Der Traum ist aus - Die Causa Holm ist Ausdruck eines desaströsen Realitätsverlustes der Berliner Linken

Die stadtpolitische Szene in Berlin, vom Mietenvolksentscheid, über Kotti und Co, IL bis zur TOP, ist in heller Aufruhr. Der mietenpolitische Aufstand ist niedergeschlagen, die Barrikaden durchbrochen. Der Sturm auf das rote Rathaus misslang. Wladimir Iljitsch Holm, Kampfname Andrej, ist zurückgetreten. Die Hoffnungen auf die soziale, rot-rot-grüne Revolution zerschlagen. Die IL ruft zur Demonstration, Müller begehe Verrat an der Sache der Mieter_innen heißt es1. Die Angst der Konterrevolution aus Immobilienbranche, SPD und Grünen vor Andrej habe gesiegt und nicht Andrejs falsche Angaben zur Stasi-Vergangenheit seien der Grund für das Ende seiner kurzen Amtszeit. Warum ein Staatssekretär Andrej Holm dem Immobilienkapital jedoch große Sorgen bereiten sollte, bleibt schleierhaft und scheint eher gefühlsgeleitet als durch Fakten belegbar.

 

Schaut man auf die Äußerungen Andrejs nach seiner Ernennung zum Staatssekretär oder in den Koalitionsvertrag von r2g wird schnell deutlich: Es scheint die Angst des Kapitals vor Andrejs Einsatz für den so gut wie wirkungslosen Milieuschutz, vor lächerlichen 30% Anteil sozialen Wohnungsbau bei Neubauprojekten, zaghaften Mietermitbestimungsrechten und der vorsichtigen Heruntersubventionierung der Mieten im sozialen Wohnungsbau zu sein, die seinen Sturz unumgänglich machten2

Ganz sicher war es nicht die Angst vor Eingriffen ins Eigentum, vor einer sozialen Wohnungsbaupolitik die dem jährlichen Bevölkerungswachstum Berlins auch nur im Entferntesten nachkommen würde oder gar einer Vergemeinschaftung von Wohnraum. Ganz zu schweigen von verhinderten Zwangsräumungen oder einer Veränderung der Berliner Linie bei Hausbesetzungen.

Kurzum die vermeintliche Konterrevolution richtete sich scheinbar gegen eine behutsame Nachjustierung der bisherigen Wohnungspolitik, nicht mehr.

 

Sicher, Andrej kommt aus der mietenpolitischen Bewegung, er ist ein kritischer Geist der sich glaubhaft gegen die Gentrification gestellt hat und seine Erkennung kann als Symbol für eine andere Politik gesehen werden kann. Doch bereits in den letzten Jahren wurde deutlich, dass Andrej gemeinsam mit dem Mietenvolksentscheid-Ko-Kreis, Kotti und Co, IL und (leider) vielen anderen immer zahmer gegenüber der Linken und den Grünen wurde. Die Forderungen aus diesen Kreisen immer weich gewaschener wurden und entsprechend die Äußerungen nach dem Regierungswechsel allesamt recht positiv waren3. Mit der Ernennung zum Staatssekretär musste sich schließlich auch Andrej an die Spielregeln der neoliberalen Stadtpolitik halten, zumindest so lange keine starke linke Bewegung auf der Straße die Politik zum Bruch mit der neoliberalen Politik zwingt. Eine solche ist aber derzeit nicht in Sicht, dringend notwendig ist sie allemal. Warum Andrej trotzdem diesen Schritt auf die andere Seite der Barrikade ging bleibt unklar.

 

Ließt man die Koalitionsvereinbarung oder die Interviews mit Andrej nach seiner Ernennung stellt man schnell fest: R2G ist eben kein Bruch mit der neoliberalen Stadt- und Wohnungspolitik, auch wenn Einige versuchen diesen herbei zu schreiben. Warum so viele radikale Linke in den Chor des R2G Umfeldes einstimmen, welche Hoffnungen damit verbunden sind und an welchen Fakten diese Erwartungen an Andrej geknüpft waren, ist schleierhaft und wirft viele Fragen auf:

 

Habt ihr einmal darüber nachgedacht, dass Andrejs Ernennung nicht auch eine einhegende Funktion haben könnte und ganz gezielt eine gewisse Symbolwirkung haben sollte, um sich den Zuspruch der mietenpolitischen Bewegung zu sichern?

Glaubt ihr wirklich, dass Andrej sich gegen das gleiche Personal hätte durchsetzen können, dass in der ersten rot-roten Koalition die kommunalen Wohnungsbestände verkaufte, die Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau kappte und die Liebig14 räumen ließ?

