STAAT, POLIZEI, RIOT UND DIE LINKE - THESEN ZU HAMBURG

Alles zum G20-Gipfel 2017 auf Indymedia linksunten

Einige rohe Thesen zu den Ereignissen der letzten Tage, zur autoritären Formierung der deutschen Gesellschaft und zur Rolle der Linken in den G20-Protesten.


1. Politik und Sicherheitsbehörden in Hamburg haben die radikale Linke frühzeitig als Feind_innen ihrer Ordnung identifiziert und entsprechend behandelt. Neben dem Verfassungsschutz, der einzelne Linke im Vorfeld des Gipfels namentlich outete, trat insbesondere die Hamburger Polizei um Einsatzleiter Dudde von vorneherein als eigenständiger Akteur auftrat. Äußerst repressiv und zum Teil unter Missachtung der Judikative sollte jeder Widerstand, der die engen Spielregeln des demokratischen Schauspiels überschreitet, erstickt werden. Mit dem Verbot der Camps setzte die Polizei die Zeichen von Vorneherein auf Konfrontation, auch den einfachen Bullen auf der Straße wurde damit das Signal zum durchaus körperlichen Zuschlagen gegen die Linken gegeben.

2. Die Exekutive in der bürgerlichen Gesellschaft ist notwendig immer im Ausnahmezustand, da sie in jeder Situation spontan über die Anwendung von Gewalt entscheidet. Der Ausnahmezustand ist also nicht das Äußerliche der bürgerlichen Gesellschaft, sondern alltäglicher Bestandteil ihrer Herrschaftspraxis. Die Polizei hat sich in Hamburg jedoch in einer vorher in der BRD lange nicht gesehenen Weise selbst ermächtigt und trat als quasi-autonome Gang zur Bekämpfung der Linken auf. Das rechtsstaatliche Kostüm und zivilisierte Restriktionen wurde weitgehend abgelegt, sehr offen haben Bullen Grundrechte ignororiert sowie wiederholt und massiv Journalist_innen, Sanitäter_innen und Anwält_innen beleidigt, bedroht, in ihrer Arbeit gehindert und vor allem körperlich angegriffen bis hin zu stationär behandelten Verletzungen. Proteste gegen dieses zum Teil faschistoide Vorgehen kamen zwar nicht nur von Linken, sondern auch aus der bürgerlichen Presse - die Polizei konnte diese Kritik jedoch an sich abprallen lassen, auch weil von Seiten der etablierten Politik keine Polizeikritik zu hören war.

3. Hamburg war eine bedeutende Station in dem bereits lange währenden Prozess der Militarisierung der Gesellschaft. Sei es die Unterstützungsleistung der Bundeswehr beim Polizeieinsatz, die ständige Präsenz von schwerem Gerät in Form von Wasserwerfern und Räumpanzern und natürlich der Einmarsch schwerstbewaffneter Sondereinheiten am Freitag und Samstag abend ins Schanzenviertel incl. Richten von Schusswaffen auf Protestierende, Journalist_innen und Anwohner_innen: es geht hier um die gezielte Legitimation militärischer Verkehrsformen im Inland. Dazu gehört auch die verbale Aufrüstung (!), etwa durch den inflationären Gebrauch von martialischen Termini wie "Bürgerkrieg" oder die Bezeichnung der Polizist_innen als "Helden" (Olaf Scholz).

4. Die in der bürgerlichen Presse nach der im Vorfeld geplanten Zerschlagung der "Welcome to Hell"-Demo aufscheinende Kritik am selbstherrlichen Vorgehen der Polizei war spätestens seit Freitag abend mit den Riots im Schanzenviertel kaum mehr zu hören. An ihre Stelle trat die Empörung über brennende Barrikaden und Autos sowie geplünderte Geschäfte. Nicht nur die Politik, sondern auch die Volksseele kochte, wie etwa in unzähligen hasstriefenden Kommentaren auf Facebook und twitter nachzulesen ist. Das zum Teil grenzenlose, sadistische und bis hin zu Vernichtungsfantasien reichende Gegeifer des Mobs wird von der etablierten Politik nur geringfügig abgemildert und sublimiert, indem von SPD, CDU etc. unentwegt nach konsequenter Verfolgung und Bestrafung gerufen wird. Selbst die taz titelte "Merkel und der kriminelle Mob". Besonders drastisch sind die extremismustheoretischen Gleichsetzungen von Links und Rechts und die offenen Verharmlosungen des Nationalsozialismus etwa durch SPD-Politiker_innen, die von "schwarzer SA" und "1933" fantasieren. Der G20 wird damit auch Katalysator einer weiteren Banalisierung und Instrumentalisierung des historischen Nationalsozialismus.

