „antinational“ bildenden Bewegung, aus dem KB kamen, dessen Sonderrolle unter den K-Gruppen dargestellt wurde. Mit der relativ frühen Abwendung von der Arbeiterklasse und der pessimistischen Faschisierungsthese waren hier auch Grundlagen für die Abkehr der Antideutschen von gestaltender Politik gelegt worden.

Während der „Nie-wieder-Deutschland“-Kampagne waren Israel und der Antisemitismus innerhalb der Linken noch kein Thema. In diesem Zusammenhang bildete der Golfkrieg von 1991 gleich eine doppelte Zäsur. In den Debatten um den Golfkrieg spaltete sich die neue Bewegung sofort, und es bildete sich eine Position, die bisher für eine radikale Linke nicht vorstellbar gewesen wäre: Die Unterstützung des Kriegs gegen den Irak durch die USA und ihre Verbündeten. Begründet wurde diese Haltung mit der Bedrohung Israels durch irakisches, mit deutscher Hilfe produziertes, Giftgas. Diese Position konnte zwar auch innerhalb der damaligen antideutschen und antinationalen Linken keine Mehrheit finden, aber ihre Bedeutung kann als immens beurteilt werden. Sie bildete das Analyseraster, das für alle kommenden Debatten und Konflikte wieder angewandt wurde: die Analogiebildung zu den Frontstellungen des Zweiten Weltkriegs.

 Der positive Bezug auf die USA als Gegner des Nationalsozialismus konnte sich bis 1995 in der antideutschen Linken durchsetzen. Als in diesem Jahr der fünfzigste Jahrestag der Bombardierung Dresdens und der Kapitulation der Wehrmacht anstand, glorifizierten die Antideutschen die Rolle der Alliierten und rechtfertigten auch die Bombardierung der Zivilbevölkerung. Zuvor hatte die Zerstörung Dresdens auch innerhalb der Linken als Kriegsverbrechen gegolten und gehörte zu den üblichen Aufzählungen amerikanischer Verbrechen. Es wurde gezeigt, wie damit für die Antideutschen und Antinationalen jeder positive Bezug auf die Arbeiterklasse unmöglich geworden war, da in ihrer Analyse auch diese das Dritte Reich bis zuletzt unterstützt hatte. Die Konsequenz der Auseinandersetzung um diese Frage war, dass sich die Autonomen von den Antideutschen entfernten, da erstere sich nicht von ihrem Massenansatz lösen wollten.

Die wissenschaftliche Grundlage für die behauptete Verstrickung eines Großteils der Deutschen in die Verbrechen des Nationalsozialismus und die deshalb nötige Abkehr vom traditionellen Marxismus fanden die Antideutschen 1996 mit der Veröffentlichung von Goldhagens Studie „Hitlers willige Vollstrecker“, der den Holocaust als das entscheidende Merkmal des Nationalsozialismus betrachtete und die Ursache im Antisemitismus der Deutschen begründet sah. Als Ergebnis der darauf folgenden Debatte um das Wesen des Holocaust und dessen Bedeutung für die Antideutschen, spaltete sich ein diskurstheoretisch argumentierender Flügel ab. Damit hatte sich die Wertkritik als die dominierende Theorie der Antideutschen durchgesetzt. In einem Exkurs wurde gezeigt, wie die Wertkritik eine weitere theoretische Grundlage für die Abkehr von traditionellen marxistischen Ansätzen, wie dem Antiimperialismus, lieferte.

