[P] "Freie Patrioten Potsdam" scheitern mit "Großdemo"

"Freie Patrioten Potsdam"

Am Samstag, 20. August 2016, versuchten Neonazis, Reichsbürger_innen und Rassist_innen unter dem Namen "Freie Patrioten Potsdam" (FPP) eine "Großdemonstration" auf dem Luisenplatz in Potsdam durchzuführen. Es kamen statt der erwarteten 700 Teilnehmer_innen jedoch etwa 50 Menschen zu der Veranstaltung in der Potsdamer Innenstadt. Es folgt ein kleiner Bericht.

 

In den Wochen vor der Demonstration gab es von linker und linksradikaler Seite kaum wahrnehmbare Mobilisierung gegen den Rassist_innen-Aufmarsch. Offenbar (und zu Recht) genervt von den immer wiederkehrenden Klein-Demonstrationen von Rassist_innen in Potsdam war, möglicherweise auch auf Grund des Sommerlochs, die Luft raus.

 

Erst wenige Tage vorher gab es in der Innenstadt Potsdams visuelle Hinweise auf den anstehenden Aufmarsch zu sehen: mehrere Tags, Sprühereien und vor allem "Antifa-Area"-Plakate mit Hinweisen auf die Gegenproteste verschönerten das Stadtbild.

 

Dass bei weitem nicht so viele Antifaschist_innen und Antirassist_innen ihren Protest zumm Ausdruck geben würden, wie es noch bei den rassistischen Demonstrationen im halben Jahr zuvor üblich war, wurde spätestens klar, als der Termin für das DFB-Pokalspiel der Männer zwischen dem SV Babelsberg 03 und dem SC Freiburg gesetzt wurde - zeitgleich zum Aufmarsch in der Innestadt. Damit fehlten (aus meiner Sicht) bis zu 300 Menschen, die sonst den Protesten gegen die FPP gefolgt wären.

 

An dieser Stelle auch eine kritische Nachfrage an die (organisierten) Fußball-Fans in Babelsberg: Ist es Notwendig sich ab 9.30 Uhr zu treffen um sich "einen reinzustellen", wären zu dieser Zeit schon Antifaschist_innen ein gemütliches Frühstück auf dem Luisenplatz veranstalteten in dessen Anschluss erfolgreich der Brunnen vor Ort besetzt werden konnte? Warum wurde nicht auch am Vormittag zum Luisenplatz mobilisiert?

 

Das Spiel begann erst um 15.30Uhr, also war vorher genügend Zeit in der Innenstadt Präsenz. Schon ab 12 Uhr waren Neonazis in der Innenstadt unterwegs, eine kritische Masse, die diesen hätte Feuer unterm Hintern machen können, fehlte jedoch - auch wegen der Mobilisierung der Babelsberger Fußballfans.

 

was sonst so passierte am Tag:

 

