Autonome Szene in Karlsruhe ist "klein aber fein"
ka-news: Wie seid Ihr organisiert?
Tom : Die traditionellen Formen von Organisation gibt es so eigentlich nicht mehr. Wir verstehen uns als vernetzte Basisbewegung.
Christian: Ja, es entstehen meistens Netzwerke, die
sich zu bestimmten Themen zusammenfinden, wie beispielsweise vor zwei
Jahren zum G8-Gipfel. Es gibt also kein "Parteibuch", wir finden auf
einer thematischen Ebene zusammen. Wenn zum NATO-Gipfel 5.000 Leute
nach Straßburg in das Camp kommen, es aufbauen, alles managen, sieht
man daran unsere Stärke: Wir stellen das alles ohne feste Strukturen
und ein festes Budget auf die Beine - da ist diese lose Struktur sogar
eine Stärke.
ka-news: Wie steht es um die autonome Szene in Karlsruhe und Umgebung?
Christian: Wir sind natürlich auch auf der lokalen
Ebene aktiv. Und im Vergleich zu Jugendorganisationen oder Vereinen,
denen die Mitglieder wegrennen, stehen wir in der Größenrelation nicht
schlecht da.
Tom: Die linke Bewegung in Karlsruhe kann man als
"klein aber fein" bezeichnen. Wir brauchen uns nichts vormachen, es ist
keine Massenbewegung. Das kann man immer daran messen, wie
mobilisierungsfähig die Gruppe ist. Aber unsere Wahrnehmung ist, dass
eine Vernetzungsstruktur, wie wir sie haben, eher angenommen wird. Die
direkte Mitbestimmung ist gewährleistet - das ist etwas, was uns von
anderen Organisationen unterscheidet, die mit etlichen Hierarchiestufen
arbeiten. Da steht die soziale Bewegung ganz gut da. Wir sind im
Aufwind, nicht nur in Karlsruhe gibt es fruchtbaren Boden für
Kapitalismuskritik.
ka-news: Stichwort fruchtbarer Boden - seht Ihr
Eure These, dass der Kapitalismus nicht funktioniert, durch die
Weltwirtschaftskrise bestätigt?
Tom: In den 90er Jahren war es insbesondere in
Deutschland kaum möglich, öffentlich Kapitalismuskritik zu üben.
Aufgrund des Zusammenbruchs des Ostblocks war der Kapitalismus als
einziges System "übriggeblieben". Die Erhebung der Zapatisten in Mexiko
Mitte der 90er war dann ein Startpunkt für eine Absage an den
Neoliberalismus, Kapitalismuskritik durfte wieder geäußert werden - und
wurde vor allem wieder gehört. Jetzt in der Krise ist diese Kritik
etwas, das man sogar - wenn auch abgeschwächt - in der FAZ lesen kann.
Kapitalismus wird wieder kritisiert - und das ist ja ein ureigenes Feld
der Linken.
Christian: Das Interesse nimmt wieder zu, auch durch
die realen Bedingungen, welche die Menschen antreffen. Was wir an
herrschender Konzeptlosigkeit in den alten Strukturen beobachten,
spricht nicht unbedingt gegen uns. So haben wir vor ein paar Monaten
eine Kampagne zum Versammlungsgesetz initiiert, bei der sich dann
plötzlich zwischen 100 und 150 Organisationen aus ganz
Baden-Württemberg beteiligt haben. Da merkt man schon, dass wir
mittlerweile doch eine gewisse gesellschaftliche Relevanz haben.
"Beim NATO-Gipfel werden sicherlich dicke Geschütze aufgefahren"
ka-news: Seht Ihr Euch von staatlicher Seite mit Repressialien konfrontiert?
Tom: Bestimmte Formen von Aktivismus gehen manchmal
über einen legalen Rahmen hinaus, ich wurde angezeigt und habe auch
schon eine Hausdurchsuchung über mich ergehen lassen müssen.
Christian: Eigentlich haben die meisten Leute, die
sich aktiv einbringen, Indizien dafür, dass sie überwacht werden oder
wurden. Wir müssen vor allem jetzt zum NATO-Gipfel mit
Hausdurchsuchungen rechnen. Nach den Erfahrungen vom G8-Gipfel
allerdings eher nach dem Gipfel: Denn danach stehen wir nicht mehr so
in der Öffentlichkeit, werden nicht mehr so wahrgenommen. Zudem wurden
letzte Woche Meldeauflagen für Autonome in Gaggenau festgelegt. Die
Betroffenen sollen sich während des Gipfels bei der Polizei melden, um
zu beweisen, dass sie Zuhause geblieben sind. Wir lassen aber von einem
Anwalt prüfen, wo da die juristische Handhabe sein soll.
ka-news: Was erwartet Ihr beim NATO-Gipfel?