Der Kosovo-Krieg führte 1999 zu einer weiteren Spaltung. Die Kriegsbegründung der rot-grünen Bundesregierung, die mit der deutschen Vergangenheit argumentierte, bereitete der antideutschen und antinationalen Position Probleme. Waren bisher bislang beide Bezeichnungen nahezu synonym verwandt worden, trennten sie sich jetzt an der Frage des serbischen Nationalismus. Die Antideutschen forderten bedingungslose Solidarität mit Milosevic, während die Antinationalen auch die nationalistische Politik Serbiens kritisierten. In der Arbeit wurde herausgearbeitet, wie auch in dieser Auseinandersetzung, parallel zum Golfkrieg, das Raster des Zweiten Weltkriegs angelegt wurde, um die eigene Position zu bestimmen: Die Deutschen kämpften mit ihren ehemaligen Verbündeten den Kosovo-Albanern wieder gegen Jugoslawien, die Opfer von einst. Dazu musste eine eigenständige interessegeleitete Rolle der USA im Kosovo-Krieg negiert werden. In vielen antideutschen Analysen wurde daher behauptet, die die USA wären von Deutschland in den Krieg hineingezogen worden.

Erst mit dem 11. September rückte für die Antideutschen Israel endgültig in den Mittelpunkt. Sie ordneten den Anschlag als antisemitisch und gegen Israel gerichtet ein. Hiermit verschärfte sich die Debatte um den arabischen Antisemitismus, die schon mit der so genannten Al-Aksa-Intifada und der Eskalation im Nahost-Konflikt begonnen hatte. Die Antideutschen forderten unbedingte Solidarität mit Israel und den USA und forderten die USA erstmals sogar zu Militärschlägen auf und kritisierten sie dafür, dass diese nicht konsequent genug ausfielen. Die Kriege gegen den Irak und Afghanistan seien zum Schutz Israels notwendig. Es wurde gezeigt, wie sich der Schwerpunkt auf die Kritik des Islamismus und des arabischen Antisemitismus, der ähnlich bedrohlich wie der deutsche eingeschätzt wurde, verlagerte. In der Konsequenz wurde der Islamismus als neuer Faschismus eingestuft. Im Irak-Krieg zeigte sich ein weiteres Mal die Analogiebildung zum Zweiten Weltkrieg: Bushs „Koalition der Willigen“ wurde mit den Alliierten identifiziert, der Irak als „Frontstaat der islamischen Welt“ mit dem Dritten Reich.

Auch in der Organisierung gab es Veränderungen: Waren die Antideutschen zunächst nur eine publizistische Größe gewesen, bildeten sich nach dem 11. September und den sich häufenden Selbstmordattentaten in Israel in den meisten deutschen Städten antideutsche Gruppen, die sich zumeist an der „Bahamas“ orientierten. Dennoch konnte ihr Einfluss auf die Linke im Verhältnis zu ihrer personellen Größe als ungewöhnlich groß eingeschätzt werden. Viele linke Gruppen spalteten sich an der Auseinandersetzung um Israel und den Antisemitismus. Gegendemonstrationen zu linken Veranstaltungen wurden üblich, und auch tätliche Angriffe zwischen Angehörigen verfeindeter Gruppen sind keine Seltenheit mehr. 

7.2. Ausblick

Die Richtung, in die die antideutsche Linke sich entwickelt, ist derzeit noch nicht sicher vorherzusagen. Es hat den Anschein, dass sie den Höhepunkt ihres Einflusses auf die Linke bereits erreicht hat. Hatten die Antideutschen zeitweilig Erfolge zu verzeichnen, wie die Sensibilisierung der Linken für das Thema Antisemitismus, ist für die Zukunft eher ein gegenläufiger Trend zu erwarten, da die Antideutschen in großen Teilen der Linken mittlerweile als nach rechts gewendet angesehen werden. Das hat auf der anderen Seite auch zu einer Renaissance antizionistischer und antiamerikanischer Positionen geführt. Auch eine Reihe von proisraelischen Linken hat sich bereits von den Antideutschen abgewandt, die inzwischen nur noch mit „Bahamas“ identifiziert werden. Diese kritisieren die inflationäre Verwendung des Begriffs Antisemitismus. Andere werfen der „Bahamas“ vor, mit ihrem Bekenntnis zur westlichen Zivilisation und der Konzentration auf den Islamismus als Hauptfeind antideutsche Positionen aufgegeben zu haben.