5. Von der eruptiven Massenmilitanz ging eine mehr oder weniger unbewusste Faszination und Irritation für die Gesellschaft aus, die sich im Diskurs über die "sinnlose Gewalt", aber auch in endlosen Livestreams und den Selfies vor den brennenden Barrikaden äußerte. Diese Irritation musste sogleich wieder vergessen gemacht werden, indem die Schanze am Morgen danach in einer Bürgeraktion aufgeräumt wurde. AlJazeera betitelte ein Video über diesen spontanen Putzwahn "Thanks to german Efficiency". Das Aufräumen danach ebenso wie die Entschädigung für die Schäden der Massenmilitanz wird zur "nationalen Aufgabe" (SPD-Chef Martin Schulz) stilisiert. Während den NSU-Opfer bzw. deren Angehörigen nur 10.000 bzw. 5.000 Euro zugesprochen wurden, soll hier nun offenbar jedes abgefackelte Auto entschädigt werden. Kritische Kommentator_innen wiesen zudem auf die Diskrepanz zu den Opfern des historischen Nationalsozialismus hin, von denen viele bis heute nicht einen einzigen Euro gesehen haben, oder
zu den Opfern des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen, von denen viele abgeschoben wurden

6. Plünderungen, Barrikadenbau, Angriffe auf staatliches Herrschaftspersonal etc. können Mittel im emanzipatorischen Kampf sein. In Deutschland sind durch einen repressiven Polizeiapparat und eine schwache subversive Bewegung solche Mittel nur im seltensten Fall anwendbar, schon gar nicht durch eine große Masse und über eine längere Dauer hinweg. Hamburg hat nach langer Zeit wieder einmal gezeigt, dass es anders geht, und dass punktuell dem Staat die Kontrolle abgenommen werden kann. Hamburg hat aber auch die Gefahren einer solch unkontrollierten Situation inmitten einer menschenverachtend strukturierten Gesellschaft gezeigt: verantwortungslose Arschlöcher, die es zuhauf gibt, drehen frei und zünden in omnipotenter Euphorie blind alles an, was brennbar ist.  Die Gefährdung von Leib und Leben Unschuldiger wird dabei in Kauf genommen. Ohne sich wie von Andreas Beuth und anderen geschehen aus taktischen oder lokalpatriotischen Gründen ("unser Viertel") zu distanzieren: die Linke kann ein solches Verhalten aus moralischen Gründen nicht hinnehmen. Wenn sie zu schwach ist, um in solchen Situationen selbst einzuschreiten und zu verhindern, dass Menschenleben gefährdet werden, darf sie solche Situationen eben nicht herstellen. Heißt konkret: den Riot nur soweit treiben, wie eine Übernahme durch menschenverachtende Hools ausgeschlossen ist - also im Zweifelsfall auch eine Barrikade wieder abbauen oder ein Feuer mal selbst löschen, bevor jemand stirbt.

7. Die Massenmilitanz führte zu einer Beteiligung widerlichster Personengruppen an den Riots. Wer auch immer im Einzelnen daran beteiligt war: allein schon die andauernde Beleidigung der Bullen als "Huren", "Hurensöhne" oder "Fotzen" ist nicht zu tolerieren. Mit solchen sexistischen Mackern kann es keine linke Praxis geben. Es zeigt sich auch hier: die politischen Gegner_innen stehen leider nicht nur auf der anderen Seite der Barrikade.

