Kundgebung gegen Knäste vor Freiburger JVA

Feuerwerk

Zur alljährlichen Knastkundgebung kamen am 31.12.2016 gegen 18 Uhr rund 40 Menschen vor die Mauern der JVA in der Hermann-Herder Straße in Freiburg zusammen, um den Gefangenen ein Zeichen der Solidarität zu übermitteln.  Bereits vor 18 Uhr riefen und klatschten Gefangene an den Fenstern ihrer Zellen. Schon im vergangenen Jahr hatte es verstärkt hör- und spürbaren Austausch zwischen den vor den Mauern protestierenden AnarchistInnen und den Inhaftierten gegeben. Noch vor zwei Wochen gab es vor der JVA ein Konzert mit Kundgebung im Rahmen der Knast-Tournée und die Organisierung auch innerhalb der Knäste nimmt unweigerlich zu.


Die unangemeldete, selbstverständlich von viel Feuerwerk ummahlte Kundgebung verlief stressfrei. Einzig Dieringer und sieben weitere Silvester-Frühschichtler vom Revier Nord suchten Kontakt, um sich dann, nach Verweis auf das nun anstehende Feuerwerk, auf den Objektschutz zu konzentrieren.
Es gab vier Redebeiträge unter anderem von der GG/BO, dem in der SV inhaftierten Genossen Thomas Meyer-Falk, des Ermittlungs-Ausschuss (EA) Freiburg, sowie Autonomer Antirep-Gruppen. Eine gescheite Anlage ermöglichte eine gute Beschallung der JVA, zumindest in den Höfen östlich und westlich des Südflügels. 

Mit zahlreichem Geböller endete der Knastspaziergang – der nun hoffentlich jährlich weiter wächst. Doch die Gefangenen Solidaritäts-Arbeit sollte auch über die traditionellen Knastdemos wieder in den Blick alltäglicher radikaler Politik gelangen – den sie wird umso notwendiger, in diesen Zeiten von Unterdrückung und Repression.

Bis Alle frei sind!   

Aktionen aus den Jahren: 2011|2012|2013|2014|2015

Grußwort an die Gefangenen:
Hallo liebe Menschen hinter den Mauern dieser Welt, wir stehen hier draußen in relativ beschissenen, gewalttätigen Verhältnissen. Ihr seid dort drinnen, unter noch beschisseneren und ebenso gewalttätigen Verhältnissen. Hinter dicken Mauern und Stacheldraht. Ihr sitzt dort, weil ihr gegen vorgegebene Gesetze verstoßen habt, aus welchen Gründen auch immer. Ihr sitzt dort, weil dadurch die Herrschaft des Staates in Frage gestellt wurde. Knäste stellen eine extreme, brutale und widerliche Form der Herrschaftsausübung und Unterdrückung des Staates im Kapitalismus dar. Wir stehen hier draußen, weil wir eine Gesellschaft erreichen wollen, in der es kein Eigentum, keine Grenzen, aber auch keine Herrschaft von Menschen über Menschen, also keinen Sexismus, keine Homophobie, keinen Rassismus und alle anderen Unterdrückungsmechanismen, und somit auch keine Knäste mehr gibt! Wir stehen hier draußen, um euch unsere Solidarität auszudrücken, euch weiterhin viel Mut und Durchhaltevermögen und ein besseres 2017 zu wünschen!

Grußwort von Thomas Meyer-Falk:
Grußwort von Thomas Meyer-Falk, seit 1996 in Haft
Kämpferische Grüße, hier aus dem Freiburger Zuchthaus! Hunderte von Insassen sitzen in diesem Augenblick hier hinter den Mauern, in ihren längst verschlossenen Zellen. Einige schlafen schon, andere haben sich zugedröhnt, um die Zeit zu überstehen. Andere feiern alleine vor sich hin. Wieder andere hocken vor dem Fernseher. Allen gemein ist, sie sind alleine! Dieses Allein-Sein wird durchbrochen durch Euren lauten Protest heute. Knäste sind keine Lösung. Eine Idee, für die gerade jetzt zu kämpfen um so wichtiger ist. Menschen wegzusperren ist der hilflose Versuch, Probleme zu verdrängen.

Wer glaubt denn daran, daß wenn jemand im Knast zwei, drei, fünf Jahre weggesperrt war, dannach als ein geläuterter Mensch vor die dicken Stahltore treten wird? Wieder gab es im nun ablaufenden Jahr Todesfälle zu beklagen, Mitgefangene die sich umbrachten, oder sonstwie starben. Gefangene die als „gefährlich“ gelten sitzen im Isolationstrakt, vollkommen abgeschirmt. In der Untersuchungshaft warten Menschen auf ihren Prozess. Im Jugendbau sitzen die ganz Jungen! 14-Jährige, 15-Jährige, noch Kinder, und doch schon versehen mit einer Nummer – Ihrer Gefangenennummer, die sie vielleicht nie mehr los lassen wird. Und dann gibt es noch das Totenhaus, so nennen wir die Sicherungsverwahrung. Denn dort kommt man hin um auf seinen Tod zu warten, nur die allerwenigsten werden von dort lebend entlassen.  Um so wichtiger Euer Protest hier und heute! Auf ein lebendiges, solidarisches und kämpferisches Jahr 2017! Und euch die Ihr hierhergekommenseid, einen erfüllten Silvesterabend!

