Die Filmemacherin und Friedensaktivistin Iara Lee hat am vergangenen Donnerstag auf einer Pressekonferenz in der Dag Hammarskjold Library der Vereinten Nationen in New York Filmmaterial vorgestellt, das sie in der Nacht zum 1. Juni an Bord der Mavi Marmara vor und während der Enterung durch Soldaten der israelischen Marine gedreht hatte. Lee war es trotz penibler Kontrollen gelungen, den Datenträger vor der Beschlagnahme zu retten. Die Aufnahmen wurden am 12. Juni unbearbeitet veröffentlicht. Israels Ministerpräsident nahm das Ereignis zum Anlass, Kameras ein Zerstörungspotenzial beizumessen, das dem einer Waffe oder einer Rakete gleich kommt.
"Ihr werdet Leute beim Gebet sehen, und Leute, die an Laptops arbeiten", sagte Lee den Journalisten, die der Einladung zur Pressekonferenz gefolgt waren. Das gerettete Rohmaterial belege die Stimmung an Bord der Mavi Marmara. Die Filmemacherin hatte zuvor an die Worte des israelischen Premiers Netanyahu erinnert, der gesagt hatte: "Das war kein 'Schiff der Liebe', dass war ein Schiff von Unterstützern des Terrors". Ihr Material könne bei der Entscheidung hilfreich sein, ob es nun ein Schiff der Liebe oder eins des Hasses gewesen sei. erklärte Lee. "Handelte es sich um einen von Hass auf Israelis getriebenen Lynchmob oder um einen von der Not in Gaza bewegten Menschheitsquerschnitt? Haben wir den israelischen Kommandos eine Falle gestellt, oder haben diese uns, ohne Not, angegriffen? Haben wir sie überrascht, oder sie uns?".
Lees Kamera befand sich nicht an Oberdeck, daher kann der Film keine Nahaufnahmen der Auseinandersetzungen, die dort stattfanden bieten. Die Aufzeichnungen des von Lee geleiteten Teams belegen dennoch recht eindrucksvoll das volle Gegenteil einer fanatischen und blutrünstigen Haltung der Meschen an Bord, wie sie von Vertretern der israelischen Politik und von großen Teilen der israelischen Presse unterstellt wurden. Lees Aufnahmen zeigen unter anderem, wie verletzte israelische Soldaten ebenso behutsam unter Deck getragen und dort behandelt werden wie die verletzten Schiffinsassen. In einem von Juan Gonzalez und Amy Goodman mit Iara Lee geführten Exklusivinterview betonte Lee, dass keiner der israelischen Soldaten, die kurzzeitig von Schifssinsassen festgesetzt worden waren getötet wurde, weil die Gewaltlosigkeit als Methode so tief verinnerlicht gewesen sei. An einer weiteren Stelle des Interviews wies Lee explizit darauf hin, dass die Möglichkeit zur Tötung bzw. die Misshandlung der festgesetzten Soldaten nicht wahrgenommen wurde, obschon diese für die Dauer der Festsetzung der Soldaten sehr wohl konkret gegeben war, was sie auf die Einhaltung des Konsenses der Aktivisten über den Verzicht auf Gewalt zurückführte.
Die Bilder der knapp einstündigen Dokumentation lassen erkennen, unter welchen Umständen es zu anfänglichen Versuchen einiger Schiffsinsassen kam, den in internationalen Gewässern gestarteten Angriff auf die Freedom Flotilla abzuwehren. "Auf eine Auseinandersetzung waren wir vorbereitet, wir hätten aber nie gedacht, dass es zu einer derart gewaltsamen und unverhältnismäßigen Konfrontation gekommen wäre", sagte Lee. Der Anblick der sich auf das Schiff herabseilenden Kommandos und der vielen Zodiac Boote habe ihnen das Wort verschlagen. An Bord seien keine Waffen gewesen, man habe nach Stühlen gegriffen, und zu dem, was man behelfsmäßig sonst so gefunden habe. "Auf unser Schiff kamen sie, um zu töten" ist sich Lee sicher, die auch betonte, dass einige Todesfälle deshalb eintraten, weil man Verletzte verbluten ließ.
Die von Lee veröffentlichten Aufnahmen bezeichnete Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in einem exklusiv für die Huffington Post gegebenen Interview als "Angriff auf Israel" und als "derbe Verletzung unserer Privatsphäre". Die Verhaftung aller auf der Mavi Marmara anwesenden Personen und die Beschllagnahme sämtlichen Drehequipments, aller Datenträger, Telefone und Computer sei zum Schutz dieser Privatsphäre erfolgt. "Internationales Recht" bezeichnete Netanyahu darüber hinaus als "fadenscheinigen Deckmantel". Ein "heldenhafter" Hubschrauber sei zu sehen, der "sanft, aufmerksam und unprovokativ" über dem Schiff kreist, während drei Personen mit hölzernen Zwillen direkt auf ihn zielen. "Der Punkt ist einfach der: ganz gleich, womit man auf einen von unseren Helikoptern schießt - ob mit einer Stinger-Rakete oder mit einer hölzernen Zwille - Israel hat das Recht, sich mit tödlicher Gewalt zu verteidigen, selbst gegen so genannte 'unschuldige' Zivilisten", sagte der Premier. Neben Besenstielen und Zwillen seien auf dem Schiff auch Schwimmwesten zu sehen, fuhr Netanyahu fort. Diese seien in Wahrheit Selbsmordattentäterwesten gewesen. Sein Geheimdienst habe ermittelt, dass die "Männer und Frauen auf der Mavi Marmara bestrebt waren, so nah wir möglich an Tel Aviv zu gelangen, ins Wasser zu springen, ihre Westen zu zünden um so eine Hochwasserwelle zu erzeugen, die unsere wunderschöne Stadt am Meer überflutet hätte".
