[Berlin-Weißensee ] »Zum Nudelholz« – Veranstaltungslocation der AfD Pankow / #keinraum

Nudelholz

Der AfD-Prominenz das Hinterzimmer herrichten - Neben ihrem Stammlokal, dem »Heinersdorfer Krug«, konnte die AfD Pankow sich durch ihre Veranstaltungsabende in der Weißenseer Gaststätte »Zum Nudelholz« einen weiteren Treffpunkt erschließen. Während der »Heinersdorfer Krug« vor allem für die verbandsinternen Treffen genutzt wird, dient das »Nudelholz« in erster Linie der Ausrichtung größerer Saalveranstaltungen. Dazu zählen Vortragsabende und lokale Parteitage.

So hielt die AfD Pankow am 28. Juli 2016 hier ihren Bezirksparteitag ab, bei dem sie ihren Vorstand wählte. Mit Ronald Gläser, dem Redakteur der rechten Zeitschrift »Junge Freiheit« und dem ehemaligen »Republikaner«-Funktionär Thomas Weisbrich wurden an diesem Tag zwei ausgemachte Faschisten in den Vorstand der Pankower AfD gewählt. Als Gastrednerin trat an diesem Abend die Europaabgeordnete Beatrix von Storch auf. Die AfDlerin erlangte vor allem durch ihre Forderung fragwürdigen Ruhm, auf Geflüchtete schießen zu lassen, wenn diese die europäischen Außengrenzen zu überqueren versuchten. Die Nachfrage, ob sie auch Frauen und Kinder erschießen lassen wolle, beantwortete sie mit einem trockenen Ja. Wenig später, am 16. August 2016, organisierte die Pankower AfD hier eine weitere Veranstaltung mit dem Berliner Landesvorsitzenden Georg Pazderski, bei der ehemalige Bundeswehroffizier die Anhänger*innenschaft auf den anstehenden Wahlkampf einschwor. Neben diesen zwei durch Bildbelege beweisbaren Veranstaltungen fanden im Jahr 2016 weitere Zusammenkünfte der AfD im »Nudelholz« statt.

 

 

Wenn die AfD im Hinterraum die Parteibanner aufstellt, rund 40 Personen den Raum befüllen und bundesweit bekannte AfD-Prominenz das Lokal betritt, kann niemand behaupten, die AfD hätte sich hier unter Vortäuschung falscher Tatsachen eingemietet. Selbst von politisch weniger interessierten Besucher*innen des »Nudelholz« wurde Beatrix von Storch beim Betreten des Lokals erkannt, schließlich ist ihre Visage nach ihren Hassreden in den meisten Tageszeitungen zu sehen. Auch unter »Nudelholz«-Gästen sind die AfD-Veranstaltungen kein Geheiminis. Gerade für die Einbindung von Neumitgliedern, oder solchen, die nicht aktiv am Parteileben der AfD teilnehmen, sind Veranstaltungen wie diese von großer Bedeutung. Hierfür bietet sich die Gaststätte »Zum Nudelholz« an, da die Lokalität im Vergleich zum »Heinersdorfer Krug« besser erreichbar ist und über einen Veranstaltungsaal für bis zu 60 Gäste verfügt und um einiges repräsentativer wirkt. Dass die Gaststätte bis zu 150 Personen fassen kann, zeigte sich bei Anwohnertreffen in der Vergangenheit (siehe unten). Für AfD-Veranstaltungen mit größerer Teilnehmer*innenzahl bietet das »Nudelholz« somit den nötigen Platz.

 