8. Nicht nur Sexist_innen, auch offene Antisemit_innen sind in der Linken offenbar willkommen. So konnten auf dem von u.a. attac, den Antiimps vom "Roten Aufbau" und der Interventionistischer Linnke getragenen Camp die Antizionist_innen des Internationalistischen Blocks rund um BDS und FOR Palestine ein eigenes Barrio etablieren und u.a. eine Vrranstaltung "Intifada bis zum Sieg" durchführen. Auch Ums Ganze hat sich letzten Endes an diesem Camp beteiligt. Eine öffentliche Kritik, Distanzierung oder Ausladung der Israelhasser_innen gab es von den sonstigen Campgruppen nicht. Immerhin gab es einen Offenen Brief gegen Antisemitismus und ein entsprechendes Transpi auf dem Dach der Roten Flora. Dennoch konnten sich die Antisemit_innen
wie die Fische im Wasser in den linken Protesten tummeln und die großen Bündnisse (IL, UG) schweigen wie seit Jahren gewohnt zum linken Judenhass. Ein fortwährender Skandal, dem weiter mit vehementer Kritik begegnet werden muss.

9. Die G20 sind nicht die heimlichen oder offenen Herrscher_innen der Welt, sondern die Charaktermasken von Staat und Kapital. Ein Protest, der sich so stark auf ein einziges Gipfeltreffen richtet, erzeugt notwendig zumindest eine Verkürzung von radikaler Kritik, wenn nicht ein Verharmlosen des kapitalistischen Alltags, der uns alle mit seinen Zwängen beherrscht. Zudem ging der Protest häufig mit einem lokalpatriotischen Bezug auf das angeblich so weltoffene und linke Hamburg einher, das sich gegen die international angereisten "Gäste" des G20 zur Wehr setzen müsse. Die eigene Stadt wird so romantisiert, statt Hamburg als deutsche Großstadt, die u.a. eine erschreckende Normalität polizeistaatlichen und rassistischen Agierens
aufweist, zu denunzieren. Die linken Strukturen in Hamburg und Deutschland haben sich zudem sehr stark in der Vorbereitung und Durchführung der Proteste verausgabt. Eine ähnliche Energieleistung ist an keiner Stelle gegen Phänomene wie die massenhaften Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte, die widerstandslos durchgewunkenen Asylrechtsverschärfungen oder PEGIDA/AfD zu beobachten. Wieso wurde nicht einmal der Aufruf gestartet, zB am letzten Jahr Dresden anzugreifen, als dort am 3.10. der sogenannte Einheitsfeiertag begangen wurde? Alles in Allem bleibt das Bild einer Linken, die sich populistisch auf gesellschaftliche Strömungen und Stimmungen - etwa das Ressentiment gegen "Die da oben" - aufsetzt, anstatt GEGEN die
gesellschaftlichen Strömungen zu arbeiten und kapitalistischer Verwertung im Alltag mit all ihren rassistischen, antisemitischen und sexistischen Implikationen entgegen zu treten.
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Der bislang beste Beitrag zu den Ereignissen in Hamburg.

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Guter Kommentar!

Danke!

 

P.S.: Sollte ein Anfang in der kritischen Aufarbeitung der G20 "Veranstaltungen" sein!

 

#NOG20 #FCKG20

Inwiefern es sich tatsächlich um einen Kontrollverlust der Bullen gehandelt hat, kann bezweifelt werden - war das Viertel doch auffallend schnell geräumt, als sich die Bullen "gesammelt" hatten und das SEK am Start war. Es scheint sich eher um eine besonders gut kontrollierte Situation gehandelt zu haben, welche eingebettet war in eine Strategie um die Diskursdeutung rund um den G20 und die Proteste wieder in staatliche bzw. polizeiliche Hände zu bekommen. Man hat die Wut und Gewalt schlicht durch Isolation in Viertel kontrolliert zur Explosion gebracht und ihr dabei zugleich die sinnvollen und vermittelbaren Ziele genommen. Statt sich also primär gegen die Politiker_innen und Polizist_innen zu richten wurde halt das Viertel kurz und klein geschlagen, weil die Wut raus musste - das alles unter Beobachtung der Polizei, die damit wieder jede Legitimität und die öffentliche Meinung auf ihrer Seite hatte um ihr unverhältnismäßiges und rechtswidriges Vorgehen rund um den Gipfel zu rechtfertigen. Die Randale war eine Falle mit Köder, in die die Menschen naiv getreten sind. Das kann verhindert werden, indem Militanz in Zukunft bewusst zielgerichteter stattfindet, durch sie eröffnete Räume für Selbstorganisation, vermittelbare Aktionen oder die Ausweitung dieser Räume genutzt wird oder die Militanz auch einfach eingestellt wird, wenn ihr die Dynamik oder die Ziele für zuvor genanntes fehlt. Letzteres ist auf jeden Fall besser, als kaum zu vermittelnde Aktionen oder Gewalt ohne Sinn, die nur Mackerbedürfnisse befriedigt.