"Da wir die Auserwählten sind, muss alles, was wir tun, schließlich richtig sein", dozierte Nethanyahu. Möglicherweise hält er deshalb die Verbreitung der fragwürdigsten Unterstellungen für berechtigt. Mit Sprengstoff präparierte Westen konnten der Öffentlichkeit allerdings nicht präsentiert werden, was wohl ohne Verzug geschehen wäre, wenn es solche gegeben hätte - schließlich waren seit dem Angriff auf das internationale Hilfskonvoi nicht nur die Schiffe und deren Insassen, sondern auch sämtliche Gegenstände an Bord in israelischer Gewalt.
Arbeitsmittel und Aufnahmen der Journalisten und Mediengestalter bleiben weiter in israelische Hand, obwohl die rechtmäßigen Besitzer sie vehement zurück fordern, eine unabhängige internationale Untersuchung wird es nicht geben. Allein der Wert der Ausstattung der Korrespondenten des australischen Sydney Morning Herald beträgt 60000 bis 80000 Dollar. Der Wert der unterschlagenen Aufnahmen bleibt nicht kalkulierbar, weil der Verlust besonders den materiell nicht quantifizierbaren Wert der zahlreichen Elemente, die einer Rekonstruktion der Vorgänge dienlich gewesen wären, mit einschließt. Die von Iara Lee geretteten Aufnahmen in HD Qualität liefern solche Elemente, darunter die bereits erwähnte Behandlung der israelischen Soldaten und die Existenz eines laminierten Hefts, das bei einem dieser Soldaten gefunden wurde, das die Namen von 16 Personen, die mit der Flotilla unterwegs waren und die Beschreibung der Schiffe enthielt. Nicht zuletzt hätte das Gesamtmaterial helfen können, Antworten auf brennende Fragen um die Vermissten zu liefern. 60 Journalisten dokumentierten den Angriff. Dabei enstanden Hunderte Bilder und etliche Stunden Filmmaterial. Ebenso griffen auch Aktivisten zur Kamera. Was durch Iara Lee und wenige andere hinaus geschmuggelt werden konnte, bleibt ein Bruchteil des so gezielt wie planmäßig von den isrealischen Kräften gesuchten und beschlagnahmten Gesamtmaterials.
Hintergrundmaterialien:
Press release: Unedited Footage from Mavi Marmara of the Gaza Freedom Flotilla
http://www.culturesofresistance.org/press-release-flotilla-footage
Unedited footage from the moments leading up to and during the Israeli commandos’ assault on the Mavi Marmara by Iara Lee
http://www.culturesofresistance.org/gaza-freedom-flotilla
Flotilla footage mirrors
http://tc.indymedia.org/files/flotilla-footage/index.html
Democracy Now! Interview mit Iara Lee - Video und Mitschrift
http://www.democracynow.org/2010/6/10/exclusive_journalist_smuggles_out_...
Democracy Now: Exclusive interview with Iara Lee
http://penseur21.wordpress.com/2010/06/12/democracy-now-exclusive-interv...
Democracy Now! Interview mit Sydney Morning Herald Korrespondenten Paul McGeough und Kate Geraghty - Video und Mitschrift
http://www.democracynow.org/2010/6/9/framing_the_narrative_israeli_comma...
Turkish Doctor Describes Treating Israeli Commandos During Raid
http://thelede.blogs.nytimes.com/2010/06/09/turkish-doctor-describes-tre...
Photographs of Battered Israeli Commandos Show New Side of Raid
http://thelede.blogs.nytimes.com/2010/06/07/photographs-of-battered-isra...
Exclusive: Netanyahu explains Video of israeli raid
http://www.huffingtonpost.com/james-heffernan/exclusive-netanyahu-expla_...
Das "Interview" der
Das "Interview" der Huffington Post ist ja wohl ein offensichtlicher Fake bzw. "Satire". -_-
Das zieht diesen Artikel leider ein wenig ins Lächerliche.
tja...
tja...das Interview wäre tatsächlich ein Skandal gewesen, wenn es kein fake wäre. Ansonsten hält sich der Erkenntnisgewinn durch diese "Doku" leider in seh engen Grenzen. Man sieht also, dass diese Menschen vor dem Angrif also tatsächlich keinen anderen Mitfahrer Verprügelt haben. Das ist aber leider noch lange kein Beweis für ihre Friedfertigkeit. Diejenigen die in ihrem Freundeskreis blutrünstioge Autonome haben, die in der Regel in Käfigen gehaltne werden galauben das vielleich nicht, aber jemand der in manchen Situationen Gewalt anwendet wendet sie in anderen manchmal nciht an...
Ich denke man sollte versuchen das ganze Sachlich und ohne Vorverurteilungen zu klären und ich frage mich diesbezügluch, ob die radikale Linke in Deutschland diese Aufgabe tatsächöich übernehmen sollte....so wie sich hier teilwese aufgführt wird scheint ja die Un schonmal angeklopft zu haben ob nicht die Spezialisten der deutschen linken Szene die Aufklärung übernehmen wollen....
Mein Migefühl für die betroffenen körperlich uns seelisch verwundeten Menschen von diesem Vorfall.