Initiative gegen Migrant*innen gründen


Steffen Ulm, der seit 2006 mit seiner Frau das »Nudelholz« betreibt, handelt nicht aus bloßem finanziellem Interesse, wenn er der AfD seine Räume kostenfrei überlässt. 2010 und 2011 war er selbst treibende Kraft hinter einer Initiative, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die Unterbringung von Migrant*innen in der Nachbarschaft zu verhindern. Im August 2010 wurde bekannt, dass die Firma PRISOD, die in Berlin mehrere Geflüchtetenunterkünfte betreibt, in einem Häuserblock in der Falkenbergerstraße 24 Wohnungen für die Unterbringung von Migrant*innen angemietet hatte. Daraufhin initiierte Ulm mit weiteren Anwohner*innen eine »Interessengemeinschaft Falkenbergerstraße« (»IG Falkenberger Straße«), um das Viertel gegen die Unterbringung der Migrant*innen zu mobilisieren. In Flugblättern und Anschreiben gab die Initiative stets die Adresse des »Nudelholzes« als Kontaktadresse und Steffen Ulm als deren Sprecher an. Der Schriftverkehr mit der BVV, so wie weitere Schreiben der »IG Falkenberger Straße« waren stets mit Ulms Namen unterschrieben, auch die Mailkommunikation lief unter anderem über seine Mailadresse (info@billard-weissensee.de). Ulm betrieb zu diesem Zeitpunkt neben seinem Restaurant dass inzwischen geschlossene »Billardcenter Weißensee« in der Jacobsohnstraße. Anfang September 2010 trat die IG mit einer Unterschriftensammlung erstmals an die Öffentlichkeit. In Flyern wurde die Anwohner*innenschaft dazu aufgefordert, gegen die Unterbringung der Migrant*innen im Viertel ihre Unterschrift zu leisten. Die Unterschriftenlisten dafür lagen im »Nudelholz« aus.

 

»Wie kommt der Hohenschönhausener Asylheimbetreiber Prisod dazu, diese Wohnungen im Bezirk Pankow anzumieten ?«, »Sollen mit der Vermietung in allen 4 Aufgängen die Mieter vertrieben werden?« fragt Steffen Ulm in pampigem Tonfall in einem Schreiben an das Pankower Bezirksamt. (01). »Sehen Sie sich doch diesen Gebäudekomplex nur mal von aussen an. Wenn die dort ansässigen Mieter Besuch bekommen, werden diese stets gefragt, ob sie in einem Asylheim wohnen.« (02) heißt es in dem Schreiben weiter. Die Interessengemeinschaft sei besorgt, der Einzug der Migrant*innen könne zum »vollständigen Wegzug der einheimischen Bevölkerung« führen. (03) Einige Mieter*innen seien auch bereits aus dem Wohnblock ausgezogen, denn diese »fühlen sich durch Lärm, Unrat und Geruch belästigt.«, hieß es seitens der Interessengemeinschaft. (04) Des Weiteren war von einem Anstieg der Kriminalität in der Umgebung des Wohnblocks die Rede. Beschwerden gab es zudem über Kinder aus dem Wohnblock, da diese zu laut spielen würden. Dass Kinder beim Spielen laut sind, ist an sich nicht ungewöhnlich. Für einen Nachbarn der angrenzenden Reihenhäuser war dies allerdings Anlass genug für mehrere Beschwerdeanrufe bei der PRISOD. Nahe des Wohnblocks und des ungepflegten Spielplatzes hatte er sein Häuschen gebaut, in der etwaigen Annahme, dass hier so schnell niemand mehr spielen würde. Der Anwohner störte sich laut Eigenaussage jedoch nicht nur am Kinderlärm, sondern auch am »slawischen Sprachgebrauch«.

 

Die Interessengemeinschaft sprach sich für eine dezentrale Unterbringung ihrer neuen Nachbar*innen aus. Auch wir befürworten es, wenn Geflüchteten Wohnungen zur Verfügung gestellt werden, anstatt sie in Wohnheime und andere unwürdige Wohnverhältnisse zu zwingen. Die unfreiwillige massenweise Unterbringung migrierender oder geflüchteter Menschen aus verschiedenen Weltgegenden in einer Wohneinheit befördert Ausschluss und Stigmatisierung als vermeintliche Gruppe (»die Asylanten«, der »Asylantenwohnblock«). Dies schafft Abhängigkeiten, die nicht annähernd mit einem Leben in einer Privatwohnung zu vergleichen sind. Dass es der Interessengemeinschaft nicht um das Wohl der Geflüchteten, sondern um deren schnellstmögliches Verschwinden ging, verdeutlicht ein Blick in folgendes Schriftstück der »IG Falkenberger Straße«: »Warum nutzt der Bezirk Hohenschönhausen nicht die vor sich hin gammelnden Wohnungen Rhin / Hauptstraße?« (05) heißt es in einem Wut-Brief ans Bezirksamt. Gemeint ist hier die ehemalige ZASt (Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber) in Hohenschönhausen, eine seit den 90ern leerstehende Plattenbauruine, in der ein menschenwürdiges Wohnen seit Jahren unmöglich ist. Kein Strom, kein Wasser, keine Fenster – bereits von außen ersichtlich. Um die migrantischen Bewohner*innen der Falkenberger-Wohnblöcke los zu werden, war der IG selbst dieses törichte und menschenfeindliche Argument recht.

