Am Silvesterwochenende veröffentlichte die in Dresden ansässige Sächsische Zeitung – ein im besten Wortsinn streitbarer Laden – eine Karikatur. Sie zeigt Angela Merkel in üblicher Pose vor der für ganz Deutschland symbolischen Szenerie des Brandenburger Tors. Während Merkel in bewährter Form die Raute darbietet, läuft im Hintergrund Sodom und Gomorrha. Weil dem Bild der doppelte Boden fehlt, ist es nicht nur stereotyp und rassistisch. Die Sächsische Zeitung betritt damit auch den Raum des Kontrafaktischen und reicht Pegida die Hand.
Das besorgte Zerrbild eines dem Untergang geweihten Abendlandes zieht immer weitere Kreise. Die Sächsische Zeitung steht länger schon unter gut vernehmbarem Druck der reaktionären Bürger und zittert (jedenfalls in Teilen, man muss das Feuilleton ausklammern) gehörig vor dem Ruf Lügenpresse. Das ist verständlich wie falsch. Wenn dir beinahe die ganze sicht- und hörbare Stadtgesellschaft die Pinocchionase dreht, hinterlässt das Spuren.
Die aktuelle Karikatur nun ist wie eine Werbeoffensive für reaktionäre Bürger à la AfD. Doppeltes Stereotyp: Merkel im immer gleichen Modus, repräsentiert von ihrer typischen Raute und dem seit 2015 so verhassten Spruch „Wir schaffen das!“; im Hintergrund mordende Muslime mit dem üblichen Bart, die Schwule und Frauen jagen – also die stilisierten Werte des Westens attackieren. Zynisch wird noch eine Frau mit Burka abgebildet, die ein Schild mit der Aufschrift „Stop Terrorism“ in der Hand hält. Ein weiterer verzweifelter Muslim hat sich vor den bösen Horden auf die Siegessäule gerettet und wimmert eher kleinlaut „Tolerance“. Unten schlägt einer der Bösen die Säule kaputt – die Toleranz wird bald zermatscht. Und damit der Klischeewahnsinn auch vollständig ist, jagt noch ein Schwarzer mit Bastrock und Speer durchs Bild. Die Wilden haben halt noch Waffen wie ganz früher.
Laut eines taz-Artikels juckt das alles den Chefredakteur Uwe Vetterick nicht. Schließlich darf Satire (und Karikaturen gehören dazu) Grenzen ausloten. Wer vermutet, es könne sich um eine satirische Verarbeitung eines wirklich schrägen weil beinahe restlos unwirklichen Weltbilds handeln, dürfte dafür keine Anzeichen finden. Der für Satire so übliche Widerspruch ist im Bild bereits zwischen der Alles-gut-Merkel im Vordergrund und dem offenbar stattfinden Untergang im Hintergrund verfertigt. Da ist kein Platz mehr beziehungsweise fehlt jedes Indiz für eine zweite Deutung, für eine kritische Distanz oder gar eine Spur von Ironie. Das Bild ist genau so gemeint, wie es gezeichnet ist.
Dass sich die Sächsische Zeitung auf so einen wahrlich abgefuckten Unsinn einlässt, in dem noch der blödeste Pegida-Wahn abgebildet ist, zeigt deutlich, wie weit es die kontrafaktische Angstmacherei schon geschafft hat. Seit zwei Jahren redet sich diese Gesellschaft und allen voran Dresden in einen paranoiden Wahn, der wie eine Massenpanik auf Zeit erscheint. Ja, es gab Terrorangriffe. Und ja, das war schlimm. Aber nein, Deutschland ist unfassbar weit von jener Szenerie entfernt, mit der die Karikatur die Wirklichkeit darstellen will. Rückläufige Zahlen in Sachen Kriminalität, übrigens auch mit Blick auf Geflüchtete. Es ist tatsächlich wahrscheinlicher, am eigenen Essen zu ersticken, als Opfer eines Terrorangriffs zu werden. Aber wahnhafte Zustände haben so herrlich wenig mit der Welt da draußen zu tun. Und die Sächsische Zeitung braucht nun auch Medikamente.
Habt ihr aus Sachsen
etwas anderes erwartet ?
Sachsen
ist durchseucht von rechten Nationalisten. Demokraten und " Menschenfreunde" sind dort leider Exoten.
Jup
Ja, hilft aber nüscht, dass immer wieder aus der Entfernung und ausm Wohlfühlkiez zu wiederholen. Solidarität (von mir aus auch mit den Demokraten) und Menschenfreunden wäre halt mal wieder schön bitte. (Aber die funktioniert ja nicht einmal mehr innerhalb Sachsens; LE hat DD ja bereits vollkommen abgeschrieben - teilweise zu Recht. Aber es gibt noch ein paar Wackere, auch in Dresden und den Dreckskäffern ... interessiert halt schlicht niemanden mehr. Schade.)
Und die paar wackeren Streiter
gilt es zu unterstützen.