Christian: Innenminister Rech hat sich mit ein paar
Äußerungen nach vorne gepulvert, um Angst zu schüren, da werden
sicherlich dicke Geschütze aufgefahren. Beim G8-Gipfel wurden
Bundeswehr-Tornados eingesetzt und auch ein Panzer, der eine
Autobahnbrücke bewachte. Die Armee wird gegen Protestler eingesetzt,
dass ist schon eine heftige Repressalie. Und im Rahmen des NATO-Gipfels
rechnen wir daher - auch von Seiten der Polizei - mit dem Schlimmsten.
Tom: Wenn man sich anschaut, was die
Sicherheitsbehörden an Zahlen veröffentlichen, wie sie sich die
Überwachung und Regulierung vorstellen, da wird die Fahrt nach
Frankreich zum Abenteuer.
ka-news: Für Euch startet der NATO-Gipfel also in Straßburg? Was steht auf dem Programm?
Christian:
Ja, nachdem die Organisation von Camps in Deutschland so stark
behindert wurde, dass keines zustande kam, werden wir zunächst in
Straßburg sein. Es wird überall Kundgebungen geben, es gibt thematische
Aktionen, beispielsweise zur EU, zur Sicherung der Außengrenzen und wie
mit Flüchtlingen umgegangen wird. Andere Themen sind "Krieg und Krise",
wo auch den ganzen Tag symbolische Aktionen zum Thema laufen. Am
Freitag und Samstag gibt es Blockaden, an denen wir uns beteiligen. Wir
hoffen, dass wir ein paar Abläufe einschränken und blockieren können.
Damit sich die Leute damit beschäftigen müssen, damit konfrontiert
werden, dass es Widerstand gibt. Und damit die Politiker kurz
aufgehalten werden, den nächsten Krieg zu planen oder den nächsten
Menschen auszubeuten.
"Mit unseren Aktionen wollen wir das Schweigen brechen"
ka-news: Wie steht Ihr zu den Demonstranten, welche die Sicherheitskräfte als "gewaltbereite Störer" bezeichnen?
Tom: Es ist schwierig und unnötig zu trennen. Man muss
sich bewusst machen: Auf der einen Seite sprechen wir von Kriegen mit
massenhaft getöteten Zivilisten. Und auf der anderen Seite über einen
abgetretenen Außenspiegel eines Polizeifahrzeugs - da stimmt die
Relation nicht. Hier in Deutschland ist man recht schnell dabei, aus
den Verursachern von Sachschäden Terroristen zu machen. Im Kern ist das
meiste, was als Gewalt aufgefasst wird, eher von symbolischen
Charakter, zum Beispiel eine eingeworfene Scheibe einer Bank. Manche
tragen eben ein Transparent, andere finden es zulässig, eine Scheibe
einzuwerfen. Das ist nicht ansatzweise das selbe Level an Gewalt, wie
sie von den Staaten angewendet wird.
Christian: Bei Demos werden immer nur Bilder von
Gewalt gezeigt, so macht man es sich einfach, unsere Inhalte und Kritik
zurückzudrängen. Alles wird auf die Frage reduziert, ob es da geknallt
hat. So drückt man sich darum, den Blick auf die Gewalt der
Verhältnisse von und in den Staaten selbst zu richten. Mit unseren
Aktionen wollen wir dieses Schweigen brechen und auf die Opfer
aufmerksam machen, welche die herrschenden Verhältnisse tagtäglich
produzieren.
ka-news: Wie sieht die Zukunft der autonomen Szene aus?
Christian: Der NATO-Gipfel ist auch für uns eine
Chance, eine internationale Vernetzung unserer Kräfte voranzutreiben -
die autonome Linke zu vernetzen, sich auszutauschen und Kontakte zu
knüpfen.
Tom: Wir sind optimistisch, weil vieles zunächst offen
ist. Die Weltwirtschaftskrise ist eine Krise des Kapitalismus, eine
ökologische, soziale und wirtschaftliche Krise. Das ist einerseits
gefährlich, weil die Staaten in Krisen eher die Option wahrnehmen,
einen Krieg zu beginnen. Aber andererseits gibt es auch tendenziell
neue, positive Optionen: Diese Krise ist global und damit von
Gleichzeitigkeit geprägt. Diese globale Gleichzeitigkeit der Krise wird
zu großen Eruptionen führen, es wird zu einer längeren Phase von
sozialen Auseinandersetzungen kommen. Da sind allerlei Optionen
denkbar, aus unserer Sicht auch positive Entwicklungen, weg von
Kriegstreiberei und Ausbeutung.
G20 Aktionen
Die Zufahrtswege werden mit Krähenfüßen gepflastert, Die Hubschrauber und Drohnen bekommen Bekanntschaft, Hubschrauber zeitgleich aus verschiedenen Positionen mit LPs "beleuchten", Auspuffrohre mit Lappen verstopfen (tief reinstecken)...Fahrzeug fährt nicht mehr, Nagelbretter spontan auf Straße legen und frech wieder mitnehmen, Nato Stacheldraht zum Selbstschutz, Gleich 2 liter Reizgasflaschen nutzen zur Notwehr, Drohnen starten.