 

Rechte Parteien aufs Podium holen


Kleinunternehmer Ulm, der im Mai 2010 dem örtlichen FDP-Verband beigetreten war, (06) warb auch hier für seine Kampagne. Das Thema »Asylwohnblock« sorgte somit auch in der Weißenseer FPD über mehrere Treffen für aufgeladene Stimmung und rassistische Ressentiments. Der damalige FDP-Kreisvorsitzende Andre Spannemann unterstützte Ulms Forderungen und stellte Ende September 2010 eine Kleine Anfrage ans Bezirksamt – jedoch ohne nennenswertes Ergebnis. Während des Berlinwahlkampfes 2011 nahm die »IG Falkenberger Straße« erneut Anlauf und versuchte diesen für sich und ihre Propaganda gegen die neuen Bewohner*innen nutzbar zu machen.

 

So luden Steffen Ulm und seine Interessengemeinschaft für den 05. September 2011 zu einer Podiumsveranstaltung ins »Nudelholz«. Eingeladen war unter anderem die extrem rechte Partei »Die Freiheit«. Deren Lokalkandidat Dietmar Pallas wandte sich bereits vor der Versammlung in einem Schreiben an die Anwohner*innen, in dem er abwertend von einem »Problemwohnblock« schrieb. (07). Die gemeinsame Vereinbarung der Berliner Parteien, im Wahlkampf nicht mit Nazis und Rassist*innen zu kooperieren, führte dazu, dass Ulms einzige Parteigäste auf dem Podium die Rechten waren. Allein Dirk Stettner (CDU-Vorsitzender Weißensee, ehem. AGH-Berlin-Mitglied) nahm teil. Dies verwundert nicht, schließlich unterstütze Stettner bereits 2006 die rassistische Bürgerinitiative IPAHB (»Interessengemeinschaft Heinersdorfer Bürger e.V.«) in ihrer Gründungsphase. (08) Die IPAHB versuchte ab 2006 einen Moscheebau der liberalen »Ahmadiyya«-Gemeinde in Pankow-Heinersdorf zu verhindern, anfangs mit Losungen wie »Demo gegen Überfremdung«, später unter dem Banner von Frauen und Homosexuellenrechten sowie der Verteidigung der christlichen Kultur. Zwei Teilnehmer*innen genau dieser Proteste forderten bei der »Nudelholz«-Versammlung »Wir machen es wie damals in Heinersdorf«. Dass die Gegner*innen des Wohnblocks, nicht wie üblich den Begriff der Bürgerinitiative, sondern den der Interessengemeinschaft für deren Selbstbezeichnung wählten, mag Zufall sein. Die regionale und thematische Nähe zum Anti-Moschee-Protest, der erst zwei Jahre vorher abebbte, lässt die Namenswahl jedoch weniger zufällig erscheinen.

 


Infokasten: Wer ist die Partei »Die Freiheit«?


Mit ihrem »Berliner Programm« gibt »Die Freiheit« Einblicke in die Grundzüge ihrer Politik. Kernthemen sind die Punkte Integration, Innere Sicherheit, Wirtschaft, Arbeit und Soziales, sowie Schule und Bildung. Nicht nur die Kürzung von Sozialleistungen bei »Integrationsverweigerung« – ohne selbige zu definieren – fordert die Partei, sondern auch »die ärztliche Feststellung von sprachlichen oder motorischen Defiziten«, deren Nichteinhaltung ebenfalls mit der Kürzung von Sozialleistungen bestraft werden soll. Die einseitige Fokussierung auf den Islam und Migrant*innen wird auch an anderen Stellen deutlich. Um die innere Sicherheit zu stärken, will die Partei beispielsweise »Predigten in Berliner Moscheen systematisch auswerten lassen«. Dies würde die durch das Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit erheblich einschränken. »Die Freiheit« hetzt gegen Minderheiten und versucht immer wieder, insbesondere Muslime als Verantwortliche für gesellschaftliche Problemstellungen zu kennzeichnen.

