Wenn die Frage lauten würde, woran Menschen äußerliche Veränderungen in ihrem Kiez in Bezug auf Verdrängungsprozesse oder Imagewandel erkennen, könnten Baugerüste, Bioketten, Cafés und zuletzt jene Räume erwähnt werden, die irgendwie aussehen wie ein Studi-Café aber doch keines sind: der Co-Working Space.
Oft stehen fancy Namen über den Eingangstüren, die Räumlichkeiten wirken wie Wohnzimmer, in denen gepflegte Rennräder an den Wänden lehnen, auf dem Tisch schlicht das Apple-Cliché. Diese Räumlichkeiten machen nicht groß auf sich aufmerksam und werden so fast übersehen im Stadtbild der neuen Kreativ-Läden, deren Sinn einem nicht verständlich wird beim bloßen Hereinschauen (Ein Co-working-Space ist im Prinzip ein Raum in dem Menschen, die beruflich oder privat nicht unbedingt miteinander zu tun haben, nebeneinander arbeiten. Der Vorteil ist, dass der Schreibtisch spontan und tageweise angemietet werden kann. Firmen erhoffen sich davon eine Zentralisierung von innovativen Köpfen).
Die Argumentation, diese Orte mit ihren Mietlingen - die 10-25€ am Tag oder 300€ im Monat für einen Schreibtischplatz bezahlen, in einem hippen Kiez, der auf dem Weg zum Falafel inspirierende Erlebnisse sowie einen total authentischen Talk mit der Spätiverkäufer_in garantiert – seien der Inbegriff von Gentrifizierung, ist nicht nur eine langweilig einfache Logik, sondern noch dazu eine, die mal wieder den Ausdruck, das an der Oberfläche Sichtbare, mit der Ursache verwechselt.
Deshalb bringt es wohl nix Menschen auf dem Bordstein schräg anzugucken - wenn du genervt bist von diesem peinlich-saubere-Socken-hochgekrempelte-Hosen-Look - ihnen die Rennradreifen zu zerstechen - wenn diese Clichéräder vor genau jenen Kneipen und Co-working-Orten stehen - sie als #Opfer zu beschimpfen, nur weil sie eben beruflich und privat von ihrem Smartphone so abhängig sind, wie von der Selbsteinschätzung ein absolut interessanter, cosmopoliter Mensch mit einem völlig einmaligen Kleidungsstil zu sein. Das wäre ja nur Hass los werden, etwas für Chaoten.
Wir sehen das anders.
Ja, diese neuen Büros sind Ausformungen oder auch erst Folgen des Ausverkaufs der Stadt an Investor_innen-Schweine. Ja, es ist immer einfacher diese zu markieren, als die Scheinfirma in einer fernen Oase abzufackeln. Ja, die Menschen, die an diesen Schreibtischen sitzen sind nicht unsere Feind_innen Nr.1. Und ja, die logische Schlussfolgerung lautet: jene Aktionen, die extra sehr platt formuliert sind, können im ersten Sinne nur symbolischen Charakter haben, ohne vielversprechende Aussichten auf systemverändernde Konsequenzen.
Aber genau mit diesen vermeintlichen Gegenargumenten - die entweder in den Kommentaren bei Indymedia zu lesen sind, bei Schupelius und Schreiber oder auch bei theorieverhafteten Politgruppen - machen es sich die Bewohner_innen der Städte zu einfach. Ganz abgesehen von der Gegenfrage, wie die Situation im Kleinen und Großen denn angegriffen werden könne, wenn nicht durch direkte Aktion.
Es geht hier nicht um einen Holztisch in einem Raum für den ein Kreativer Miete bezahlt, wie ein Chef es ansonsten für das Büro täte. Sodass der Kreative hier „frei“ also als sein eigener Chef arbeiten kann und sich die Situation schon fast so gestaltet, wie ohne Mehrwert und so etwas, was der Kreative mit Ausbeutung verbindet.
An genau dem Ort „Co-Working-Space“ scheinen sich unserer Meinung nach grundlegende Probleme der Verwertung von (Wohn-)Raum und der Inwertsetzung von Lebenszeit zu finden, die uns dazu antreiben diejenigen zu kritisieren, die diese Räume anmieten/kaufen um damit Profit zu schlagen, aber auch diejenigen Einzelnen, die hier arbeiten.