Es braucht mehr Debatte um die Bedingungen und den Sinn und Zweck von Militanz. Z.B. hätte durch bessere Vorbereitung und bessere Organisation einerseits bewirkt werden, dass die Bullen tatsächlich die Kontrolle verlieren und andererseits die dadurch eröffneten Räume sinnvoller genutzt werden, als für einen Riot, der in seiner Form alles andere als nachhaltig war und Perspektive hatte. Neben der Energie, die zur Organisation eines Riots aufgewendet wird, sollte die radikale Linke ebensoviel Energie aufwenden, wie sie die Freiheit nutzen kann, die durch sie entstehen kann. Wenn die eröffneten Räume mit Prozessen der Selbstorganisierung und Verstetigung gefüllt werden, was voraussetzt, dass gerade die radikal linken Militanten weiter denken, als wie sie die Angriffe auf die Polizei durchführen können, dann kann Massenmilitanz einiges an Wirkung entfalten - andernfalls ist sie ein Strohfeuer, dass außer ein bisschen Empowerment für die heil davon gekommenen und die Befriedigung von Mackerbedürfnissen nichts bringt, außer die radikale Linke gesellschaftliche zu isolieren, da sie für die breite Masse der von Herrschaft betroffenen Menschen keine praktikablen und sinnvollen Alternativen anzubieten hat.

als ob das Viertel kurz und klein geschlagen wurde.. ihr lest alle zuviel Bild! War sehr zielgerichtet in der Schanze!

Auch nach Wackersdorf und der Rache dafür durch die Bullen 14 Tage später in Kleve am Vorabend des Hamburger Kessels.

Nur da gab's kein Internet, da warteten die, die nicht dabei waren brav auf die Aufarbeitung durch autonome Medien inklusive Abschriften des Bullenfunks und Pressespiegel als Layout, denn eins wurde immer begriffen: Auch die persönlichen Berichte von Beteiligten können immer nur einen ganz kleinen Ausschnitt liefern, weshalb die derzeitigen "Auseinandersetzungen" einfach lächerlich und völlig banane sind; jede/r, die Mal auf ner Demo mit 1000 Leute war, wo's richtig krachte, müßte das eigentlich wissen. Deshalb ist es billiger Journalismus ein (Gesamt-)Bild zu kreieren, letztendlich machen das eh nur Leute, die ihre selektive (und vor allem NICHT KOLLEKTIVE) Wahrnehmung eh nur benutzen, um was zu verkaufen.

Allerdings traute niemand damals den Medien, es gab ja bereits heftige Kämpfe an der Startbahn-West Anfang 80, die in den Medien nicht stattfanden, bzw. fast, denn erwähnt wurden sie schon irgendwie, allerdings nur als Verkehrhinweis, um damit quasi der Informationspflicht genüge zu tun.

Der Spiegel z.b. war nicht nur der Erfinder der späteren "Das Boot ist voll-"Kampagne, die zu Rostock und Hoyerswerda führte, sondern schon immer die Speerspitze gegen die Autonomie, typisch für ehemalige Linke und spätere Sozialdemokraten, die Revolutionären immer gefährlicher waren als die Lappen von CDU/CSU und daß die Bullen die Wochen zuvor nicht mal ansatzweise drauf trainiert hatten gegen Festnahmen und Prügelorgien verhindernde Distanzwaffen vorzugehen, zeigt eindeutig wie aufgeblähter Wahlkampf geht und scheinbar wußten sie längst, daß diese Waffen nicht zum Einsatz kommen würden.

Randale wie sie in anderen europäischen Städten alle paar Wochen abgeht, verdient allerdings keine wochenlange Auseinandersetzung, solange sie nicht "militant" geführt wird. Damit macht sich eine Bewegung absolut lächerlich und wirkt wie ein Hühnerhaufen, der zudem nicht sieht, daß der Fuchs längst eine Gans im Maul hat.