Der Vorwurf, sie begäben sich auf den Weg zurück in die bürgerliche Wertegemeischaft, wird den Antideutschen schon seit ihren Anfängen gemacht. Für Teile der Antideutschen scheint dies mittlerweile eine wahrscheinliche Entwicklung zu sein. Sie publizieren bereits in konservativen Zeitungen wie der „Welt“. Die „Welt“ wurde auch von der „Bahamas“-Redaktion mit Lobeshymnen überschüttet: „umso bewundernswerter ist […] das, was Redakteure wie etwa Mariam Lau und Alan Posener in der „Welt“ leisten – deren Artikel werden aber regelmäßig immer noch übertroffen von den scharf durchdachten, polemisch treffsicheren und sachlich lehrreichen Artikeln des Redakteurs Hannes Stein.“ Letzteren vergleichen sie sogar mit Eike Geisel. Auch für die Neo-Konservativen in den USA bringen sie Bewunderung auf. Der „Konkret“-Verlag lehnte kürzlich sogar ein unter anderem von Thomas von der Osten Sacken herausgegebenes Buch ab, weil ihm die Sympathie für die amerikanischen „Neoconseratives“ zu übertrieben war. Klaus Thörner, der im Sturz Saddam Husseins die Chance für eine umfassende Demokratisierung der Region sah, knüpfte diese an die Bedingung der Wiederwahl des US-Präsidenten: „Nur wenn George W. Bush im November die US-Wahlen gewinnt, seine Regierung sich dauerhaft und konsequent an den Strategien der Neocons um Richard Perle und Paul Wolfowitz orientiert und es gelingt, den politischen Einfluss einer deutsch geführten EU im Nahen Osten auf ein Minimum zu reduzieren, besteht eine Chance für ein Ende von Hamas, Jihad, Hizbollah, al-Qaida und Arafat.“

Auf dem Weg zur Realpolitik wird auch die Bundesrepublik nicht mehr nur als Feind gesehen. Vor dem Irak-Krieg forderten Thomas Uwer und Thomas von der Osten Sacken in einem Memorandum von der Bundesregierung, dass diese sich „aktiv in die Gestaltung einer post-Saddam Ordnung einbringt“: „Es kann umgekehrt nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland sein, alleine am Status Quo eines zum Zusammenbruch verurteilten Regimes festzuhalten.“

Der Politikwissenschaftler Martin W. Kloke hatte in Bezug auf die Schwankungen im Verhältnis zwischen Israel und der deutschen Linken festgestellt, dass keine Linke vor 1967 so proisraelisch gewesen sei wie ausgerechnet die bundesdeutsche. Und keine sei nach 1976 so exzessiv antiisraelisch in Erscheinung getreten. Die Gründe sah er vor allem darin, dass Israel als Projektionsfläche für innenpolitische Auseinandersetzungen benutzt wurde. Nach den Ergebnissen der Untersuchung scheint auch der idealisierende Israelbezug der Antideutschen hier keine Ausnahme zu bilden.

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Editorische Anmerkungen

Der vorliegende Text ist die Magisterarbeit des Autors am Forschungsinstitut für Politische Wissenschaften und europäische Fragen der Uni Köln. Sie wurde dort am 26.7.2004 vorgelegt.

http://trend.infopartisan.net/trd0405/t030405.html

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Ausgesprochen interessant, dass die in Köln anscheinend irgendwo bekannte Autorin obigen Artikels namens „Melanie Breuer“ auf indymedia zu "MutBewegte" mutierte..
Möge sich der Leser selber ein Bild vo der Veranstaltung machen.
Mein Bericht von der Veranstaltung, wie er bei http://www.salz-köln.de erschien.

von Horst Hilse

Unter diesem Motto fand am Montag, dem 21. Juni in Köln eine spannende Veranstaltung statt. Über 70 Personen hatten auf Einladung von linkem Dialog in Kooperation SALZ-Köln den Weg in die Alte Feuerwache gefunden um sich mit dem komplexen emotionsgeladenen Thema auseinanderzusetzen.

