[OH] Klingberg – es gibt kein ruhiges Hinterland!

Klingberg, Unterkunft für Geflüchtete

Es hat wieder gebrannt. Dieses Mal in Klingberg, einem Dorf mit 1.000 Einwohner_innen in der Gemeinde Scharbeutz, nur wenige Kilometer von Lübeck entfernt. Dauerregen, als heute Antifaschist_innen in dem idyllischen Dörfchen direkt an der Ostsee eintrafen. „Ferienparadies Klingberg am See“ ist auf einem Schild direkt in der Ortschaft zu lesen. Villen und Einfamilienhäuser zum Teil mit reetgedecktem Dach und hochwertigen Autos vor der Tür, Limousinen kennzeichnen die Wohnatmosphäre. Eine Reiterpension, Tennisplätze, eine Jugendherberge und die Nähe zur Ostsee machen den Ort auch für Urlauber_innen interessant.

 

Gärtner_innen pflegen die Grünanlagen ihrer Auftraggeber_innen. Jogger laufen auch beim schlechten Wetter durch die Ortschaft. Blicke huschen durch die zum Teil nur angelehnten Fester – man kennt uns nicht. Auf die Frage in welchem Haus es gestern gebrannt hat, möchte man uns nur sporadisch antworten. „Irgendwo da hinten, den Berg hoch. Das Haus kann man von der Straße aus nicht einsehen.“ Oder man verweigert uns direkt die Auskunft.

 

Tatsächlich ist das Haus von großen Bäumen abgeschirmt. Von der Straße nicht einsehbar. Der Scharbeutzer Bürgermeister Volker Owerien bestätigte, dass im letzten Jahr verschiedene Unterkünfte von der Gemeinde angemietet wurden, um Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen. Im Mai bewohnten Geflüchtete für zwei Wochen eine an das Haus angrenzende Wohnung. „Das Haupthaus stand seit der Anmietung leer“, so der Bürgermeister. Eine Unterbringung von weiteren Geflüchteten war nicht geplant.

Gegen Montagmittag brach der Brand im Dachstuhl des Hauses aus und setzte ihn vollständig in Brand. Es wird vermutetet, dass der Brand und die damit verbundenen Löscharbeiten einen wirtschaftlichen Totalschaden verursachten. Das Haus ist nicht mehr bewohnbar und muss ggf. abgerissen werden.

Heute, einen Tag später, sieht man das Ausmaß des Brandes, der Dachstuhl ist zum Teil eingestürzt. Es riecht nach verbranntem Holz, der Geruch von Rauch liegt immer noch in der Luft. Beamte der Kriminalpolizei sind dabei Spuren zu sichern. Sie machen Witze, zum Teil werden sie sexistisch und persönlich. Es tangiert uns nicht, wir erwarten von den Schweinen nichts. Wir haben den Bullen noch nie vertraut und werden es auch in Zukunft nicht tun. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass gerade antifaschistische Initiativen notwendig sind, um mögliche Täter_innen einzukreisen und eine mögliche Verbindung zur extrem rechten Szene herzustellen.

 

Das Versagen von staatlicher Ermittlungsarbeit in solchen Fällen, wie auch zum Brandanschlag am 29. Juni 2015 in einer im Bau befindlichen Unterkunft für Geflüchtete im Lübecker Stadtteil Kücknitz verwundert uns nicht – es schockiert uns. Genau aus diesem Grund sind wir heute nach Klingberg gefahren, um uns ein Bild vor Ort zu machen, Präsenz zu zeigen und möglichen Täter_innen aufzuzeigen, dass es Menschen gibt, die anderes sind. Welche, die nicht wegsehen, sondern hinschauen.

Wir schauen hin und stellen fest, dass nicht einmal 200 Meter von dem Haus, welches gestern ausgebrannt ist, ein Mitglied der „Alternative für Deutschland“ wohnt. Sven Schmidt kann als direkter Nachbar gezählt werden. Schmidt steht in Kontakt mit Rassist_innen wie dem ehemaligen Vorsitzenden der rechtspopulistischen und muslimfeindlich Kleinstpartei „Die Freiheit“ Schleswig-Holstein und heutigem stellvertretenden Landessprecher der AfD Schleswig-Holstein, Claus Schaffer. Auch Kontakte zu Nazis wie Hasso Füsslein aus Schwartzenbek unterhält Schmidt.

Auch wenn wir Schmidt für seine politischen Überzeugungen verachten, können und wollen wir ihn nicht vorverurteilen. Es bleibt ein bitterer Beigeschmack. Der Fall Escheburg lehrt uns, dass auch vermeitlich „brave Nachbarn“ wie Kim-Alexander Müller in der Lage sind, aus einer rassistischen Motivation heraus Unterkünfte für Geflüchtete in Brand zu setzen.

Sollte sich der Verdacht erhärten, dass die geplante Unterkunft für Geflüchtete in Klingberg aus einer rassistischen Intention heraus angezündet worden ist, werden wir dagegen kämpfen, die Betroffenen unterstützen und den Täter_innen zeigen, was wir von ihnen halten. Solange Anwohner_innen weiter stumpf rassistische Klischees bedienen, sich an der Hetze beteiligen und sich im Stillen über die Angriffe freuen, werden wir da sein, dagegen vorgehen und dem rassistischen deutschen Mob keine Gelegenheit geben, sich zu formieren.

Antifaschistische Koordination Lübeck