Zu den Räumlichkeiten
Das alt bekannte Prinzip des Quatiersmanagements, sowie aller Senatsbezetzungen von rot bis schwarz ist es bis heute den Kiez schick zu machen für die neu Zugezogenen und Umworbenen. Die leeren Erdgeschosse in Neukölln und Wedding werden so seit Jahren bevorzugt an genau jene vergeben, die wie im Fall Co-Working-Space, Menschen anlocken, die dem hippen Image des Kiezes und dem Start-Up-Hype des Berliner Senats zuarbeiten. Zum einen ist damit ein weiterer Schritt hin zum Imagewandel garantiert, zum anderen aber auch eine neue Form der Geldquelle durch Vermietung entstanden. Pro Schreibtisch und Tag bezahlen zu lassen ist eine lukrative Geschäftsidee, die schon längst dazu führt ganze Häuser zu kaufen, um auf Flächen über 1.000 qm flexible Arbeitstische zu vermieten. Bei dem kleinen Erdgeschossraum mit Schreibtischen ist der Unterschied nicht groß zwischen Café und Co-Working, aber bei 5-stöckigen Häusern voller Schreibtische kann eindeutig von der Umwandlung von Wohnraum gesprochen werden (http://agoracollective.org/about/mittelweg/).
Die Folgen: weiterer Raum, bevorzugt in szenigen Graffiti-Kiezen, wird dem Mietwohnungsmarkt entzogen und diejenigen, die dort arbeiten sind die bevorzugten Stadtbewohner_innen, für die jene Räume und die Umgebung umgewandelt und andere zwangsgeräumt werden (So wie es sich im großen Stil wohl bald beim Google Campus in Kreuzberg beobachten lässt).
Ein anderes Konzept von Arbeit
Noch dazu fragen wir uns welche Idee von Arbeit bzw. welche Illusion von Freiheit hinter dem Konzept des flexiblen Schreibtisches konstruiert wird - ohne feste Arbeitszeiten, das einzige Arbeitsmittel der Laptop. Was sind die Produkte dieser neuen Form von Arbeit und Arbeitswelt? Wer braucht diese Produkte, bzw. auf welches Menschenbild werden all die Apps und Lebensstil-Artikel zugeschnitten und in welchem Ausmaß werden davor nie dagewesene Bedürfnisse imaginiert? Inwiefern lässt sich dieser Teil der „Arbeit“ vom „Leben“ trennen, wenn all die Kreativität und Innovationssucht nicht in der Arbeitsszeit sondern im alltäglichen Leben gesammelt und in die Form von Waren verwandelt werden muss? Am meisten erschreckt uns bei diesen Fragen die Erkenntnis, dass einfach alles was alternativ, rebellisch oder anders ist als es die Norm vorschreibt von genau dieser neuen Klasse kreativer-Apple-Süchtiger vermarktet wird, die somit jedem antagonistischen Potenzial seine Sprengkraft rauben, ob Symbolen, Liedern, Kleidungsstilen oder ganzen Theoriegebäuden. Ein Beispiel ist hierfür die Hassi, die als charmantes Accessoire Modezeitschriften, Ausstellungsflyer und CD-Cover kürt, mit dem Hauch von Subversivität und als hinreichendes Zeugnis von Systemkritik.
Deshalb haben wir Lust etwas aus der Wut zu machen, wenn wir schon wieder einen neuen Laden im Kiez sehen, der so tut als wäre er subversiv und friedliebend, der aber eigentlich so brutal Mainstream ist im Rennen um die schönsten Orte dieser Stadt, wie die Ambitionen der Ziegerts und SanusAGs diese Stadt aufzukaufen.
Natürlich stellt sich die Frage der Mittel. Wir haben eine schöne Idee gesehen. Und Fotos gemacht. Aber der „Kreativität“ sind keine Grenzen gesetzt, denn es gibt solche kleinen Fische aber auch fette Haie, die auf dem Markt des Co-Working und der Start-Ups durch die Gewässer flitzen.
Wir werden für unsere Freiräume kämpfen.
Und wenn wir in dieser Stadt noch leben wollen, müssen wir sie angreifen.
Unsere Grüße gehen an Tunfisch, hinter die Knastgemäuer dieser und all der anderen Städte und an Balu, der solange schon durchhält, diese Fratzen im Gerichtssaal zu ertragen.
Vielfalt statt Einfalt und elitäre Scheiße
Die Menschen haben eben eigene Vorstellungen wie und wo und was sie arbeiten wollen. Die einen arbeiten selbständig in einem co-working-space, die anderen schreiben von oben herab elitäre neunmalkluge Meinungen und wollen ihre Ansicht zum Lebensziel aller erheben. Troll dich mit deiner elitären Scheiße wie ich mein Leben zu leben habe.
si pero no
Ich hab auch schon mit meinen Lappi in Neuköllner Cafes gesessen und schreib trotzdem Kommentare auf indy. Deswegen hast du recht, wenn es darum geht, das nicht auf Life- und Workstyle von Einzelnen zu reduzieren. Aber häufig, wie z.B. in dem Beispiel unten, sind Co-Working-Läden größere Geschäftideen, hinter denen Kapitalinvestitionen und Profitinteressen stehen. Dazu wird mit anderen Akteuren der Verdrängung zusammengearbeitet. Und das geht mittlerweile recht umfangreich zu Lasten von Wohnraum bzw. auch Gewerberaum für Vereine, etc.
