REPRESSION IN GRIECHENLAND: VERHAFTUNGEN BEI RÄUMUNG VON REFUGEE SQUATS IN THESSALONIKI
Am Mittwoch, 27. Juli 2016 wurden in Thessaloniki anarchistische Hausprojekte geräumt. In der nordgriechischen Hafenstadt drangen in den frühen Morgenstunden Polizeikräfte gewaltvoll in das Nikis-Squat, in das Orfanotrofeio und in das im Rahmen des No Border Camps neu besetzte Hurriya-Squat ein. Die dort untergebrachten Refugees wurden zu Militärcamps bzw. in ein Abschiebeknast gebracht, die anwesenden Aktivist*Innen wurden mehr als 30 Stunden in einer Tiefgarage eingepfercht, ohne dass sie Zugang zu Nahrungsmitteln gehabt hätten. Unter ihnen befanden sich auch je ein*e Genoss*In aus Kiel und aus Osnabrück. Die Aktivist*Innen aus dem Nikis-Squat wurden bereits wegen „Störung öffentlicher Ordnung“ und Sachbeschädigung angeklagt, in dem folgenden Schnellprozess wurden jedoch nur die Genoss*Innen aus Thessaloniki zu Bewährung bzw. zu Geldstrafen verurteilt. Die Verhandlungen gegen die Aktivist*Innen aus dem Orfanotrofeio wurden auf den 03. August, der Hurriya-Prozess auf den 5. August vertagt, genau wie der Prozess gegen die beiden norddeutschen Genoss*Innen.
Die SYRIZA-Regierung in Griechenland setzt damit ihre Repressionspolitik der Räumungen der Protestcamps in Idomeni, Polikastro und anderer Orte fort. Griechenland als Ausführungsorgan der EU-Politik versucht durch hartes Eingreifen Kontrolle zu suggerieren und die Solidaritätsbewegung und gemeinsame Organisierung von Refugees und Unterstützer*innen zu zerschlagen. Nicht nur Griechenland, sondern die gesamte EU lässt Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen in den Camps, so dass manche sogar regelrecht verrecken. Nur einen Tag nach der Räumung der Squats in Thessaloniki verstarb nur wenige Kilometer entfernt, im Softext-Militärcamp, eine 17jährige Schwangere aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung. Menschen werden in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, diskriminiert, illegalisiert und entwürdigt. In einer Stellungnahme des No Border Camps heißt es dazu: „Greece has been ground zero in Europe’s efforts to halt irregular migration for several years. At the same time, the country’s economic crisis has exasperated social divisions leading to increasing violence and hostility directed at foreigners. With massive financial and operational assistance provided by the European Union, Greece has confronted migratory pressures by emphasizing interdiction, detention, and removal, to the detriment of the protection of vulnerable migrants and asylum seekers. Conditions at its detention centres are regarded as among the worst in Europe.“
Um
den herrschenden Zuständen sozialrevolutionäre Alternativen
entgegenzustellen, kämpfen in Griechenland Genoss*Innen für Freiräume
und besetzen leerstehende Gebäude. In die Selbstverwaltung der Squats
sind vielerorts Refugees eingebunden, die hier teilweise auch wohnen,
sich organisieren, … Das Hurriya-Squat wurde erst kürzlich im Rahmen des
No Border Camps zusammen von Refugees und Aktivist*Innen besetzt. Hier
vereinen sich antirassistische Kämpfe mit antikapitalistischem
Häuserkampf usw., weshalb die Repressionsorgane nun mit aller Härte
zuschlagen: Da außerdem die Räumungen der Besetzungen in Thessaloniki
zeitlich parallel durchgeführt wurden und der Abriss des Orfanotrofeio
unmittelbar erfolgte, ist davon auszugehen, dass dieser Auftakt einer
Repressionswelle bereits länger geplant war. Das No Border Camp,
Demonstrationen und Aktionen in Thessaloniki werden von staatlicher
Seite nun als Legitimation des Vorgehens herangezogen, was jedoch nicht
darüber hinwegtäuschen sollte, dass die Refugee-Selbstorganisation und
solidarische Bewegung dem griechischen Staat und der EU schon lange ein
Dorn im Auge sind. Nach dem EU-Türkei-Deal, der Schließung der
Balkanroute und der Kriminalisierung von Refugees und
Unterstützer*innen, ist die neue Repressionswelle ein weiterer Schritt
zur Erlangung der Kontrolle und Abwehr der Fluchtbewegungen und
Verhinderung solidarischer Unterstützung und Selbstorganisation. Nachdem
zeitgleich am Mittwoch auch das Camp im Hafen von Piräus bei Athen
geräumt wurde, hat der Bürgermeister von Athen angekündigt, die
selbstorganisierten Hausbesetzungen von, für und mit Refugees in Athen
ebenfalls räumen zu wollen.
Auch wenn ein Großteil der
angeklagten Aktivist*innen zunächst frei ist, sind die Repressionen
gegen die griechische antirassistische Bewegung noch lange nicht
Geschichte. In Thessaloniki werden neue Häuser für Wohnraum und
Selbstorganisation sowie finanzielle Unterstützung für Anwält*innen und
Prozesskosten benötigt und der politische Druck muss aufrechterhalten
werden, um weitere Räumungen in Griechenland zu verhindern.
Zeigt
euch solidarisch! Demonstriert, startet Aktionen, folgt den
erfolgreichen Beispielen aus Griechenland und anderswo und besetzt
gemeinsam Häuser! Unterstützt Menschen auf der Flucht auf jede Art und
Weise und leistet so aktiv Widerstand gegen menschenfeindliche Politik
und Repressionen.
Our passion for freedom is stronger than their prison!
Um unsere Solidarität mit den Aktivist*innen zu zeigen, wollen wir unseren Protest auch in Deutschland auf die Straße tragen:
DIENSTAG, 2. AUGUST 2016
Kundgebung / 12 Uhr / Griechisches Konsulat (Neue ABC-Straße 10) / Hamburg
GEMEINSAME BAHN-ANREISE AUS KIEL:
Treffen 9.40 Uhr an den Fahrkartenautomaten
Abfahrt 9.55 Uhr
Checkt www.facebook.com/nara.kiel und www.antifa-kiel.org um auf dem Laufenden zu bleiben!
RDL Interview mit Aktivisten aus Thessaloniki
Das macht denen Angst, wenn die Leute sich selbst organisieren: Räumungswelle und Neubesetzung bei flüchtlingssolidarischen Projekten in Thessaloniki