Als Referenten führten Harri Grünberg, Mitarbeiter der Bundestagsfraktion der Partei 'Die Linke.', sowie Hermann Dierkes, Aktivist der Palästina-Solidarität in jeweils 25 minütigem Vortrag in die schwierige Thematik ein. Die Moderation managte Thiess Gleiss.

Harry Grünberg verfolgte die Geschichte des Zionismus als eine Strömung des Judentums und kontrastierte sie mit der sozialistischen Bewegung.
Er konstatierte ein doppeltes Versagen der sozialistischen Bewegung: Sie war nicht in der Lage, den Faschismus zu verhindern sowie die Juden vor dem furchtbaren Ausrottungsfeldzug der Nazis zu schützen. Unter der Herrschaft des Stalinismus wurde zudem einem linken Antisemitismus mit dem Vorwurf des „Kosmopolitismus“ Vorschub geleistet. Nicht nur die bürgerliche Welt habe den Anspruch der völligen Gleichberechtigung aller Menschen verfehlt, sondern auch die Arbeiterbewegung habe - zumindest bisher - ebenfalls Ausgrenzung und Diskriminierung toleriert.

Ausführlich ging der Referent auf die Gründungsgeschichte des Staates Israel ein und zeichnete die internationale politische Debatte nach: Frankreich sollte zwecks Staatsgründung Madagaskar, England einen Teil Ägyptens zur Verfügung stellen. Schliesslich gab England als Mandatsmacht über Palästina nach dem Horror der Shoa den Widerstand gegen massive Einwanderungen auf und die Landnahme erfolgte oftmals regellos und willkürlich. Russland unterstützte damals die Staatsgründung intensiv und nachdem mehrere arabische Staaten 1948 Israel den Krieg erklärt hatten, erfocht Israel seinen grandiosen Sieg mit russischer Waffentechnik.

Innerisraelisch standen sich zwei Staatsvorstellungen gegenüber: Die linke Konzeption (die linkssozialistische Mapai- Partei war damals in Israel eine wichtige Kraft) eines säkularen Staates mit völliger religiöser Neutralität konkurrierte mit der zionistischen Konzeption eines „jüdischen“ Staates. Sie setzte sich schließlich durch.

Zum Schluss seiner Ausführungen verwies er auf den eklatanten Unterschied zwischen den sehr rationalen Argumenten des Zionismus und der völlig irrationalen Religiosität der heutigen Siedlerbewegung in Israel. Der starke irrationale Rechtsruck wird auch darin deutlich, dass in der jetzigen Regierung faschistische Kräfte Einfluss haben können. Zusammenfassend konstatierte der Referent, dass der Zionismus mit der bewussten Schaffung einer „jüdischen Heimstatt“ historisch recht gehabt hätte, da auch die sozialistische Linke nicht in der Lage war, Diskriminierung zu verhindern und die Sicherheit für Menschen jüdischen Glaubens zu gewährleisten.

Dieser Einschätzung widersprach Herrmann Dierkes. Er verwies auf die vielen Menschen jüdischen Glaubens in den linkssozialistischen Bewegungen Europas vor dem Kriege. Die Diskriminierungen unter stalinistischen und poststalinistischen Staaten, betrafen auch andere Bevölkerungsgruppen und dienten den Herrschenden dazu, Sündenböcke zu produzieren um für selbst produzierte Fehlentwicklungen nicht haftbar gemacht zu werden.

Für Dierkes war der Zionismus von Anfang an eine religiös fundierte Bewegung, die ihre Ansprüche aus der religiösen Fundierung ableitete. Sie war daher nicht in der Lage, das Konzept eines säkularen Staates ernsthaft zu erwägen. Heute gäbe es auch 24% israelische Staatsbürger nichtjüdischen Glaubens und diese seien gemäß der religiösen Logik rechtlich, politisch und gesellschaftlich erheblich diskriminiert. Diese Staatskonzeption sei in der heutigen modernen Welt eine Quelle ständiger Konflikte. Auch viele Israelis sähen heute dieses Manko und dringen auf eine Debatte über den Charakter des Staates.