Danke für den schlüssigen Beitrag. Ergänzend noch:

 

Miltanz auf Großereignissen zu erproben, damit Menschen Erfahrungen für den Alltag machen können, Signale gegen die Ohnmacht gesendet werden können, das kann ein weg sein -richtig. Wichtig ist dabei, ob eine Vermittlung geschieht. Und zwar an Leute die einen Wunsch nach (inklusiver) sozialer Gerechtigkeit und Solidarität in sich tragen und die am ehesten zukünftige Bündnispartner_innen in der Gesellschaft sein könnten. Das kann einerseits durch den gewählten Anlass militanter Großproteste geschehen, wenn z.B. um die Verhinderung eines Gesetzes gekämpft wird, dass für die Mehrheit soziale Einschnitte bedeutet (siehe versuchte Arbeitsmarktreform Frankreich). Andererseits kann die Vermittlung aber auch durch mutiges Argumentieren im öffentlichen Diskurs geschehen. Zur aktuellen Stunde haben Linken-Hasser aus allen Parteien und Lagern das Wort. Solche Proteste vorzubereiten, müsste auch heißen mit entsprechenden Institutionen, Organisationen und Presseteams bereit zu sein um unmittelbar nach den Protesten die Militanzdebatte von links/libertär in den Medien zu führen.

... ist nicht links.

Deutungsvorschlag zur Güte:

 

links/libertär: lies: links und/oder libertär, wiederum libertär i.S.v. antiautoritär.

 

Zur Ergänzung wie ich's meine und verstehe: Siehe "Politischer Kompaß", die eine Achse links <-> rechts, die andere Achse autoritär <-> libertär.

 

und ja, links ist beileibe nicht immer libertär/antiautoritär (siehe Stalinismus oder wenigstens etwas besser knallharte linke Parteikaderideologie, "links" aber autoritär bis zum Anschlag), ebenso wie es einige eher rechte Strömungen gibt, die man eher als autiautoritär einordnen würde (Reichsbürger etwa, oder einige Rednecks/Prepperszene in den USA).

Guter Aufschlag. Bis zum Punkt 8 ging ich noch mit. Trotz stellenweise recht plakativen Sätzen ("Wenn sie zu schwach ist, um in solchen Situationen selbst einzuschreiten und zu verhindern, dass Menschenleben gefährdet werden, darf sie solche Situationen eben nicht herstellen" - was habe man sich darunter vorzustellen? es wird auch durch "heißt konkret" nicht konkreter) und anderer Kleinigkeiten.
Punkt 9 geht dann aber völlig in eine schräge Richtung. Zum einen ist die Bedeutung einer internationalen oder wenigstens europäischen Mobilisierung zu einem Punkt, Event o.ä. nicht zu unterschätzen. Die ermöglicht eine politische Auseinandersetzung und Zusammenarbeit, die es im Alltag nicht gibt. Kann man darauf verzichten? Ich denke ja, aber dadurch wäre nichts gewonnen. Es gänge aber verloren: die Inspiration, die Leute mit zurück nehmen (nicht nur in Metropolstädte), die Erfahrungen, dass Dinge auch mal funktionieren, dass man sich mit ausreichend Bewegung auf der Straße auch der übermächtigen Polizei entziehen kann... Am Beispiel HH: Es gab nicht nur das Schanzenviertel des nachts. Die Presse berichtet davon nicht? Die erzählt aber eh nie die ganze Geschichte und das wissen die Leute die da waren und die denen sie davon erzählen.
Stattdessen ein nationales Event wie der 3.10 statt Themen, die 20 Länder+X betreffen? Der freie Tag, den außer der Linken niemand ernst nimmt? Den besten Kommentar geben die Leute ab, die an dem Tag in den Garten fahren. Und das sind echt viele. Man kriegt zum Ostermarkt mehr Leute zusammen als für diese Feier nationaler Prägung. Man erreicht mehr Leute wenn man Flugblätter in der Einkaufszone verteilt.

Ein anderer Punkt stört mich aber noch mehr. Der Text wendet sich gegen des Ressentiment gegen "die da oben" (wenn sie G20 heißen, nicht, wenn sie. Warum eigentlich glauben Linke so oft sie müssten für die Charaktermasken in die Bresche springen? Was spricht dagegen bei denen, die den "oben" misstrauen zu schauen was dahinter steckt? Sie auf Ideen zu bringen, dass der Reflex nicht falsch ist, aber nicht weit genug geht?
Der Text erzählt davon, dass "die Linke" doch bei Auseinandersetzungen, deren Verlauf sie moralisch nicht mittragen kann, einschreiten soll. Oder irgendwas gleich lassen soll. Warum? Warum ist "die Linke" für Entwicklungen verantwortlich, die sie stellenweise gar nicht will, die Charaktermasken aber nicht für ihre Entscheidungen? Denn, Masken hin oder her, sie fällen Entscheidungen.