  • nach einem Frühstückk auf dem Luisenplatz besetzten etwa 25 Antifaschist_innen den Brunnen auf der Platzmitte; die Polizei war darauf nicht vorbereitet und versuche erst das Wasser abzulassen (was an blockierten Abflüssen scheiterte), dann zogen sich einzelne Beamte Gummihosen über um die Protestierenden aus dem Brunnen abzuführen, nach der Feststellung, dass der Boden zu rutschig sei wurde sich dann dazu entschieden die Feuerwehr zu rufen und das Wasser abzupumpen - was für ein Aufwand.
  • Die Besetzer_innen wurden abgeführt (Personalienaufnahme) und dann in zwei Gruppen in die Gefangenensammelstellen in Potsdam und Werder gebracht, dort mussten sie bis zum Ende der Versammlungen bleiben.
  • um den Luisenplatz herum sammelten sich ab etwa 12 Uhr Antifaschist_innen - dies jedoch unorganisert, da es im Vorfeld keine konkrete Mobi und Anlaufpunkte gab
  • auch ab etwa 12 Uhr streunerten die ersten (ortsunkundigen) Neonazis durch die Innenstadt
  • Die Neonazis bauten Zelt, Bierbänke und -tische, einen Grill und andere Utensilien auf (geliefert mit Taxi), um es sich auf dem Platz "gemütlich" zu machen
  • Diese Gemütlichkeit wurde jedoch durch immer zahlreicher werdende Antifaschist_innen um den Platz herum zu nichte gemacht: Hupkonzerte, pausenlos Parolen gegen die FPP, Trillerpfeifen, Musik und anderes bildete eine Geräuschkulisse, die es sogar direkt vor den Redner_innen der Rassist_innen schwer machte diese zu verstehen.
  • Die Neonazis drehten in etwa 15 Minuten eine Kleinst-Runde durch die Innenstadt und wurden dabei von Antirassist_innen bedrängt, beschimpft, immer wieder blockiert und verinzelt mit Gegenständen beworfen - Spießrutenlauf nach Potsdamer Art; aber auch hier sein angemerkt: mit nur 100 Personen mehr hätten die Neonazis nicht laufen können, die ganze Innenstadt hätte eine Spielwiese für Aktionsorientierte sein können.
  • Am Ende wurde ein Teil der FPP-Anhänger_innen durch einen von der Polizei dazugeholten Bus der ViP (städtischer ÖPNV-Betrieb) aufgesammelt und zum Hauptbahnhof gebracht. Andere kleinere Gruppen wurden durch jeweils mindestens 12 Polizist_innen zu ihren Autos gebracht (vor allem die Magdeburger_innen)
  • 5 minuten bevor der Bus die Neonazis aufsammelte stießen etwa 70 Antirassist_innen aus Babelsberg, das Fußballspiel war mittlerweile beendet, zu den Gegenprotesten dazu - die aktionsbereitschaft stieg sofort merklich, es reichte jedoch nichtmehr dazu die Abfahrt des Busses ausreichend lange für weiterführende direkte Aktionen zu blockieren.
  • Die letzten zwei Autos der Neonazis (geparkt direkt auf dem Luisenplatz) wurden mit Polizeibegleitung durch die Innenstadt richtung Schnellstraße/Autobahn gelotst

 

Was bleibt sind gemischte Gefühle:

  • mit sehr wenig Protestierenden (max 300 auf antifaschistischer Seite) wurde effektiv gezeigt, dass Potsdam für Rassist_innen ein schwieriges Pflaster bleibt
  • mit nur 100 entschlossenen Leuten von uns mehr hätte die FPP in den Boden gestampft werden können
  • Verwunderung und etwas Verbitterung stellt sich bei mir gegenüber Teilen der Babelsberger-Fanszene ein - zummindest bis zum Mittag hätten Aktionen in der Innenstadt stattfinden können.

 

Viele Dinge fehlen - schreibts in die Kommentare.

 

Inforiot: http://www.inforiot.de/kein-pogida-comeback/

Ticker Potsdam (Ticker zum Nachlesen): https://twitter.com/tickerpotsdam

 

Photos von Presseservice Rathenow: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/albums/721576715316...

Bilder von Pusztapunk: https://www.flickr.com/photos/pusztapunk/sets/72157671843706392 (da kommt auch das Titelbild her)

 

PNN:

im Vorfeld http://www.pnn.de/potsdam/1105081/

Livebericht http://www.pnn.de/potsdam/1105788/

http://www.pnn.de/potsdam/1106416/

 

MAZ:

livebericht http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Demos_DFB-Pokal_und_Schloessern...

http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Planschen-gegen-Patrioten-in-Po...

http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Vorerst-keine-weitere-Patrioten...

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Also ehrlich, hier wird ja so getan, als wenn keine Fußballfans und Ultras anwesend gewesen wären. Natürlich war Fußball, und natürlich - auch ich - gibt es Leute/Fans/Ultras, die an dem Tag ihre Prioritäten anders gesetzt haben, anstatt so einen dämlichen Haufen Vollidioten über Stunden zu bespaßen. Die Szene in Potsdam ist wesentlich größer als nur der Fußballkontext. Hättest du/ihr mal lieber gefragt, wo die zahlreichen Bewohner*Innen der so zahlreichen Hausprojekte waren? Oder wo waren denn die ganzen anderen Jugendlichen, die in der ersten Zeit bei den Pogida-Protesten anwesend waren? Und wo ist denn das so tolerante Potsdam mit seinen Bürger*Innen, wie es sich ständig auf die Fahnen geschrieben wird?

