Eine Selbstreflektion über meine absolute Ratlosigkeit darüber, welche Partei ich am morgigen Sontag bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und der Bezirksverordnetenversammlung wählen sollte.
Im Internet wird unter radikalen Linken und dem dazugehörigen sozialen Milieu schon seit Wochen darüber gestritten, welche Strategie im Umgang mit den kommenden Wahlen nun die bessere sei. Bei den Dogmatikern aus dem Umfeld der neuen K-Gruppen hat sich die Position eines Wahlboykotts durchgesetzt. Die Revolutionären werden wohl bei der DKP hängen bleiben und die IL und ihr Umfeld werden ihre Stimmen mehrheitlich dorthin tragen wo auch ihre Jobs und ihre Kohle herkommt: also zur Linken und den Grünen. Nun liegt mir die pauschale Verurteilung der Wahlteilnahme aber nicht und die Hausbesetzerparolen der 80er Jahre verfangen aufgrund ihrer platten Argumente auch nicht mehr so sehr. Wen kann ich also wählen?
Das „kleinere Übel“ …
Mir selbst fällt jedoch kein trifftiger Grund ein, meine Stimme dieses Mal leichtfertig zu vergeben. Da mir eine gewachsene Parteienbindung, wie bei vielen anderen Linken, ebenfalls fehlt, kann ich auch nicht einfach aus Gewohnheit etwas ankreuzen. Zur Bundestagswahl 2002, als ein möglicher Bundeskanzler Edmund Stoiber drohte, liess ich mich noch dazu hinreissen das „kleine Übel“ zu wählen. Nachdem die rot-grüne Bundesregierung dieses Engagement mit der Einführung von Hartz-IV beantwortet hat und auch in den Länderparlamenten mit Rot-Rot nur Enttäuschungen produziert wurden, ist das „kleinere Übel“ bei mir aber nachhaltig diskreditiert.
Ebensowenig erscheint es sinnvoll heute noch die SPD oder die Grünen aus der Motivation heraus zu wählen, eine Stimme gegen die CDU/CSU abgeben zu wollen, da beide Parteien zur Not auch eben der CDU/CSU zur Mehrheit verhelfen würden, wenn sie denn im Gegenzug beteiligt werden. Eine Stimme gegen die CDU wird bei einem ungünstigen Wahlausgang also leicht zu einer Stimme für die CDU. Ohne das mensch dies irgendwie beeinflussen könnte.
Und in Berlin?
Hier in Berlin tritt zudem ein bunter Blumenstrauß an Parteien auf. Nach dem Querlesen der verschiedenen Wahlprogramme stellte ich zu meiner Irritation fest, das ausnahmslos jede Partei, die Chancen auf den Einzug in das Berliner Parlament hat, mehr Polizei fordert. Einfach jede. Bei CDU, SPD und FDP ist man dies ja gewohnt, aber selbst die Grünen, Linken und Piraten haben dies in ihrem Programm stehen. Ich habe also am Sonntag die Wahl zwischen „mehr Polizei“, „mehr Polizei“ und „mehr Polizei“. Großartig.
Auch bei den anderen Themengebieten erschwert eine zunehmende Rechtsverschiebung der Parteienlandschaft das strategische Wählen enorm. Nehmen wir an, man wäre dagegen, das Frank Henkel weiter Innensenator sein sollte. Dann würde ich nicht die CDU wählen. Wähle ich aber die SPD, geht diese am Ende noch eine weitere „Große Koalition“ mit dieser ein und ich kriege wieder Frank Henkel. Oh man.
Nehmen wir jedoch an, wir hätten die Überzeugung, dass der Law-and-Order-Trip von Tom Schreiber (SPD) ziemlich nervig ist und das Ziel sei es die SPD zu schwächen. Dann wiederum könnte ich weder Grüne noch Die Linke wählen, da diese als erklärtes Ziel ja gerade die Koalition mit der SPD haben. Eine Stimme für Klaus Lederer ist also eine Stimme für Tom Schreiber und eine Stimme für Müller ist eine für Frank Henkel. Und wem meine Stimme hilft wenn ich Frank Henkel selbst wähle, will ich mir lieber gar nicht erst ausmalen.
Sperrklausel im § 18
Es bleibt finster, aber was kann ich tun? Den Einzug der AfD in das Landesparlament, kann meine Stimme kaum verhindern. Der Einzug der FDP hingegen ist überhaupt nicht so sicher. Im Vergleich zu anderen Bundesländern, bietet das Wahlgesetz in Berlin zudem eine kleine Besonderheit. Während überall die Höhe der 5%-Sperrklausel aus den abgegebenen gültigen Stimmen berechnet wird, zählen in Berlin ausnahmslos alle abgegebenen Stimmen. Also auch die ungültigen.