Agora
Der Coworking-Palast Agora aus dem Mittelweg in Neukölln war indirekt beteiligt an der Zwangsräumung einer Familie in der Kopfstraße. Agora mietete im Haus der Familie bereits einige Wohnungen. Im Zuge der Recherche kam raus, dass eine Vereinbarung zwischen der Hausverwaltung Live-Immobilien und Agora bestand, wonach alle frei werdenden Wohnungen an Agora gehen sollten. Angesprochen auf ihr Nutznießen der Verdrängung von Nachbar*innen zeigte sich Agora gleichgültig und solidarisierte sich nicht mit der Familie. Damit haben sie sich wohl für die Liste qualifiziert. Agora ist in der Zwischenzeit expandiert und befindet sich jetzt auch im "Sudhaus 2" inmitten der Großaufwertungsprojekts auf dem Geländer der ehemaligen Kindl-Brauerei.
Idee:
Hipster, Yuppies, Bonzen raus aus Lichtenberg
...viel cooler als Menschen durch absurde Aufwertungsprojekte zu Verdrängen und den Anwohnern die letzten Möglichkeiten der Zuflucht und sich frei zu entfalten zu nehmen, in dem auch noch die wenigen verbliebenen Grünflächen und Brachen mit überteuerten Luxusappartements zugepflastert werden, ist es diese Freiflächen zu bewahren, wenn gebaut wird höchsten für BEZAHLBAREN sozialen Wohnraum (keine heuchlerischen Alibi-Projekte) für erfolgreiche Besserverdiener und andere die sich an ihren jämmerlichen Privilegien festklammern, mit denen sie ihr Leben verkaufen und dabei verächtlich auf die herabblicken, welche es ihnen nicht gleich tun; also Profitorientierte Scheiße dort zu blockieren, wo sie geschieht!
Deshalb kann ich dem Aufruf nur Zustimmen und sagen weiter so, kein Platz für Selbstausbeutung und neoliberale sozialchauvinistische Bau- und Beschäftigungs- Maßnahmen, die nur darauf abzielen, die kapitalistischen Kontroll- und Abhängigkeits- Verhältnisse auszuweiten, Menschen weiter zu vereinzeln und im sklavischen Konkurrenzkampf gegeneinander auszuspielen!
Erst recht nicht, wenn sie mit hipen möchtegern avantgardistischen aufgeblasen Marketing/Image daher kommen, stattdessen jedoch neo-konservative Werte von der erfolgreichen Kleinfamilie oder dem karierebewussten Singledasein anpreisen und ein Klima der Verdrängung und Ausgrenzung beschwören!
Und was ist das bitte für ein zynisches Argument, in Lichtenberg doch so etwas wie in der Rigaer aufzubauen, erst mal stammt das Projekt aus einer Zeit in der es in Berlin noch ungenutzten Wohnraum an jeder Ecke gab, zweitens nicht nur, dass es solche Bedingungen in Lichtenberg nicht gibt, sondern wenn es noch irgendwo leerstehende Gebäude oder Freiflächen gibt diese abgerissen oder zugebaut werden für/mit teuren Lofts und Szene Läden, die sich nur irgendwelche dekadenten Wohlstandsarschlöcher leisten können und im Gegensatz zu denen die damit die Existenz anderer vernichten und oder möglichst Gewinnbringend weitervermarkten, wird sich bestimmt niemand der was auf sich und die Freiheit der anderen hält, auf deren Niveau herablassen und andere Leute aus ihren Wohnungen vertreiben, so wie deren Lebensraum mit kommerziellem und restriktivem Dreck einzuschränken und zu zubetonieren.
Spart euch euer arschkriecherisches Effiziens und Anpassungsgelaber für eure Chefs und Kunden, es ist nicht nur euer Leben, welches ihr damit zerstört, sondern auch das der Leute welche gerne selbst darüber entscheiden, was sie aus ihrem Leben machen und was sie davon zu erwarten haben, ohne sich der grausam intriganten Selbst-Verwertungsapparatur dieser Gefängnisgesellschaft zu unterwerfen!