Gepanzerte Fahrzeuge mit MG-Vorrichtung, Gefangenensammelstelle im Pleite gegangenen Supermarkt, Sonderknast für DemonstrantInnen im stillgelegten Frauenknast und Bannmeilen im Stadtgebiet. Hamburg rüstet auf.
Hamburg ruft faktisch das Kriegsrecht aus. Grund: Im Juli 2017 soll der G20-Gipfel der Staatslenker der 20 einflussreichsten Industrie- und Schwellenländer stattfinden. Gegenproteste sind angekündigt. Steht ein Clash "Staat gegen radikale Linke" bevor? Ist militanter Widerstand während der Gipfelproteste zu erwarten?
Innere Militarisierung und Ausnahmezustand
Die Zeichen stehen auf Sturm: die Bundesregierung wird vor dem Auftakt
des Hamburger G8-Gipfels das Schengen-Abkommen zeitweilig außer Kraft
setzen. Das darf vermutet werden. Grenzkontrollen sollen
Demonstrationswillige aus anderen Ländern an der Einreise stoppen.
Hausdurchsuchungen bei stadtbekannten Gipfergegner*innen stehen an.
Polizisten vom Staatsschutz werden so genannte Gefährderansprachen
halten. „Schlapphüte“ vom Verfassungsschutz gehen auf Tour, um Spitzel
anzuwerben. In mehreren Einzelfällen, die dann in der Summe keine
Einzelfälle mehr sind, droht das Unterbindungsgewahrsam für
Widerständler*innen.
Einschüchterung und Verunsicherung sind das Kalkül staatlicher
Verfolgungsbehörden. Legitimer Massenprotest soll präventiv durchkreuzt
werden. Aufstandsbekämpfung heißt das. In der Bundesrepublik Deutschland
2017. Ein heißer Frühsommer im Jahr des Deutschen Herbst von 1977 steht
uns bevor.
Den Laufsteg der Eliten aus Staat und Kapital sichern als Staffage
14.000 Sicherheitskräfte ab. Ein Mammutaufgebot. Kriegszustand in spe.
Die verfassungsrechtlichen Grenzen zwischen den Aufgaben der Polizei und
der Bundeswehr verschwimmen. Bis zur Unkennntlichkeit. Ein örtlicher
SPD-Senator, der auf den Namen Andy Grote hört, spielt den
Protagonisten. Er spielt die Rolle des neuen „Bluthund Noske“. Noske,
der in der Novemberrevolution von 1918/1919 die sozialistische
Räterepublik im Verbund mit präfaschistischen Freikorps zu ersticken
versuchte. Was ihm leider gelang.
Globalisierungskritische Gegen-Mobilisierung
Unter dem Motto „G20 versenken. Gegenmacht aufbauen“ mobilisieren linke
und linksradikale Gruppen gegen das Gipfeltreffen. Andere Bündnisse
packen mit ihren Slogans noch eine Schippe drauf: „Ein Auftakt zum Sturz
des Systems. G20 entern, Kapitalismus versenken!!“
Vor allem Anhänger*innen der radikalen Linken haben einen „Aktionsmonat
April“ ausgerufen. Aktivitäten finden tatsächlich statt. Abgefackelte
Vehikel von Polizei und privaten Sicherheitsdiensten zieren den einen
oder anderen Straßenzug in Hamburg oder Berlin. Von einer militanten
Kampagne wie zu Zeiten der Proteste gegen den G8-Gipfel im beschaulichen
Badeort Heiligendamm 2007 in Mecklenburg-Vorpommern kann allerdings
(noch) nicht gesprochen werden. Meine Meinung. Da übertreiben die
Berichterstatter*innen in den Gazetten maßlos. Mitunter auch die
Aktivist*innen in den einschlägigen Internet-Foren.
Wie komme ich auf diese Einschätzung? Ganz einfach: ich bin einer derer,
die im Vorfeld von „Heiligendamm 2007“ aufgrund klandestiner und
militanter Aktionen ins Visier der Ermittler*innen gerieten. Mensch, 10
Jahre ist das alles bereits her. Unter anderem sollten die Strukturen
der militanten gruppe (mg), der ich angehört haben soll, bis ins Mark
getroffen werden. Ein Schlag ins Wasser. Zu diesem Zeitpunkt jedenfalls.
Vom Protest zum Widerstand?
Stimme ich eine Lobeshymne auf eine linksradikale Militanz an? Eine
Militanz, die von unten nach oben tritt. Vielleicht. Rückendeckung
bekomme ich vom Wochenblatt „Der Freitag“ von Jakob Augstein.
Überraschenderweise. „Militante Aktionen bieten immerhin eine
Möglichkeit, die Sichtbarkeit für linke Politik zu erhöhen und
wenigstens für Momente aus einer bloß passiven Rolle herauszukommen“, so
der Autor Christopher Wimmer im „Freitag“ Ende März des Jahres. (https://www.beta.freitag.de/ausgaben/1317)
Ein Satz, den ich selbst kaum wagte, auszusprechen. Völlig d´accord.
Lasst uns die Frage der Legitimität von Militanz diskutieren. Wenigstens
Gedankengänge öffnen, die eingefahrenen Gleise verlassen, verbotene
Pfade freilegen – lasst uns laufen. D.h., lasst uns in Bewegung kommen.
Es soll nicht paternalistisch klingen. Aber: Hamburg ist für die
radikale Linke eine Falle. Die Gegenseite hat das Feld bestellt.
Sackgasse. Lasst uns unser Kreativpotential ausschöpfen. Meine Intuition
als autonomer Kommunist meldet sich zu Wort und sagt: macht Berlin,
macht Bremen, macht Düsseldorf, macht Stuttgart, macht München, macht
die Provinz zum Ort des Protests, der sich zum Widerstand entfaltet.
Unkalkulierbarkeit ist das Credo.
Im Freitag
Der genannte Artikel aus dem Freitag ist hier abrufbar:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/209143