Hoch die geballte Faust! Euer Thomas

Redebeitrag Autonome Anti-Rep-Gruppen:
Da stehen wir, wie alle Jahre wieder, vor den Scheißmauern dieses Knastes. Inmitten des idyllischen Freiburgs steht die Justizvollzugsanstalt, JVA, in sogenanntem "Pennsylvanischen Stil". Ein herausstechender Ort der staatlichen Unterdrückung seit nunmehr 136 Jahren. Tausende litten hier; viele kamen ums Leben, streikten und versuchten sich zu wehren. Obwohl auch heute und auch in diesem Staat Menschen in Knästen Leiden und Sterben, erlebt der Strafvollzug eine genüssliche Akzeptanz. Hier steht dieser Block des Grauens, surreal abgeschottet von der Außenwelt, von der Nachbarschaft, von der Öffentlichkeit, von uns.  Für ihr, die ihr euch in Gefangenschaft befindet, ist die restiche Gesellschaft als kritische Instanz außen vor. Das stetige Schweigen muss gebrochen werden und für jeden und jede sollte es eine Stimme geben. Dass einzelne Gefangene und Gruppen sich dafür Einsetzen Publikationen aus den Knästen zu Verbreiten ist praktische Solidarität. Sich beispielsweise über eine gewerkschaftliche Vernetzung, wie in der entstehenden Knasti-B.O., zu organisieren sind Ansätze, dem Knastalltag und der stetigen Unterdrückung entgegenzutreten! Und besonders wir hier Draußen sollten nicht zögern den Knast als eines der gewaltigsten Mittel des herrschenden Problems zu begreifen und ihn von Grundauf abzulehnen. Um Knäste zu begründen wird Angst geschürt, die dieser Staat weltweit fördert. Das unheimliche Bild der Knasties beruht auf der verrückten Vorstellung, und viel bürgerlicher Propaganda. So dass die Vorstellung herrscht, hinter diesen Mauern seien hunderte blutrünstige Mörder und Kinderschänder eingesperrt, da sie nicht mit der Gesellschaft kompatieren. Doch nur ein winziger Bruchteil der Inhaftierten ist irgendwie in die Nähe solch grausamer Vorstellungen zu denken. Und selbst diese lassen sich mitnichten durch Isolation und Deprivation "kurieren".  Ein Großteil der Menschen sitzt wegen Eigentumsdelikten in Haft. Tausende hocken grundlos in Knästen. Zehntausende Flüchtende werden mit dem Mittel des Knaste und der Lagergefangenschaft am legitimen Versuch gehindert, ein besseres Leben zu suchen...

Der Knast ist ein Symbol. Einerseits.  Der Knast, der Stacheldraht, die Mauern und  Schützentürme sind aber vor allem hier und an hundertausenden weitern Orten ein furchtbares und menschenverachtendes Mittel der tatsächlichen, praktischen Unterdrückung von Menschen. Sie dienen der Durchsetzung vielfältiger Willkür und der Arroganz der Mächtigen. Die grausamen Herrschaftsmittel Gefängnis und Gefangenschaft müssen wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gelangen. Die systematische Freiheitsberaubung der Millionen Gefangenen weltweit muss hinterfragt und bekämpft werden, soll es eine Gerechtigkeit geben. Wir grüßen besonders die Linken Gefangenen hier und anderswo. Standen sie doch, auf ihre vielfältige und oftmals konsequente Weise entgegen der organisierten Gewalt des staates und der kapitalistischen Barbarei. In den letzten Monaten wurden erneut Freundinnen und Freunde einer freien, antifaschistischen Gesellschaft verhaftet. In Italien, in Spanien. Aber auch hier.   

Land für Land sind die Geschichten der Knäste nur umso grausamer und wir wollen nicht auf Noten der Trauer und der Angst enden. Auch nicht beim einzelnen Beispiel.  Nach einem weiteren Jahr furchtbarer Ereignisse wollen wir unsere solidarischen Grüße an euch Knasties der Freiburger JVA senden. Wir wollen die Genossinnen und Genossen grüßen die zur Stunde in Stuttgart-Stammheim, Köln-Ossendorf und an vielen anderen Orten für eine Gesellschaft ohne Knäste und Repression demonstrieren. 

Wir senden solidarische Grüße an alle die sich den westlichen Festungen und dem Knastsystem entgegenstellen, in Athen, LA, Rastatt, Melilla, Rio de Janeiro oder sonstwo.   

Reißen wir also die Knäste ein. Stein für Stein! Erinnern wir uns an die Kämpfe unserer Freundinnen und Freunde! 

Unterstützen wir die Organisierung der Gefangenen. Auf ein solidarisches und kämpferisches neues Jahr!