Das bedeutet,dass eine abgegebene ungültige Stimme, nicht nur die Prozentangabe der Wahlbeteiligung erhöht, sondern auch die zum Erreichen der 5%-Hürde notwendige Mindestanzahl an Zweitstimmen erhöht. Eine ungültige Stimme könnte am Sonntag also unter günstigen Umständen trotzdem eine wirksame Stimme gegen die FDP sein.
Das wirkliche „kleinere Übel“
Eine Nichtteilnahme an der Wahl kommt für mich hingegen nicht in betracht, da mir nichts daran liegt, die üblichen Erklärungsmuster wie „Politikverdrossenheit“ etc. zu befeuern und ich das Abhalten von Wahlen vom Grunde her (im Gegensatz zu vielen anderen WahlkritikerInnen) auch nicht ablehne. Ich wünsche mir schliesslich ein „mehr“ an Mitbestimmung und nicht „weniger“. Zugegeben, dies ist ein kleiner Trost. Angesichts der anderen Optionen, ist es meiner Ansicht nach aber das wirkliche „kleinere Übel“.
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Die Partei?
ich dachte , dass es genau dafür
die Partei und Martin Sonneborn gibt um genau diesem Dilemma
zu entgehen ^^
Lasswt euch nicht einwickeln
Wahlboykott.
Wer wählt ist Stimmvieh!
Anarchistische Abfuhr gegen bürgerlichen Parlamentarismus heisst: Heute anderes tun....
...und kommt bitte nicht mit der Lüge, wer nicht wählt, wählt rechts...
Nichtwählen und täglich kämpfen ist revolutionär!
diesmal gehe ich wählen
und abends zu der (wohl hoffentlich)stattfindenden Demo gegen die AFD.Denn den Einzug dieser Rassistischen,mit besten Verbindungen in die Naziszene,Partei werden wir wohl nicht verhindern können.Bitte gebt rechtzeitig den ort und die Uhrzeit der Demo bekannt
blabla A
Parolen ändern nichts, sonst wären sie verboten.
Und nein täglich kämpfen ist nicht revolutionär, sondern der beschissen Alltag im Kapitalismus.
und was ist der große Sinn
hinter ungültig wählen? Ich meine dann kann man auch zu Hause bleiben. Denn die Wahlhelfer wird es einen Scheiß interessieren, was du da auf den Wahlzettel schreibst, um ihn ungültig zu machen. Und das Ergebnis beeinflußt eine ungültige Stimme genausoviel wie Nichtwählen. Denn die Prozente errechnen sich aus den abgegebenen gültigen Stimmen?
Nochmal lesen
Im Post steht es doch - in Berlin zählen alle Stimmen (inkl. Ungültig) für die Berechnung der 5%-Hürde.
Wahlhelfer
ich war selbst schon Wahlhelfer und sage dir, das es durchaus vorkommt das besonders kreativ gestaltete Wahlzettel auch durchgelesen werden.
grusel (aber OK auch Linke dürfen doof sein)
Wenn ich hier lese Wahlboykott oder ungültig wählen kann ich ehrlich nur den Kopf schütteln. Auch mir gefällt keine der etablierten Parteien wirklich, was nichts daran ändert, dass man
da mir die Berliner Grünen zu angepasst sind werde ich Links wählen, da vieles von dem was sie tun in eine Richtung geht die mir gefällt. Nein auch die Linken sind nicht das Nonplusultra aber für meine Begriffe dieses mal die beste Wahl.
Hallo
Du schreibst ja selbst, dass dir keine der Parteien gefällt und dass dir die Grünen zu "angepasst seien". DU möchtest dem OB Müller "etwas entgegen" setzen?
Warum wählst du deshalb Die Linke? Aktuelle Umfragen zeigen, dass es für Rot-Schwarz nicht reichen dürfte. Demnach wäre die einzige Hoffnung für Müller dass Die Linke und die Grünen genügend Stimmen bekommen um ihn eine weitere Legislaturperiode als OB zu ermöglichen. Deine Stimme für Die Linke ist also de facto eine Stimme für den OB Müller.
Henkel besonders schlimm?
Wo bitte ist Henkel besonders schlimm?
Schau dir die Alternativen an und sag, wo die besser sind.
Zumal Henkel fett angezählt ist und sich nichts mehr erlauben kann... der dürfte der bequemste Gegner für eine autonomie Linke zur Zeit sein:
Mehr dazu:
http://maqui.blogsport.eu/2016/08/20/b-adbusting-aktion-am-innensenat/