Dieser Staat verfüge als einziger in der Region über Atomwaffen, drohe auch als einziger mit dem Einsatz dieser Waffe, weigere sich dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, missachte mehrere UN-Resolutionen, missachte internationale Regeln des Völkerrechts, setze die Armee gegen zivile Großstädte und zivile Demonstrationen ein, mache sich der Piraterie schuldig und verweise ständig auf die Bedrohung durch den Terror. Dierkes fragte rhetorisch, ob denn die betroffenen Palästinenser angesichts dieser Situation Briefe an den Papst schicken sollten und sprach sich für das einzige zivile Mittel aus: den Boykottaufruf, der mittlerweile von vielen Gewerkschaften aktiv umgesetzt werde: Schweden, Irland, und nun auch französische Hafenarbeiter, die Schiffe nicht entladen… Diese zivilen Mittel halte er für geboten, wenn Staaten eine derartige Politik betreiben würden und wie sich zeige, seien sie auch erfolgreich.

Dass man damit in Deutschland auf große Schwierigkeiten stoße, weil die Erinnerung an die faschistische Kampagne sofort aufkomme, sei ihm bewusst. Aber dieser Boykott richte sich nicht gegen Menschen eines bestimmten Glaubens oder gegen eine diskriminierte Minderheit, sondern gegen einen bürgerlichen Staat, der alle Regeln des Völkerrechts missachtet. Jeder Vergleich sei daher unsinnig.

Zwei Zuhörer der Veranstaltung waren hellauf empört und verließen kurzfristig den Raum. Sie konnten jedoch überzeugt werden, sich an der Debatte zu beteiligen. Sie verwiesen darauf, dass es bezeichnend sei, dass nur über die eine Seite der beteiligten Konfliktparteien geredet wurde.

 - woraufhin ihnen mitgeteilt wurde, dass dies bewusst so geplant war, um über die in den deutschen 'Mainstream'-Medien ausgeblendete Seite auch mal zu informieren. Sie bewerteten beide Referate als ausgesprochen schlecht, konnten jedoch keine Richtigstellung einbringen.

Der Vertreter der palästinensischen Gemeinde verwies darauf, dass die Palästinenser heute unschuldigerweise zu leiden hätten, weil der Faschismus in Zentraleuropa furchtbare Verbrechen an den Juden begangen hatte, die sich niemals wiederholen dürften. Es gehe ihnen nicht darum Juden zu bekämpfen, sondern die Frage sei, wie man einem Staat Einhalt gebieten könne, der eine ganze Bevölkerung diskriminiert, vertreibt, ihrer Existenzgrundlage beraubt und als Antwort auf Proteste nur den Einsatz der Armee kenne, die selbst gegen Kinder vorgeschickt würde.

Er habe die starke Vermutung, dass der ständige Kampf gegen die Palästinenser dazu benutzt würde, um den Zusammenhalt der israelischen Gesellschaft zu gewährleisten. Ein Großteil der Israelis würde sehr schnell und gut nachbarschaftlich mit Palästinensern zusammenleben, wenn es Frieden und einen Palästinenserstaat geben würde, während ein anderer Teil weiterhin hetzen würde.

Hermann Dierkes stimmte dieser Einschätzung zu und unterstrich, dass das aber auch für die arabische Seite insgesamt, also auch auf arabische Staaten zuträfe, die ohne den Konflikt von Zerfall bedroht wären.

Beide Referenten gestanden ein, dass sie keine Lösung „aus der Tasche ziehen“ könnten. Aber als deutsche Staatsbürger sollten wir fordern, dass die permanenten Waffenlieferungen in das Krisengebiet beendet werden müssten. Ferner sei Frau Merkel heftig zu widersprechen, wenn sie formuliere, dass man „bedingungslos“ zu Israel stehe. Diese Position heize den Konflikt weiter an.

Nach 22 Uhr beendete der Moderator die Diskussion aus Zeitgründen und viele trafen sich dann am Biertisch in der Gaststätte, um noch bis in die Nacht bei Kölsch weiter zu debattieren…

h.hilse