Das 70 Personen aus dem Babelsberger Fußballumfeld direkt nach dem Spiel los sind ist doch super. Aber wie geschrieben, man sollte die zugereisten Vollidioten für nicht allzu ernst nehmen und nicht immer auf die "Babelsberger" hoffen.

grundsätzlich stimme ich dir zu.

ich möchte aber zu bedenken geben, dass es etwas anderes ist, zu einer aktion nicht hinzugehen (in deinem beispiel die hausis, die abgesehen davon auch zu hauf zum fußball gehen) als eine andere aktion (9.30 Uhr einen reinstellen vor der apotheke am rathaus babelsberg) konkret zu bewerben.

 

ansonsten hab ich den text oben nicht als grundsätzlichen diss gegen die fußballer*innen wahrgenommen, sondern eher als kritische nachfrage wegen unverständnis.

 

Ich hab mich auch gefragt, wo denn all die bürgis waren. da ich aber auf die nicht primär setze, ist mir das auch irgendwie egal.

Deine Nachfragen wo denn all die anderen geblieben sind kann ich nachvollziehen, relativieren das fernbleuben bestimmter zusammenhänge aus dem fußball-spektrum aber nur bedingt. machts ja nicht besser, ne? :-)

 

deinen letzten Satz kann ich nur ablehnen. In Brandenburg gibt es so viele rassistische Übergriffe wie noch nie (seit ernsthafter beobachtung), es gibt Anschläge noch und nöcher, Pöbeleien gegen nicht Bio-Deutsche sind an der Tagesordnung etc pp - wir alle wissen was los ist. in diesem kontext davon zu sprechen rassistische Kundgebungen, die immer als Motibvationsfaktor innerhalb der szene der rassist*innen wirken, "nich allzu ernst [zu] nehmen" finde ich fatal falsch.

Right-Side:

-1 Stunde angepöbelt worden in kleinst abgesperrtem Bereich durch die Brunnenbesetzung.

-15Min Mittag

-anschließen 2Stunden am ausgepumpten Brunnen in der Hitze gesessen

-sind dann anstatt angemeldeten 700 auf 50 Teilnehmer gekommen...

-und das für eine 15Min Demo über die leere Hauptstraße die noch beim laufen von umringenden Antifaschisten*innen übertönt wurde direkt zurück in's Gitter?!

-wurch antifaschistischen und Anwohnereinsatz ging die Abschlussrede im Ruf,Pfeif und durch Schilder wie "Hupen gegen Nazis" Hupkonzert unter

-wenig lokale Nazis, viele extra angereist aus Dresden, Leipzig und Magdeburg die dann sichtlich enttäuscht und genervt waren

-kriegen Sonderbus von Bullen gestellt und fahren nach Hause

 

Left-Side:

-mehr Mobi auch in Berlin für mehr Antifaschisten*innen hätte klar nicht schaden können

-den Platz hätten mehr besetzen sollen, den schönen Brunnen hat's den Nazis aber aufjedenfall gekostet :)

-Gegenaufgebot auch durch viele Anwohner unterstützt

-ausdauerndes Rufen/Pfeifen

-durch Schilder wie "Hupen gegen Nazis" wurden die vorbei fahrenden Fahrer*innen teil des Gegenprotest's und machten den Hetzer'n ihr eigenes Wort unverständlich

-Antirassisten*innen des Pokalspiel*s die zu den Gegenprotesten stoßen wollten wurden von den Bullen aufgehalten, konnten aber noch ihren Standpunkt klar machen

-Demo wurde ein paar mal zum kurzen Schrittstop gebracht, allerdings keine Blockade

-Demo wurde in den vollen 15Min von Antifaschisten*innen (und hinterher jagenden Bullen) umringt, übertönt so wie dadurch kaum kenntlich gemacht, ein paar Böller flogen

-ein paar Handgemenge gab es mit Cops doch außer den Besetzer*innen wurde wohl niemand festgenommen

 

Fazit: Unser Protest hat trotz verbesserung's Möglichkeiten mehr als gereicht, denn die Nazis haben sich an diesem Tag schon selbst genug blamiert.

Nur der Vollständigkeit halber:

Zeitgleich zur Patrioten-Veranstaltung am Luisenplatz versammelte sich, wenige Kilometer von Potsdam entfernt, in der mittelmärkischen Kleinstadt Teltow der III. Weg.
Ein paar Parteifunktionäre verteilten dort ihre Hetz-Propaganda.

Fotos:
https://flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157671510718710