Zuletzt noch. Es gibt locker 20 andere politische Themen, die eine umfassende Beschäftigung und Mobilisierung verdienen. Gipfelereignisse macht aus dass sie viele davon abdecken. Oder anschlussfähig sind. Man kann nicht wollen dass Facebookgesetz und Asylstopp, Pegida und ARD-Gesetzesvorhaben gegeneinander ausgespielt werden.

Oder wie es bei einigen Generalstreiks und zu Aktionstagen wie zum 6. Dezember und den (Anti-)Paraden zum OXI-Tag in Griechenland gang und gäbe war und wozu in Griechenland landesweit bereits Tage vorher Universitäten, Schulen, Gewerkschafts- und Rathäuser besetzt wurden.

Diese Besetzungen waren meist groß angelegt, um während der Aktionstage allen Kämpfenden und organisierten Nachbarschaften die Möglichkeit zu eröffnen sich auszutauschen und zu organisieren; glaubt nicht die Märchen, daß das ganze Material zur Verteidigung gegen die Bullerei von außen auf geheimnisvolle Weise "mitgebracht" wurde.

Diese Möglichkeit zur Vollversammlung gibt's nicht in Medien und im Internet, was mit ein Grund ist zu besetzen; die sogenannte Occupy-Bewegung fing so übrigens auch an, allerdings auf dem Syntagma-Platz, eigentlich endete sie dort auch, denn was danach kam waren Kopien des Bildes was die Medien davon schufen. Da die Medien im arabischen und russischen Raum den Ereignissen in Griechenland weit mehr Raum gegeben haben als im Westen, hat der Westen z.b. auch nicht wahr genommen, daß die Aufstände in Griechenland sowohl dem arabischen Frühling als auch dem Maidan als Blaupausen dienten, allerdings medien- und inhaltebereinigt.

Ähnliche Gründe führten dazu, daß in Griechenland generell wesentlich mehr über die Strasse lief als über's Internet, natürlich nicht zuletzt, weil viele diese Möglichkeit eh nicht besitzen (wollten) aber generell, weil eine Auseinandersetzung über Medien der totale Schwachsinn ist, weil die meisten, die sich daran medial beteiligen, überhaupt nicht dabei waren und alles zusammen mit den Medien zu ihrem Senf verdrehen (werden) und da es in Deutschland scheinbar wenig Verankerung oder gar Vertrauen in die Klasse zu geben scheint, sollte sich auch überlegt werden wie bei solchen Versammlungen alles Mediale, Digitale und Repressive draußen bleibt.

Aber unterschätzt die Klasse nicht, sie ist durchaus in der Lage sich ein eigenes Bild zu bilden und benutzt Medien und Politik eher wie einen Comik als zur Meinungsbildung, auch Wahlen interessieren sie nicht die Bohne, weil es keine Parteien gibt, die rigoros mit Ausbeutung aufräumen wollen, z.b. die Abschaffung der sog. "Scheinselbstständigkeit", von der inzwischen Millionen betroffen sind und viele Hartzer betroffen waren, während ihre Angehörigen und Freunde sich zusätzlich mit Minijobs quälen müssen. Für diejenigen, die den Parlamentarismus entlarven wollen, sei gesagt, daß das ein Wählerpotential von weit über 10% ausmacht und die einzigen, die diesen Weg bisher eingeschlagen haben, sind die Zusammenhänge, die in Chile zur erfolgreichen Gründung der "Autonomen Partei" geführt haben.

Liebe Linksradikalen,

 

was wir am Wochenende gesehen haben, war das Eigentor in seiner reinsten Form, die Suche nach einem besseren Beispiel dürfte sich schwierig bis unmöglich gestalten.