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Neben dem Kampf gegen die Freiheitsberaubung als krasse Form der einschränkenden Herrschaft, welche uns heute Abend hier vor diese hässliche Mauer treibt, steht noch ein weiterer Kampf. Der allgegenwärtige Klassenkampf, der auch hinter Gittern dringend notwendig ist.

Wir sind deshalb heute Abend als Soligruppe Freiburg der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation hier, um uns mit den Arbeitskämpfer*innen hinter Gittern zu solidarisieren und sie zu unterstützen.

Wir grüßen die über 70 Mitglieder der GGBO und alle anderen Gefangenen hier in der JVA!

Wir rufen euch dazu auf, euch mit den drinnen bestehenden Gewerkschaftsstrukturen zusammen zu setzen und euch dann gemeinsam gegen die bestehenden Arbeits- und Machtverhältnisse zu wehren. 

Denn hinter diesen hässlichen Mauern findet Tag für Tag dieselbe Maloche wie draußen statt.

Da gibt es anstaltseigene Betriebe wie die Schreinerei, die etwa die Einrichtung für die neue JVA Stuttgart-Stammheim gefräst hat oder Möbel für Gerichte im ganzen Land herstellt.

Die Gefangenen bekommen für solche Plackerei einen mickrigen Stundenlohn von 1-2 €.

Dabei steht der Wert der Waren in keiner Relation zu den gezahlten Löhnen. Die Schlosserei der JVA Butzbach beispielsweise hat so im Jahr 2015 fast 3 Millionen Euro an Werten geschaffen. Die Gefangenen, die diesen Gewinn erwirtschaftet haben, haben aber nur knapp 10.000 Euro Lohn gesehen. Zusammen. In einem Jahr!

 

Eine noch wildere Dimension kriegt die Ausbeutung hinter Gittern, wenn, wie auch hier in Freiburg, Fremdfirmen im Knast produzieren lassen. Dann wird die billige Arbeitskraft der Gefangenen als verlängerte Werkbank der Betriebe draußen verwendet. Denn während Arbeitgeber*innen draußen von Arbeitsrecht, Mindestlohn, Sozialbeiträgen und Rentenversicherung gestresst werden, bleibt ihnen all das erspart, wenn sie ihre Arbeit einfach hinter die Gefängnismauern verlegen. Ein einfacher Trick macht die JVAs bundesweit zu Billiglohn-Oasen für geplagte Unternehmer*innenseelen: Denn was vor Gefängnismauern als Arbeit gilt, wird hinter den Mauern als Resozialisierungsmaßnahme verkauft, um die die Gefangenen doch bitte auch noch froh sein sollen.

Dass in der selben 40-Stunden-Woche dieselben Güter gesägt, gegossen, geschraubt, gesteckt oder gefräst werden – geschenkt. Dass die kapitalistische Ausbeutung von Arbeitskraft auf beiden Seiten der Mauern dieselbe ist –egal.

Durch die Verleugnung der Tatsache, dass hinter den Gittern stinknormale Arbeit stattfindet, können sämtliche progressive Errungenschaften der letzten paar hundert Jahre einfach mal schnell abgelegt werden.

- Wer im Knast arbeitet kriegt keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

- Die würde allerdings auch nicht viel helfen, denn bei einem Stundenlohn zwischen 1 und 2€ könnte man sich auch von Krankengeld nicht viel kaufen. Dass diese Bezahlung nicht nur eine Verhöhnung der Arbeitnehmer*innen hinter Gittern darstellt, sondern auch den Mindestlohn beeindruckend deutlich unterbietet ist bis jetzt leider sogar dem DGB egal.

- Außerdem kann auf diesem Wege die Einzahlung in die Rentenkassen verhindert werden – nett für die Unternehmen, bitter für die in die Altersarmut rutschenden Gefangenen.

- Um diese Missstände beibehalten zu können wird überdies die grundgesetzlich garantierte Vereinigungsfreiheit und damit das Recht, Gewerkschaften zu bilden, ignoriert. Nicht nur der Anstaltsleiter Herr Völkel und seine Kolleg*innen hier in Freiburg halten mit dieser Begründung gerne gewerkschaftliche Post zurück. Man wird sehen, was das Landgericht dazu sagt.

 

Gegen diese Missstände formiert sich ein immer breiterer Widerstand. So gibt es zum Beispiel bundesweit immer wieder Bummel- und Hungerstreiks von Gefangenen, um ihre Rechte zu erkämpfen. 

Ein Erfolg auch hiervon kann im Beschluss der Partei Die Linke gesehen werden, die Kernforderungen der GGBO zu übernehmen.

 

Der Widerstand der Gegangenen macht klar, dass sie für ihre Interessen eintreten und sich nicht jede Maßnahme seitens der Justizvollzugsbehörden gefallen lassen. Solange es nicht die volle Einbeziehung ins Sozialversicherungssystem, Mindestlohn für arbeitende Gefangene und keine vollständige Gewerkschaftsfreiheit in Haft gibt, werden auch wir den Kampf der Gefangenen für ein menschenwürdiges Leben unterstützen.

 

Durchbrechen wir die Isolation der Gefängnismauern und starten in ein kämpferisches Jahr 2017!