Seit wann sind rot-rot-grüne Projekte und Regierungsbeteiligung von irgendwem ein Mittel für eine Gesellschaft jenseits von Staat, Nation und Kapital?

Hätte R2G nicht auch die Bullen geschickt, wenn irgendwo mal Scheiben klirren, Räumungen verhindert oder Häuser besetzt werden?

An welchen bisher verkündeten realpolitischen Maßnahmen macht ihr fest, das auch mit einem Staatssekretär Holm die Mieten nicht weiter gestiegen, mehr Menschen eine günstige Wohnung gefunden hätten und die Verdrängung gestoppt worden wären?

 

Das Spektakel um die Personalie Andrej Holm zeugt vor allem von einer Realitätsverweigerung von großen Teilen der Linken gegenüber den Ambitionen von R2G, sowie die Stärke des rot-rot-grünen Vorfeldes in der mietenpolitischen Bewegung und Diskurs.

 

Es bleibt die Hoffnung, dass sich die Linke nach dem Ende der Rangelei um Andrej endlich dem Aufbau einer radikalen Mieter_innenbewegung widmet und die Kämpfe für eine Stadt von unten, für eine solidarische Gesellschaft selbst führt und nicht auf einen rot-rot-grünen Senat projiziert. Die Hoffnung, dass die Wut über die beschissene Zustände sich Bahn bricht und der Kuschelkurs gegenüber der Politik ein Ende hat. Die Hoffnung, dass Andrej sich besinnt und nach seinem Ausflug in die Zwangsjacke der Regierungsbeteiligung in die Bewegung zurück kehrt, mit etwas mehr Realismus gegenüber den Verhältnissen.

 

1 facebook.com/events/1629798387047121/

2 http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-12/andrej-holm-berlin-senat-...

3 https://mietenvolksentscheidberlin.de/ https://kottiundco.net/2016/12/03/das-halbvolle-glas-im-winter-2016/ http://www.interventionistische-linke.org/beitrag/recht-auf-stadt-mit-ro...

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Außer:

Hätte R2G nicht auch die Bullen geschickt, wenn irgendwo mal Scheiben klirren, Räumungen verhindert oder Häuser besetzt werden?

Muss wohl heißen:

 

Wird R2G nicht auch die Bullen schicken, wenn irgendwo mal Scheiben klirren, Räumungen verhindert oder Häuser besetzt werden

 

;)

 

Danke für den Text.

Der Text ist so unglaublich dumm und bläst ins selbe Horn wie die Neoliberalen: There is no alternative!

 

Warum ich es gut fand das Andrej den Posten angetreten hat? Nicht weil ich dachte das er als Beamter die revolution machen wird, die macht auf absehbare Zeit wohle leider niemand, aber weil er eben wie es der FDP-Vogel Czaja sinngemäß gesagt hat: Er steht den Hausbesetzern näher als den Immobilienbesitzern. Und weil er darin authentisch und halt kein korruptes Schwein ist.

 

Und jetzt verpfeif dich zurück in deine Trollhöhle …

Sorry, aber dein Kommentar ist dumm. Deine Position im mittleren Absatz ja völlig ok, eben eine andere Meinung als die argumentierte im Text. Aber vorwerfen, eine andere Sichtweise sei "unglaublich dumm", "neoliberal" und sowieso nur rumgetrolle, macht deinen eigenen Einwand nicht gerade besser. Denn das ist nur Gebashe und keine Argumentation. Also komm runter und konzentriere dich auf Letzteres.

Sich dafür zu entschuldigen die DDR-Bevölkerung in irgendeiner Form bespitzelt zu haben ist notwendig und in Ordnung.

So zu tun als wenn die DDR ein einziger Unrechtsstaat war und die BRD unausgesprochen das genaue Gegenteil, ist verkommen, Geschichtsvergessen und Realitätsfern.

Wer so handelt ist entweder ein Heuchler oder er ist eine entsprechende Blüte und von solchen Menschen kann man normalerweise nicht erwarten, das sie auch nur irgendetwas positives auf den Weg bringen.

Die Versorgung im kapitalistischen Staatsapparat scheint ja irgendwie unwiderstehlich zu sein, zumindest für bestimmte Menschen, wieso fällt mir da das Lied vom Speiermann ein, muss ich mal drüber nachdenken.

wen interessiert denn das parlamentsgewichse? worum das in wirklichkeit geht, ist nach meiner ansicht am besten in diesem tweet, über den ich vor ein paar std. gestolpert bin, dargelegt:

 

https://twitter.com/liebernichts/status/821023497749233665