 

Nach einem Wochenende voller sinnloser Gewalt, Rauchschwaden über Wohnvierteln, Brandschatzung von Einzelhändlern etc. ist die einzig profitierende Kraft die Rechte und alle die, die sich einen starken Polizeistaat wünschen. Welcher Auszubildende, welcher Abiturient, welcher Politikstudent soll sich nach diesen Bildern noch für eure Idee begeistern? Wer soll dem Aufruf zum antifaschistischen Widerstand nun noch folgen?

 

Es ist wahnsinnig traurig, dass Berichte über eine Demonstration mit knapp 80.000 Teilnehmern komplett untergehen, dass die Inhalte der Demonstranten komplett untergehen, dass die Erinnerung an den G20 nicht Bildern von friedlichem (aber deutlichem) Protest, sondern nur mit brennenden Kleinwagen verknüpft sein wird.

 

Wer jetzt diese Aktionen noch verteidigt, hat einfach gar nichts verstanden. Realitätsferne Utopien - keine Nationalstaaten, keine Polizei, alle Menschen in friedlicher Eintracht ohne jegliche kontrollierende Instanz - waren schon vorher und sind jetzt auch für den Letzten deutlich als weltfremde Romantik entlarvt.

 

Es ist ein Trauerspiel. Man hat das Gefühl, dass die vermeintliche moralische Überlegenheit und die damit verbundene unverhohlene Arroganz gegenüber anderen Weltanschauungen (die gerne durch unnötig hohe Frequenz von Fremdwortgebrauch noch zelebriert wird; als wären alle ständig im Proseminar...) Teile der Linken jeglicher Räson gegenüber unzugänglich macht, was sich zwar auf Blogs wie diesem nett liest, in der echten Welt - von der man nur leider nichts wissen will - aber konkret die AFD auf über, und die Linke auf unter 5% drückt.

 

Danke für nichts.

statt "Eigentor" könnte man allerdings besser von einem klassischen "Pyrrhussieg" sprechen - ein kleiner taktischer "Sieg" (3 Stunden  befreite Zone im Schanzenviertel), der die Voraussetzung für einen kapitalen strategischen Rückschlag schuf.

 

In der Tat haben die Krawall-Machos es geschafft

a) die sehr guten Inhalte der friedlichen Gegenveranstaltungen komplett aus den Medien zu verdrängen (prima, feiiiiin gemacht)

b) das "eigene" Viertel zu zerlegen und damit die eigene Dummheit zu beweisen

c) der Bevölkerung anschaulich vor Augen zu führen, wie sich das Leben in einer von der Staatsgewalt befreiten Welt anfühlen wird (wirklich verlockend)

 

Das war eine einzige Bankrott-Erklärung. Wer diesen Weg weitergehen will, sollte sich vorher mal mit den Ex-RAF-Kadern unterhalten. Die können erzählen, wo dieser Weg hinführen wird (wahlweise Friedhof oder Knast).

Es gab verschiedene dort agierende Leute. Nicht nur Leute, die sich auf herumstehende Güter stürzten. Wenn Leute die Polizei zurück drängen haben die keinen Blick auf das was hinter ihnen geschieht. Ohne die Zerstörung würden doch nicht wenige sagen: die Polizei konnte erfolgreich zurückgehalten werden. Die Kritik wäre eine ganz andere.

Die "sehr guten Inhalte der friedlichen Gegenveranstaltungen" haben die Leute aber nicht aus den Medien verdrängt. Das machen all die schon selbst die jetzt etwa auch hier an allem vorbei sehen und sich nur mit dem Abenden in der Schanze beschäftigen. Wenn dich das stört, poste über die Demo am Samstag.

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"die linke" kann auch raus aus den parlamenten, als linker brauchste sicher nicht "die linke", wenn sie regieren, regieren sie rechts, so wie alle, zumindestens auf wirtschaftlicher ebene!

Gähn... schon wieder die Adornofundamentalisten an der Tastatur...

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wer 1932 nicht stecken bleiben will kommt um adorno nicht herum!

hi

Es geht nicht nur um Linke oder gar Die Linke!

An den Krawallen und Plünderungen haben sich alle möglichen Leute beteiligt, eben auch ärmere und nicht nur aus Juxunddollerei.

 

Die Debatte bitte nicht so beschränken auf das linke Volk untereinander, sondern mit einbeziehen, was auch sonst alle Leute gegen G20 haben und oder für sich daraus machen.