 

Weitere Informationen zum Thema im »Monitor« (apabiz, 2011):
»Die Freiheit« Eine neue Rechtsaußen-Partei nach europäischem Vorbild?«


 

Am Ende alles klein reden

Auf Grund der Stimmung im Viertel richtete die PRISOD damals eine Sprechstunde und eine Telefonnummer für Beschwerden ein. Diese Möglichkeit wurde eher selten und ab Mitte des Jahres 2011 gar nicht mehr genutzt. migrantischen Bewohner*innen des Falkenberger-Wohnblocks nehmen Integrationskurse war und die Kinder besuchen die Schulen und Kindergärten. Die Bewohner*innenstruktur im Viertel und im besagten Wohnblock wurde nicht ausgetauscht, genau so wenig gibt es Belege für einen Anstieg der Kriminalität. Fragt mensch in der Gegend, werden die damals angefeindeten Nachbarn als nicht störend oder sonderlich auffällig beschrieben. Eher hätte sich ein friedliches Nebeneinander eingestellt. Gelegentlich werden aus der Nachbarschaft auch Sachgegenstände gespendet. Die Ereignisse 2010/2011 bedürften somit eigentlich keiner weiteren Erwähnung. Sie entfalteten kein Ausmaß wie die rassistischen Mobilisierungen gegen Geflüchtetenunterkünfte in Marzahn/Hellersdorf (2014 – 2016), zudem hatte sich der Konflikt in Weißensee schnell wieder beruhigt. Doch gerade der Umstand, dass Ulm heute die AfD unterstützt, lässt die Geschichte in einem anderen Licht erscheinen. Dies macht es notwendig ihn als treibende Kraft der Anwohnerproteste gegen den »Migrantenwohnblock« zu benennen und aufzuzeigen, dass dies nicht nur ein Ausrutscher war, sondern Ausdruck eines sehr rechts-bürgerlichen Weltbildes, das sich bis heute gehalten hat.

 

Jetzt wo genau diese Zusammenhänge bekannt werden, versucht Ulm Schadensbegrenzung zu betreiben. So schreibt er in einem offenen Brief, der habe seine »Räumlichkeiten der Interessengemeinschaft Falkenbergerstr. zur Verfügung gestellt« (09) und grenzt deren Nutzung des »Nudelholzes« auf die anfangs erwähnte Podiumsveranstaltung ein. Die Teilnahme von »Die Freiheit« verschweigt er, genau so wie seine Rolle in der »IG Falkenberger Straße«. Er hatte die Inititiative mitgegründet, fungierte als deren Sprecher und stellte sein Lokal regelmäßig für deren Treffen zur Verfügung, so wie er es auch heute der AfD zur Verfügung stellt. Steffen Ulm kann so oft er möchte auf sozial machen (10) oder behaupten, dass er ja nichts gegen Geflüchtete hätte (11) – an der Tatsache, dass er mit der AfD eine offen rassistische und menschenverachtende Partei unterstützt, ändert dies nichts.

 

Deshalb rufen wir vor allem alle Weissenseerinnen dazu auf die altdeutsche Küche des »Nudelholzes« rechts liegen zu lassen. So lange die Betreiberinnen des Ladens sich nicht glaubhaft von der AfD abgrenzen heisst es für uns: Keine (finanzielle) Untersstützung für rechte Räume!


»Zum Nudelholz«
Falkenbergerstr. 37 a
13088 Berlin


North East Antifa [NEA] | 29. März 2017
www.antifa-nordost.org

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Der Bericht über Steffen Ulm und das "Nudelholz" legt den Verdacht nahe, dass auch die zielgerichteten Propaganda-Aktionen Anfang 2017 gegen den Bau modularisierter Unterkünfte für Geflüchtete in der genannten Straße auf das Konto von Ulm gehen. Anwohner berichteten in diesem Zusammenhang von mehrfachen anonymen Postwurfsendungen, die unter dem Deckmantel z.B. des Naturschutzes Stimmung gegen den Bau der Unterkünfte in der Nachbarschaft machen sollten. Die Anwohner erhielten hierbei sogar Brief-Vorlagen, die ihnen nicht nur das Denken, sondern auch das Schreiben von Briefen an das zuständige Bezirksamt abnehmen sollten.